4. Tag, Sonntag

Heute wird um 6.30 geweckt und das Assuan-Standardprogramm abgewickelt. Da geht es zunächst zu dem Steinbruch mit dem unvollendeten Obelisken. Emad erklärt die Techniken des Abbaus, Transports und das Aufstellen des Monuments. Das war wohl alles sehr mühsam und zeitaufwändig. Zwei Damen unserer Gruppe verzichten auf den Rundgang, das sei ihnen zu "luftig". An einigen Stellen kann man noch Spuren der Bearbeitung sehen. Eine gebräuchliche Technik war, Löcher in das Gestein zu bohren, Holzpflöcke hinein zu treiben und das Holz zu tränken. Durch das Aufquellen wurde dann das Gestein gesprengt. Heute wendet man lautstärkere Methoden an. Nun, der unvollendete Obelisk hatte einen Riss, deswegen hat man den Abbau eingestellt. Bleibt die Frage: wann hat man den Riss bemerkt, oder hat sich der Riss erst während der Bearbeitung gebildet?

Unumgänglich ist anschließend der Besuch des Assuan-Staudamms. Viel zu sehen gibt es dort allerdings nicht. Über die technischen Daten lassen wir uns hier nicht aus, die kann man überall nachlesen. Geplant wurde die Angelegenheit u.a. von deutschen Ingenieuren, die Ausführung hat man russischen Unternehmungen überlassen. Vielleicht waren die billiger und es hat außerdem die Freundschaft zwischen den Ländern gefördert. 1971 wurde der Damm eingeweiht. Durch den Staudamm hat man die alljährlichen Überschwemmungen des Nils in den Griff gekriegt. Nun kann man näher am Wasser bauen und auch während der Zeit der früheren Überschwemmungen anbauen und ernten. Der fruchtbare Nilschlamm wird nun allerdings nicht mehr angeschwemmt, erhebt sich wuederum die Frage, wo der jetzt bleibt. Ökologisch ist der Stausee nach wie vor umstritten.

Dafür kann man jetzt auch auf dem Nassersee eine mehrtägige Kreuzfahrt unternehmen. Höhepunkt: das Anlaufen von Abu Simbel unter Aida-Klängen. Das können wir nun dieses mal nicht genießen.

Aber eine kleine Schiffsfahrt auf dem See zwischen dem Vor- und dem Hauptstaudamm gibt es doch. Wir setzen über auf die Insel Agilkia mit dem Philae Tempel. Ähnlich Abu Simbel wurde auch dieser Tempel unter enormem Aufwand von einer niedrigeren Nachbarinsel in den Jahren 1977 - 80 umgesetzt. Hübsch anzusehen ist hier der sog. Hadrianskiosk, ein Säulenbau. Der Tempel ist der Göttin Isis geweiht. Im sog. Geburtshaus gibt es eine Darstellung, wo die Isis ihren neugeborenen Sohn Horus auf dem Schoß hält. Emad meint, das sei so eine Art Vorläufer der christlichen Marienbilder.

Wir laufen nun noch das Osiris Papyrus Museum an, wo man bebilderte Papyrusrollen erwerben kann und auch gleich einen Bestellschein in die Hand gedrückt bekommt. Mit einem Museum hat das wenig zu tun, denn die Stücke sind alle nagelneu. Wenn man dann als Motiv die goldene Tutench Amun Totenmaske am Himmel vor der untergehender Sonne über den Pyramiden schweben sieht, vergeht einem die Kauflust. Sicher gibt es auch ansprechendere Darstellungen. Immerhin wird die Herstellung des Papyrus erklärt. Die dreieckigen Halme werden in Streifen geschnitten, über Kreuz gelegt und gepresst. Und ein Tee wird auch gereicht, hoffentlich schlägt der nicht durch als Fluch der Pharaonen

Zum Abschluss noch einmal auf ein Boot, leider keine Felukke, und übergesetzt wird zu der Lord Kitchener Insel, auf der sich der Botanische Garten befindet. Eine Menge Bäume gibt es da  und ich habe mir die Mühe gemacht, von einigen die lateinischen Namen zu notieren, und das geht einem dann flüssig von der Zunge:

Khaya Senegalensis, Arenga Pinnata, Eugenia Jambolana, Kentia Belmoreana, Antidesma Bunius, Kigelia Pinnata, Flacourtia Cataphracta, Plumeria Rubrae, Ficus Sycomoris, Ficus Elastica.

Na, wenigstens den letzten kennen wir: das ist der gemeine Gummibaum!

Die anderen müssen wir noch ausgoogeln. Es sind demnach von links nach rechts:

Mahagoni, Zuckerpalme, Jambolana Pflaume, Kentia Palme, Chinesischer Lorbeer, Leberwurstbaum, Orangenkirsche, Rote Pflaume, Maulbeer Feige.

Die Attraktion ist eine ganz andere: ein Wiedehopf stochert im Gebüsch herum, und wann bekommt man diesen Vogel überhaupt einmal zu Gesicht. Er lässt sich sogar bereitwillig fotografieren.

Für einen Moment lasse ich mich beim Niederschreiben entschuldigen: in Super RTL kommt ein Dokumentarfilm: "Die Grabräuber der Pharaonen". Facit: Unermesslich, was die Grabräuber den Pharaonen und der Nachwelt an Schätzen geraubt haben. Uns stehlen einem heute bei so einer Sendung die Werbeeinblendungen die Zeit. In beiden Fällen ging/geht es nur ums Geld!

Obendrein haben wir an diesem Tag noch eine andere Unternehmung gebucht (14 €): Moschee, Rundfahrt und Basarbesuch in Assuan. Zuerst wird der Moschee Badre At El Tabaya ein Besuch abgestattet. Da heißt es "Schuhe aus", hoffentlich findet man sie wieder. Wir finden uns im Inneren der Moschee alle sitzend oder auf Knien wieder, während uns Emad die Grundsätze der islamischen Religion erklärt. Was es mit dem Ramadan auf sich hat und so weiter. Unsere Schuhe sind danach sogar noch an ihrem Platz.

Nun fahren wir zu dem Park Fryal Garden, den eine Tochter des Exkönigs Faruk gestiftet haben soll. Auch hier findet man wieder viele unbekannte Bäume, dieses mal werden die Hinweisschilder fotografiert. Und so kommen wir endlich hinter das Geheimnis des Bombax Malibaricum (Glockenbaum).  Das ist ein Baum, der rote tulpenartige Blüten trägt, bevor das Laub erscheint. Von dem hatten wir seinerzeit auf Zypern eine Samenkapsel gehamstert und nun gibt es schon ein paar bescheidene Triebe auf dem Fensterbrett. Von dieser Gartenanlage hat man einige schöne Ausblicke auf den Nil mit seinen Felukken (Segelschiffen) und Assuan in der Abendsonne.

Die anschließende Rundfahrt beschränkt sich auf einmal hin und einmal her auf der Corniche, der Uferpromenade. Dann werden wir am Basar abgeladen.  Hier sind vor allem die Gewürzstände sehens- und riechenswert. In den Läden gibt es ansonsten den gewohnten Schnickschnack. Leute, die mit flachen Taschen herumlaufen, haben nicht eine Kalaschnikoff sondern eine Wasserpfeife erworben. Wir finden auch eine Apotheke, die es in Ägypten allerorts zahlreich zu geben scheint. Endlich kann man das berühmte Mittel gegen den "Fluch der Pharaonen" erwerben, es kostet nur einen Euro und heißt Antial (nifuroxazide). Ob dieses Mittel auch bei Montezumas Rache wirksam ist, falls man mal nach Mexiko fahren sollte, entzieht sich unserer Kenntnis.

Im übrigen wird man beim Bummeln reichlich von den Händlern angemacht: "Where are you from?" "Du hast schöne Augen" oder sogar "Mensch Meier!". Am Ende der Basargasse vor dem Bahnhof treffen sich alle wieder in einem Cafe, wo Emad seine Wasserpfeife raucht. Alle bekommen ein Getränk, nicht allen scheint es bekommen zu sein. Wir schnappen bei einer anderen Gelegenheit einen Spruch auf: "Mensch geh mir weg mit Malventee!" Den Rest kann man sich ausmalen.

Wer die Nase immer noch nicht voll hat, kann am Abend eine Nubier Show erleben. Wir sitzen lieber an Deck und schauen dem Treiben auf der Uferstraße zu. Später ergibt sich die Gelegenheit, bei der Vorführung des Reisevideos Eindrücke von dem Nubischen Abend zu bekommen. Wie immer werden da die Gäste genötigt, sich aktiv an der Show zu beteiligen, Tanzbewegungen nachzuahmen oder irgendwelche Beschwörungsformeln in der Stammessprache zu artikulieren. Wir beurteilen diese Einlagen eher als Schlag ins Gesicht der Kulturen, die hier touristisch vermarktet werden. Aber wir sind eben - wie schon erwähnt - anerkannte Miesepampel.


Kapitel 5
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