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Freitag

Heute ist Markttag in Alanya. Als eigentlich bereits Ortskundige benötigen wir wohl bald eine Stunde, um die Gegend zu finden, wo der Markt stattfindet. Es ist eben nicht in der Nähe des Hafens, wie es im Reiseführer steht, sondern jenseits der Hauptstraße in einem sonst weniger belebten Teil der Stadt. Aber dann stürzen wir uns doch in das Getümmel, das sich nicht wesentlich von dem in Manavgat unterscheidet. An einem Stand werden abgehäutete Ziegenköpfe verkauft, die sehen mit ihren gebleckten Zähnen grausig aus. Einen Fischstand gibt es auch. Ferner übt in einer Markthalle ein mobiler Schuster sein Handwerk aus. Darauf werden wir noch zurück kommen.

Als wir dem Markt schon den Rücken gekehrt haben, steigen an der Hauptstraße ein paar Leutchen mit Waren aus einem Bus. Als letztes ein altes Hutzelweibchen mit zwei unförmigen Säcken voller Handtücher und Waschlappen. Den einen Sack bindet sie sich umständlich mit Schnüren auf den Rücken. Nun bittet sie einen Passanten, ihr den zweiten Sack oben drauf zu hieven. Der Passant ignoriert das Ganze. Da ich mit staunender Miene direkt daneben stehe, kann ich schnell reagieren, das kann man ja nicht mit ansehen. Durch Gesten wird der Frau klar gemacht, daß ich ihr den zweiten Sack zu ihrem Ziel hin tragen will. Das nimmt sie auch freudig an und rast los, daß man ihr kaum folgen kann. Das wäre ja das Schlimmste, man verliert den Anschluß und steht nachher als Dieb da. Werden einem da nicht hierzulande die Hände abgehackt?

Es geht aber gut und wir erreichen ein anderes Textilgeschäft, wo die Ware abgeliefert wird. Mit Dankesworten, die wir nicht verstehen, werden wir entlassen. Aber das war doch wieder eine nette Episode, wie wir finden. Auf dem Rückweg treffen wir nun prompt eine Bekannte aus dem Nachbardorf Timmerlah. "Die Welt ist klein" sagt man dann ja immer - obwohl das nicht richtig ist, denn unsere ganzen anderen Bekannten treffen wir nicht

Als wir zum Hotel hinauf steigen, reißt an Heidis Sandale der Riemen. Zum Glück ist es nicht mehr weit zum Pool, wo wir heute zwischen lauter Engländer zu liegen kommen. Ein Kind namens Brooklyn kriegt des öfteren zu hören "Take care of the people" und wir lächeln für Europa.

Der Abendgang hat zwei Aufgaben: neue Sandalen kaufen, und ein Kemalbuch erwerben. Wir suchen uns bewußt ein Geschäft aus, wo man nicht angemacht wird, und kaufen dort die Sandalen. Dann suchen wir einige Zeit in dem Straßengewirr nach dem Buchladen, dessen Lage wir uns nur grob gemerkt hatten. Endlich finden wir ihn. Ich denke mal, wenn man schon mal hier ist, sollt man seinen Kemal auch hier lesen, auch wenn er etwas teurer ist. Wir wählen das Lied der tausend Stiere über den Untergang der turkmenischen Nomaden. Geografisch verhält es sich so, daß der Ort der Handlung noch einmal ca. 500 km weiter östlich von hier liegt, aber das tut der Phantasie keinen Abbruch.

Beim Abendessen werden wir in eine Transaktion verwickelt. Der Chefober, kenntlich durch eine etwas zu groß geratenene Perücke, kommt mit einem Beutel deutscher Münzen an. Das seien 80.- DM, Trinkgeld von Zimmermädchen, ob wir die in Scheine tauschen würden. Gut für die Zimmermädchen machen wir das gerne, weil's gerade so paßt, kriegt er noch 10 DM drauf, da haben wir unseren Anteil gleich mitgeleistet. So glauben wir wenigstens.

Heute abend sind die Berge das erste mal klar zu sehen.

Sonnabend

Wer will raten, wo wir heute hin marschieren. Ist doch klar, zu unserem mobilen Schuster in der Markthalle, um die defekten Sandalen reparieren zu lassen. Tatsächlich finden wir den Schuster, den wir erst vom Zeitungslesen aufschrecken müssen. "Gibt Arbeit" sagen wir, das versteht er natürlich und legt Zeitung und Zigarette weg. Nun leimt und näht er drauf los. Nicht nur die defekten Teile, sondern auch die weiteren Schwachstellen werden einer Inspektion unterzogen. Wir sitzen wie die Hühner auf der Stange auf einem Brett und schauen zu. Bald stehen noch weitere Zaungäste herum und es wird einigermaßen lebendig um uns her.

Nach so 15 Minuten sind die Schuhe fertig. "2 Jahre Garantie" sagt er. Dann runden wir das Entgeld für die Reparatur nach oben auf und verabschieden uns von ihm und allen Umstehenden mit Handschlag.

Wir wollen heute eine Bootsfahrt unternehmen, um den Felssporn, auf dem die Burg steht, auch von der Seeseite her kennen zu lernen. Dazu sucht man sich ein Boot für eine Stunde aus, es kostet 10.- DM. Schwierig ist allerdings wieder, sich eines auszusuchen. Sofort begleiten einen die Anbieter und lassen einen nicht wieder aus den Fängen. Wir wählen schließlich ein Boot, auf dem bereits einige Touristen sitzen. Es kann einem ja passieren, daß man ewig auf dem Boot sitzen bleibt, weil es nicht voll wird. Diesmal geht es aber nach 15 Minuten los.

Man passiert zuerst die unterirdischen Hallen der mittelalterlichen Bootswerft. Der militärische Sinn dieser Einrichtung ist uns nicht ganz klar, denn sie sind eher auffällig und fallen einem potentiellen Feind eher ins Auge, als irgend eine versteckte Bucht. Ich habe nun auch gleich Probleme, mich auf derlei Gedanken zu konzentrieren, hat sich doch ein Einheimischer neben mich gesetzt. Er spricht gut Deutsch, weil er einige Zeit in Krefeld- Ürdingen verbracht hat. Nun erzählt er seine ganze Lebensgeschichte, von seiner Tochter in Deutschland, seiner geschiedenen Frau, daß er katholisch sei, daß die ganze Bürokratie viel Geld verschlinge usw. Er arbeite gerade als Dolmetscher in den Hotels.

Inzwischen sind wir schon um die Landspitze herum gefahren und entdecken, daß hinter der Burgmauer der Berg seeseitig praktisch senkrecht abbricht. Tief unten liegt die Piratenhöhle. Dort sollen früher die Beutegüter gelagert worden sein, zu denen auch entführte Mädchen gehört haben sollen. Ein wenig weiter hört sich das schon weniger schaurig an, dort liegt die Liebeshöhle. Ein Besatzungsmitglied des Bootes köppert nun von Bord und ist nach wenigen Schwimmzügen an der Höhle. Er klettert hinauf zum Eingang und verschwindet dort. Das Boot nimmt wieder Fahrt auf. Nun kann man messerscharf kombinieren, daß der junge Mann auf der anderen Seite des Felssporns wieder zum Vorschein kommen wird.

Vorher sind auf der Landspitze Cilvarda die Reste eines byzantinischen Klosters zu sehen. Früher gab es einen in die Felsen gehauenen Weg dorthin, der ist heute zerstört. Nun biegen wir um die Landspitze herum und laufen den Ausgang der Liebeshöhle an. Der junge Mann wartet schon und springt nach Art der Todesspringer von Acapulco von einem 10 m hohen Absatz ins Meer.

Wenig weiter ist die Phosphorhöhle, in die das Boot sogar ein wenig hineinfahren kann. Der Name rührt von der Farbe des Wassers her, besonders am Nachmittag, wenn das ganze in Sonnenlicht getaucht ist. Hoch oben der Menschenabwurf, an den Gittern gruseln sich gerade wieder welche.

Bald kehrt das Boot um und man ist pünktlich zurück. Wir haben sicher eine der schönsten Bootsfahrten erlebt, die man innerhalb einer Stunde machen kann.

Bei dem heute schönen Wetter vergeht die Zeit bei allerlei Geschwätz am Pool auch nicht schlecht.

Am Abend treffen wir unvermittelt auf der Straßen unseren Chefober mit der Perücke. Der zieht sogleich eine Plastiktasche hervor. Heute hat er 120.- DM in Münzen dabei. "Von Bruder in Geschäft" sagt er. Aber nicht noch mal mit uns, denken wir. Was soll man bei der Zollabfertigung sagen, wenn man säckeweise Markstücke mit sich herumträgt. Wir versichern also nicht ganz wahrheitsgemäß, daß wir nur noch Schecks hätten. "Ist ja nur für Bekannten" sagt er nun, vorhin war's noch sein Bruder.

Später beim Abendbrot sehe ich, wie unser Freund verstohlen einen Hundertmarkschein wegsteckt, da hat er wohl einen anderen Devisentauscher gefunden.

Heute ist Sonnabend, da trinkt wohl manch einer gern einen über den Durst. Wir zwar nicht, wir schlafen schon tief. Genau um Mitternacht schrecken wir auf, da erhebt sich eine dozierend skandierende Frauenstimme im Nachbarzimmer, mit dem wir ja auf so innige Weise durch die gemeinsame Badezimmerakustik verbunden sind. Wir wollen uns ja nun nicht als Spanner aufführen, können aber leider nichts daran ändern, daß jedes Wort zu verstehen ist. Es spielt sich alles in schönem Mainzer Dialekt ab, wobei der Mann aber nur ein gelegentliches Brummeln von sich gibt. Die Publikumsbeschimpfung enthält u.a. das abgewandelte Götzzitat: "Du kannst mich mol von hinne un von vonne". Es folgt die Verheißung: "Ich will von Dir nix mehr hörn und du wirschd von mir nix mehr hörn". Dem ist zunächst aber nicht so.

Nach einiger Zeit erfolgt ein hysterisches Lachen, das wir als Abschluß eines erfolgreichen Liebesvorspiels werten. Dann können wir wieder einschlafen. Pünktlich um 2.30 Uhr geht das Ganze wieder los. Heidi ist in solchen Situationen die Resolutere und bummert den Nachbarn dreimal an die Zimmertür. Danach ist Ruhe.



Mittlere Burg und mittelalterliche Werft