Radtour auf dem Aller-Radweg von Bremen nach Magdeburg
1.-8.8. 2009  357 km

Planung

"Der Sommer zu Hause ist zu lang" - sagt Heidi. Unser Freund Terje aus Norwegen schickt eine Email mit dem Betreff "Fehlende Radtour". Da muss man sich wohl was einfallen lassen. Und das ist gar nicht so einfach, denn bei uns muss eine Radtour mittlerweile ohne Berge, möglichst mit Rückenwind, bei gutem Wetter und nicht so weit von zu Hause stattfinden. Aber wir wohnen am Rand der Norddeutschen Tiefebene, die ja bekanntlich flach genug ist, sollte man meinen. Die Fahrtrichtung müsste bei vorherrschenden Windrichtungen von Westen nach Osten verlaufen. Und für die erste Augustwoche ist gutes Wetter angesagt.

Also werden wir an der Aller entlang fahren, wo man seit einigen Jahren einen Radweg eingerichtet hat. Zudem gibt es in der bewährten bikeline Reihe das Büchlein: "Aller-Radweg, von Bremen nach Magdeburg". Also dann machen wir das mal so!

Nach Bremen gelangt man leicht mit der Bahn und dem Niedersachsen Ticket. Das kann man per Internet bestellen und es wird in zwei Tagen per Post zugesandt. Ebenso bucht man für alle Fälle die erste übernachtung in Verden an der Aller, und zwar im "Verdener Hof".

Samstag, 1.8., Bremen - Verden 48 km

Unser Zug nach Bremen, umsteigen in Hannover, fährt 8.20 Uhr. Damit wir uns noch die nötigen Fahrradfahrkarten besorgen können, fahren wir rechtzeitig in Richtung Hauptbahnhof los. Als wir dort ankommen, wird der Fahrkartenschalter gerade erst geöffnet und es hat sich eine lange Warteschlange aufgebaut. Da wird das nichts mit den Fahrradkarten, die kann man vielleicht dann auch im Zug nachlösen. Bis Hannover, wo wir auf dem gleichen Bahnsteig umsteigen können, ist aber noch keine Schaffnerkontrolle erfolgt. So ist es auch im Zug nach Bremen, wo wir immer unruhiger werden, denn so gegen Schluss der Fahrt hat man keine Lust mehr, die Karten nachzulösen. Der Zug hält auch in Verden, hier aussteigen, und den ersten Fahrradtag hätte man schon geschafft? Lassen wir lieber! Der Schaffner zeigt sich dann auch bis Bremen nicht, und so können wir uns dort schon mal die Hände reiben: 9 Euro gespart.

Nun schaut man auf dem Bahnhofsvorplatz erst mal ins Getümmel, bis man sich auf den Weg in die Innenstadt macht, wo man - wie es sich gehört - zu Füssen des Rolands landet. Der ist umlagert von fotografierenden Touristen aus Fernost und anderswo. Schliesslich kann man auch selber ein Foto machen, damit man sich besser erinnert, wo man gestartet ist. Den übrigen Reizen der Stadt Bremen erliegen wir nicht, es zieht einen in die ruhigeren Gefilde, die wir nach überqueren der Weser auf der  Wilhelm Kaisen Brücke dann auch an den Ufern des Werdersees erreichen. Haubentaucherfamilien weisen uns den Weg: immer am Wasser lang. Und man glaubt gar nicht, wie viele Leute hier auf dem Rad unterwegs sind, da muss man richtig aufpassen, dass man nicht abgehängt wird, gelingt aber meistens nicht.

So hat man die Stadt Bremen schnell auf angenehmen Wegen hinter sich gebracht. Links zeigt sich noch das Weser-Stadion mit Tribünen und Flutlichtmasten, wo wir per Fernsehen wohl schon so manches mal zu Gast waren, wenn Werder Bremen sich da abmühte. Deutscher Meister im Fussball ist aber in diesem Jahr der VFL Wolfsburg, mal sehen, ob wir da auch noch in die Gegend kommen.

Wie man sich denken kann, befinden wir uns zunächst auf dem Weser-Radweg. Nachdem die Aussenbezirke von Bremen hinter uns liegen, erreicht man den grösseren Ort Thedinghausen. Hier gibt es sogar einen Penny-Supermarkt. So kann man sich mit den Getränken versorgen. Die Fahrt verläuft noch nicht ganz wunschgemäss, was die Windrichtung betrifft. Der Wind kommt genau von vorn!


Es soll nun in Richtung des Ortes Achim gehen, wo auch die Weser per Brücke wieder überquert werden wird. Doch für uns kommt es anders. Irgendwie sind wir auf einen Feldweg geraten, wo uns ein wunderschöner Wegweiser die weitere Richtung anzeigt, nur leider liegt der in der Horizontalen auf der Erde. Hätte man fotografieren müssen. Mit schiefem Kopf kann man nun versuchen, welche Richtungen gemeint sein könnten. Das Symbol einer Fähre ist auch zu erkennen, so entscheiden wir uns, in den Genuss einer Fährüberquerung zu kommen, und fahren in die Richtung, die am weitesten geradeaus führt. Und die ist sogar genau die richtige. An der nächsten Anzeigetafel ist zu lesen, dass die vermeintliche Fähre nur am Wochenende in Betrieb sei. Heute ist Samstag, also gilt das doch wohl als Wochenende?

Und dann endlich erreichen wir den Weserdeich, ein Blick auf den Fluss, und da fährt sie ja, die Fähre. Sogar vollbesetzt, weil von der gegenüberliegenden Seite Unmengen von Radlern an Bord sind, und andere warten noch. Gentsiet - nennt sich die Fähre, und wir geniessen die überfahrt und die unverhoffte überraschung. Nur wissen wir inzwischen überhaupt nicht mehr, wo wir uns befinden. Da gibt es eine Ansiedlung die nennt sich Grinden. Einer Dame werden wir ansichtig, die sammelt gerade mit einer Schaufel Kuhfladen auf der Wiese auf, was immer sie damit vorhaben mag. Sollten wir nun hinüberrufen: Sind wir hier in Grinden? Nein wir lassen sie lieber ungestört bei ihren Kuhfladen und finden uns nahe einem Ort namens Hagen wieder, um dann bald an der Schleuse Langwedel Rast zu machen.

Hier werden 5m Höhenunterschied geschleust, und dafür hat man extra einen 8 km langen sog. Schleusenkanal gebaut. Damit sind wir wieder auf dem offiziellen Weserradweg angelangt.

Weiter geht es gegen den Wind und so erreicht man bald die Aussenbezirke der Stadt Verden. Dort befinden sich der Sachsenhain und eine Storchenstation zur Pflege kranker oder verletzter Störche. Im Sachsenhain hat man 4500 Findlinge aufgestellt zur Erinnerung an die angebliche Enthauptung von 4500 heidnischen Sachsen unter Karl dem Grossen. Diese "völkische" Idee mit den Findlingen hatten allerdings die Nationalsozialisten im Jahre 1935.

Unser Hotel Verdener Hof liegt nun vielversprechend in der "Nassen Strasse". Wenn man Passanten nach dieser Strasse befragt, herrscht nur Ratlosigkeit. Ein kleiner Junge verrät uns "Wir gehen jetzt nach Helga". Das hilft uns nicht unbedingt weiter. Um die nächste Ecke, und dann stehen wir doch unversehens vor dem Hotel. Grosse Erleichterung, denn die Fahrt gleich zu Anfang und mit dem Gegenwind war doch anstrengend.

Nach einem erfrischenden Weizenbier begeben wir uns zum Stadtzentrum, Rathaus, Dom und so. Dort tummeln sich die Dohlen. Auffallend viele italienische Restaurants und Eiscafes gibt es hier, die nennen sich meistens Bistro. Wir speisen aber in unserem Hotel, wo man draussen sitzen kann. Es gibt Schweinerückensteak und Medallions, und das schmeckt zusammen mit ein paar weiteren Bierchen. Gegenüber befindet sich ein Schlafbaum für Krähen, die sich nach und nach einfinden, bis auch wir uns zurückziehen.

Sonntag, 2.8., Verden - Schwarmstedt 55 km

Heute morgen müssen wir zunächst die Aller überqueren, wo die Brücke gerade erneuert wird. Zum Glück gibt es eine Behelfsbrücke. Hier hat man einen schönen Blick auf die Kulisse der Stadt, die von dem klotzigen Dom beherrscht wird. Dann fangen wir an zu mogeln, indem wir nicht dem offiziellen Radweg durch die Felder folgen, sondern auf der Landstrasse bis zu dem Ort Barnstedt abkürzen. Nun geht es wirklich malerisch an der Aller entlang bis zu den Orten Westen und Hülsen. Ab hier fährt man eine ganze Weile angenehm und windgeschützt auf einer ehemaligen Bahntrasse. Ein grösserer Ort ist dann Rethem. Dort stehen die Reste einer Bockwindmühle von 1594. Noch ist die Mühle ohne Flügel, bis man mit den Restaurierungsarbeiten so weit ist

Immer schön an der Aller entlang - inzwischen bei schwächerem Wind - gelangen wir schliesslich nach Ahlden, wo man sich eine Rast verdient hat. Zu Füssen des alten Spritzenhauses lassen wir uns nieder. Man wird sogar mit Musik aus einer nahen Garage oder Scheune berieselt: "Deine Spuren im Sand..." oder "Ein Schiff wird kommen..." (in Ahlden an der Aller). Unsere Trinkvorräte gehen zur Neige und nebenan ist ein Laden. Aber der hat zu und es gibt dort auch nur Tischlereierzeugnisse, oder eine Beerdigung könnte man buchen. Am Haus befindet sich ein Bildschirm, auf dem man life das Leben in einem Storchennest verfolgen kann. Die Kamera ist oben am Spritzenhaus angebracht, das Nest thront auf einem nahen Schornstein. Auch die Geschichte dieses Nestes ist dokumentiert, wie viele Jungstörche es in welchem Jahr gab, oder wann ein Sturm das Nest heruntergefegt und damit die Brut zerstört hat. Ein Dorfbewohner macht uns wenig Hoffnung, dass man hier - zumal am Sonntag - irgendwo etwas trinkbares einkaufen könnte

Da hat der sich geirrt. Kurz hinter Ahlden geraten wir an eine Art Gartenwirtschaft, die nennt sich Blaubeerland. Dort kann man Blaubeeren und alle möglichen daraus hergestellten Erzeugnisse erwerben. Natürlich setzt man sich mit einem Schälchen Blaubeeren gleich an den nächsten Tisch. Uns wird erzählt, dass 80% der weltweit produzierten Blaubeeren aus dieser Region stammen. Schmecken tun sie natürlich toll. Auch zwei Fläschchen Mineralwasser sind im Angebot. Natürlich erkundigen wir uns auch nach einer übernachtungsmöglichkeit auf dem weiteren Weg. Da gebe es das Leine-Hotel in Schwarmstedt, wo man gut übernachten und noch besser speisen könne. Na dann mal los

Nun schon an dem Fluss Leine entlang, die wir aus Göttingen, Alfeld oder Hannover kennen, kommen wir an die Bothmer Mühle von 1832, die man wieder funktionstüchtig restauriert hat. Gegenüber liegt das Hotel Schloss Bothmer, wo der Preis für eine übernachtung eine Kategorie höher liegen mag. Durch den Ort Bothmer hindurch sind wir dann auch schon in Schwarmstedt, wo "hinter dem Friedhof rechts" das Hotel liegt. Heidi macht mich darauf aufmerksam, dass wir gerade an besagtem Friedhof entlang fahren. "Danke" sage ich

An dem Hotel fahren wir zunächst vorbei, weil das seinen Namen geändert hat und nun "Tepe's Gasthof" heisst. Es ist gerade kurz nach 15 Uhr und das Hotel öffnet erst um 17 Uhr. Es gibt aber eine Telefonnummer, und es stellt sich heraus, dass der Chef sich gerade hinter dem Haus befindet und uns sogleich ein Zimmer zuweisen kann. Da sind wir wieder froh. Nach der erfrischenden Dusche wandeln wir ein wenig in der Gegend herum, kommen aber nur bis zu einer Bank in den Feuchtwiesen. Eine schöne Teichrose und die Blüte einer Seerose lassen sich bereitwillig fotografieren.

Nach 17 Uhr finden wir uns pünktlich im Biergarten ein, der sich dann auch schnell füllt. Zum Essen gibt es Holsteiner Schnitzel und Geschnetzeltes und wir geniessen den ausklingenden Tag


Kapitel 2
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