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2. Etappe: Klötze - Gardelegen und zurück, 60 km

Die zweite Etappe der Altmarktour findet genau eine Woche später statt, wieder an einem "Brückentag", dem Freitag zwischen Himmelfahrt und Wochenende. Dieses Mal habe ich gut vorgeplant und mir die Bahnverbindung von Salzwedel nach Klötze im Internet ersurft (man nennt das Herumirren im Internet Surfen Da fährt alle zwei Stunden ein Zug, der braucht für die knapp 40 km mehr als eine Dreiviertelstunde. Das ist aber weniger, als wenn man mit dem Fahrrad fahren würde. Der Plan ist also: mit dem Auto nach Klötze, auf dem schnellsten Wege dann nach Gardelegen, von da aus auf dem Rundweg zurück nach Klötze und dann möglichst weiter bis Salzwedel.

Weil wir am Morgen nach dem Vatertag zum Glück nicht verkatert sind, können wir kurz vor acht Uhr starten. Thomas chauffiert heute sein Wohnmobil, da ist hinten ein riesiger Kasten (Eigenbau) dranmontiert, wo die beiden Räder Platz finden. Vorne auf dem Amaturenbrett sind kleine runde Kuhlen, da kann man die Kaffeebecher reinstellen. Das ist auch notwendig, schwankt dieses riesige Gefährt doch mitunter wie ein Schiff.

Von Oebisfelde fahren wir ein schönes Stück durch die sattgrünen Wiesen des Drömling, ich freue mich schon auf die bevorstehende - sicher viel intensivere Radfahrt durch dieses Feuchtgebiet. Dazu wird es heute nicht kommen, soviel kann man schon verraten, weil die Feuchtigkeit von oben uns davon abhalten wird. Der Wetterbericht für den heutigen Tag hat denn auch den "Durchzug eines Regengebietes" angekündigt. Noch herrscht wunderschöner Sonnenschein.

In Klötze wird das Wohnmobil gleich am Bahnhof geparkt. Der stolze Besitzer eines solchen Gefährts ist danach dann immer nicht so schnell abfahrbereit, es ist immer noch was herumzupumpeln. Ich begebe mich zum Bahnsteig, wo ich auf der Abfahrtstafel die Bahnverbindungen bestätigt finde. Dann hält man das Gesicht noch ein wenig in den Sonenschein, bis es sich endlich ausgepumpelt hat und nun losgehen kann.

Wir fahren die schnurgerade Landstraße Richtung Südosten durch die Wälder. Da geht es nicht nur ordentlich bergauf (127 m), sondern uns bläst auch ein kräftiger Wind entgegen. Der sollte eigentlich aus Westen wehen, hat sich aber, um uns zu ärgern, mehr für die südliche Richtung entschieden. Schließlich geht es flott bergab nach Schwiesau. Die (in den Ohren) rauschende Abfahrt muß aber in der Talaue des Bächleins Bäke unterbrochen werden, weil die unterschiedlichen Gelbnuancen von Butterblumen und Rapsfeld zu einem Foto einladen.

Von Schwiesau kann man schnurgeradeaus autofrei auf einem Feldweg Richtung Hellberge fahren, mit 160 m befindet sich hier die höchste Erhebung der Altmark. Erstmal steht man aber vor einer ehemaligen LPG, die mit ihren maroden Gebäuden den Weg versperrt. Sie kann dann rechts umfahren werden. Der weiter Weg ist reine Genußstrecke, zwar geht es weiter ordentlich bergauf und man kommt zuweilen in einem Sandloch ins Schlingern. Dann kreuzen wir den Radrundkurs, der hier natürlich auch durch die Zichtauer Schweiz geführt ist. Aber noch ist es nicht so weit, wir müssen nach Gardelegen, damit es keine weiteren Lücken in unserer Streckenbefahrung gibt.

Wir geraten endlich auf die B71, die kaum mit dem Rad befahrbar wäre, gäbe es nicht einen frisch fertiggestellten Radweg, der einen von dem brausenden Verkehr bewahrt. Neben einem großen Spargelfeld steht eine Verkaufsbude, die Saison hat begonnen. Eine Portion Altmärker Spargel wäre keine schlechte Überraschung zum Muttertag, wir befürchten aber erhebliche Transportschäden. Dafür ruft einer von uns wenig später einem werkelnden Schrebergärtner zu "Die Kartoffeln kommen aber schon gut!" "Die frieren bald wieder weg!" ist die schlagfertige Antwort - die Eisheiligen stehen noch aus. Die sollen, so steht es heute (10.5.) in der Zeitung, in Süddeutschland bis zu 28 Grad Wärme bescheren, die Biergärten rüsten schon auf.

Um beim Bier zu bleiben: in Gardelegen angekommen passieren wir selbstredend erst das Salzwedeler Tor und werfen dann wieder einen neugierigen Blick in den Brauereihof. Mehr aber auch nicht. Aber die Bäckerei von letzter Woche, die liegt auch am Wege. Aus der fast leeren Kaffekanne lassen sich gerade noch zwei Tassen für uns rauswringen, ein Stück Zuckerkuchen dazu rundet das Ganze ab. Nebenbei erfährt man, daß der Bäckereihund am Morgen auf den Teppich geschissen habe, nun habe man Zeitungen drunter gelegt. Solcherlei Dinge werden in Gardelegen über den Bäckertresen hinweg diskutiert.

Kaum auf der Weiterfahrt, verschwindet Thomas im nächsten Kaffeeladen (Eduscho, Tchibo, oder beides?). "Aber wir haben doch gerade..." ist mein Einwand. Eine Tasse Kaffee, das sei zu wenig. Für mich nicht, ich mache ein Foto vom Rathaus, schaue mir ein Bauschild an, bis Thomas nach einigen Minuten, sich die Kuchenkrümel aus dem Mundwinkel wischend, wieder auftaucht.

Wir fahren die kurze Strecke nach Süden, die kennen wir schon, und erreichen den Rundweg, wo wir heute ortskundig richtig abbiegen. Pünktlich zum Beginn der eigentlichen Radtour hat sich die Sonne verzogen, graue Wolken ziehen auf. Der Wind hat sich nun auf seine westliche Komponente besonnen, um uns weiterhin tüchtig entgegen zu blasen. Dafür rollt man auf einer perfekt betonierten doppelseitigen Betontrasse dahin, deren Sinn uns wieder mal nicht klar wird. Wir queren das Flüßchen Milde, rechts zieht ein Graureiher ab, links befindet sich die Hoppenmühle, wo das Wasser über ein Wehr rauscht. An dem Gebäude ist ein Schild mit der Aufstellung der früheren Gebühren für den Brückenzoll angebracht. Heute kommen wir billiger davon.

Nun geht es weiter am Waldrand entlang Richtung Ziepel. Hier hat man wohl reichhaltige Geldzuschüsse in Form von Nistkästen investiert, die so dicht beieinander aufgehängt sind, daß die Bewohner bei der Nahrungssuche sich wohl gehörig in die Quere kommen werden. Viele Kästen haben auch zwei Schlupflöcher, ob Ein- oder Ausgang, oder jedes für einen Partner der Nistgemeinschaft - das erschließt sich uns auch mal wieder nicht.

Kurz vor Weteritz verheddern wir uns zwischen einer neu erbauten Straßenbrücke und der bereits erwähnten ICE-Trasse. Es bleibt nur der weniger attraktive Weg auf dem Bauweg entlang der Bahnschienen, der uns aber zu einer Unterführung zum Bahnhof Solpke und zurück auf den Rundweg bringt. Hier geschieht so manches: wir legen Regenzeug an, ich finde einen Kugelschreiber und im Straßengraben ein demoliertes Markierungsschild des Altmark Rundwanderweges. Das wird auch als Souvernir vereinnahmt, was allerdings nicht dazu animieren soll, ähnliches mit den intakten Schildern zu veranstalten.

Der Regen fällt leicht tröpfelnd und wir fahren jetzt mit Rückenwind auf einer breiten Waldschneise dahin, wo man wohl eine bedeutende Erdgasleitung verlegt hat. In einem besonders schönen Birkenwald wechsele ich den Film. Dann rollen wir durch die Berge, die wir schon von heute Morgen kennen. Es fährt sich hier wirklich wunderschön, auch der Regen hört auf und die Sonne schaut wieder ab und zu nach dem Rechten. Unser Gesprächsthema dreht sich um eine zentrale Datenbank für Altersheime ...

Wir geraten an den Ortsrand von Zichtau, wo es laut Karte eine Kirche geben soll, die wir aber irgendwie wieder verpassen, und uns statt dessen an einer riesigen Feldsteinscheune erfreuen. Ein großer Haufen Lesesteine daselbst veranlaßt uns Steinfreunde zu einer weiteren Diskussion, ob ein professioneller Transfer dieser Steine in steinärmere Gegenden für Gartenteiche und dgl. Eine profitable Einnahmequelle sei.

Auf dem weiteren Weg haben wir es mit einer gewissen Käferart zu tun, aber trotz holder Maienzeit handelt es sich nicht um den Maikäfer. In der Altmark wird dem Pferdesport eine besondere Aufmerksam zuteil, das erkennt man auch an den regelmäßig auftretenden Relikten auf dem Weg. Und da haben sich ganze Klumpen des gemeinen Mistkäfers dieses Nahrungsmittels angenommen. Wir müssen sorgsam um diese Quellen der Glückseligkeit herumkurven, um keinen Schaden anzurichten. Dennoch liegen viele Käfer herum, die das Ableben ereilt hat, vielleicht wegen Überfressens oder Altersschwäche. Als wir irgendwann den Kopf heben, sind wir wieder in Klötze angelangt.

Wir stellen fest, daß Klötze im wesentlichen aus drei Parallelstraßen besteht. Die Kirche wird renoviert, das Gerüst steht noch. Das Mauerwerk sieht eher künstlich aus, so gründlich hat man es verschönt. Wir finden uns wieder am Bahnhof ein, das Wohnmobil steht noch an seinem Platz. Dafür läßt sich der Autoschlüssel nicht auffinden. Der muß beim Anziehen der Regensachen aus der Tasche gefallen sein. Es ist genau 15.06 Uhr, was man daran erkennt, daß ein kregler graugrüner Triebwagen gerade im Bahnhof einläuft. Ein Mädchen steht wartend da, aber als der Triebwagen wieder abfährt, steht sie immer noch da, die Welt hat sich für sie nicht verändert.

Schließlich klärt sich auch Thomas' Miene auf, als er das Schlüsselbund doch noch in einer seiner Jacken findet. Wir setzen uns erstmal auf eine Kaffee vor das Amaturenbrett. Wie soll der weitere Tag verlaufen. Das Wetter ist zweifelhaft, wir sind etwas durchgefroren. Auf dem weiteren Weg wartet als Bonbon der Drömling. Dem werden wir heute nicht mehr zu nahe treten, sind wir doch mit dem Verlauf der heutigen Tour sehr zufrieden. Der eine von uns, der gern Auto fährt - besonders Wohnmobil - verfällt dann auch auf den ausgefallenen Vorschlag, die 37 km nach Salzwedel zu fahren und sich dort ordentlich umzusehen.

Eigentlich steht das ja eher auf dem Radfahrprogramm. Ich wiederhole mal wieder eine schon anderswo beschriebene Erfahrung: ist man mit dem Rad unterwegs, ist man meistens zu ungeduldig für eine längere Ortsbesichtigung. Fährt man dagegen mit dem Auto irgendwo hin, nimmt man sich vor, mit dem Fahrrad wiederzukommen, um alles genauer kennenzulernen. Aus beidem wird dann meistens nichts.

So ist es bislang auch mit dem sehenswerten Ort Salzwedel. Dort sind wir schon mehrmals mit dem Auto durchgefahren und haben nichts gesehen. Und heute bin ich nur Kopilot: Vorschlag angenommen. Also dieseln wir über die Landstraße und die B248, lassen sogar einen der kreglen graugrünen Triebwagen auf der parallelen Bahnstrecke hinter uns. Wir erreichen Salzwedel durch das ehemals Neue Tor und veranstalten eine Rundfahrt durch alle befahrbaren Straßen des Städtchens.

Bei einer Festhalle ist einiges los und ein Polizist, der aussieht, als habe er nach der Wende nur die Uniform gewechselt, gebietet uns Halt, bis die in Trachten gekleideten Insassen eines vor uns stehenden Busses ausgestiegen sind. Außerdem laufen eine Menge Uniformierte herum, aber welche der friedlichen Art, in Lodengrün oder farbenfohem Rot und Blau. Nachdem wir dann endlich einen Parkplatz angelaufen haben, fragen wir vor der Mönchskirche mit angebautem Rathaus eine hübsche junge Frau (mit Kind) nach dem Anlaß des Trubels. "Hier ist Schützenfest, da drüben wird gerade der Bürgermeister abgeholt". Schon ist die Kamera gezückt und wir sind dabei.

Wie haben wir das nun wieder getimed - inmitten von vielleicht 10 anderen Salzwedeler Zivilisten, mehr haben sich wohl nicht interessiert, machen wir das wett durch eifriges Fotografieren, womöglich wird man für einen wichtigen Reporter gehalten? Da wird mit markigen Kommandos zuerst der Fahnenauszug veranlaßt. Dann erscheint, flankiert von zwei Zylinderträgern ein etwas verschüchtert wirkendes graumeliertes Männlein, das ist der Bürgermeister. "Da würde sich unser Bundeskanzler aber freuen, da hat man doch voll auf die Linie der bundesdeutschen Vereinsmichelei eingeschwenkt". "Ein blühendes Land" sage ich. Eine Zivilistin dreht sich schmunzelnd nach uns um, als der Zug nun mit Musike auf seinen Marsch einschwenkt. Ein paar schöne Damen rollen in einem BMW-Kabrio hinterher.

Wir machen uns auf die weitere Besichtigungstour. Neben der Kirche unterquert ein Fluß die Häuser, normalerweise sagt man Klein Venedig zu sowas - jedenfalls in dem uns bekannteren Ort Wolfenbüttel bei Braunschweig. Hier in Salzwedel heißt der Canale Grande Jeetze. Der Bürgermeister von Salzwedel hat jedenfalls keinen Grund, verschüchtert zu sein, ist das sicher auch gar nicht, denn man hat in diesem Ort manches in Arbeit. Doch viele Geschäftsräume in den alten Häusern stehen dennoch ungenutzt da, wie rechnet sich Mietpreis gegen Gewinn? Woher kommt die Käuferschar? Der Tourismus allein kann es auch nicht bringen.

In der Fußgängerzone geraten wir in einen Tchibo Kaffeeladen, aber ich kann nicht schon wieder (Kaffeetrinken). Aber ich erstehe ein Brillenetui für den Muttertag, Thomas eine Fahrradtasche - nicht für den Muttertag: "das wäre dann doch zu durchsichtig". Nachdem wir die beiden hübschen Bedienungen ordentlich vollgelabert haben, finden wir nach einiger Mühe das Wohnmobil wieder und es geht nun auf die Heimfahrt.

Anscheinend ist das im Wetterbericht erwähnte Regengebiet nun eingetroffen. Als wir in Brome einfahren, wo unser anderer Thomas sein Haus restauriert, schüttet es aus Kübeln. Wir biegen Richtung Burg und Heimatmuseum Brome ab, dort soll das Anwesen zu finden sein. Es ist auch gleich zu finden, handelt es sich doch um das letzte Haus vor der Burg. Da wir mit einem Wohnmobil angereist sind, verfügen wir auch über einen Regenschirm und machen uns auf die Suche nach Thomas, dem Bauherrn. Nachdem wir seine Gattin Inka und seinen Sohn begrüßt haben, finden wir auch ihn selbst, mit dem Kopf in einem Loch steckend, wo er das Hausfundament erneuert. "Suchst Du nach einem vergrabenen Schatz?" Warum keiner lacht, begreifen wir wenig später, als man uns das Haus zeigt. Was da noch an Arbeit zu leisten ist, entzieht sich dem momentanen Vorstellungsvermögen.

Aber das alte Fachwerkhaus mit angrenzender Scheune ist wunderschön. Noch schöner das dazugehörige Wiesengelände bis hinunter zum Flüßchen Ohre. Unsere beiden Bauschaffenden sind etwas in Eile, Inka muß zum Lehmseminar, wo man den fachgerechten Umgang mit Lehmmischungen für die Ausfachung zwischen Stielen und Schwellen vermittelt.

Unser Tagewerk ist damit auch getan, wir rauschen heimwärts, nun wieder im schönsten Sonnenschein. Marianne, die die Fahrradtasche zum Muttertag nicht bekommen wird, ist von einem Seminar in Frankfurt gerade nach Hause gekommen. Heidi, die das Brillenetui kriegen wird, ist noch nicht da (19.30), kommt aber dann windzerzaust mit dem Fahrrad von ihrer Arbeit zurück. Bald überwiegen wieder die Alltagssorgen.

Und die Altmark: sie wird uns auch nicht so bald wiedersehen - oder wir sie nicht. Wir fliegen erstmal nach Kreta, eine Woche nach Muttertag. Was mich betrifft, gerne würde ich die Altmark weiter erkunden, aber auf Kreta freuen wir uns auch.


Etappe 3
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