Mittwoch, 19.8. Spremberg - Burg, 70 km
Das Motto für unser heutiges Ziel hat uns der Senior auf den Weg gegeben: "Wollen sie Hektik, fahren sie nach Lübbenau, wo am Hafen die Warteschlangen an den Bootsstegen stehen. Wollen sie es ruhig, fahren sie nach Burg, da kann man am Hafen stundenlang zugucken." Also auf nach Burg!
Burg in Spremberg |
Talsperre Spremberg |
Dorf vor Cottbus |
Cottbus |
Spreewaldmühle Cottbus |
Eine Lust, wie es weitergeht. Im Sonnenschein oder im Schatten des Auwaldes kommen wir an die Spreewaldmühle, als technisches Denkmal ausgewiesen. Im dunklen Innenraum zwischen den mahlenden Gestängen sitzt einer und wartet auf zahlende Besucher. Ein Foto von dem sich drehenden Wasserrad ist allerdings kostenfrei.
Es steht nun die Entscheidung an, ob man auf einem kürzeren Weg der Spree folgt oder die Route durch die Peitzer Teiche wählt, was 10 km mehr kostet. Ich lasse es nicht auf eine Diskussion ankommen und lotse Heidi auf die Abzweigung nach Lakoma (klingt wie La Paloma). Auf dem kurzen Stück Straße überholt uns ein Bus mit der Aufschrift: "Der Cottbusser Postkutscher". Aus dem Gedächtnis rezitieren wir sogleich den Zungenbrecher:
Der Cottbusser Postkutscher putzt den Cottbusser Postkutschkasten.
Heidi meint, das müßte heißen: Der Potsdamer Postkutscher... usw. Zu einer phonetischen Diskussion ob lieber Cottbus oder Potsdam kommt es nicht
(der Wechsel C-b-P-k-p-C-b-P-k-k klingt jedenfalls besser als P-d-P-k-..., ach was weiß ich...).
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So sitzen wir inmitten der Peitzer Teiche auf einer Bank, hinter uns zischen gelegentlich sportliche Rennradfahrer vorbei, wo kann man schöner rasen? Ich fotografiere, Heidi rechnet die noch verbleibenden Kilometer bis Burg zusammen. Daß wir die gesamte Reststrecke (25 km) mit Gegenwind fahren werden, behalte ich für mich. Nun wollen wir noch einmal betonen: die Peitzer Teiche sind ein absoluter Höhepunkt. Auch der Ort Peitz lädt zum Verweilen ein, aber wir fahren durch.
Man kann eine Abkürzung fahren, wenn man sich Richtung Drehnow orientiert. So sicher bin ich mir da allerdings nicht, wie immer bei meinen Abkürzungen. Aber es geht gut, man findet wieder zurück auf den ausgeschilderten Radweg, der nun schnurgeradeaus an einem Fließ - so heißt das hier - namens Malxe entlang führt. Dann auf einem Damm, schön erhoben dem Gegenwind ausgesetzt. So gondeln wir also wortlos dahin, ich breche den Wind und mache mir Gedanken über den Belgischen Kreisel oder den Wallonischen Pfeil und hoffe, daß Heidi mit ihrem Gesundheitslenker das Windloch hinter mir findet. Die Landschaft ist weit und grün, ab und zu grüßt ein Kirchturm einer Ortschaft. Aber hier geht es nur stur auf dem Damm der Spree voran. Endlich erreichen wir die Straße nach Burg, passieren den bevölkerten Parkplatz am Bismarckturm, den wir verschmähen.
Hafen in Burg |
"Alter Bahnhof" mit Hotel |
Wir machen den üblichen Rundgang und suchen uns ein Lokal aus. Vorher noch zum Hafen, dem gepriesenen. Da ist aber nicht so viel los, Imbißbuden und weiter keine Stimmung. Wir gehen noch einmal in die Info, wie das mit dem Kahnfahren wohl so funktioniere usw. Wir bekommen einen Plan, wo mit einem Markierstift die Abfahrtsstellen gekennzeichnet werden.
Auf den zweiten Blick bietet der Ort Burg eigentlich nicht allzu viel. Man munkelt, daß die Gemeinde Burg flächenmäßig die größte der Bundesrepublik ist, da es sich um eine weit über das Land verteilte Streusiedlung handelt. Unser Abendessen im Gasthof Bleske gegenüber der Kirche ist insoweit bemerkenswert, daß es einen Fischtopf gibt mit 2 Stück Aal, ein ordentliches Stück Karpfen und Hecht, gereicht mit original Spreewälder Soße. Das ist sehr lecker. Heidi schreibt anschließend eine ganzen Stapel Ansichtskarten an die Lieben zu Hause. Da steht überall das gleiche drin. Als wir die Bedienung nach Briefmarken fragen, bietet sie an, die Karten an sich zu nehmen, zu frankieren und zur Post zu bringen. Das wirkt sich positiv auf das Trinkgeld aus. Die Karten sind dann auch alle pünktlich angekommen.
Donnerstag, 20.8. Burg - Lübben, 30 km
Der Tag verläuft anders als geplant, denn wir hatten das Zimmer für zwei Nächte genommen. Der erste Grund ist, daß Heidi schlecht geschlafen hat, da hat wohl eine Tiefkühltruhe zu laut gebrummt, ich habe davon nichts gehört. Der zweite Grund ist der Wetterbericht, der verheißt nichts gutes für die nächsten Tage. Der heutige Tag dagegen wird uns noch einmal einen wolkenlosen Himmel bescheren. Da liegt es nahe, das Ganze anders zu machen.
Waldschlößchen bei Burg Kauper |
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Zur linken liegt ein typisches Spreewaldhaus, aus Holz erbaut, da soll Theodor Fontane eine seiner vielen Übernachtungen bei seinem ausgedehnten Trip durch die Mark Brandenburg gebucht haben. Doch nun kann man sich auf die eigentliche Stimmung bei dieser Bootsfahrt konzentrieren. Und das ist eine himmlische Ruhe. Der Kahn gleitet dahin, die Sonnenstrahlen blinken durch das Blätterdach der Schwarzerlen, auf dem Wasser huschen die Wasserläufer, Libellen zucken über das Wasser. Wir haben nun das angenehmste Publikum an Bord, denn jeder respektiert diese Atmosphäre, es fällt kein lautes Wort. Der Fährmann plaudert derweil unterhaltsam, als wenn er mit jedem von uns in ein persönliches Gespräch vertieft wäre. Man muß aufpassen, daß man nicht einschlummert, wie es einem Fahrgast weiter hinten sitzend widerfährt.
Alte Schleuse |
Weiter geht es um das Problem Naturschutz, Tourismus und landwirtschaftliche Nutzung der Wiesen und Wälder. Da gibt es einige Konflikte. Jeder Flachkahn wird heute vom TÜV kontrolliert, gegen Gebühren. Ein Fährmann muß eine Prüfung ablegen, gegen Gebühren. Man will sich um eine Zulassung als Kurregion bemühen, was eine Kurtaxe nach sich ziehen würde. "Der Theo hält überall die Hand auf" - so wird das formuliert.
Wir kommen an die zweite Schleuse, die uns wieder auf das Anfangsniveau hinauf bringt. Diese Schleuse ist mit Hilfe sechsstelliger Fördergelder in massivem Beton erbaut. Trotzdem ist die Bedienung weit komplizierter, als die der alten Schottwehre. Und hier sind auch keine Kinder. Es wird uns noch eine Ringelnatter beschert, die sich durchs Wasser schlängelt.
Den Abschluß der Bootsfahrt bilden Passagen durch Feriengrundstücke, da hat man sich nicht gescheut, mannshohe Gurkenfässer mit Dach darauf zu Schlafquartieren umzufunktionieren. "Sehr geeignet für Liebespaare" heißt es. Die zugehörigen Grundstücke sind zwar gepflegt, aber nicht der Landschaft angepaßt gestaltet. Rosen Rasen Rhododendron. Lassen wir das Lästern. Zwei Stunden Dahingleiten mit dem Flachkahn durch die Fließe des Oberspreewalds, das war noch schöner als das Motto dieses Berichts: "So stell ich mir den Spreewald vor".
Spreewaldidylle |
Dort geht es wie auf einem Jahrmarkt zu. Busse, Freßbuden, Warteschlangen an Bootsanlegern, Menschenmassen vorn und hinten. Wir ziehen auch einen Vorteil aus der Sache und Heidi bemüht sich um einen Linseneintopf. Ich suche schon mal eine Bank aus. "Gruppe drei an Anleger zwei" tönt es durch ein Megaphon. Wir überdenken noch einmal unsere Bootsfahrt, die gerade zwei Stunden zurück liegt und wissen, das haben wir genau richtig gemacht. Aber wir haben auch wieder ein nettes Erlebnis. Neben uns auf der Bank sitzt ein Rentnerehepaar aus Berlin, Prenzlauer Berg genauer gesagt. Der ältere Herr eröffnet, daß er den Spreewald seit 20 Jahren bereise, früher als Jugendgruppenleiter. "Frag den mal aus" sage ich zu Heidi, die gerade mit dem Linseneintopf die Szene betritt. "Hat sich viel verändert, vor allem nach der Wende" erfahren wir. "Früher gab es hier nichts als Mücken, heute werden die mit Chemie bekämpft, dafür gibt es immer weniger Vögel".
Also hier muß man bemerken, daß wir zu dieser Jahreszeit den Spreewald zu bereisen auch so unsere Bedenken wegen der Mücken hatten. Das hat sich nicht bestätigt, obwohl Heidi einen empfindlichen Stich auf der Fußsohle mitten durch die Hornhaut zu beklagen hat. Daß man aber gegen die Mückenplage mit der chemischen Keule angeht, kann man sich weniger vorstellen, sind doch die sumpfigen Waldgründe viel zu unwegsam. Außer man geht da mit dem Hubschrauber zu Werke, aber das werden die Naturschützer kaum zulassen. Vielleicht liegt es auch am trockenen Wetter, jedenfalls hat uns die Mückenplage nicht heimgesucht.
Holzwege |
Man passiert dann vor Lübben bald eine riesige Reha-Klinik (Orthopädie und Onkologie), nagelneu erbaut, ein Traum aus Glas und Stahl. Uns interessiert natürlich zunächst wieder am ehesten die Touristeninformation, in der ein Quartier nunmehr nur gegen die Gebühr von DM 5.- vermittelt wird. Das Quartierverzeichnis ist aber kostenfrei, und wir lassen uns vor der Paul Gerhardt Kirche nieder, zu Füßen jenes Choraldichters. "Befiel Du meine Wege" steht an seinem Denkmal. Er ist außerdem in dieser Kirche beigesetzt. Ein Besuchergruppe verschwindet nach der Kirchenbesichtigung auch konsequenterweise in einer Gruft, da wird sich der Paul freuen.
Wir ergattern ganz in der Nähe das letzte Zimmer in der Pension am Markt. Hier wird es morgen das Frühstück aus einem Schrank geben, wo sich eine kleine Küche mit allem Notwendigen aufklappen läßt. Unser Rundgang führt uns dann natürlich zum Schloß. Da steht an der Tür: "Wappensaal heute wegen einer Veranstaltung geschlossen". Deshalb gehen wir mal rein. Da kommt schon eine bebrillte Dame um die Ecke geschossen und expediert uns schleunigst wieder hinaus. Nebenan ist ein Gartenrestaurant, da sitzen sommerlich gekleidete Gäste. Aber an einem Tisch sind auch Herren in Anzug und Weste am Speisen. Man dreht die Köpfe, was wir wohl so neugierig zu gucken haben. Ich habe ja meinen Rucksack dabei, vielleicht ist da eine Bombe drin? Wenig weiter stehen eine Anzahl Polizeiautos, die Polizeibeamten langweilen sich. Die kann man ja gleich mal fragen, wer sich hier die Ehre gibt. Es handelt sich um einen Herrn Seite und es wird bald eine Wahlveranstaltung der CDU stattfinden. Wir wünschen ein gutes Gelingen der Mission und bummeln weiter, bis wir einmal um das Schloß herum sind.
Wir landen in dem überdachten Biergarten eines Lokals am Markt, wo es auch noch interessant wird. Zunächst bedient uns beflissen ein Knabe mit Zahnspange. Dann finden sich ein paar Burschen in Handwerkerkluft ein, das Gepäckbündel am Knotenstock. "Rolandschacht Leipzig" steht auf den Bündeln. Dann kommen immer mehr, schließlich ist das ganze Lokal voll mit Handwerksburschen. Als einer sich zur Toilette begibt, ergreife ich die günstige Gelegenheit, ein Bier muß sowieso raus. Die Burschen gehören tatsächlich einer Handwerkerzunft an, wo man noch nach altem Kodex drei Jahre durch die Welt zieht. Einer ist mit der Wanderschaft gerade fertig geworden, da begleiten ihn die anderen, so 20 an der Zahl, nach Hause. Heute sind sie von Königs-Wusterhausen her gewandert, morgen werden sie eine Kahnfahrt nach Lübbenau unternehmen. Der Wirt des Lokals vermittelt netterweise einen preiswerten Kahnführer und spendiert für die Fahrt ein Fäßchen Bier. Bei so interessanten Beobachtungen sind es auch bei uns mal wieder ein paar Bierchen mehr geworden, und der Knabe mit der Zahnspange bekommt ein Extra-Trinkgeld.
Freitag, 21.8. Lübben - Beeskow, 65 km
Leider ist die Schönwetterperiode nun vorbei, nach unserem Frühstück aus dem Schrank brechen wir in einen trüben Morgen auf. Eine lange Strecke führt wieder durch ausgedehnte Fischteiche, die heute statt blau eher grau aussehen. Zur Führung des Spreeradweges ist nun zu bemerken, daß seit Lübbenau wiederum keine Beschilderung existiert. Anhand des bikeline-Heftchens kann man sich zwar einigermaßen orientieren.
Fachwerkkirche in Schlepzig |
Da der Himmel immer grauer wird, verzichten wir auf den Abstecherzu dieser Schleuse. Am Neuendorfer See machen wir in gedrückter Stimmung eine Rast. Da fliegt wenige 100 m von uns entfernt ein Vogel mit mächtigen Schwingen über den See, das ist weder ein Reiher noch ein Storch. Das kann nur ein Fischadler sein, der erste, den wir überhaupt je zu Gesicht bekommen.
Das hebt zwar die Stimmung ein wenig, aber nicht lange. Auf der Strecke nach Alt Schadow fängt es an zu regnen, kein vereinzelter Schauer, sondern es regnet sich ein. In Alt Schadow müssen wir angesichts der Wetterlage und der Qualität der weiteren Wegstrecke leider unsere Spree-Expedition enden lassen. Im bikeline sind ab hier längere Sandstrecken angekündigt. Die Landstraße dagegen führt direkt nach Beeskow, wo wir dann Quartier nehmen können. So absolvieren wir diese 30 km bei Regen, und ich denke, darüber gibt es nichts besonderes zu berichten.
"Beeskow ist nicht so schlimm, als es klingt" dieses Zitat von Theodor Fontane ist in der Touristeninformation am Marktplatz zu lesen. Störend ist hier vor allem der brausende Verkehr, der mitten durch den Ort führt. Die Dame in der Info bedauert das auch. Nach einigem Hin und Her vermittelt sie uns telefonisch ein Quartier einen Ort weiter: Pension Zur Birke in Neuendorf. Wir machen uns auf den Weg, inzwischen stürmt es auch noch. An der Abzweigung nach Neuendorf müssen wir an einer Bushaltestelle eine Beratung einlegen. Heidi meutert. "Was sollen wir in dem Kaff?". Aber wohin sollen wir heute auch noch fahren, das hat ja so alles keinen Zweck.
So sind wir dann bald in der Pension, wo wir uns erst mal wieder aufwärmen können. Da wir Geld brauchen, müssen wir am Nachmittag dann doch noch einmal zurück nach Beeskow zur Bank und machen eine kleine Rundfahrt durch den Ort. Der ist sicher ganz hübsch, auch eine Burg gibt es, aber wir sind nicht so richtig in Stimmung. Es werden Nägel mit Köpfen gemacht, am Bahnhof bringen wir die Abfahrtszeiten der Nahverkehrszüge für den morgigen Tag in Erfahrung.
In unserer Pension bekommen wir am Abend einen Strammen Max serviert. Und am nächsten Tag geht es mit dem Wochenendticket für 35.- DM und viermal umsteigen in 7 Stunden heimwärts. Die Entwicklung der Wetterlage in den nächsten Tagen bestätigt unsere Entscheidung. Dafür ist dieser Bericht heute - einen Mittwoch danach, schon fertig.
Wie die Tour sonst weiter gegangen wäre? Man hätte sich durch
die
angekündigten Sandstrecken gekämpft, vielleicht wäre das aber auch gar
nicht
so schlimm gekommen. Man hätte dann den Schwielochsee umrunden können -
oder wer Umwege(!) nicht mag, hätte auch den
direkten Weg nach Beeskow nehmen können. Die Reststrecke führt im
Zickzack bis nach Fürstenwalde. Und dann verließen sie ihn, jedenfalls
den
bikeline Radführer. Ab Fürstenwalde soll man mit der
Bahn nach Berlin fahren, obwohl da noch laut Karte reizvolle Passagen
mit
Müggelsee, Schmöckwitz oder Köpenick auf der Strecke
liegen. Eine andere Variante wäre ein Schiff der weißen Flotte
gewesen, mit dem man Berlin-Mitte bis Potsdam durchquert hätte.
Hinweis eines Ortskundigen
Das bleibt nun leider Theorie.
Das Resume über den Spreeradweg. Am Oberlauf bis zur Braunkohlenregion bzw. Grenze nach Brandenburg hat man sich viel Mühe mit Wegführung und Beschilderung gegeben. In der Braunkohle läßt der landschaftliche Reiz naturgemäß nach. Ab Spremberg ist die Tour landschaftlich am schönsten und hat natürlich mit dem Spreewald ihren Höhepunkt. Von Lübben bis Berlin ist wohl noch einiges zu tun.