Holzbrücke in Säckingen Rheinfelden Basel |
19. Tag: Mo, 21.6. Säckingen - Colmar, 123 km
Die letzten paar Kilometer der Rhein-Route bis Basel bieten keine großen Attraktionen mehr. Ab Rheinfelden wird der Rhein schiffbar. Dort trifft man sich auch mit der Nord-Süd-Route (Route 3), die von Basel nach Chiasso (oder umgekehrt) führt. Nach Basel hinein rollt man dann nicht am Rhein entlang, sonder kommt von Süden immer mit der Straßenbahnlinie 14. Und dann bin ich da, wo ich vor über einer Woche schon einmal war: an der mittleren Brücke. Inzwischen bin ich fast um die ganze Schweiz geradelt und um Unmengen an Eindrücken reicher. Als ob das nun nicht bald einmal genug wäre...
Nein, raus aus Basel, zwischen Baustellen und Schwerlastern. Jetzt habe ich nur noch die Michelinkarte als Orientierung und man muss sozusagen lernen, wieder als selbständiger Mensch zu agieren. Ich habe mich schon auf ein Vorankommen auf der Landstraße eingestellt. In dem Ort Rosenau entdecke ich aber den Canal Rhone du Rhin. An dem führt, angelegt für unsere französischen Sonntagsfahrer, natürlich ein vorbildlicher Radweg entlang. Den hätte man schon von Basel aus benutzen können. Nun blüht man auf. Und wo weht der Wind her? Leicht zu raten, wenn ihr mich so dahin brausen seht!
Bald ist auch Mulhouse ausgeschildert, bis dort kann man am Kanal fahren, der eigentlich bei Kembs in den Rhein mündet. Ab da ist der Weg sogar asphaltiert. Nach Mulhouse rein zu fahren schenke ich mir, was soll ich da. Ich befinde mich auf einem Kreisverkehr, da steht nur eine Richtung zur Verfügung, alles andere sind Autobahnauffahrten. Man kann sicher besser Richtung Colmar gelangen als auf der D 201 über Battenheim. Am Schluss gibt es aber noch ein paar schöne Nebenstraßen und Ortsdurchfahrten mit Oberentzen – Niederentzen und Oberhergheim – Niederhergheim. Und wie sah es in Ste Croix en Plaine aus? Das kriege ich wiederum nicht auf die Reihe.
Colmar Petite Venice |
Aber in Colmar muss man sich die Augen reiben. Ich frage erst mal eine Frau mit Tochter nach dem Touristenbüro. Da müssen sie mich erst ein Stück begleiten, damit man das besser erklären kann. Aber erstmal muss ich ein Foto machen, so wie das hier aussieht. Die Touristen Information ist in der Nähe der Dominikanerkirche bald gefunden. Ich kann mir das billigste Hotel aussuchen, das liegt sogar gleich um die Ecke. Größeren Comfort darf man dort nicht erwarten und der Zimmerausblick geht auf einen riesigen Parkplatz raus.
Essen werden wir heute wieder in einer Pizzeria, trotz der viel gepriesenen Elsässer Küche: Sauerkrautplatte, Quarkkuchen und Gugelhupf? Ich gehe ins La Doles oder Le Sereno? Kriege ich gar nicht mehr auf Reihe. Wie üblich führe ich gegen Schluss so gut wie keine Notizen mehr, weil man sich hinterher sowieso an alles erinnern kann. Denkste! Sicher war es wieder eine Pizza mit Meeresfrüchten – wie ich mich kenne. Nun ist aber was los auf den Straßen. Heute ist Musikfestival. Tausende von Menschen auf den Beinen. An jeder Straßenecke spielt eine andere Band – und das so laut wie möglich. Da wackeln die alten Häuser. Auch bei mir merke ich, wie das Rippenfell oder sonst was vibriert. Das fühlt sich gut an. Manche Darbieter haben nicht so viel drauf: da läuft eine Schallplatte und man betätigt sich an den Reglern um rauszukitzeln, was die Woofer hergeben. Bis bald 22 Uhr laufe ich herum und verlaufe mich schier. Danach ist dann bald Ruhe und man baut alles wieder ab.
20. Tag: Di, 22.6. Colmar - Strassburg, 97 km
Am Morgen muss ich wenigstens noch Klein Venedig (Petite Venice) besuchen und ein Foto machen. Das finde ich von allein gar nicht wieder, ich muss schon den Stadtplan zu Hilfe nehmen. Für den letzten Tag habe ich mir die Elsässische Weinstraße: La Route des Vins de Alsac vorgenommen. Da reihen sich an die 20 Weinorte aneinander wie die Perlen an der Schnur und einer schöner als der andere. Ausgediente Weinpressen stehen zur Dekoration an den Straßen. Oft bepflanzt mit Blumen, die Orte nennen sich sowieso alle Ville des fleurs oder so. Mit Recht. Leider bekomme ich etwas Regen ab, das zwingt dann öfter zum Rasten.
Einmal kommt ein Herr heran gezockelt und fragt mich aus. Er war gestern auch in Colmar, bei dem Musikspektakel. „Dass ich da überhaupt ein Quartier gefunden habe“ sage ich. „Die meisten Besucher kommen aus der Umgegend“ sagt er, das hätte ich mir beinahe schon gedacht. Und in Braunschweig, ja da sei er in den achtzigern auch schon gewesen. Von hier gibt es auch einen Radweg hinüber nach Emmendingen in Deutschland (Radweg Villé – Elzach). Ich bleibe aber lieber auf der Weinstraße.
Bei einer anderen Pause gelingt mir vor der spiegelnden Scheibe einer Bank das einzige Foto von mir selber, damit man mir auch alles glaubt. Nun gibt man eine neu erworbene Kamera nicht gern aus der Hand und mit dem Selbstauslöser oder Fernauslöser habe ich noch keine Experimente gemacht. Nachher löscht man noch alles aus Versehen - nach einer Tour ist der größte Besitz die fotografische Ausbeute.
Hinter Obernai endet die Weinstraße irgendwie und man wendet sich ostwärts Richtung Strassburg. Ich will am nächsten Tag von Offenburg einen Zug nach Hause nehmen. Nun hätte ich wissen müssen, dass von Molsheim über Strassburg nach Offenburg ein Europäischer Radwanderweg führt. In Unkenntnis darüber fahre ich weniger angenehm auf der D392, vorbei am Airport Str.-Entzheim auf Strassburg zu. Dabei kommt mir wenigstens die Idee, über Nacht in Strassburg zu bleiben und nicht in Offenburg. Da wäre man ja bescheuert. Ich brauche auch keine Touristeninformation, das Hotel weiß ich schon: Hotel Vosges am Bahnhof. Wenn es das noch gibt. Da war ich 1994 schon mal.
Das Hotel gibt es noch. Es hat noch einen Fahrstuhl alten Stils, im Drahtkäfig alles offen. Ich führe mich gleich als Stammgast auf. Tatsächlich bin ich noch im Computer gespeichert. Da ich mich damals hoffentlich ordentlich aufgeführt habe, macht das ja nichts. Das Zimmer geht auf den Bahnhofsvorplatz raus. Etwas laut. Der Bahnhofsplatz war vor 10 Jahren eine einzige Baustelle. Heute ist es eine einzige graue öde Fläche. Nicht einen Blumenkübel hat man dort aufgestellt. Unverständlich! Darunter ist ein Einkaufszentrum. Aber die Sonne scheint oben! Nur abends erglüht auch der Bahnhof.
Trotzdem gehe ich zum Bahnhof wegen Stadtplan und evtl. Fahrkarte. An der Information stellt man sich dumm an und kann mir keine Verbindung mit Fahrradtransport heraus suchen. Auch mit der deutschen Sprache hapert es entschieden. Will ich mal nicht meckern, bei mir ist Französisch auch gleich Null. Aber ich lebe ja auch nicht nahe an der Grenze und bin nicht am Informationsschalter des Strassburger Hauptbahnhofs beschäftigt. Muss ich also morgen doch noch mit dem Rad nach Offenburg fahren.
Nun wird Strassburg abgespult: Place Kleber, Gutenbergplatz, Münster, Petit France. Zum Teil noch schön in der Sonne zum Fotografieren. Zum Abschluss zum Chinesen, der befindet sich gleich neben dem Hotel. Kalamares oder Crevettes war es wohl. Danach werden die Beine hoch gelegt.
21. Tag: Mi, 23.6. Strassburg - Offenburg, 30 km
Von hier weiß ich, dass es den ausgeschilderten Fahrradweg gibt, finde ihn auch gleich an der Grenze nach Überqueren der Rheinbrücke in Kehl. Dann geht es immer auf dem Damm des Flusses Kinzig entlang. Ein Musterbeispiel ausgekofferter Flusslandschaft. Da muss man sich nicht über die Jahrhunderthochwasser wundern, wenn man wie hier ehemalige Auwälder und Überflutungsflächen in Landwirtschafts-, Siedlungs- oder gar Industrieflächen umfunktioniert hat. Immerhin hat man dazwischen die Radwege gut ausgeschildert.
In Offenburg bekomme ich eine Verbindung innerhalb der nächsten halben Stunde mit dem IC Bodensee, der von Konstanz kommt und bis Stralsund fährt. Nur in Hannover muss ich umsteigen. Im Zug sind dann nach und nach mehr als 15 Fahrräder – und mir hat man keine Reservierung gegeben. Irgendwie klappt es aber doch, obwohl sich da einer lauthals beschwert, dass ein anderes Fahrrad an seinem Platz hängt. Vielleicht war es meins? Da bleiben wir lieber ganz unauffällig.
Damit ist die Reise zu Ende. Drei Wochen sind für eine Radtour eine sehr lange Zeit, in der sich fast schon zu viele Eindrücke häufen. Darum schreibe ich immer alles auf, denn sonst geht doch zu vieles durch das Sieb des Gedächtnisses. Da sind vielleicht auch Dinge erzählt, die allgemein nicht von so großem Belang sind – dann waren sie hoffentlich wenigstens lustig.