Gemalte
Karte von Usedom
Peenebrücke Wolgast
Kann man denn eigentlich nicht auch mal einen Erholungsurlaub machen?
Und den Hund mitnehmen? Und mal nichts tun? Und mal mit dem Hund im Meer
schwimmen? Und Fisch essen bis zum Abwinken? Und was nicht noch alles...?
Natürlich kann man das alles. Für uns gibt es dafür nur einen Ort - und da fahren wir nun hin. Eigentlich wollten uns noch diverse Kinder - und womöglich der Enkel Jonathan auch noch - begleiten, aber dann kam dann doch dieses und jenes dazwischen und es blieben doch nur Heidi, Otto und ich übrig.
Otto soll sich erst mal vorstellen:
"Ich heiße Otto und bin ein Beagle. Alle Beagles, die ich kenne, sind schwer erziehbar. Darum bin ich es auch. Trotzdem will ich mit in Urlaub fahren. Da treffe ich bestimmt viele andere Hunde. Die mag ich gern, wenn es Mädchen sind, wenn es Rüden sind, muss ich mich meistens aufregen. Wo ich hin fahre, da gibt es auch einen Rüden aus Chow-Chow und Spitz oder so was zusammengemischt, der heißt Paul. Außerdem ist der schwarz. Da sehe ich aber schwarz!".
Also sitzen wir drei am Samstagmorgen um 8.30 im Auto, zwei Fahrräder auf dem Dach und Otto hinter dem Rücksitz im Kofferraum. Bis nach Berlin geht es - bis auf einige wenige undisziplinierte Autofahrer - alles sehr gut. Als dann die langen Baustellen zwischen Eberswalde und Prenzlau kommen, wo man absolut nicht anhalten kann, fällt es Otto ein, einen plötzlichen Vorstoß in die vorderen Regionen des Autos zu unternehmen. Heidi kann ihn gerade noch davon abhalten, das Steuer zu übernehmen. Und ich spüre einen heißen Atem im Genick. Bei der nächsten Gelegenheit - da sind wir schon auf der neuen Autobahn hinter Prenzlau, muss die Sache erst mal wieder in Ordnung gebracht werden. Vielleicht sollte man doch so ein Zwischengitter einbauen, wie das auch bei den Fahrzeugen der Vollzugsanstalten üblich ist.
Nachdem wir ein wenig in der landschaftlich schönen Gegend (Uckermark) herum geirrt sind (Strasburg - Friedland) und die Stadt Anklam mit ihren lästigen Ampeln und der Brückenbaustelle hinter uns haben, gelangen wir endlich in den Ort Usedom auf Usedom. Obwohl nun fast schon am Ziel machen wir hier traditionsgemäß eine Pause mit Spaziergang. In diesem Ort sind erwähnenswert: die Kirche, das Anklamer Tor, der Marktplatz mit den kleinen Gassen und der Hafen. Eine Burg oder Reste davon soll es auch noch geben, die lassen wir für heute mal weg. Wir begeben uns an den Hafen, wo es dankenswerterweise ein öffentliches Toilettenhäuschen gibt. Einer Schautafel ist zu entnehmen, dass man hier Großes vor hat. Es soll eine Marina entstehen. Jeder Segler weiß, was das ist, ich weiß es nach zwei Radtouren an den Küsten Norwegens inzwischen auch (Restaurant, Läden, Toiletten und Waschräume für Bootsanlieger).
Wir genießen die (noch) beschauliche Ruhe ein wenig und lassen uns dann von Otto zurück zum Auto ziehen. Wir biegen bald von der Hauptstraße Richtung Ahlbeck ab und fahren über Pudagla quer rüber zur anderen Hauptstraße Ahlbeck - Wolgast, die in der Hauptsaison durchgängig verstopft sein mag. Das ist zur Zeit besser. Und - aufwachen! - wir sind daha: Stubbenfelde und ab in die Büsche. Die Abzweigung zum Teufelsberg verpasst man nämlich leicht. Außerdem geht es da zu dem wieder in Gang gebrachten Campingplatz. So das waren knapp 500 km in 6 Stunden: Aussteigen und recken bzw. das Bein am nächsten Baum (Birke) heben.
Zu dem Ort Teufelsberg ist folgendes zu finden:
Die Sage vom Teufelsberg Stubbenfelde
Ein klumpfüßiger Schuster, der mit dem Teufel im Bunde stehe,
habe sein Domizil in der Nähe des Strandes aufgeschlagen. Nachts unternahm
er ausgedehnte Spaziergänge, um sich mit seinen Brüdern zu treffen.
Was sie dort taten, hat niemand erfahren, nur laute Geräusche wurden
vernommen. Eines Tages durchzuckten ungewöhnliche Blitze mit starken
Donner verbunden die Nacht und seitdem sind Hab und Gut des Schusters verschwunden.
Nur der Teufelsberg und die Teufelskuhle erinnern noch an ihn.
Das erinnert einen irgendwie an etwas anderes und ähnliche Himmelserscheinungen - aber war das nicht in Peenemünde?
Wie dem auch sei, wir müssen nun Anke rausklingeln, die schon morgens um vier oder so aufstehen muss und dann gegen Mittag von der Arbeit auf dem Campingplatz in Ückeritz nach Hause kommt. Großes Hallo zum Wiedersehen - und dann können wir alle einen Kaffee vertragen. Achim ist heut mal nicht zum Fischen sondern zum Fußball, der kommt dann auch bald. „Mensch, du hast dich ja gar nicht verändert!“ „Und du doch auch nicht“ – so klingt das dann. Otto liegt derweil an der Leine im Garten. Das geht nicht lange gut, da stellt Paul - der Herr in Haus und Garten - die Herrschaftsverhältnisse klar und stattet Otto einen entsprechenden Besuch ab, was dieser nicht weniger lautstark quittiert und einige Hunde in der Nachbarschaft gleich mit. Um es vorweg zu nehmen, alle im weiteren Verlauf liebevoll unternommenen Verbrüderungsversuche scheitern kläglich, d.h. gleich lautstark, sodass wir gezwungen sind, fürderhin einen Sicherheitsabstand von mindestens 20 Metern einzuhalten.
Nun beziehen wir die Wohnung, an der sich seit unserem letzten Besuch 1996 einiges verändert hat, indem nun Kühlschrank, Kochgelegenheit und Toilette mit Dusche integriert sind. Nun aber an den Strand, wie sieht es dort aus? Man hat seit der großen Sturmflut 1996 einiges getan. Natürlich sind die von der Steilküste herab gestürzten Bäume beseitigt - sie haben sicher gutes Brennholz abgegeben. Außerdem hat man zum Küstenschutz eine Schrägdüne aufgeschwemmt und mit Strandgras bepflanzt. Das seinerzeit exponierte und etwas luftige Haus steht wieder auf festen Füßen.
Wir marschieren auf einem schmalen Holzsteg am Strand entlang. Das geht mit Otto normalerweise schief, weil es zu eng ist und er sich bei Gegenverkehr dann wieder aufregen muss. Aber heute ist er wohl noch nicht so ganz da und wir kommen heil durch. In dem Ort Kölpinsee hat sich einiges getan. Mit einem Wort: es scheint Geld rein zu kommen und das sieht man dann. Die meisten Quartiere sind auch jetzt noch belegt. Den Bäcker gibt es auch noch, das wird schon mal vorgemerkt.
Wir bringen Otto zurück bzw. er uns und gehen dann in die Stranddistel zum Essen. Ich fange schon mal mit Matjes an, wir werden sehen, was dann im Laufe der Zeit an Fischgerichten zusammen kommen wird. Heidi belässt es bei einem Bauernfrühstück.
Der abendliche Gang mit Otto gestaltet sich dann sehr schön oben auf der Kante der Steilküste, die hier 40-50 m hoch ist (die höchste Steilküste mit 60 m ist am Streckelsberg, 2 km von hier). Otto hat offensichtlich keine Tiefenangst, der würde sich sofort den Steilhang hinunter stürzen, wenn es da unten am Strand etwas wichtiges zu erledigen gäbe. Nur die bequeme Treppe mit Lochplatten, die kann er nicht leiden. Dabei führt die direkt zum offiziellen Hundestrand.
Damit klingt der Abend besinnlich mit einem Boxkampf im Fernsehen aus (Sven Ottke gegen Mads Larsen, Punktsieg). Schade aber doch um den versäumten Schlaf.
Sonntag
Ich muss gleich am Morgen zwei Pflichten nachkommen: erstens Brötchen beim Bäcker holen, zweitens mit Otto in die Büsche. Dann erst gibt es Frühstück. Wir befinden uns bereits im fortgeschrittenen September, trotzdem herrscht Strandwetter. Ich muss mit Otto die Steilküste hinunter turnen, weil er ja die Treppe verschmäht. Es gibt hier zwei bis drei solcher Ab- bzw. Aufstiege, ansonsten ist das Betreten der Steilküste strengstens verboten. Das ist zwar nirgends ausgeschildert, aber es sollte aus Gründen des Küstenschutzes eigentlich jedem bekannt sein.
Wir finden eine schöne Kuhle zum Schutz vor dem Wind, daneben steht ein Baumstamm zum Festmachen von Otto. Der mault erst einmal und giftet jeden vorbeikommenden Hund an.
Man kann aber auch einen längeren Strandgang machen. Der führt uns bis zur nächsten Treppe an der Reha-Klinik "Ostseeblick" vor Ückeritz. Da kehren wir um, denn: zu viele Hunde voraus. Das ganze dauert fast eine Stunde, und danach geht es ruhiger zu. Blinzelnd beglückwünschen wir uns, dass schon der Anfang des Urlaubs sich so gestaltet, wie wir uns das vorgestellt haben.
Der Strand unterhalb der Steilküste hat einen Nachteil: die Sonne verschwindet bereits gegen 14 Uhr hinter den Bäumen oben auf der Kante. Dann wird es doch zu kühl. Wir kehren erst mal zurück und essen die heute morgen eingekauften Klopse mit Pellkartoffeln und Gemüse. Otto bekommt seine Mittagsruhe und wir suchen eine andere Strandstelle in der Nähe der Stranddistel auf, wo die Sonne länger scheint. Auf dem Rückweg erstehen wir in der Fischräucherei eine Portion Butterfisch.
Zurück im Garten darf Otto mit Genehmigung des Hausherrn frei gelassen werden: „Der kann ja hier nirgends abhauen“. Denkste, schon kreischt eine Frau auf der Straße „Wo kommt denn dieser Hund her?“ Da sieht man auch gerade noch die hoch erhobene Route von Otto, wie er zielstrebig um die nächste Ecke biegt. Im Laufschritt muss ich hinterher und ihn wieder einfangen. Er ist wohl unter dem Gartentor durch gekrochen.
Dafür wird der abendliche Ausgang heute gestrichen. Außerdem gibt es Pilcher im Fernsehen. Aber das ist eher für Heidi von Interesse (da geht es meistens um Erbschaften, untreue Verlobte und wieder auflebende Liebschaften, die durch ein dummes Missverständnis in die Brüche gegangen waren – wohlgemerkt: das gilt für fast alle Pilcher Filme).
Montag
Weil am nahen Campingplatz auch ein Einkaufsladen ist, werden die Brötchen statt beim Bäcker nun dort geholt. Die müssen allerdings vorbestellt werden. Eine Frau bittet um „zwei normale doppelte Brötchen und zwei Mischkornbrötchen“. „Also zwei Doppelte zwei Korn“ sagt der Chef. Als ich an der Reihe bin sage ich gleich „Zwei Doppelte zwei Korn“ und damit betrachten wir beide (Otto und ich) uns bereits als alte Hasen. Wir gehen über den Platz zurück, wo die Frühaufsteher – in einer Hand das Campingklo, in der anderen die Frühstücksbrötchen – ihren Ortswechsel freundlichen Behausungen zustreben.
Wir landen nach dem Frühstück wieder in unserer Strandkuhle und machen von da aus gleich einen langen Strandgang. Danach ist Otto weiterhin auf der Hut, ob nicht ein interessanter Hund vorbei kommt. Und da kommt er schon, ein großer schwarzer mit rotem Brustgurt. Wütendes Gebell und ein Ruck, da reißt die Leine an der geflickten Stelle und unser Hund rast in voller Fahrt auf die arglose Gruppe zu. So schnell bin ich noch nie in meine Badehose gekommen. Die Lage hat sich allerdings sogleich entschärft. Otto hat wohl seine Grenzen schnellerkannt und schnuppert nun unauffällig vor sich hin pfeifend am Wasser herum. Alle Köpfe, die aus den Liegekuhlen hochgeschnellt sind: „Was ist denn da los?“ können sich wieder versenken. So langsam – denken wir – werden wir hier bekannt.
Zum Glück haben wir eine Reserveleine dabei und von nun an Ruhe. Bis auf das elektrisch angetriebene Eisauto – das muss auch noch verbellt werden. Mit der Sonne gehen auch wir, um am Nachmittag an dem anderen Strand zwischen den Strandkörben etwas Windschutz zu nassauern. Zum Essen holen wir uns Sprotten von der Fischräucherei. Kauend gucken wir einer badenden Kindergruppe zu, die sind alle uniformiert, d.h. mit gleichen Badekappen ausgestattet. Ein Mann mit breitem Kreuz – also so was wie ein Baywatcher oder hier: Ostseewatcher – ist mit einem Megaphon zugange und achtet darauf, dass die Kids nicht zu nahe an die Buhnen geraten. Schließlich heißt es: „Alle rauskommen“, womöglich haben einige schon blaue Lippen und den Tatterich.
Gegen 16 Uhr verliert die Septembersonne auch ihre Kraft und wir gehen unseren Otto erlösen, der die Wohnung inzwischen allein gehütet hat. Allerdings sind die ersten Hundehaare auf dem Sofa nicht zu übersehen.
Es gibt da einen hübschen Hundewitz:
Drei Hunde unterhalten sich und prahle, Der größte sagt:
„Ich bin von Adel und heiße Felix von Wolkenstein“. Der zweite, ein
Dackel, erwidert: „Ich bin auch adelig und heiße Filou vom Bernsteinstrand“.
Der dritte und kleinste aber will nicht zurückstehen und versichert
begeistert: „Ich bin erst recht von Adel und zu mir sagt man immer Runter
vom Sofa!“
Nachdem der gestrige Abendgang wegen ungebührlichen Verhaltens unseres Hundes ausgefallen war, geht es heute um so weiter. Ich muss unbedingt den Höhenweg an der Kante der Steilküste erkunden und kann nicht umkehren. Otto geht es ebenso, der kann auch nicht umkehren. Kann er eigentlich nie! Die Treppe zu Strand an der Reha-Klinik will er nicht benutzen, weil die Stufen auch aus Lochplatten bestehen. Also müssen wir ganz bis zum Campingplatz Ückeritz durchmarschieren, wo wir schließlich einen Zugang zum Strand finden. Es ist schon fast dunkel. Am Strand ist es allerdings noch einigermaßen hell und der Rückmarsch ist herrlich, solange man genügend große Bögen um Jogger und andere Hunde schlägt.
Und doch klappt es am Schluss nicht so ganz: als wir die Steilküste wieder erklimmen und Otto über die Kante hüpft, ist es schon stockdunkel. Da steht wie ein Nachtgespenst eine riesige Dogge vor uns. Aber da ist unser Otto ganz klein mit Hut und pfeift wieder unauffällig vor sich hin bzw. schnuppert lieber abseits im Gebüsch. Als wir wieder im sicheren Quartier sind, haben wir einiges zu erzählen.
Dienstag
Das Wetter ist weiterhin traumhaft. Aber bevor wir zum Strand aufbrechen, müssen wir Achims frisch eingebrachten Fang bewundern. Da ist ein Aal dabei, so um einen Meter lang. 99 cm wird geschätzt. Außerdem ein riesiger Zander, so einen hätte man noch nie gefangen. Also wird alles fotografisch dokumentiert. Wir ordern schon mal zwei Räucheraale und eine Flunder, die dann am Abend ihrer Bestimmung harren werden.
Am Strand ereignet sich nun nichts neues mehr. Während Otto es sich in seiner Ecke gemütlich macht, beobachten wir einen kleinen Hund, der Sally heißt und freudig kläffend alles begrüßt, was Rang und Namen hat. Das zugehörige Ehepaar ist auf dem Campingplatz stationiert. Wir erfahren ungebeten einiges über diverse Operationen des Herrchens. Der scheut sich nicht, nur mit seinen am Körper befindlichen Kanülenbeuteln bekleidet, sich in der Ostsee zu tummeln. Da muss man sich mal wieder besinnen, wie gut es einem geht, dass man mit noch weniger Bekleidung rumlaufen kann.
Den Nachmittag verbringen wir wieder im Windschatten von unbenutzten Strandkörben. Wir haben einen Disput: Heidi möchte wetten (100 % sicher), dass wir vorgestern Speckfisch von der Räucherbude geholt haben. Ich kann dagegen halten (200 % sicher) und schlage deswegen die Wette aus. Also müssen wir auf dem Rückweg die Sache klären: es war eben doch Butterfisch. Ätsch!
Den Nachmittagsspaziergang unternehmen Otto und ich allein. Wir wollen einen geheimnisvollen Weg erkunden, der auf einer Wiese beginnt und durch Geländer gesichert ist, damit niemand in die Botanik entweichen kann. Bald sehen wir auch zwei Rehe, da ist Otto natürlich einigermaßen aufgeregt. Und als uns ein paar ältere Herrschaften aus dem Sächsischen – wie man hört – auf dem schmalen Weg begegnen, ist er wieder aufgeregt.
Wir haben bald begriffen, dass es sich um den Fußweg um den Kölpinsee herum handelt. An den sumpfigen Passagen, also fast überall, hat man den Weg durch Knüppelbefestigung gesichert. Die Knüppel sind teilweise schon wieder verrottet, deshalb muss man ganz schön aufpassen, wo man hintritt. Aber man hat sich auch bemüht, Teile des Weges wieder zu reparieren. Da wird man ganz schön Arbeit mit haben.
Zur Belohnung für diese Expedition warten dann die Aale und die Flunder auf uns. Eine Orgie, sagen wir mal, dass es einem geradezu aus den Mundwinkeln tropft. Auf Toast genossen, Butter muss auch noch drunter. Danach kann man nicht mehr viel unternehmen – schon gar nicht am nächsten Tag schon wieder einen Aal essen..
Mittwoch
Nun ist es endlich so weit, es regnet. Zu Hause mit unserem Garten da wäre uns der Regen schon recht, im Urlaub ist das etwas anderes. Schon beim Brötchen holen werden wir so nass, dass man mich und Otto hinterher abrubbeln muss.
Also fahren wir heute mit dem Auto nach Wolgast. Da gibt es drei Dinge zu besorgen: ein neues Halsband, Geld vom Automaten und Einwegrasierer. Aber bis Wolgast ist es weit, weil man in etliche Staus gerät. Zudem werden an der Brücke über den Peenestrom laut Ausschilderung um 12:40 Uhr die Schotten dicht gemacht, bzw. der Mittelteil der Brücke hoch gezogen, um die Schiffe durch zu lassen. Jetzt ist es 12:37 und einige Leute unter Regenschirmen warten schon auf das Ereignis. „Werden die auch mit hoch gezogen?“ fragt Heidi. Jedenfalls wir rutschen noch durch, bevor die Ampel auf Rot springt, und hoch gezogen werden wir auch nicht.
Geparkt wird am Fischmarkt, da kostet es nichts. Die Altstadt von Anklam ist eng und verwinkelt, bei dem Regen hat man nicht so viel davon. Wir fragen nach einem Zoogeschäft und bekommen die gewünschte Auskunft. Wir finden dort ein Halsband aus Stahlgliedern, das den Bungeeversuchen von Otto in Zukunft auch mit Sicherheit stand hält. Das alte Halsband würde bei der nächsten Gelegenheit wohl mit Schmackes gesprengt.
Bei der Bank haben wir mit dem Geldautomaten weniger Glück: die EDV-Anlage hat eine Störung. Zweigstelle Nord – mal sehen, ob man das findet. Zuvor kaufen wir die Einwegrasierer bei Schlecker und gehen einmal um das Rathaus herum. Das war’s dann schon, die Zweigstelle Nord finden wir schließlich auch.
Am Nachmittag fahren wir noch einmal kurz zum Achterwasser in Loddin. Da sind ein paar nicht ganz stilecht dekorierte Tretboote vor Anker. Ein Schwan passt zwar in die Gegend, aber nicht gerade, wenn er aus Plastik besteht und als Tretboot fungiert. Sonst ist heute hier nicht viel los, aber die Sonne kommt raus. Und am Abend gibt es sogar einen Sonnenuntergang am Kölpinsee.
Donnerstag
Wir haben es immer noch mit einem leichten Regen zu tun. Wenigstens muss man sich nach dem Brötchen holen heute nicht abrubbeln. Wir wollen mal zum Polenmarkt in Swinemünde oder – damit es leichter von der Zunge geht: Swinoujscie. Aber Heidi hat ihren Ausweis nicht dabei – ob verbummelt oder verlegt lässt sich heute nicht fest stellen. Vielleicht kommt man mit einem Passierschein oder so was rüber?
Wir müssen vor der Grenze erst mal wieder einen Stau abstottern. Es ist nicht zu erklären, warum es sich staut, denn man kann den Parkplatz schließlich zügig befahren und findet auch freie Plätze. Dann ab zur Grenzkontrolle. Die bange Frage: „Meine Frau hat keinen Ausweis dabei, gibt es so was wie einen Passierschein“ wird lapidar beantwortet mit „Dann wird das wohl nichts“. „Also das wird wohl nichts“ sage ich zu Heidi. Darauf verzieht sie sich in das Imbissrestaurant gegenüber, die Toiletten kosten 50 Cent.
Ich überquere mal schnell die Grenze zum Zigaretten holen. Als mit einem Mal alle Leute den Kopf drehen, tue ich das auch: da kommt nämlich gerade ein älteres Ehepaar in Jägerkluft mit Gamsbart und so von drüben zurück. Der Mann trägt einen unförmigen Sack auf der Schulter, etwas schwarzes guckt oben raus. Haben die etwa ein gejagtes Wildbret dabei? Möglich ist ja alles. Und tatsächlich: es ist ein Wildschwein – aber aus Plastik. Vielleicht ist es für den Vordergarten.
So betreten einige Grenzgänger das gelobte Land schmunzelnd. Der Polenmarkt ist wenige 100 m von der Grenze entfernt wo die Siedlungsgebiete von Swinemünde beginnen. Ich werfe nur flüchtige Blicke auf die ausgestellten Waren, meistens Klamotten wie Trainingsanzüge, Jacken oder Schuhen mit dicken Sohlen, CDs oder Lebensmittel und Getränke. Am Straßenrand kauft gerade einer den angebotenen Pilzvorrat auf (Maronen). Da hätte ich vielleicht auch zugegriffen. So nach 20 Minuten bin ich aber schon wieder zurück und setze mich mit in das Imbissrestaurant, wo Heidi entsetzt auf das Gericht (Hühnerfricassee) eines Gegenübers starrt. Wir sind schnell wieder draußen.
Wir fahren nach Ahlbeck und gucken uns da ein bisschen um. Da hat sich in den vergangenen Jahren wohl auch viel getan und es wird noch weiter emsig gebaut. Hoffentlich nicht zuviel des Guten. Wir sammeln einmal originelle Namen von Lokalitäten, bei denen man sicher lange überlegen musste, bis man drauf kam: Hotel Strandterrassen, Am Meer, Ostseehotel, Ahlbecker Hof, Hotel Seestern, Haus Seeblick, Seeschloss Ahlbeck, Villa Aquamarina. Klingt alles gut in den Ohren. Gewinner, was die Originalität angeht, ist: Am Meer.
Weil heute kein Strandwetter ist, können wir (Otto und ich) Heidi zu dem Knüppelweg um den Kölpinsee überreden. Nun werden die notwendigen Fotos produziert – leider ohne Sonne. Aber wir kommen ohne Knöchelverstauchung oder dgl. Durch.
Als wir wieder zurück sind gibt es eine Überraschung: da kommt Anke Arm in Arm mit Bärbel daher. Die ist extra aus Berlin „mal rüber“ gekommen, „Man sieht sich ja sonst doch nicht“ sagt sie. Das finden wir auch und gehen gleich einkaufen, damit der gesellige Abend gesichert ist. Das ist er dann auch. Wir freuen uns zusammen zu sein, man merkt überhaupt nicht, dass man sich ein paar Jahre nicht gesehen hat.
Freitag
Nach einem gemeinsamen Frühstück machen wir uns auf zu einer Radtour nach Heringsdorf. Dazu ist zu sagen, dass vor der Haustür der Fernradweg Ostseeküste entlang führt. Da kann man jetzt außerhalb der Hauptsaison stündlich immer noch mehr als 100 Radfahrer zählen, was auf den ganzen Tag umgerechnet über 1000 sein mögen. Das sind zum Großteil natürlich Tagesfahrer, aber einige führen auch Gepäck mit sich oder übernachten auf dem Campingplatz.
Wenn man nun in Richtung Ückeritz aufbricht, mag man sich bald wundern, da gibt es eine Steigung mit ausgeschilderten 18%. „Radfahrer absteigen“ steht da zu lesen, und das tun die meisten, einige auch bergab. Natürlich ist es eine Herausforderung, da im Sattel hoch zu fahren und nachher ohne zu bremsen wieder hinunter. Letzteres geht nur ohne Gegenverkehr.
Auf der Strecke bis Ahlbeck folgen noch eine ganze Reihe von Steigungen, einige meinen, bald and der Baumgrenze anzukommen. Das ist leicht übertrieben. Im Bereich Campingplatz Ückeritz ist alles eben. Nach Bansin geht es am Schluss dann endlich bergab.
Man fährt nun immer an der Kurpromenade lang, wo es nach dem Regen auch die eine oder andere Seenplatte zu umfahren gilt. Außerdem muss man sich mit den vielen Promenierenden gut stellen, damit die nicht maulen über die lästigen Radfahrer. Aber die gemeinsame Nutzung ist offiziell gestattet. Wir fahren bis zur Seebrücke Heringsdorf, der längsten Seebrücke Kontinentaleuropas – was immer das heißt. In den nächsten Tagen soll dort der russische Großsegler MIR (wir dachten eigentlich, das sei eine Raumstation) anlegen. Man kann da für teures Geld eine Rundfahrt mitmachen und sogar in die Takelage klettern (Möglichkeit in die Masten aufzuentern). „Stöckelschuhe nicht geeignet“ ist zu lesen, darauf wäre man sonst gar nicht gekommen.
Kurz darauf treffen wir das Ehepaar mit Sally, die kommen aus Leiferde bei Gifhorn, unserer Gegend, „die Welt ist klein“. Dann fahren wir wieder zurück, auf der Rückfahrt seien die Steigungen gar nicht so schlimm, meint Heidi.
Am Nachmittag machen wir einen Spaziergang Richtung Streckelsberg. Dort soll es Steinpilze geben, wie wir später erfahren. Gut, dass wir das zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst haben. Bärbel überrascht uns später mit der Information, am Achterwasser gebe es Tausende von Champignons. Bärbel muss morgen wieder fahren, abends haben wir noch einen Schnack, verabschieden uns aber noch nicht offiziell. Bärbel will morgen um 9 Uhr los, da werden wir hoffentlich schon aufgestanden sein.
Samstag
Um 8 Uhr klingelt der Wecker. Vergeblich, der Vogel ist schon ausgeflogen. Später finden wir einen Liebesbrief an der Garderobe: sie sei schon um 6:30 ausgeschlafen gewesen. Liebe Grüße!
Man darf raten, wo wir heute hin pilgern: nach Loddin zu den 1000 Champignons. Die muss man erst mal finden. Der erste Vorstoß endet auf einem Trampelpfad am Steilufer vom Höft, der Landspitze am Achterwasser. Da hat man zwar eine schöne Aussicht, aber keine Pilze. Wir schieben wieder zurück und versuchen unser Glück auf den höher gelegenen Wiesen. Und es klappt, bald haben wir einen vollen Korb mit Bovisten, Parasol und weißen Pilzen mit schuppigem Hut, die nicht ganz wie Champignons aussehen und auch nach nichts riechen. Am Zaun bleiben die Leute schon stehen und gucken uns zu. Mancher fragt auch, was wir da wohl machen mögen. Ein Ehepaar aber hat Schwierigkeiten mit einem ihrer Leihräder, da hält die Luft auf einem Reifen nicht. Ich kann mit meiner Luftpumpe (aus Dänemark) aushelfen.
Zurück im Quartier wird die Pilzausbeute dem einen oder anderen Experten aus der Nachbarschaft präsentiert. Da ernten wir keine ermutigenden Auskünfte, um Champignons scheint es sich auf keinen Fall zu handeln. Auch Anke ist skeptisch und die kennt die Pilze der Gegend. Also müssen wir uns von dem Großteil der Ausbeute wieder trennen und nur die Boviste und Parasols bleiben zum Abendessen übrig.
Nun fahren wir noch einmal los: in Ückeritz soll ein Kartoffelfest sein. Nach Nachfrage im Supermarkt finden wir da auch hin. Lange Schlangen vor den Fressbuden. Eine Band oder sowas sorgt für die Stimmung (Country&Western). Auf den Sitzbänken wird geschunkelt und geklatscht. Hier und dort liegen auch mal ein paar Kartoffeln herum. Einige haben ein munteres Feuerchen entfacht und braten Kartoffeln an langen Holzstöckern. Deshalb also heißt das hier „Kartoffelfest“. Viele Besucher sitzen da mit einem glücklichen Gesichtsausdruck, aber wir machen uns bald wieder an den Rückweg. Der führt etwas zweifelhaft durch den Wald, aber wir landen in etwa an der Reha-Klinik. Da kann man wenigstens noch mal die 18 % Steigung hinunterbrausen – heute leider nicht ohne Gegenverkehr.
Inzwischen ist Achim wieder mit einem Fang angelandet. Neben dem Versorgen des Fangs besteht die Hauptarbeit (weil zeitraubend) im Auseinandertütteln der Angelschnüre. Diese werden über eine Rolle vom Schiff aus verlegt und einen Tag später wieder eingeholt. Und beachtlich, was dann mitunter dranhängt. Wieder muss ich die Kamera in Aktion bringen. Wir bestellen einen Zander. Nun trinken wir erst mal alle zusammen Kaffe und es ist richtig gemütlich so beim Schnürezuppeln. Wir dürfen da aber nicht mit helfen, das muss ganz akkurat gemacht werden. Fatal, wenn sich mitten in der Nacht beim Ausbringen der Köderschnur etwas verheddern würde.
Für mich wird der Abend spät, da kommt wieder Boxen (Trabant verliert...) und es wird am Ende 0:30 oder so.
Sonntag
Am Morgen ist es noch trübe, aber das Wetter soll sich bessern. Wie wäre es mit einer Autofahrt, Mellenthin und Lieper Winkel – das kennt man ja alles noch nicht. Otto darf mit fahren. In Pudagla gibt es eine Bockwindmühle, in Neppermin Golfeinrichtungen am Balmer See, das ist eine Bucht des Achterwassers. Interessanter für uns ist das Wasserschloss Mellenthin. Da steigen wir aus und treten in den Innenhof bzw. lassen uns von Otto dorthin ziehen. Das Schloss ist nicht zu besichtigen, die Eigentümer nutzen es wohl als Wohngebäude. Einem Aushang ist zu entnehmen, warum die Restaurierungsarbeiten nicht durch Landesgelder unterstützt werden. Es gebe zu viele andere Objekte, die durch Sofortmaßnahmen vor dem weiteren Verfall zu schützen seien – so heißt es. Vorn im Hof sind zwei Stände mit landwirtschaftlichen Produkten aufgebaut. Wir erstehen ein Päckchen Speck, eine Wurst und ein Glas Buchweizenhonig – ganz was besonderes.
Nun spricht uns eine Frau an: „Ist das ein Beagle?“ „Ja, wir glauben, schwer erziehbar“ sage ich, und zur Bestätigung zieht Otto in alle für ihn interessanten Windrichtungen. Damit er unauffällig sein Geschäft erledigen kann, umrunden wir schließlich das Anwesen außerhalb der Wassergräben. Wir geraten an eine kegelförmige Anhöhe. Auf einem Schild wird erklärt, um was für eine Besonderheit es sich hierbei handelt: es ist ein sog. Streitberg. Dort haben sich bei drohenden kriegerischen Auseinandersetzungen die Verteidiger hinauf begeben, in der Hoffnung, gegen die von unten kommenden Angreifer im Vorteil zu sein. Was geschah, wenn der Angreifer die Verteidiger auf ihrem Streitberg sitzen ließ und sich lieber über deren Besitztümer her machte, ist nicht überliefert.
Otto muss nun wieder ins Auto, und wir werfen noch einen Blick auf Gutshof mit Hotel und die Kirche. Zum Glück gibt es ein Faltblatt: „Willkommen in den Kirchen Usedoms“, da steht alles drin, was man wissen muss. Kreuzgewölbe, Fresken und so weiter. „Wo ist denn nun der Zughund?“ fragt uns die Frau von vorhin. Der musste ja nun nicht auch noch mit in die Kirche.
Wir fahren nun einen Ort weiter, der heißt Morgenitz. Da gibt es keinen Kirchturm und die Kirche (erste Erwähnung 1318) ist leider geschlossen. Darum herum liegen hier aber slawische Mahlsteine (Trogmühlen), eine einmalige Sammlung ist zu lesen. Nächster Haltepunkt ist der Hafen Rankwitz am Peenestrom. Da treffen sich alle wieder, die heute hier unterwegs sind. Es gibt dort nämlich ein Restaurant. Ein beschauliches Fotomotiv ist dagegen nicht so leicht zu finden, es ist alles ordentlich mit Verbundpflaster und Rasenflächen angelegt. Schon biegt der nächste Bus um die Ecke und wir machen, dass wir weiter kommen.
Letztes Ziel der Gegend hier: Liepe. Die Landzunge hier heißt demnach: „Lieper Winkel“ und wird als eine der schönsten Gegenden auf Usedom gerühmt. Vom Auto aus erschließt sich das nicht so ganz, man sollte mit dem Fahrrad abseits der Straße (es gibt nur eine) die Natur erkunden, Schwedenschanze und so. In Liepe aber befindet sich die älteste Kirche (1216) auf Usedom. Wie alt mögen die Wandmalereien sein? In unserem Faltblatt steht: 18. Jahrhundert. Der weitere Vorstoß mit dem Auto in Richtung Fischerdorf Warthe endet erfolglos und wir streben wieder heimwärts.
Dort geht es heute auf den Zander los, der wird gebraten und dann vollständig verzehrt (mit Kartoffeln und Meerrettich). Danach bleibt uns gerade noch soviel Kraft, uns an den Strand zu schleppen, wo nun wieder munter die Sonne scheint. Als wir mit dem Fahrrad zurück fahren, springen uns zwei Kinder von einer Böschung herunter in den Weg. „Da kommt ein Auto“ schreit eine Mutter auf. „Heute könnte ich euch aber auch den ganzen Tag eins hinter die Ohren schlagen“ geht es weiter. Wenn man die Frau anschaut, möchte man aber auch nicht mit der verheiratet sein oder eines ihrer Kinder sein.
Montag
Wir können schon am Morgen wieder an den Strand. Leider ist unser Platz von einer Dame besetzt, obwohl die gar keinen Hund hat. Wir finden einen anderen Platz – der Strand ist hier 18 km lang (sagt Heidi immer). Ich mache mit Otto wieder meinen Strandgang bis zur Brücke Reha Klinik und dem Schild „Kein Hundestrand“. Auf dem Rückweg sehen wir einen schwarzen Hund am Strand entlang traben, der hat alles unter Kontrolle. Wir befinden uns zum Glück gerade oben auf der Kante, weil auch Herrchen mitunter das Bein heben muss. Als wir zurück sind, sagt Heidi: „Habt ihr den Paul da am Strand nicht gesehen?“ Ach das war Paul, der da des Weges kam, dann macht der wohl eine Tour auf eigene Faust. So ist es dann auch, er kommt erst Stunden später wieder nach Hause. Natürlich erzählt er keinem, wo er gewesen ist.
Achim kommt wieder mit einem Fang zurück, der heute nicht so gut ausgefallen ist. Wir ordern aber einen Hornfisch, den kennen wir noch nicht. Vor dem Abendessen besuchen wir eine Informationsveranstaltung in der Gaststätte am Campingplatz. Mit Laptop und Beamer werden einem Eindrücke von der Insel vermittelt. Vieles kennen wir ja nun schon, besonders wenn es um die Seebäder von Zinnowitz bis Ahlbeck geht. Gegensätze von früher (Kaiserzeit) und heute (Kempinski baut ein Suite-Hotel) machen einen schon nachdenklich, aber wohl immer ging es wohl nach dem Motto: „Hauptsache die Kasse stimmt“. Man hat in allen Orten große Anstrengungen unternommen, die alten Villen aus der Blütezeit um 1910 zu erhalten und stilgerecht wieder herzurichten.
Dann gibt es unseren Hornfisch, der sich durch grüne Gräten auszeichnet. Nun haben wir fast alles an Fischen durch, wir werden aber sehen, dass uns die leckersten Häppchen noch bevor stehen.
Der Abendgang führt uns heute ganz einfach an den Strand. An der Kante der Steilküste aber tummeln sich scharenweise die Fledermäuse, einige huschen nur auf Armlänge an einem vorbei. Da darf man keine Angst vor Vampiren haben.
Dienstag
Wir müssen mit dem Rad nun auch noch in die andere Richtung fahren. Das geht über Koserow und Zempin nach Zinnowitz. Am Hotel Seerose muss man dazu ein paar Stufen hinauf klettern, dann geht es immer durch den Wald, hinter Koserow immer auf dem Deich entlang. Hier ist irgendwo die schmalste Stelle der Insel, wo eine kleine Bucht vom Achterwasser fast bis an die Straße und die Bahntrasse heranreicht. Das heißt dann dort Lütten Ort. Hier ist das Anwesen des Malers und Stolzes der Insel: Niemeyer-Holstein. Autos in Koserow parken, ist zu lesen.
Weiter durch den Wald sind wir dann bald in Zinnowitz, wo man auf der Promenade raus kommt. Da stehen gleich prächtige Villen, viktorianisch oder Jugendstil oder so was. Am Ende der Promenade befindet sich das Baltic Zentrum, was stilistisch hier nun wieder weniger rein passt. Aber das wurde zu DDR Zeiten im Plattenbaustil erbaut, was soll man da machen. Man hat es wenigstens durch Glasfassaden versucht zu verschönern. Innen befindet sich ein Badeparadies und der Parkplatz ist voll. Zu sehen gibt es weiterhin die Seebrücke und den Kreisverkehr. An letzterem finden wir auch unser Fischgeschäft vergangener Urlaube wieder. Für dieses Mal benötigen wir kein Fischgeschäft. Heute brauchen wir nur Tee, den gibt es im Supermarkt daneben.
Bald fahren wir wieder zurück, weil die Sonne scheint und der Strand lockt. Noch einmal Station gemacht an den Salzhütten in Koserow, „wo früher der Fisch eingesalzen wurde, kann man ihn heute essen“ (Zitat). Hoffentlich schmeckt er nach der langen Zeit noch. In Koserow streben wir nun der Bank zu. Da gibt es am Geldautomat auch nichts zu holen, sondern eine Glasscheibe vor den Bedienungstasten geht hoch, nachdem ich die Geheimnummer und den gewünschten Betrag eingegeben habe. Da kann man nichts machen. Zum Glück kommt wenigstens die Scheckkarte wieder raus. Noch ein Blick auf die Kirche und dann fahren wir auf dem Radweg an der Straße zurück, damit es schnell geht, wir am Supermarkt rauskommen und bald an den Strand können.
Das geht in bewährter Weise, indem wir uns es zwischen unbesetzten Strandkörben gemütlich machen. Leider kommen heute sogleich die rechtmäßigen Bewohner, das ist dann ein bisschen peinlich. „Man könnte sich ja auch selbst einen Korb mieten“ kriegen wir zu hören. „Lohnt nicht für einen halben Tag“ wird zurück gemurmelt. Aber man wird doch nachdenklich. Also erkundigen wir uns mal nach den Mieten: 5 EUR für den Tag und 4.50 EUR für den halben Tag. Da bleibt man weiter nachdenklich.
Dafür gibt es einen wunderschönen Abend, weil Anke und Achim uns zum Aalessen eingeladen haben. Aal grün und Kartoffeln. Bald wird es schon fast peinlich, wie oft man nachfasst – „nimm noch“ heißt es immer wieder. Ein schöner Rotwein dazu und gegen 19 Uhr der Sonnenuntergang am Kölpinsee. Denn wir sitzen wegen des schönen Wetters auf der Terrasse, von wo aus man alles bestens überblicken kann, wenn man nicht gerade wieder ein Stückchen Aal einschiebt.
Voller Stolz werden uns noch Bilder und Zeitungsausschnitte von den Kölpinseer Stieren präsentiert. Das sind die Eishockey-Helden, die aus eigener Kraft eine Mannschaft stellen. Hoffentlich kommt man mit den Spielernamen klar, denn mindestens 8 oder so kommen alle aus Achims Verwandtschaft und heißen alle Will (Vater und Söhne sind schon 4 davon). Man hat auch schon ein paar mal gewonnen oder gegen renommierte Mannschaften aus Rostock usw. gespielt. Da hat man dann nicht gewonnen.
Wir haben wieder einen herrlichen Urlaubstag gewonnen. Und übermorgen sollen wir noch einmal zusammen Fisch essen, dann gebraten zubereitet. Darüber wird noch zu berichten sein.
Mittwoch
Das mit dem Strandkorb hat gewirkt. Heute soll einer gemietet werden. Das besorgt Heidi, geschäftstüchtig wie sie ist, gleich für zwei Tage und 6 EUR oder so. Natürlich über Beziehungen beim Nachbarn. Inzwischen öle ich die Kette am Fahrrad, denn ich will dieweil noch einmal „Zigaretten holen“. Während Heidi sich zum Strand aufmacht, begebe ich mich auf die Strecke, wo die Steigungen von 18 % u. dgl. mir heute nichts entgegen zu setzen haben. Auf dem Campingplatz Ückeritz blinkt mich ein Auto an, was ich kaum bemerke, weil ich mit der Nase knapp über dem Lenker hänge. Das war Anke – wie man später hört.
Bis zum Grenzübergang benötigt man eine knappe Stunde. In Swinemünde fahre ich bis an den Hafen, dort ist aber nicht viel zu sehen. Immerhin ein Haus mit 12 Balkonen, Wäscheleinen und Satellitenschüsseln bietet sich für ein Foto an. Zurück am Grenzübergang wage ich noch ein Panoramafoto, darf man hier überhaupt fotografieren? Egal, ich komme auch unbehelligt wieder zurück, man hätte den ganzen Rucksack voller Zigaretten schmuggeln können, aber das traut man sich dann doch nicht.
Die Rückfahrt soll nun ein wenig durch die Hinterlandschaft führen. Vor Ahlbeck links abbiegen und man gelangt bald an den Wolgastsee, der mitten im Wald liegt. Ein 180 º Panorama wird gar nicht so schlecht (8 Fotos).
Weiter geht es durch Wälder und Felder Richtung Garz. Das ist alles gut ausgeschildert und speziell als Rad- oder Wanderweg eingerichtet. In Garz muss man aufpassen, dass man nicht nach Kamminke abdriftet, dort geht es dann nicht so recht weiter. Oder man besucht dort den Golm, die höchste Erhebung auf der Insel (61 m). Es befinden sich dort einige sehenswerte Dinge wie Burgwall und Kriegsgedenkstätte.
Aber ich halte mich in Richtung Zirchow, wo es eine interessante Kirche geben soll. Vorher passiert man eine Unterführung unter der ehemaligen Bahnstrecke, von der irgendwo (bei Karnin) im Haff die Reste der Eisenbahnbrücke zu sehen sind und heute unter Denkmalsschutz stehen. Die schöne Kirche (St. Jakobus) in Zirchow ist dann leider geschlossen und aus der Nähe schlecht zu fotografieren.
Es geht weiter auf einsamen Straßen, schließlich über eine Art Pass nach Benz. Dort hat man mehr Glück mit der Kirche, in der es eine schöne Kassettendecke gibt. Von Benz kann man sich schließlich abseits der Autostraßen durch den Wald (Sand und Schieben angesagt) nach Sellin durchschlagen, das verträumt am Schmollensee liegt. An dessen Ostufer geht es dann zurück an die Hauptstraße und wiederum über den Campingplatz heimwärts. 70 km sind so zusammen gekommen, Fahrzeit von 9:30 bis 14:30.
Danach kann man es sich im Strandkorb gut gehen lassen. Irgendwann kommen sogar Achim und sein Bruder mit ihrem feuerroten Fischerboot von Peenemünde her angeschippert. KÖL 2 und La Paloma steht auf dem Boot. Wir helfen beim Anlegen, d.h. Heidi lässt sich fotografieren und ich muss den Anker im seichten Wasser verstecken. Oder heißt es: den Anker ausbringen? Am Strand klicken die Fotoapparate, so ein schönes Boot aber auch. Mitfahren möchten wir da weniger, haben wir doch schon mal jemand grün im Gesicht zurück kehren sehen. Aber das war nicht Achim, sonder Richie aus Bielefeld. Und wenn man im Supermarkt die Ansichtskarten studiert, kann man Achims Boot so manches mal entdecken.
In diesem Sinne verzehren wir heute Abend den Hornfisch, da sind die Gräten auch grün, aber wohl nicht von der Seekrankheit.
Donnerstag, Die Welt ist klein
Nun müssen wir aus Geldmangel noch einmal nach Koserow – unser Quartier muss ja schließlich auch bezahlt werden. Heute funktioniert der Automat, mehr als 500 EUR rückt er aber trotz guten Zuredens nicht heraus. Also dann lieber noch einmal zur Kirche, und da treffen wir sie – die Welt ist klein.
(Wie neulich auf dem Campingplatz, da lagen sich Leute aus Bielefeld in den Armen: „Da muss man erst mal hierher fahren, die Welt ist klein“).
Wir treffen Ehepaar S. aus unserem Dorf, wir wussten aber, dass sie in dieser Zeit auch hier auf der Insel sind. Ehepaar S. kann man auch nur an einer Kirche treffen, so wie wir sie kennen. Man hat auch den Schlüssel der Kirche organisiert. Drinnen ist aber nicht viel zu sehen. Obwohl zu lesen ist: Flügelaltar, Vineta Kreuz und so. Und das Modell eines Segelschiffes hängt von der Decke herunter.
Ehepaar S. residiert an der Promenade von Ahlbeck. Ihr kleiner Hund (Yorkshire) hatte leider ein Problem: Darmverschluss. Das kam bei unserem Otto nicht vor. Jetzt geht es dem kleinen Hund aber wieder gut.
So können auch wir beruhigt die Rückfahrt antreten, heute über den holperigen Damm am Achterwasser nach Loddin. Von da fährt man direkt zum Supermarkt in Kölpinsee, wo es wieder den Wein für den Abend (wovon noch zu berichten sein wird) zu organisieren gilt.
Wieder zurück und wir gehen mit Otto an den Strand. Heute soll er schwimmen. Das gelingt auch gleich mit Söckchenwerfen. Heidi wollte ja immer mit ihm zusammen schwimmen, aber über das „Duppen“ kommt sie nicht hinaus. Otto ist auch froh, wenn er wieder festen Sand unter den Pfoten hat. Mir gelingt es doch hin und wieder, bei 18 º Wassertemperatur schon mal bis ans Ende der Buhnen zu gelangen. Aber auch dort kann man fast noch stehen. Und man sollte die Kormorane nicht verscheuchen, die hier mit Genuss auf den Pfosten der Buhnen sitzen – und, wir kennen es schon, die Flügel nach einem Tauchgang zum Trocknen ausbreiten.
Am Nachmittag beziehen wir unseren Strandkorb noch einmal. Otto muss dann wieder mal die Wohnung hüten, das macht er eigentlich immer ganz gut, auf dem Sofa oder Herrchens Kopfkissen. Wenn man dann zurück kehrt, ist er eher unwillig ob der Störung, schließlich freut er sich dann doch, besonders wenn man mit der Hundeleine zum Ausgehen wedelt.
Im übrigen haben wir einen zweiten Beagle samt hinterher gezogenem Ehepaar kennen gelernt. Da tauscht man Erfahrungen aus, logo. Also deren Beagle, 8 Jahre alt und kein bisschen weise. Spezialität: Ausbüxen, an der Leine ziehen, andere Hunde anmachen. Das kommt uns alles recht bekannt vor.
Wovon war doch noch zu berichten? Natürlich, über das abendliche Mal auf der Aussichtsterrasse, wieder bei Sonnenuntergang. Bevor da irgend jemand an das Servierte Hand anlegt, muss das erst mal fotografiert werden, das sieht dann aus wie aus dem Kochbuch. Als da gebraten wurden: Aal, Zander, Flunder, Barsch. Nun hört ihr einige Zeit nichts von uns. Und als wir anfangen zu schnaufen: „Nimm noch“. Mehrmals. Und dann nimmt man noch. Also hier wird nicht nur gekonnt gefischt (Achim), sondern auch der Fisch gekonnt zubereitet (Anke).
Der Abendspaziergang ist heute mehr als nötig. Auf dem Weg entlang am See begegnet uns eine kregle Damengruppe. Die haben ein flottes Lied auf den Lippen. Man traut seinen Ohren nicht:
Diesen Weg auf den Höhn bin ich oft gegangen, Vöglein sangen Lieder ...
Wie schön, das Rennsteiglied, und das hier – die Welt ist klein!
Freitag
Der letzte Tag! Wer bis hier mit dem Lesen durch gehalten hat, wird
verstehen, das ist bitter. Heidi versteigt sich sogar dahin: „Das war unser
schönster Urlaub!“ Vielleicht hat sie recht.
Achim kommt zum Frühstück herunter (wie in den vergangenen
Tagen auch schon) und wir laben uns an den „zwei Doppelte zwei Korn“ Brötchen.
Dann verzieht sich Achim wieder zum Entwirren seiner Angelschnüre.
Ob man das nicht rationalisieren könnte, mit geeigneten Aufwickeleinrichtungen
oder so? Das war schon immer so und das machen alle so, vielleicht
sollte man ja auch nicht alles verändern, schon gar nicht wenn man
von der Sache nichts versteht. Und ist es nicht gemütlich, dabei zusammen
zu sitzen, bei einem Kaffee und Keksen? Und der Räucherofen qualmt
im Hintergrund?
Oder die Tauben gurren, 70 an der Zahl, die werden von den Jungs professionell gehalten. Wettbewerbe und so, selbst in Braunschweig war man schon und hat von dort Tauben gestartet. Die sind tatsächlich hier auf Usedom wieder angekommen. Sicher passiert uns das auch einmal wieder, leider können wir nicht fliegen.
Wir haben noch einmal einen schönen Tag am Strand – welch ein Glück mit dem Wetter haben wir gehabt, mitten im September. Zum Abschluss Arbeit: Sachen packen, Staubsauger anwerfen – wie viel Haare hat eigentlich so ein Hund? Millionen wahrscheinlich.
Abschiedsessen in der Ostsee (Hotel) – auch schon Tradition. Und heute keinen Fisch, sondern Buletten und Schnitzel. Da kommt ein Herr daher mit einer Plastiktüte: gefüllt mit Steinpilzen. Unsere gierigen Augen: „Sie dürfen mal schauen, aber mehr nicht“. „Wo haben sie die gefunden?“ Das darf man den Pilzsucher nicht fragen, nur ein geheimnisvolles Lächeln ist die Antwort. Wir kriegen es trotzdem raus, und werden es auch hier nicht verraten.
Abendgang mit Otto. Da ist mit einem Mal zu hören: „Warum heißt der Beagle Beagle? Weil er den Schwanz so biegt!“ Damit ergibt sich ein Gespräch mit einem Ehepaar aus Eberswalde, die haben eine „Privat-Schafherde“ zu Hause und können nun nach dem Regen, wo es wieder ein wenig grün wird, erstmals in diesem Sommer ein paar Tage Urlaub machen. Es ergibt sich ein längeres Gespräch über Hunde und Schafe, Schafe und Hunde. Man kann gar nicht wieder aufhören, wir gehen gemeinsam zurück und Otto und ich verabschieden uns mit Beinheben bzw. Handschlag. Da haben wir der Mama wieder viel zu erzählen.
Am Sonnabend fahren wir nach Hause und sehen zuletzt die Sonne mehr
als 10 mal untergehen (und wieder aufgehen), als wir hinter Helmstedt über
die Hügel gen Westen heimkehren.