Da wir an einem Sonntag starten, können vier Personen mit einer
einzigen Fahrkarte reisen, und das ist dann das Wochenendticket zu 37 €
für Regionalbahnen. Preiswerter geht es ja nun nicht. Vier
Fahrkarten für die Räder kommen natürlich noch dazu.
Nach 9 Uhr geht es vom Braunschweiger Hbf los. Mangels Fahrstuhl zu den
Bahnsteigen fahren wir sozusagen durch die Katakomben des Bahnhofs und
dann eine schräge Rampe hinauf zu unserem Zug. In Magdeburg Buckau
muss man umsteigen. In dem Zug nach Brandenburg, der sich sogar bis
Eisenhüttenstadt an der Oder durchschlängelt, wird das ganze
Abteil von einem energisch telefonierenden Mädchen unterhalten.
Die hat alles drauf, was man von der heutigen Jugend erwartet. Daher
ist es im Abteil mucksmäuschenstill, damit keiner etwas verpasst.
"Ey, Alter, das glaubse nicht, inne Küche klebt der wie ne
Scheißhausfliege an meim Arsch, kannse dir nich vorstelln" - usw.
Trotzdem sind wir gegen 12 Uhr in Brandenburg, wo die Tour
beginnen soll.
Und das tut auch der Regen - beginnen meine ich. Deshalb verzichten wir
auf einen Besuch des Brandenburger Stadtzentrums - man kann ja noch mal
wiederkommen. Stattdessen muss ausgerechnet an meinem Fahrrad ein
Schlauch ausgetauscht werden, weil sich ein Plattfuß
ankündigt. Nachdem das unter den schadenfrohen Augen einiger
herumstehender Taxifahrer erledigt ist, geht es ab in den leichten
Nieselregen, zunächst auf der B1 (Aachen - Königsberg). Nach
kurzer Strecke auf dem begleitenden Radweg kann man nach Gollwitz
abbiegen. Sogleich erblicken wir rechterhand auf einer Wiese einen
dahinstelzenden Storch. Von Gollwitz führt ein weniger
komfortabler Schotterweg zur Havel.
Und nun - oh Wunder - findet man einen frisch geteerten Weg vor, der
auf dem Uferdamm entlang führt (Havel-Radroute). Von dort hat man
immer wieder herrliche Blicke auf die verzweigten Wasserarme der Havel.
Hin und wieder liegt in einem verschwiegenen Winkel ein Boot vor Anker,
die machen Urlaub auf dem Wasser. Man nähert sich so dem
Götzer Berg, 109 m, der
aber auf bequeme Weise umrundet werden kann. Der
Havelradweg enttäuscht einen weiterhin nicht und führt ab dem
Ort Deetz durch urwaldartigen
Auwald. Als der Regen langsam
stärker wird, stoßen wir auf eine Gartenwirtschaft, die
heißt "Havelstübchen".
Man ist sich einig, dass einem hier
eine Soljanka mit Blub gut tun würde. "Bestellen sie schnell,
gleich kommen 30 andere Radfahrer" wird uns mitgeteilt. Doch trotzdem
ist das mit der Soljanka nicht ganz so schnell gegangen, nachdem die 30 anderen begossenen Pudel eingetroffen sind. Nebenbei haben wir
erfahren, dass der schöne Radweg erst vor einem halben Jahr
angelegt worden ist, wovon das nette Havelstübchen profitieren mag.
Nach der willkommenen Rast hat der Regen nachgelassen und hört
bald ganz auf, sodass der Fahrtwind die Klamotten schnell wieder
trocknet. Man umfährt nun im Zickzack ein eingezäuntes
eigenartiges Gelände, da hat man eine Müllkippe
"renaturiert", Königs- und Nachtkerzen (Pioniervegetation)
blühen immerhin schon auf den
Hängen des Müllberges. Damit sind wir an der Fähre
Schmergow angelangt. Wäre
die nicht in Betrieb, hätte man
hier ein Problem, aus diesem abgelegenen Winkel zu der
gegenüberliegenden Stadt Ketzin
zu gelangen. Nun hatten wir uns im
Internet zuvor über diese Angelegenheit informiert, auch am
Sonntag ist der Fährbetrieb gesichert. Für 1 € p.P. werden
wir hinüber geschippert. An Ketzin ist für uns in erster
Linie ein Cafe an der Havelpromenade interessant, wo eine weitere
Labung stattfinden kann.
Das letzte Stück für heute geht es meistens schnurgeradeaus
auf der Landstraße nach Falkenrehde.
Ein Radweg ist gerade im
Bau, der ist zwar schon teilweise benutzbar, aber für dessen
komplette Inanspruchnahme sind
wir noch zu früh gekommen. In Falkenrehde ist das erste Quartier
im Gutshof Havelland per
Internet vorgebucht. Also kommen wir gut unter und veranstalten alsbald
eine Arbeitssitzung im Restaurant des Hauses. Das Tagesangebot ist ein
Matjesgericht, da ist die Speisekarte fast überflüssig.
Wir ermitteln dann die Route für den nächsten Tag.
Außerdem kann man an einem Minicomputer, den Rainer mit sich
führt, per GPS und Wetter online nachvollziehen, wo man sich
befindet und dass man sich den
Regen am Nachmittag nicht nur eingebildet hat.
Mo 14.7. Falkenrehde - Heiligensee
Vor und nach dem Frühstück scheint die Sonne, da geht es
gutgelaunt zu Werke. Wir fahren ein Stück längs durch
Falkenrehde nach Süden, überqueren die Brücke über
den Havelkanal und vertrauen uns in Paaren
einigen Feldwegen an.
Man kann nur auf dem Bürgersteig oder Radweg, falls vorhanden,
fahren. Als die Straße kein Ende zu nehmen scheint, ist doch der
Abzweig zur Fähre erreicht. Die bringt uns nun nach Tegelort, von
wo aus wir mit der Quartiersuche beginnen.
Es gibt einen hübschen Uferweg entlang der Havel. Eine Unterkunft
ergibt sich dann erst in Alt
Heiligensee mit dem Hotel
Restaurant Danneberg am See. Dort werden wir gastfreundlich
aufgenommen. Das Anwesen erstreckt sich bis an die Havel, wo sich ein
Schiffsanleger befindet. Ein hübsches Plätzchen, zur Zeit ist
allerdings touristisch gesehen nicht viel bzw. gar nichts los. Es wird
uns aber mitgeteilt, dass an diesem Abend noch eine Schulabschlussfeier
nebenan stattfinden würde. So ist es auch - aus unserer Sicht ein
"Türkischer Abend", der sehr gepflegt und gesittet verläuft.
Ein Erkundungsgang offenbart, dass Alt Heiligensee, auf einer Landzunge
gelegen, ein altes Angerdorf ist. Eingeschossige Häuser
säumen den Dorfanger, sofern sie nicht durch modernere Bauten
ersetzt sind. Wir sind lediglich auf der Suche nach einer Ansichtskarte
für einen Geburtstagsglückwunsch, aber in den
verfügbaren Geschäften wären sonderbarerweise eher
Rasenmäher, diverse Baumaterialien, Gartenausstattung oder eine
neue Küche leichter zu erstehen gewesen als eine simple
Ansichtskarte.
Ulrike versucht ihr Glück in die andere Richtung wo sich die
Kirche befindet. Dort ist sie dann direkt in eine Hochzeitsgesellschaft
hinein geraten.
Den Abend verbringen wir auf angenehmste Weise speisend im Pferdestall, das ist das
zugehörige Restaurant in einem alten Gebäude. Und Heidi
bekommt auch ihre Ansichtskarte samt Briefmarke - so einfach ist das!
Bei einsetzender Dämmerung sind wir dann abschließend auf
dem Bootssteg versammelt, es herrscht eine romantische Stimmung und
einige Fledermäuse huschen am Abendhimmel herum. Facit des Tages:
"Wir haben alles richtig gemacht!".