3. Tag, Samstag
Für die heutige Unternehmung werden wir um 8 Uhr geweckt. Die
Besuchergruppe muss neu eingeteilt werden, weil unserer gestriger
Führer Josef verhindert ist. Wir waren sehr zufrieden mit ihm und
bedauern, für den Rest der Woche auf ihn verzichten zu müssen.
Unsere neue Gruppe umfasst c.a. 30
Personen und wird fortan unter der Parole "Pharao" geführt. Der
neue
Führer heißt Emad
und ist groß gewachsen sowie genügend lautstark, sodass man
ihn stets leicht wieder findet. In so einer Woche entwickelt sich dann
schon fast ein freundschaftliches Verhältnis. Das liegt
natürlich daran, dass Emad neben seinem guten Deutsch, das er auf
der Universität studiert hat, über eine perfekte Sachkenntnis
über die altgägyptischen Bauwerke, Götter und
geschichtliche Sachverhalte verfügt.
Beim
Verlassen des Schiffes erhält man heute eine sog. "Boarding
Card",
damit man bei der Rückkehr nach Durchqueren diverser anderer
Schiffe die Fahrt nicht auf dem falschen Dampfer fortsetzt.
Es geht mit dem Bus die kurze Strecke zum Horustempel in Edfu. Man
könnte auch mit einer Pferdekutsche fahren, aber die Kutscher
neigen allzu sehr dazu, dabei Wettrennen auf Kosten der Pferde zu
veranstalten, und so sei man davon wieder abgekommen.
Horus ist der Gott mit dem Falkenkopf und wird mit dem griechischen
Gott Apollo gleichgesetzt. Den Eingang zum Tempel bilden zwei
mächtige sog. Pylone in gutem Zustand. Der Tempel in seiner heute
erhaltenen Form wurde hauptsächlich von dem griechischen Herrscher
Ptolemäus III ab 237 v.Chr. errichtet, allerdings betrug die
Bauzeit 180 Jahre - so ist zu lesen. Dann kamen die Römer mit
Augustus 30 v.Chr. Den später christlich orientierten Kulturen war
das alles zu götzenhaft und heidnisch und so wurden viele der
Darstellungen zerstört. Was übrig geblieben ist, ist dennoch
mehr als beeindruckend.
Über einen Innenhof und durch einen Gang und einige
Innenräume erreicht man schließlich das Allerheiligste
(Hauptsanktuar). Dort hatten nur die Allerhöchst-Gestellten
Zutritt. Heute laufen da alle rum. Zur Bedeutung des Gottes Horus gibt
es noch eine interessante Reliefreihe, wo der Gott Horus als
Beschützer vor allen Feinden von einem Boot aus den Gott Seth,
Verkörperung aller Feinde, in Gestalt eines Nilpferds tötet.
Unser Führer Emad erklärt, dass man diese Zeremonie auch als
Theaterstück zur Aufführung gebracht hat.
Horus wird auch durch die Falkenstatue am Eingang symbolisiert. Da kann
man nur schwerlich ein Foto machen, weil es einem jeden einfällt,
sich zusammen mit dem Falken ablichten zu lassen. Heidi amüsiert
es besonders, dass ein Herr die umliegenden Jahrtausende mit einem
Preisschild von C&A an seinem Rucksack auf sich herabblicken
lässt. In der Nähe gibt es auch wiederum ein Nilometer, das
wir aus Zeitgründen nicht mehr besichtigen können.
Zu Mittag sind wir wieder auf dem Schiff und setzen alsbald die Fahrt
fort. Am Spätnachmittag erreichen wir Kom Ombo, wo nochmals die
Besichtigung eines Tempels auf dem Programm steht.
Nun wird hier in der
Abenddämmerung mit allerlei Beleuchtung eine ganz besondere
Atmosphäre heraufbeschworen, was zur Folge hat, dass sich alle
Nilschiffe zu dieser Zeit hier ein Stelldichein geben und ein
ziemliches Durcheinander herrscht. Auch an Land, da drängeln sich
die Besucher, alle fein nach Besichtigungsgruppen sortiert. "Pharao!!"
- "Ja Herr König!!" - das sind dann wir.
Der Tempel von Kom Ombo ist nicht mehr in so einem guten Zustand. Das
liegt zum einen an seiner Lage zwischen dem Nil und der Wüste, zum
anderen
daran, dass man zum Erbauen anderer Bauwerke viele Steine
abtransportiert hat. Beeindruckend sind dennoch die vielen
Reliefdarstellungen, die geradezu Geschichten erzählen
können. Uns war schon früher aufgefallen, das manche
Gestalten eigenartige
Hände haben, zwei Linke oder zwei Rechte
oder was? Oder ist da der Daumen nur auf der falschen Seite? Oder ist
das eine die Innen- und das andere die Außenhand?. Auf die
entsprechende Frage hat Emad keine Antwort parat. Aber die anderen
Gäste fangen nun an mit schrägem Kopf zu gestikulieren, die
eigenen Hände zu drehen und zu wenden und die Figuren
nachzustellen. Da haben wir ja was angerichtet. Nun Wäre es ja noch interessant, ob es sich mit den Füssen - sofern barfuss - genauso verhält. Aber dazu müssten wir nochmal nach ägypten fahren!
Uns werden noch weitere Reliefs mit der Darstellung medizinischer
Instrumente gezeigt. Die alten Ägypter hatten wohl schon gute
Ärzte, hoffentlich nicht mit zwei linken Händen! Nach
neuesten Erkenntnissen durch Computertomographie habe man den Mumien
zuvor auch nicht immer das Gehirn entfernt. Da müsste man ja
umlernen,
wenn man die Geschichte von "Sinuhe
der Ägypter" gelesen hat, der auch als Schädelbohrer tätig war.
Zum Abschluss kommen wir gerade noch in das "Krokodilmausoleum" hinein,
wo zwei mumifizierte Krokodile zu bestaunen sind. Hinter uns bildet
sich schon eine endlose Schlange - auf so etwas
stehen die Leute.
Während das Schiff in der Dunkelheit die letzte Etappe bis Assuan
zurücklegt, ist an Bord eine Galabeya
Party angesagt. Dazu sollte
sich jeder Gast so ein farbenprächtiges knöchellanges
Gewand besorgen samt passendem Kopfschmuck. Einige haben das bereits an
Land erledigt, Säumige können das noch im Laden an Bord tun.
Schon zum Abendessen erscheinen einige derartig kostümiert. Wir
beide als anerkannte Miesepampel halten uns da wieder mal raus. Dabei
sieht so mancher in diesem Kostüm richtig gut aus und wird beim
nächsten Fasching keine Kostümprobleme haben.
So eine Party geht natürlich recht lautstark zu und ich gehe mal
an Deck. Da ist es wunderbar warm, trotz der Fahrt kein Luftzug und die
Lichter gleiten vorbei. Anschließend schicke ich Heidi hinauf und
sie kommt zurück: "Da wäre man ja dumm, wenn man sich nicht
nach oben setzt". Und so entgehen wir dem Rämmi-Dämmi. Es
wird sowieso alles per Video vom Bordfotografen aufgenommen und am
Schluss der Fahrt vorgeführt werden.
So erleben wir die Ankunft in Assuan an Deck. Auffällig ist ein
farbig angestrahltes Etwas auf der westlichen Uferseite. Es handelt
sich um einen Hügel mit einer Gräberreihe. Mit der
Beleuchtung hat man da vielleicht des Guten etwas zu viel getan.
Kapitel 4
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