2. Tag, Freitag
Nun geht es gleich richtig los und man wird um 6 Uhr morgens per Telefon geweckt. Nach dem Frühstück werden Gruppen für die Führungen zusammen gestellt. Eine eigene Gruppe wird aus Gästen aus Belgien gebildet.

Wie wir später von den Grosseltern erfahren haben, sind sie eine flämische Großfamilie bestehend aus drei Generationen, 15 Personen insgesamt. Was besonders auffällt ist, dass diese Familie sehr liebevoll während der ganzen Fahrt miteinander umgegangen ist. Auf diese Weise machen sie seit Jahren gemeinsam Urlaub. Das könnten wir uns geradezu als Vorbild nehmen, aber wir sind ja erst elf Personen, Hund Otto eingerechnet. Und ob wir uns auch so einträchtig verstehen würden - das weiss man nicht!

Unsere Gruppe besteht dagegen aus c.a. 20 Gästen und der Reiseführer heißt Josef. Wir besteigen einen Bus und werden über die Nilbrücke nach Theben West gefahren. Es wird sogleich erklärt, dass Osten Leben bedeutet, weil dort die Sonne aufgeht, der Westen ist dagegen eher dem Reich der Toten vorbehalten. Folgerichtig geht es nun in das Tal der Könige, wo sich 63 Gräber befinden. Die Gräber wurden hier an geheimen Orten angelegt, weil die Pyramiden zu auffällig waren und ausnahmslos ausgeräubert wurden. Am Ende dieses Tals ist wenigstens ein Berg, der aussieht wie eine Pyramide. Die Toten wurden mit allem ausgestattet, was man für die Reise ins Jenseits oder wohin auch immer benötigen konnte. So waren die Grabkammern gefüllt mit Schmuck, Gold und Gebrauchsgegenständen, die dann aber nach und nach auch immer weniger wurden.

Bekanntermaßen wurde das Grab des Tut-anch-Amun im Jahre 1922 von dem englischen Archäologen Howard Carter zuletzt entdeckt. Dieses Grab war nur wenig ausgeplündert und enthielt 5000 Einzelstücke von unschätzbarem Wert. Deswegen kostet das Grab heute einen Extra-Eintritt.

Haben es sich die Pharaonen beim Anlegen ihrer geheimen Gräber träumen lassen, dass heute tagtäglich Menschenmassen aus aller Welt, einer Welt, die sie noch gar nicht kannten, diese Stätten aufsuchen? Wir stellen unserem Reiseführer Josef natürlich die naheliegende Frage, ob es hier noch weitere unentdeckte Gräber geben könnte. Er meint aber, bis auf einen habe man die Reihe der Pharaonen beisammen. Nun sind aber nicht alle Gräber nur für Pharaonen angelegt worden, sondern auch für hochgestellte Beamten und dergleichen.

Mit der normalen Eintrittskarte darf man 3 Gräber besuchen. Manche Gräber werden auch zeitweise geschlossen, weil der Besucherandrang den Farben und Malereien zusetzt. Fotografieren ist generell verboten.

Im Nachhinein fragen wir uns, welche der drei Gräber wir nun eigentlich besucht haben. Womöglich war es sogar das von Ramses II, der von allen Pharaonen am längsten geherrscht hat. Jedenfalls geht man eine Treppe runter, einen langen Gang entlang durch mehrere Kammern und kehrt dann wieder um. Die Malereien und Hieroglyphen sind teilweise erstaunlich gut erhalten. Aber alles was sich tragen lässt, ist natürlich aus den Gräbern verschwunden.

Die beiden weiteren Gräber, die wir noch besucht haben, kriegen wir auch nicht mehr zusammen, die lagen ziemlich weit hinten. Eine gute Quelle im Internet haben wir aber gefunden bei:

http://www.fam-reim.de/Tal_der_koenige.htm

Unser Führer Josef teilt uns abschließend mit, das heute Temperaturen von 39 Grad herrschen. Da ist der "Filmriss" zu entschuldigen. Dann wird noch ein Gruppenfoto angefertigt, das wir ein paar Tage später für ein paar Euros erwerben können. Außerdem gibt es eine CD bzw. DVD von dem Fotografen Naschaat Obaid Saad mit 3500 Fotos aus ganz Ägypten für 10 €. Diese Anschaffung lohnt sich ganz besonders.

Wir fahren nun ein paar Kilometer aus dem Tal der Könige hinaus zu dem Ort, wo einst die Arbeiter für die Königsgräber untergebracht waren. Die Arbeiter wurden mit verbundenen Augen an ihren Arbeitsplatz gebracht, damit der Ort geheim blieb - so wird uns erzählt.

Heute betreibt man hier Alabasterwerkstätten und versucht mit allerhand Hokus Pokus den Touristen etwas anzudrehen. Besonders die Fruchtbarkeitsstatuen mit überlangem Penis rufen Heiterkeit hervor. Wenn einem das zu viel wird und man vor die Tür tritt, wird man sogleich von bettelnden Kindern umringt. Man kann gerade mal so ein Foto um die Ecke schießen, dann muss man sich wieder in den Bus flüchten.

Bei der Weiterfahrt werden uns Hügel gezeigt, wo man die Behausungen hat abreißen lassen. In den Hügeln befinden sich nämlich auch Gräber von allerdings niedriger gestellten Personen. Aber für die darüber wohnenden war es einfacher, hinter, neben oder unter dem Haus herumzubuddeln.

Das nächste Ziel ist der Tempel der Hatschepsut, der seine traurige Berühmtheit durch den Terrorangriff im Jahre 1997 mit 68 Toten erlangte. Seitdem hat man die Sicherheitsvorkehrungen drastisch verschärft und man sieht überall bewaffnetes Militär. Dieser Tempel ist ein Monumentalbau mit zwei Terrassen, die durch Rampen verbunden sind. Über das Leben - soweit bekannt - der Hatschepsut könnte man wohl einen Roman schreiben, an dieser Stelle kann nicht genauer darauf eingegangen werden. Heute kämpft man sich mit den Massen mühsam voran, bis man schließlich den Innenhof erreicht, aber bei dem Gedrängel kaum wieder hinaus kommen kann.

Weiter oben am Berghang erkennt man einen weiteren Grabeingang, der wohl für die Hatschepsut vorgesehen war, als sie noch weniger vornehm bzw. mächtig war. Über deren Ende herrscht ohnehin Unklarheit, womöglich ist sie von ihrem Stiefsohn beseitigt worden.

Unsere Gruppe versammelt sich wieder an dem Freiluftcafe. Gleich daneben ist ein brunnenartiger Schacht mit einer Leiter darin. Handelt es sich womöglich um einen "Nilometer"? Diese dienten der Messung des Wasserstandes im Nil. Nur ist der Nil von hier aus etwas weit entfernt.

Die letzte Station für heute sind die Memnon Kolosse. Diese waren ursprünglich aus einem Block Sandstein oder Quarzit gefertigt, wurden aber durch ein Erdbeben zerbröselt. Das sieht man ihnen heute leider an. Als sie noch intakt waren, sollen sie gesungen haben. Man meint, das habe an den Temperaturunterschieden gelegen, die an den Rissen im Gestein singende Töne verursacht haben. Heute singen sie nicht mehr, und das kann man verstehen, wenn man sie genau anschaut.

Damit ist das Besichtigungsprogramm für heute beendet. Zurück an Bord werden wir nobel empfangen. Es werden angefeuchtete Handtücher und Tee gereicht, damit man sich wieder akklimatisieren kann. Nach dem Mittagessen legt das Schiff ab. Nun beginnt die mit Spannung erwartete Schiffsfahrt auf dem Nil und wir sichern uns zwei Liegen auf dem Sonnendeck ganz vorn.

Was nun abläuft ist ein Film in natura. Die Behausungen an den Ufern des Nils gleiten an einem vorüber bzw. wir an ihnen. Am malerischsten sind die Hütten und Gebäude erbaut aus Nilschlamm oder einfachen Ziegeln. Aber das sind auch die ärmlichsten. Zwischen ihnen verlaufen schmale Gassen das Ufer hinauf. Am Wasser tummeln sich Ziegen, Esel oder Wasserbüffel, die aber meistens nur eine Kuh sind. Die Menschen in lange graue Gewänder gekleidet lagern im Schatten. Die sind fix und fertig von der Hitze. Heidi meint, vielleicht mit Recht, die seien glücklicher als wir in unserer ständigen Wohlstandshektik. So ganz sicher kann man sich da nicht sein. Es sind verschiedene Welten - wir auf dem noblen Nilschiff, und dort die Fellachen, die leben um zu überleben. Es gibt unzählige Palmenhaine, die mitunter einen Hauch Karibik aufkommen lassen. Dazwischen Felder mit Bananenstauden oder Zuckerrohr.

Mitunter verzweigt sich der Nil und umströmt eine Insel. Auch auf diesen Inseln, die manchmal noch teilweise unter Wasser stehen, weidet das Vieh oder es schippern ein paar Einheimische mit kleinen Booten herum, vielleicht fangen die Fische. Unser Schiff Mahrousa überholt derweil einen Nildampfer nach dem anderen, das wird uns an der Nilschleuse bei Esna zugute kommen.

Am Spätnachmittag haben wir Esna erreicht. Hier befindet sich die Schleuse, die pro Stunde jeweils zwei Schiffe Nil-aufwärts wie abwärts abfertigen kann. So kommt es zu einem Stau. Das machen sich die nicht fliegenden sondern schwimmenden Händler zunutze. Sie umlagern mit ihren Booten die ankernden Schiffe und werfen in Plastiktüten verpackte Textilien hinauf auf das Sonnendeck. Einiges landet im Pool und muss herausgefischt werden. Wenn einem ein Stück gefällt, kann man von oben herab einen Preis aushandeln und das eingetütete Geld hinunter werfen. Diese Art von Handel scheint gut zu funktionieren, auch bei uns an Bord bleibt einiges hängen.

Bis wir mit dem Schleusen dran sind, ist die Dunkelheit hereingebrochen. Die Fahrt wird noch im Dunkeln fortgesetzt, bis die Stadt Edfu erreicht ist. Dort liegen jeweils etliche Schiffe nebeneinander am Kai und wir verbringen die Nacht dort. Man hat hier etwa die Hälfte der Strecke bis Assuan hinter sich.


Kapitel 3
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