Vorneweg wieder mein Dank an Wind und Wetter und vor allem an die Familie und Hund Otto, die mich wieder einmal ziehen ließen. „Der Papa braucht das“ heißt es da, und dem soll man nicht widersprechen.
Das alte Europa ist nicht das, wofür es aus zweifelhaftem Anlass ein amerikanischer Verteidigungsminister hält, sondern das, wohin jene Amerikaner, aber auch die Japaner – wie wir sehen werden – gerne reisen: Heidelberg, Rothenburg ob der Tauber oder die Romantische Straße – und... na, lasst euch überraschen!
Meine Reise ist diesmal nicht von Küsten und Meeren bestimmt, sondern führt mehr landeinwärts. Zuerst wollte ich so was wie den Jakobsweg fahren, von dessen zahlreichen Zweigen einer in Aachen beginnt. Also starte ich in Aachen. Den Weg aber bestimme ich selbst!
1. Tag: Do, 3.6. Aachen – Kronenburg, 85 km
Der Zug fährt in Braunschweig kurz vor 7 Uhr in der Frühe ab, umsteigen in Dortmund, um 12.07 ist man in Aachen. Gleich hinter dem Bahnhof geht es los, auf der Straße nach Eupen in Belgien. Auf Radwegen neben der Straße geht es leicht bergauf, bis man die belgische Grenze erreicht. Die ist seit dem Schengener Abkommen auch nicht mehr das, was sie mal war. Keine Kontrollen, nur ein paar Obst- und Gemüsestände oder so was. Es gibt ein schönes Buch von Andreas Greve: „In achtzig Tagen rund um Deutschland“. Da wird die jeweilige Situation an den deutschen Grenzen (auch der Region Eupen – Malmedy) interessant geschildert. Der ist allerdings mit dem Wohnmobil gefahren, manchmal auch mit Boot oder Roller. Ich muss mich leider mit dem Verkehr und knapp überholenden Schwerlastern rumschlagen.
In Eupen ist ein ordentlicher Trubel, ich mache Rast und ein paar Fotos. „Wollen sie hier parken?“ fragt mich eine Frau, vor deren Auto mein Fahrrad kurz abgestellt ist. „Nein, ich bin gleich wieder weg“. Über die Geschichte Eupen – Malmedy gäbe es viel zu berichten. Hier hat man mehrmals die Seiten zwischen deutscher und belgischer Staatszugehörigkeit gewechselt. Es scheint, man spricht hier durchweg deutsch mit Kölner Dialekt.
Soviel zu Eupen. Malmedy lasse ich weg, damit ich heute noch mein Ziel an dem Fluss Kyll erreiche. Dazu geht es erst mal über das Hohe Venn, eine Stunde bergauf, bei mäßiger Steigung. Hier gibt es Hochmoore und ausgedehnte Naturschutzgebiete. Leider ist es zu diesig, um Blicke in die Ferne werfen zu können. Am Signal de Botrange hat man so an die 600 m Höhe erreicht, und von nun an geht’s bergab. Ich finde eine ruhige Nebenstrecke über die Dörfer. Dazu benutze ich eine Radwanderkarte aus einem Satz für ganz Deutschland im Maßstab 1:100.000 „Hunsrück Eiffel“. Die gab es kürzlich bei ALDI im Angebot. Am Losheimer Graben erreicht man wieder die Grenze nach Deutschland. Es geht übrigens die ganze Zeit flott dahin, ich habe mal wieder Rückenwind. Und das wird sich in den nächsten Tagen auch nicht ändern.
Nun taucht der Kronenburger See auf und damit mein Tagesziel. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass der Ort Kronenburg hoch auf einem Berg liegt. Da heißt es noch einmal das Rad schieben. Aber es lohnt sich. Der alte Ort besteht nur aus einer Straße mit hübschen Häusern – rings herum ist neu gebaut, das ist weniger interessant. Ein Privatzimmer bekomme ich leider nicht – man liebt die Kurzübernachtungen nicht so. „Da muss man ja hinterher auch das ganze Zimmer machen“, meint eine Dame, nachdem sie mir vorgeflunkert hat, dass sie noch Gäste erwartet und ausgebucht sei. Nebenan ist das Restaurant und Hotel Eifelhaus. Da bekomme ich mein Zimmer mit schönem Ausblick, allerdings nicht ganz preiswert. Das Fahrrad wohnt über Nacht angeschlossen in der Tellgasse unterm Dach. Es gibt auch einen kleinen Hund, der heißt Anton, ist ein Retriever-Labrador und muss noch gehörig wachsen. Der will mir im Spielen gleich in die Hose beißen. „Lass das mal lieber – ich habe nur diese eine“.
Zum Abend gibt es Hausmachersülze mit Bratkartoffeln und Salat, mengenmäßig nicht ganz zu bewältigen, der Tank für das Fahrrad ist damit wieder gefüllt. Beim anschließenden Rundgang entdecke ich noch eine Schautafel über den Jakobsweg sowie den Aufgang zur Burgruine. Von der ehemaligen Burg ist nicht mehr viel übrig, ein längs halbierter Turmstumpf und ein paar Mauerreste. Den Rest des Abends verbringe ich am offenen Fenster, genieße die schöne Aussicht und das Blöken der Schafe bis es dunkel wird.
2. Tag: Fr, 4.6. Kronenburg - Trier, 115 km
Für den heutigen Tag steht die Kylltalroute, Länge ca. 100 km, auf dem Programm. Der Fluss Kyll ist recht unbekannt, genauso wie die Radroute durch sein Tal, die 1993 angelegt worden ist. Also ein Geheimtipp. „Links und rechts des Weges warten Mühlen, Burgen, Kirchen, Schlösser, Museen und malerische Eifeldörfer auf einen Besuch“ ist zu lesen. Eine kurvenreiche Eisenbahnroute windet sich außerdem durch das gesamte Tal (Deshalb wird in wenigen Wochen auch meine norwegischen Torenfreunde Turid und Terje hier entlang fahren).
Weniger vielversprechend ist heute der Regen. „Da wird es schon hell“ sage ich, als ich mich unter dem Regenumhang beim Hotel verabschiede. Da habe ich mich aber getäuscht, der Regen wird bis in den frühen Nachmittag anhalten. Da der Wind von hinten weht, ist das alles nicht so schlimm. Und es geht viel bergab von ca. 500 auf 130 Höhenmeter bei Trier. Doch es ist alles grau verhangen, die Nebelschwaden hängen in den Bergen und über den Wiesen. Da kann man die malerischen Ausblicke nicht so recht genießen, die Farben fehlen. Da trifft man mehr Weinbergschnecken auf dem Weg als gleichgesinnte Radfahrer. Da die Schnecken ein anderes Tempo bevorzugen, lassen sich Kollisionen vermeiden. Man passiert die Mineralwasserstadt Gerolstein, Burgen wie Bertradaburg oder Ramstein und so. Zweimal geht es auch durch beleuchtete Eisenbahntunnel, in denen man eine Spur für die Radfahrer angelegt hat - vorbildlich! Vor Trier kommen dann die unvermeidlichen Industriegebiete und man ist froh, am Schluss auf dem Moselradweg die Fußgängerzonen der Innenstadt zu erreichen. Vorher passiert man allerdings noch den Ort namens Pfalzel, da sieht es aus wie im Bilderbuch. Fachwerkhäuser und blumengeschmückte Giebel – auch in schöner Ort für eine Übernachtung.
Aber inzwischen irre ich in Trier herum. Ein Hotel mit dem Bett & Bike Zeichen ist verrammelt. So lande ich in dem Hotel Aulmann, wieder nicht so preiswert, dafür zentral in Trier gelegen. Das Restaurant Peking ist um die Ecke – man kennt mich ja, beim Chinesen blühe ich auf. „Haben sie auch Fassbier?“ „Was Bier?“. Na dann eben ein Fläschchen Bitburger oder so für 3.90 €. Das Essen aber ist super: Schweinefleisch süßsauer mit einer Fuhre Reis, da bleibt kein Krümchen über. Und ich bin zunächst der einzige Gast am Freitag-Abend - erstaunlich.
Beim Rundgang stolpert man alsbald über die Porta Nigra.
Durch die muss man schon mal hindurch schreiten, wie es schon die alten
Römer taten. Dom und Rathausplatz, dann ist Feierabend und beim Zappen durch
die unzähligen TV-Programme erwische ich eine Reportage über
Geschwindigkeitsrekorde zu Lande, wo durchgeknallte Abenteurer auf
amerikanischen Salzseen mit raketengleichen Geschossen die
Schallgeschwindigkeit zu erreichen
suchen. Ganz so schnell bin ich wohl nicht.
3. Tag: Sa, 5.6Trier - Sarreguimines, 135 km
Zuerst ist es heute wieder grau in grau, später wird dann
die Sonne herauskommen und damit wird das schlechte Wetter erst mal
überwunden sein. Der Wind weht immer noch von hinten. Es soll weiter gehen an der
Saar, dazu gibt es einen bikeline Führer, den ich mir aus
Gewichtsgründen natürlich nicht im Voraus besorgt habe. In Trier haben morgens die
Buchläden noch nicht geöffnet. Zuerst geht es gut ausgeschildert auf dem
Mosel-Radweg aus Trier heraus. Bei der Stadt Konz mündet die Saar in die
Mosel. Noch immer habe ich keinen Buchladen gefunden, trotzdem ist es eine
schöne Strecke und der Weg nicht zu verfehlen. Bei Kanzern hat man eine
Saarschleife durch einen Kanal reguliert. Schöner fährt es sich aber
außen rum, auch wenn das die längere Strecke ist. Schließlich gelangt man nach Saarburg,
eine malerische Stadt. Die muss erst mal besichtigt werden und einen
Buchladen gibt es dort auch endlich. Spektakulär aber ist ein Wasserfall mit
alten Mühlrädern unterhalb der Stadt, man kann sich das ganze von oben anschauen. Die
vier Fotos, die ich dort von der Szenerie mache, lassen sich nur schwer
zusammensetzen (wenn überhaupt...).
Nun sind wir komplett versorgt und es geht immer an den
grünen und gewundenen Ufern der Saar entlang. Hinter der Stadt Mettlach
kommt dann die berühmte Saarschleife, wo der Fluss eine Wendung um
180 ° macht. An der Schleifenspitze ist hoch oben der Aussichtspunkt Cloef,
von wo aus man das bekannte Postkartenfoto der Saarschleife schießen kann.
Von hier unten geht das natürlich nicht. Ich habe aber ein Bild aus dem Internet
geklaut, hoffentlich merkt es keiner.
Dann wird das Tal weiter und die bewaldeten Hänge weichen
zurück. In Saarlouis mache ich einen Abstecher in die
Stadt um einzukaufen. Da ist alles abgesperrt und in der Innenstadt ist der
Bär los: Stadtfest. Die Posten an den Absperrungen lassen den Radfahrer
natürlich passieren. Nach dem Einkauf fahre ich wieder an ihnen vorbei: „Alles
paletti“ sage ich. Beim Einpacken hatte ich übrigens eine Zecke auf meinen
Gepäcktaschen gefunden, die soll nun in Saarlouis jemanden anderen beißen. Es
war zum Glück die einzige Begegnung mit einem dieser gefährlichen Plagegeister
(Borreliose).
Durch den günstigen Wind komme ich schnell voran. Das ist
auch gut so, denn die Landschaft wird mehr und mehr durch Industrie
geprägt. In der Gegend der Völklinger Hütte wird das geradezu
fotogen. Zwei Fördertürme sichte ich auch noch, da wird die
übermäßig subventionierte Saarkohle gefördert.
Dann ist man in Saarbrücken, das sollte eigentlich Tagesziel
sein. Manchmal gefallen mir Städte nicht. Heute liegt das daran,
dass auch hier ein Stadtfest (Familienfest) stattfindet. Außerdem ziehen
überall grölende Schlachtenbummler mit Vereinsfahnen des FC Saarbrücken herum.
Haben die gewonnen? Ich frage einen Knaben am Straßenrand: Saarbrücken
hat gegen Schweinfurt 2:1 gewonnen und ist damit in die 2. Bundesliga
aufgestiegen. Da muss ich nicht mitfeiern.
Daher fahre ich weiter in Erwartung der nächsten
Übernachtungsmöglichkeit. Dazu fahre ich auf schöner
Strecke schließlich über die Grenze zu Frankreich und lande in Sarreguimines - der
deutsche Name ist einfacher: Saargemünd. Hier fließt der Fluss Blies
in die Saar. Um ein Hotel zu finden, muss ich einen Passanten fragen. Ich
lande dann im Aux Deux Etoiles und bekomme ein einfaches Zimmer ohne
Frühstück. Bar zu bezahlen (29.- €), es wird nur eine französische Visakarte
akzeptiert. Das war in unserem vereinten Europa aber auch das einzige Mal auf dieser Reise.
Der Concierge (heißt das so? - nein, es heißt: "monseur d àccueil")
kann kaum deutsch. Zimmerschlüssel
nicht von innen stecken lassen – wird mir noch aufgetragen, wenn ich es richtig
verstanden habe. Vielleicht falls es mal brennt? Ich könnte mich aus meinem
Zimmer im 2. Stock aber auch auf die Straße hinunter hangeln. Dort ist ein
brausender Verkehr, mit einem ruhigen Abend wird das nichts.
Ich hätte Lust auf eine Pizza, aber die Pizzeria ist nicht
so vertrauenerweckend. Da ist aber noch das Restaurant Shanghai.
Leider werde ich dort enttäuscht, das ist nicht zum Sattwerden. Die
anderen Gäste bestellen daher auch mehrere Gerichte hintereinander. Ist das hier so
üblich? Das geht doch ganz schön auf den Geldbeutel. Ich habe noch ein
paar Joghurt und einen Teelöffel, die sind mir im vorherigen Hotel so zugeflogen.
Die Nacht muss bei geschlossenem Fenster verbracht werden, schon früh am Morgen
braust schon wieder der Verkehr.
4. Tag: So, 6.6. Sarreguimines - Sarrebourg, 80 km
Mit leerem Magen geht es los, da fühlt man sich nicht ganz
so wohl. Ich habe aber noch Schokolade. Leider ist heute Sonntag und es
gibt nichts zu kaufen. Außer bei Tankstellen, aber die liegen nicht an
der Strecke.
Dafür ist Kaiserwetter, was will man mehr.
Nun sieht man auch hier und da malerische Szenen, ein Mühlrad oder nette
Ortschaften. Man fährt auf dem Saumpfad der kanalisierten Saar, ab und zu eine
altertümliche Schleuse. Die französischen Sonntagsradfahrer rasen dahin, im
Renndress auf Hightech Maschinen. Wo die alle so schnell hin wollen? Aber
gegrüßt wird immer.
In Zettin endet der Uferweg – oder es fehlt nur die
Beschilderung. Ein Stück Landstraße, dann kommt man bei dem Ort Wittring
raus. Um dorthin zu gelangen, gelingt es mir auf umständlichste Weise durch einen
feuchten Tunnel zu tappen – mal wieder was anderes.
Danach folgt eine Schotterstrecke am Kanal, der heißt so was
wie Canal Houlières de la Sarre. Bald wird der Wegebelag
wieder besser. Der Kanal zweigt dann allerdings irgendwo ins Landesinnere ab. Wenn man
nicht aufpasst – und so geht es mir – fährt man dann auf einmal in die
falsche Richtung. Rechtzeitig umkehren ist angesagt. Damit sind wir in Sarre-Union
angelangt, Mittagszeit. Gibt es ein Restaurant, um endlich das
Frühstück nachzuholen? Mir sagt nichts zu, da sitzen schon zu viele
Motorradfahrer herum. Wieder in der Botanik schiebe ich das Rad auf eine Streuobstwiese und
setze mich in den Schatten. Die Schokolade ist schon bedenklich weich.
Bald darauf wird man einen steilen Berg hoch
geschickt - schieben ist angesagt. Oben liegt wohl ein Forsthaus oder so was, das
heißt Maison Forestière de Bischtroff. Da kommt man dann
schweißgebadet an. Dafür geht
es anschließend bei mäßiger Steigung flott bergab. An
der gegenüberliegenden Talseite liegt ein Ort am Hang, der heißt Wolfskirchen.
Der Ort ist wegen seiner erhöhten Lage lange zu sehen. In dem Ort Diedendorf
verfahre ich mich dann bergab bei sausender Fahr, das heißt alles
wieder zurück und hinauf, nachdem man den Irrtum bemerkt hat. Dabei hätte ich
vorher bei der Rast an der Kirche genug Gelegenheit gehabt, die Karte genauer zu
studieren.
Es folgt dann noch der Ort Fènètrange,
da stehen auch ein paar alte Gemäuer herum. Um den heutigen Tag zeitig zu
beenden, wähle ich die kürzere Strecke über den Herrenwald. Da hat man
dann am höchsten Punkt eine wunderschöne Aussicht auf die Stadt Sarrebourg, der
Endstation des Saar-Radweges. Nun geht es nur noch bergab und bald ist man in der
quirligen Stadt. Schnell habe ich die Touristeninformation gefunden, die hat
heute am Sonntag sogar geöffnet. Man vermittelt mir ein Zimmer im Hotel-Restaurant
Du Soleil Levant. Das sei vietnamesisch und man könne dort eben auch
fernöstlich speisen. Das stört mich ja nun überhaupt nicht. Auch in
diesem Ort findet wieder ein Stadtfest statt – wie immer am ersten Sonntag im Monat, so
sagt man. Ob ich einen Blick in das Innere der Kapelle – die heißt Chapelle
des Cordeliers – werfen wollte – da sei ein Glasfenster gestaltet von Marc
Chagall. Das ist heute ausnahmsweise kostenfrei. Das lasse ich mir
nicht zweimal sagen und komme zu einem gelungenen Foto von der Angelegenheit.
Das Kunstwerk heißt „La Paix“ und wird als Monumentalwerk
gepriesen. Irgendwie Adam und Eva umgeben von roten Blumen vor blauem Hintergrund.
Und im Museum sei auch noch ein Gobelin von Chagall, dessen Besichtigung sei
auch kostenfrei. Aber das wird mir dann doch zuviel.
Das Hotel liegt zwei Straßen weiter und ist schnell
gefunden. Mit dem Rad fahre ich dann schnell zum Bahnhof, wo ich eine
Michelinkarte der Vogesen bekomme. Nun kann ich die Weiterfahrt
gebührend planen. Zu Abend gibt es Frühlingsrolle („Diese Empfehlung ist
eine Gute“) und Porc Grillè mit Riz Nature. Dafür morgen früh
kein Frühstück, weil Ruhetag ist. Da wird gleich abgerechnet und ich kann los, so früh
ich will.
5. Tag: Mo, 7.6. Sarrebourg – Ste. Marie aux Mines, 115 km
Start im Morgengrauen (6 Uhr), es ist noch recht kalt. Der
Morgendunst liegt über den Wiesen, aber der Himmel ist wolkenlos.
Es beginnt heute meine Vogesenetappe, da muss man erst mal klettern. Hinter dem
Ort Abreschviller beginnt der Aufstieg zum Col du Donon, 1009 m. Es geht lange
durch den Wald, das ist dann nicht so interessant. Kurz vor der Passhöhe
aber dann die große Überraschung: eine moosbewachsene Mulde neben der
Straße und ein Hinweisschild: Source de la Sarre. Das ist ja toll – da bin ich
die Saar ja bis zur Quelle hochgefahren. Die Abfahrt vom Pass ist herrlich,
wegen des spärlichen Verkehrs kann man meistens auf der Straßenmitte
fahren und die Kurven schneiden. Knapp 60 km/h erreicht man dann schon mal. Die
allgegenwärtigen Rennfahrer sind natürlich schneller, aber
die haben ja auch kein Gepäck dabei.
Man kommt in Schirmeck (380 m) heraus. Da gibt es nur
eine Hauptstraße: es donnern die Schwerlaster. Ein Stück
lang lasse ich das über mich ergehen, mache dann eine Rast, in Bourg-Bruche
glaube ich, und gucke mir die Karte genauer an. Wer die Vogesen kennt, wird sich denken
können wo ich hin will. Das ist die Route des Crétes, die in Ste.
Marie Aux Mines beginnt. Die Route des Crétes ist
nach dem ersten Weltkrieg als militärische Zufahrts- und Höhenstraße zur
Verteidigung gegen die Barbaren im Osten angelegt worden. Heute ein Eldorado
für Motorradfahrer und auch Radfahrer, „Biker“ eben. Am Wochenende
bei schönem Wetter soll es im wahrsten Sinne dort hoch hergehen. Da werde
ich Glück haben, das Wetter ist zwar schön aber es ist kein Wochenende.
Nun, soweit sind wir noch nicht. Die Karte verrät, dass man
auf kleinen Straßen über den Col du Steige, 534 m,
und den Col de Fouchy, 603 m, in das Valle d’ Argent gelangen kann. Wie
konnte man das nur übersehen? Jetzt beginnen die Vogesen erst richtig. Es
gibt wunderhübsche Orte mit urigen Häusern, Dorfbrunnen, vielen
Blumen und so. Es gibt wohl viele Schnapsbrennereien, neben der Straße stehen
zuweilen ausgediente Destille-Apparaturen als Dekoration aufgestellt. In dem
größeren Ort Villé gibt es auch ein Nautic Center (Erlebnisbad),
passt hier irgendwie hin. Der Col de Fouchy ist landschaftlich so schön, dass
man ihn ohnehin besser zuweilen schiebend bewältigt. Kurz vor der
Passhöhe kreuzt plötzlich eine meterlange Schlange die Straße, zum
Glück kommt gerade kein Auto oder Motorrad. Zack – ist die Schlange schon wieder im Gras
verschwunden.
Dann rollt man hinab in das Tal und nach Ste. Marie aux Mines. Ich finde ein Hotel, wo
wieder alles verrammelt ist. Es ist wohl noch zu früh am Nachmittag. Oberhalb
im Tal ist aber noch ein Hotel, das ein bekannter Ausgangspunkt
für die Route des Crétes ist. Da schwitzt man sich noch einmal hinauf, wir
haben 27 °. Endlich taucht es auf: Les Bagenelles,
„Tourenfahrerfreundlich“. Ich
werde gastlich (45.- €) aufgenommen und freue mich über die ruhige
Umgebung mitten in den Bergen. Die Glocken der Kühe klingen wie Musik und
diese wird mich auf der ganzen Weiterfahrt begleiten. Nach der Schwitzerei muss
ich heute meine Sachen auswaschen, zum Trocknen hänge ich sie draußen
an den Zaun in die Sonne. Da kommt ein neugieriger Esel heran getrabt. Wenn der nun mit
meinem Fahrradtrikot abhaut, das wäre nicht so gut. Da hänge ich die
Sachen lieber woanders hin, die Sonne verschwindet ohnehin bald hinter den Bergen.
Der Esel teilt sich sein Quartier noch mit einer netten Eselin, mit Ziegen und
Gänsen, und nebenan fühlt sich ein Schwein wohl in seinem Koben.
Zu essen gibt es Schweinemedaillons mit hausgemachten
Spätzle. Am späten Abend haben sich dann an die 10
Motorräder im Unterstand eingefunden, wo mein kleines Fahrrad fast erdrückt wird.
6. Tag: Di, 8.6. Ste. Marie aux Mines - Altkirch, 135 km
Ich habe längst gefrühstückt, da tauchen die verschlafenen
Motorradfahrer nach und nach auf. Die wollen draußen
frühstücken, hoffentlich schmilzt ihnen in der Sonne nicht die Butter. Wieder Kaiserwetter und
Rückenwind – womit habe ich das verdient. Eine sog.
Königsetappe liegt vor mit. Nun beginnt die sagenumwobene Route des Crétes, dazu muss man
etwa 600 Höhenmeter hinauf. Da ist der Col des Bagenelles, 911 m.
Oben hat man das erste Aha-Erlebnis, wenn die bläulichen Kammzüge der
Vogesen sich vor oder unter einem erstrecken. Man kann nun etwa 60 km auf der Höhe
bleiben, es geht zwar meistens rauf und runter, aber nie lange, sodass man stets knapp
unter 1200 m Höhe bleibt. Markante Punkte sind Col de la Schlucht,
1131 m, oder Le Markstein, 1192 m. Das sind dann auch zugleich die
hässlichsten Orte mit großen Parkplätzen und Horden von Busgästen,
die sich die Beine vertreten, den Toiletten und dann den Restaurants zustreben.
Man fühlt sich als Radfahrer allen überlegen, weil man viel
mehr sieht. Z.B: die wilden Stiefmütterchen am Wegrand oder die
bemoosten Wipfel der Bergulmen und –ahorne. Die Ausblicke gehen nur in westliche
Richtung, das Rheintal kann man nirgends sehen, das hatte man beim
Anlegen der Straße strategisch schon so vorgesehen. Zum Schluss wird es noch
einmal anstrengend, bis man am Grand Ballon, 1324 m, den höchsten Punkt
des Tages erreicht. Auch da alles verbaut und touristisch orientiert.
Ungern aber begibt man sich von der Höhe wieder abwärts,
denn damit ist die Vogesentour bald zuende. Oberhalb von Uffholz,
wo die Route endet, befindet sich der Hartmanswillerkopf mit einer
Gedenkstätte. Dieser Berg wurde im ersten Weltkrieg 4 Jahre lang
hart umkämpft und wechselweise von den Franzosen und den Deutschen eingenommen und
verteidigt. Auf dem Kriegsfriedhof in Cernay kann man dann an
den unzähligen Kreuzen sehen, was dabei herausgekommen ist.
In Cernay ist man wieder im Rheintal und da ist es wie in
einem Glutofen, 34 °, wie zu lesen ist. Nun habe ich
Schwierigkeiten, mich zu orientieren. An einem staubigen Kieswerk vorbei gerate ich auf eine
Autobahnauffahrt, da ist man als Radfahrer nicht so gut aufgehoben.
Also alles wieder zurück, um sich auf Nebenstraßen Richtung Basel
voranzuarbeiten. Ich komme heute nur noch bis Altkirch, einem größeren
Ort. Über den Vogesen herrscht inzwischen eine Wolkenbildung, als ob Brände oder Vulkane
ausgebrochen wären. Womöglich gibt es noch ein Gewitter? In Altkirch finde
ich nur ein aufgegebenes Hotel. Ein Bäcker (Boulangerie), der gerade seine
Gartenstühle reinräumt, verrät: „Hotel wäre gut, aber kein Personal“.
Also muss es noch weiter gehen, Wittersdorf oder so, da ist dann doch ein Hotel.
Der Chef weist mich in ein erbärmliches Zimmer ein, trotzdem bin ich froh,
untergekommen zu sein. Es gibt nur ein schräges Dachfenster, dahinter rauscht
ein Aggregat laut wie ein Düsentriebwerk. Dann entdecke ich einen Swimmingpool
im Garten, da baden noch welche. Dann kann ich das ja auch machen, und das erfrischt
dann doch ungemein nach diesem anstrengenden Tag.
Das Abendessen kommt heute aus der Tüte, das Restaurant ist
mir zu teuer. Immerhin verstummt das Aggregat gegen 22 Uhr. Wie
angenehm! Am nächsten Morgen bin ich einigermaßen empört, dass man
mir für das erbärmliche Zimmerloch 50.- € berechnet.
Beschweren hat gar keinen Zweck, da kann man dann
plötzlich kein Deutsch – aber man will ja keinen Ärger.
7. Tag: Mi, 9.6. Altkirch – St. Ursannes, 105 km
Das Frühstück ist auch nicht so doll. Was soll’s, das Wetter
ist weiterhin schön. Ich muss nun nach Basel, denn da beginnt das
vielgerühmte „Veloland Schweiz“. In der Schweiz hat man es in den letzten Jahren
fertig gebracht, 9 Rad-Fernrouten zu schaffen, zu beschildern, sponsern zu
lassen und durch Routenführer-Broschüren zu dokumentieren. Hier geht es
natürlich sportlicher zu, als etwa in Holland oder Dänemark, wo der
Radtourist auch sein Eldorado findet. Natürlich auch in Deutschland, wo es ja
schöne Flussrouten gibt. Man hat inzwischen erkannt, dass der Radtourismus einen nicht zu
verachtenden touristischen Wirtschaftsfaktor bedeutet. Das merke ich ja
auch an meinem Geldbeutel – das hat man sicher schon herausgelesen: ganz billig
ist die ganze Sache nicht. Wenn man ein Zelt mitführt, Jugendherbergen
oder Schlafen im Stroh und Privatquartiere bevorzugt, sich zudem selber verpflegt, dann
kann man es auch preiswerter haben. Es ist auch eine Frage des Alters: in
reiferen Jahren hat man es gern bequemer und kann es sich vielleicht auch
leisten, wenn man einen Großteil seines Berufslebens hinter sich hat. Das Geld,
was man auf so einer Reise ausgibt, bekommen später vielleicht einmal nicht
die medizinischen Einrichtungen, die man womöglich wegen
Bewegungsmangel u. dgl. konsultieren muss.
In Basel beginnen bzw. enden drei Routen: Jura-Route (7),
Rhein-Route(2) und Nord-Süd-Route(3). Auf meinem Programm steht
der Schweizer Jura. Nach Basel muss ich eigentlich nur zum Erwerb des
Routenführers, Band 7. Sonst könnte ich abkürzen und von Altkirch ein paar km nach
Süden fahren, um auf die Jura-Route zu stoßen. Nach dem bewährten Motto „Der Weg
ist das Ziel“ geht es aber doch auf Nebenstraßen nach Basel. Dort komme ich nach ca.
30 km am Vormittag an. Und dann auch gleich direkt am Spalentor. Als ich
das letzte Mal hier war ist über 40 Jahre her (Unterprima). Neben dem
Tor ist eine Buchhandlung, doch der gute Herr Buchhändler hat von dem Veloland
Schweiz noch nie etwas gehörtAn der „mittleren
Brücke“ ist eine Buchhandlung nach meinem Wunsch und die
Jura-Broschüre in meinem Besitz 24 CHF). Ein Blick noch in den Innenhof des Rathauses mit
seinen Wandmalereien und Ritterstatuen – dann zieht es einen weiter.
Die Juraroute ist vom Stadtzentrum ausgehend beschildert und man
gelangt über Hinterstraßen und Nebenwege an einer
Bahnstrecke entlang fast verkehrsfrei aus der Stadt hinaus. Wenn da nicht gerade Schulschluss
gewesen wäre. Denn da befinde ich mich plötzlich inmitten einer
Schülerschar, die kräftig einen Berg hinauf kurbelt – und ich mit. Dadurch verpasse
ich eine Abzweigung und befinde mich auf einemmal in unbekannten Gefilden (Biel
und Benken). Auch das geht vorüber und man findet die
Beschilderung wieder – immer Grund für eine dankbare Rast (Mariastein –
ein bekannter Wallfahrtsort). Dort haben wir den ersten Anstieg Richtung Jura
bewältigt, danach durch ein Tal zu dem hübschen Ort namens Metzerlen.
Dort jauchzen die Kinder im Dorfbrunnen (kein Trinkwasser). Da hätte man auch
Lust. Ich stehle mich in die Toiletten einer Gastwirtschaft und fülle die
Trinkflasche dort auf (obwohl die 1.5 L Flasche kaum zwischen Wasserhahn und
Waschbecken zu platzieren ist).
Nun geht es ernsthaft hinauf auf 747 m, meistens im Wald und
damit im Schatten. Dort oben beginnt dann ein gut fahrbarer geschotterter Kammweg
mit ersten Ausblicken auf die blühenden Wiesen des Jura. Da blüht
es nicht nur, wie wir es kaum mehr kennen, es gellt einem auch geradezu in den Ohren –
und das sind die Grillen. Ein schöner Rastplatz ist bereits von einem
Radlerpaar besetzt. Im übrigen muss ich nun schon mal gegenüber den
Wanderern und Walkern, die da mit Ski- oder Wanderstöcken zugange sind, den Schweizer
Grüß üben, der heißt Grüetzi! Anfangs gelingt mir nur ein
gekrächztes „Grützi“. Sage ich lieber „Servus“ oder
„Salut“ (Salü!). An den Grüßen
„Pfüat Di mitanand“ oder „Auf Wiederluage“ versuche ich mich lieber erst gar nicht.
Als der Schotterweg zuende ist, geht es auf einem schmalen
asphaltierten Wirtschaftsweg rasant zwischen Kuhwiesen hinunter. So bei
Tempo 40 km/h tauchen plötzlich zwei dünne Absperrstäbe quer
über die Straße auf. Vollbremsung! Aber die Stäbe
sind elastisch befestigt und schnellen zurück. Sie dienen dazu, das
Vieh am Verlassen der eigenen Reviere zu hindern, aber auch, den
ortsunerfahrenen Radfahrer zu erschrecken. Es gibt auch diese Viehgitter auf der
Straße, über die kann man gut hinweg brausen.
Somit kommen wir in das Leimen- und Lützeltal,
wo man ständig zwischen Frankreich und der Schweiz wechselt – ganz
ohne jede Kontrollen. Einmal raste ich am Straßenrand, da kommt das
Radlerpaar von vorhin herangerollt. Das sind Stephanie und Raphael auf
Kurzurlaub. Wo man weiterhin übernachten könnte, diskutieren wir. Die
nächste Unterkunft in Courgenay
hat laut Broschüre heute Ruhetag. Dann gibt es noch die Stadt Porrentruy.
Da weiß man nicht so genau. Aber St. Ursanne das sei der
Ort, wo es am schönsten sei. Nur: man hat heute schon einiges hinter sich, 25 km
sind es noch, dazu ein Übergang von 789 m Höhe. Muss das sein?
Ich fahre doch lieber nach Courgenay. Auf der Strecke kann
man ein Tunnelportal ausmachen. Da verschwinden die Autofahrer auf die
bequemere Art unter dem Schweizer Jura. Und da rastet ein Radtourer im
Gras. „Hallo!“ und vorbei gesaust. In Courgenay gibt es sogar
einen Supermarkt, Vorräte für alle Fälle und tatsächlich hat das Hotel
du Boeuf heute zu. Da kommt der Radler von vorhin heran gezockelt. „Sie haben mich vorhin
so nett gegrüßt, nun grüße ich sie“. Schon haben wir ein
interessantes Gespräch. Er ist auf dem Jakobspfad, zunächst mit dem Rad. Ab Le Puy
vielleicht zu Fuß. Übernachtungen zeltend möglichst abseits der
Campingplätze. Tagesbudget 25 €.
„Ab dem nächsten Jahr bin ich auch freier Unternehmer“ kann ich
nur dagegen halten. „Haben sie das mit dem Esel gelesen, auf dem Jakobsweg, wie
hieß die Dame noch?“ frage ich. „Ach sie meinen Carmen Rohrbach,
phantastisch, wie die als Biologin die Naturerlebnisse beschreibt“. Sie wäre
sogar im Fernsehen gewesen, sehr lebendig. Ich kenne sie nur vom Lesen und war
auch begeistert. Wir wünschen uns nun alles Gute, wir würden uns
wohl nicht wieder treffen, „wenn jetzt schon auf ihrem Tacho 90 km drauf sind“. So ist
es, dieser Europatrotter wird sich wohl heute nicht mehr über den Berg
bemühen.
Ich versuche es aber doch noch, bald schon muss man vom Rad,
weil bei dem steilen Anstieg das Rad bald von selber still steht – wie
ein Esel. Es ist so steil, dass man nur mit vorgebeugtem Oberkörper
hinauf schieben kann. Und hoch oben am Hang sieht man, wie es weiter geht. Schlimm.
Anstrengend. Schwitzen. 20 % Steigung (geschätzt). Verpusten. Rast
machen. Weiter pusten und verpusten. Endlich die letzte Kurve, eben die, die
man schon von unten gesehen hat. Da kommt einer herauf gekeult. Mit hoher
Trittfrequenz aber ohne Gepäck. Grauer Bart – älter als ich? Mein Rad hat
leider nicht so eine kleine Übersetzung, es ist beim besten Willen bei so einer
Steigung nicht mehr zu fahren. Macht aber nichts, oben bin ich auch so. Ich klatsche
dem graubärtigen Keuler Beifall, dann ist der schon auf der Abfahrt.
Es geht weit geschwungen um ein Wiesental, Bremsen und Grillen kreischen um die
Wette. Seeleute heißt das hier. So komme ich nach St. Ursanne. Ein Bilderbuchort.
Der schönste auf der Jura-Route. Durch ein Tor hindurch in eine mittelalterliche
Puppenstube. Da stehen meine Schweizer Freunde Stephanie und Raphael
auf dem zentralen Platz. Die haben es also auch geschafft. Ein paar Minuten
sind sie erst hier, dann war ich ja auch nicht so langsam. Darauf kommt es
natürlich nicht an, angesichts der Kulisse hier steht uns ein herrlicher Abend
bevor. Die beiden begeben sich zum Campingplatz, wo sie telefonisch einen
Wohnwagen gebucht haben. Ich checke gleich an der Brücke im Hotel Demi
Lune ein (55 CHFR).
Das verschwitzte Radtrikot und die Radhose müssen wieder
gewaschen werden, die sind vom salzigen Schweiß verkrustet. Den
Trick habe ich schon öfter mitgeteilt, die nassen Stücke nach dem Auswringen
in ein Handtuch wickeln und darauf herumtrampeln. Danach ist alles bald trocken. So,
und nun setze ich mich auf die Terrasse über dem Fluss Doubs und
verzehre ein Cordon Bleu mit Pommes, zwei Bier dazu. Schön ist die Welt und das
Leben, besonders hier.
Der Fluss Doubs ist übrigens eine ganz geheimnisvolle Sache.
Er ist weitgehend unzugänglich, weil er sich in tiefe Schluchten
eingegraben hat und z.T. unterirdisch zugange ist. Das kann man mit dem Fahrrad
nicht erforschen. Aber das Flussrauschen begleitet mich beim Einschlafen...
8. Tag: Do, 10.6. St. Ursannes - Les Ponts de Martel, 85 km
Vor dem Aufbruch noch ein paar Fotos mit Morgensonne, zu
schön ist es hier. Dann muss man schon wieder klettern, von 491 m
auf 1008 m. Unter dem Eisenbahnviadukt über St. Ursannes hindurch, bald sieht
man ihn von oben. Bergan schiebend treffe ich eine Frau mit Schäferhund. “Noch
ein ganzes Stück haben sie vor sich“, meint sie. Das stimmt. Aber die Aussichten werden immer besser. Wenn man es
geschafft hat, geht es immer auf etwa 1000 m Höhe weiter. Die
Route ist verkehrsfrei neben den Straßen perfekt geführt. Wiesen,
Blumen, einsame Gehöfte, Grillen, Milane, Baumgruppen – Parklandschaft. Als ich
gerade wieder den Fotoapparat einpacke, kommen meine Schweizer Freunde herangerollt.
Die wollen eine Schaukäserei in dem Ort mit dem schwierigen Namen Saignelègier
besuchen. Daraus wird nichts, heute ist anscheinend ein Feiertag,
Fronleichnam oder so was. So treffen wir uns an dem Waldteich Etang de la
Gruère zum letzten mal, von da rollen sie weiter. Hört man nie wieder
voneinander? Ich verteile dann gern meine Karte mit der E-mail Adresse, vielleicht
erfährt man dann doch noch etwas darüber, wie es jeweils weiter gegangen ist.
Ich begebe mich also noch an den Waldteich, wo es nicht so
viel zu sehen gibt. Es ist zu lesen, dass sich hier allmählich
eine Moorvegetation bildet. Ich belasse es bei einem Panoramafoto und nehme
vor einer lärmenden Jugendgruppe reißaus. Der nächste
markante Punkt nennt sich Mont Soleil. Da sind 250 m zu klettern. An einem Bergrestaurant kehre
ich mit wedelnder Trinkflasche ein, wieder kann ich sie auf der Toilette nicht
zwischen Wasserhahn und Ausguss zwängen. Da schlüpfe ich schnell
hinter die Theke, die Wirtin telefoniert ohnehin gerade mit ihrem Handy. Als der
vollbärtige Herr des Hauses erscheint, verschwinde ich schon mit gefüllter Trinkflasche
um die nächste Ecke.
An den Hängen des Mont Soleil hat man dem Namen des Berges
gerecht werdend eine Solaranlage aufgebaut, die kann man auch
besichtigen. Nur scheint im Moment die Sonne gerade nicht. Wenig später muss ich
mich sogar vor einem kräftigen Regenschauer unter ein Vordach flüchten. Dann
geht es schön bergab bis zu der Stadt La Chaux de Fonds. „Revolutionärer
Städtebau auf 1000 m Höhe“ ist zu lesen. So eine Art Bauhaus im Schweizer Jura?
Der berühmte Architekt Le Corbusier war hier auch zugange, hat die Stadt
aber „im Zorn“ verlassen – wie es heißt. Mit so was macht man dann
Touristenwerbung. Es stört mich nicht, dass man die Stadt nur tangiert, man muss so
langsam wieder an eine Unterkunft denken. Es sind noch ca. 20 km bis zu dem Ort Les
Ponts de Martel. Hier soll es eine „unheimlich schöne
Hochmoor-Landschaft“ geben, aber auch eine Karstschwinde, wo die Wasser in einem Erdfall
verschwinden, um anderswo wieder als Quelle zu entspringen. Der Hochmoore werde ich
nicht ansichtig. Ein Quartier in dem Ort gibt es auch nicht, da sitzt man nur
in den Restaurants und pichelt sich eins.
Ein paar km weiter gibt es aber das Restaurant de Poneys.
Auf dem Weg dahin passiert man wenigstens dieses Erdloch, wo sich die
Gewässer ins Unterirdische verabschieden. Da ist nicht viel zu sehen, es
verabschieden sich gerade keine Wasser. Endlich erreiche ich das Restaurant, es war
anstrengend heute – und wieder bin ich glücklich, mein Quartier
erreicht zu haben. Das ist sogar eine ganze Dachetage mit Ausblick auf eine
Kuhwiese, aber auch auf ein neugieriges Lama. Zum Glück spuckt es nicht. Ich
bekomme auch ein reichhaltiges Nachtmahl: Schinken Rösti oder so was,
lecker aber leider mit 16 CHF trotz des rustikalen Ambiente nicht ganz preiswert. Ich
mache gleich die Gesamtrechnung klar und verkünde, dass ich morgen ohne
Frühstück – obwohl
im Preis inbegriffen – starten wolle. „Sie wollen nicht essen?“ „Non“.
Da mögen sich die Herrschaften fragen, was für ein komischer Vogel ihnen da
rein und gleich wieder raus geschneit ist. Das frage ich mich allerdings auch...
9. Tag: Fr, 11.6. St. Les Ponts de Martel – Le Pont, 83 km
Um 6:30 Uhr macht sich der komische Vogel über die Hintertreppe aus dem Staub in der Meinung,
möglichst wenig von einem Tag mit Kaiserwetter und Rückenwind zu verpassen. Da hat er
sich verrechnet – der komische Zugvogel. Dunstig ist es, grau und kalt. Nach
einigem rauf und runter in das Tal des Flusses namens Traveuse wird das
längst fällige Frühstück auf einer Bank eingenommen (Brot und Käse).
Ein Missjöh mit Schaferhund kommt herbei – beide ziehen sich aber lieber schnell wieder
zurück angesichts dieses komischen Vogels auf seiner Bank da. Ich bereue nun schon, auf ein
vielleicht wunderbares Frühstück in jenem Landgasthaus verzichtet zu
haben.
Das Tal heißt Val de Travers und es gibt einige Industrie. Immer am Fluss entlang
rauscht man durch Orte wie Couvet oder Fleurier. Dann geht es wieder 400 m
höher weiter, da muss man auch erst mal wieder rauf. Und kaum ist man oben, fängt
es an zu regnen und es ist kalt. Ein weiterer Passübergang ist angesagt Col
de L’ Aiguillon, 1320 m. Vorher noch eine Rast unter dem Rampenvordach
eines aufgelassenen Industriebetriebs. Da rauscht ein anderer komischer Vogel
mit wehendem Regenumhang vorbei. Den hätte ich nie wieder gesehen,
hätte er sich nicht am Beginn des Aufstiegs des wehenden Regenumhangs entledigt. Markus
heißt er, „Fahren wir ein Stück zusammen, odr?“ „Aber ich
bin nicht so schnell!“ „Ich kann mich schon anpassen, odr?“ Also kurbeln wir bei
angenehmer Steigung zusammen los.
Nun kriege ich einiges zu hören.
Markus fährt auf Nebenstraßen, orientiert sich nach den
Michelinkarten Richtung Frankreich. Übernachten meistens im Freien, letzte Nacht
allerdings in der Jugendherberge St. Croix, 30 CHF, auch nicht so billig. Ja,
sein Bruder habe in der berühmten Schweizer Velokompanie gedient, nun
könne der überhaupt
nicht mehr Rad fahren, er hat’s am Knie seitdem. Und am Simplonpass, da
sei er selbst mal beim Nächtigen im Wald von einem Hirschen angegriffen
worden, der sein Revier verteidigen wollte, odr? „Hier sind ja Trollblumen“
versuche ich beizusteuern. „Die kenne ich gar nicht“ meint Markus. Dann ist mir die
ganze Zeit schon eine Pflanze aufgefallen, die auf allen Wiesen zu sehen ist.
Die Kühe verschmähen sie offensichtlich. Markus meint aber, das
sei eine Plackenblume oder Kackblume und die Samen kämen aus den
Kuhmägen, odr? Ich denke mal, damit ist das Rätsel noch nicht vollständig
gelöst.
Inzwischen puste ich hörbar. An einem Refugee oder so verhalten wir – das ist eine
kleine Hütte. „Hier könnt man auch gut nächtigen, odr?“
„So, nun muss ich langsamer weiter“ sage ich.
Damit trennen wir uns, natürlich bekommt auch Markus meine Email-Karte. „Dann
sehn wir uns nicht mehr, odr?“
Leider ist es so, bis ich auf dem
Pass bin, wird Markus wohl schon über alle restlichen Berge sein,
odr? Oben
angekommen: da sind sie – die Alpen!!! Blau verschwimmend als gezackte
Silhouette. Leider nicht zu fotografieren, zu dunstig – freut euch auf
die
Alpen, wenn wir einmal näher dran sind!
Steil geht es nun im Zickzack hinunter nach Baulmes. Da ist gerade Schulschluss und ich muss
schiebend mir einen Weg zwischen den Schulbussen und ausgelassenen Schülern
bahnen. Danach ist mir der weitere Weg nicht ganz klar und ich passiere dreimal
ein einsames Pferd. Dann aber ein
Schotterweg durch die Wälder, zudem wieder bergan, froh ist man,
wenn man wieder anständige Wege erreicht. Aber dann habe ich mal so richtig
Regen und Gegenwind bzw. Sturm. Erst unter einem Scheunendach, dann an einem
Dorfwaschplatz oder was das sein soll mit betonierten Wasserbecken
finde ich Schutz vor dem Regen. Nach einer halben Stunde ist die Regenfront
durchgezogen. Hinter dem Ort Vallorbe ist auf einer stark befahrenen
Straße der Pass M. d. Oxeires, 1000 m, zu bewältigen. Dort oben ist dann so was
wie ein Jura-Parc, das hört sich an, als ob da Pelikane schreien – aber hier oben?
Bären, Bisons und anders Getier sind wohl auch zu besichtigen. Familien mit
Kinderwagen streben diesen Sehenswürdigkeiten zu. Ein paar Tage später
wird dieser Ort Ziel einer Etappe der Tour de Suisse sein. Die hat letztendlich in
diesem Jahr Jan Ulrich gewonnen. Aber wahrscheinlich nur, weil ich
immer vor ihm her gefahren bin.
Diesmal geht es nicht weit hinunter
bis in den Ort Le Pont, der zwischen einem kleinen und einem
lang gestreckten größeren – dem Lac de Joux, liegt. Ich
bin zwar früh gestartet und es ist noch früh am Nachmittag und die
Kilometerleistung für heute ist nicht so doll. Vielleicht ist morgen besseres Wetter, deshalb
quartiere ich mich in dem Velotel Hotel de la Truite ein. Der
bald danach wieder einsetzende Regen bestätigt das frühe Beenden
des heutigen Tages.
10. Tag: Sa, 12.6. Le Pont - Cully, 113 km
In der Nacht hat der Regen weiter gerauscht, nun am Morgen scheint es besser zu werden. Die letzte Etappe
im Schweizer Jura steht bevor. Da geht es zunächst ohne
größere Steigungen am Lac de Joux längs, allerdings anfangs durch einen Höhenzug von
diesem getrennt. Nachher geht es aber am Seeufer weiter, dort rüsten sich die
Angler für ihre aufregende Tätigkeit. Auch eine Materialschlacht, angefangen mit
der waidgerechten Tarnkleidung, Gummihose, hyperelastischer Angelroute usw.
Hinter Le Brassus, 1021 m,(das klingt so nach Tour de France) kommt der letzte Anstieg, der
einen auf den Col de Marchairuz mit1339 m Höhe und damit den
höchsten Punkt der Jura-Route führt. Der Aufstieg ist in mancherlei Hinsicht
kurzweilig. Der sich weitende Blick auf das Vall de Joux (Joux = Wald), Weiden und Wiesen
von jahrhunderte alten Steinmäuerchen durchzogen, Blumen am
Straßenrand. Einmal setze ich mich mitten in einen sozusagen natürlichen Steingarten,
um ein paar Knabenkräuter und Bergprimeln zu fotografieren. Am liebsten
würde ich jetzt noch dort sitzen.
So ist man schneller oben, als gedacht und weiß: nun kann nichts mehr passieren, was das bergan
schieben angeht. Man fährt zunächst durch ein herrliches Hochtal auf
schmaler Straße. Tatsächlich kommt einem da eine kleine Schnauferl-Ralley in
offenen Cabrios entgegen, Lumpensammler mit Anhänger hinterdrein. Die sind alle
genau so guter Laune in dieser Landschaft, und so nimmt keiner am anderen Anstoss, sondern man winkt sich lachend zu.
Von der abschließenden Abfahrt kann man nicht viel berichten, da ist volle Konzentration angesagt.
Gefährlich sind hier wie überall die Querrinnen zum seitlichen Abfließen des
Regenwassers gedacht. So kommt man – auch wegen der Unübersichtlichkeit -
selten auf höhere Geschwindigkeiten.
Leider wird so die mühsam gewonnene potentielle Energie durch die Bremsen
in Felgenwärme umgesetzt. Ein Kontrolle zeigt: so richtig heiß,
dass es einem die Reifen wegsengt, werden die Felgen nun auch wieder nicht.
In Bassins hält man vielleicht
auch einmal an und schaut auf das Alpenpanorama oder den Genfer See
voraus. Die Stadt Nyon ist dann das Ziel der Jura-Tour. Für mich soll
es "Nyon-Stop" weiter gehen. Dazu brauche ich die Broschüre über die
Rhone-Route, Tour 1, die hinauf in das Wallis bis an die Ursprünge der Rhone führen
wird. Die Touristen-Information hat geschlossen – es ist Samstag Mittag 12.00
Uhr. Im Buchladen oder gar den Kioskläden hat man keine Ahnung von
Veloland Schweiz. Ich kann nur eine Karte der Süd-West Schweiz erwerben, damit man
weiß, wo man ist. Ansonsten nichts zu machen, ich hätte mir den Besuch der
Stadt Nyon sparen können und 10 km abkürzen. Aber wie gesagt: der Weg ist das
Ziel und ich mache noch ein Panoramafoto (Gegenlicht).
Aus Nyon hinaus Richtung Lausanne fahre ich auf der Hauptstraße. Das ist kein Vergnügen. Bei der
Abzweigung nach Gland fahre ich links und stoße dann bald auf die Beschilderung der
Route 1. Da fährt man dann gleich zwischen Holzhäusern und blumengeschmückten
Balkonen herum und das ist ein anderer Schnack. An einem Dorfbrunnen wird erstmal Rast
gemacht. Jetzt aber blüht man so richtig auf, denn es geht bei herrlichem
Sonnenschein durch die Weinberge an den Südhängen über dem Genfer See.
Eine Rast am Seeufer, da balzen gerade zwei Haubentaucher. Plötzlich werden die ganz aufgeregt und
streben schimpfend einer Stelle im See zu, wo ein brauner Rücken im
Wechsel auftaucht und wieder verschwindet. Offensichtlich ein Tier mit Pelz. Ob Biber
oder Fischotter? Am Loch Ness sind wir ja eigentlich nicht. Bald ist wieder
Ruhe und ich habe den Fotoapparat vergeblich in Position gebracht.
In der größeren Stadt Morges
herrscht wieder einiger Betrieb – auch hier bekomme ich meine
Velo-Broschüre nicht und des weiteren gebe ich meine Bemühungen
diesbezüglich von nun an auf.
Außerdem ist morgen Sonntag, da ist sowieso alles geschlossen.
Wenn man sich nahe Lausanne immer eng am Seeufer hält, landet man irgendwie
in einem Park, wo Reste der römischen
Stadt Lousonna zu erkennen sind. Der Rest von Lausanne brodelt
links und da zieht es einen nicht unbedingt hin. An einer Stelle reicht die Stadt
auch richtig an den See heran. Ab da geht es noch ein wenig im Verkehr auf
der Straße weiter. Wenn man die Mühe nicht scheut, sollte man
ruhig links hoch in einen der höher gelegenen Weinorte (Lutry oder so) schieben
oder fahren. Wenn man Glück hat, gerät man auf einen Wirtschaftsweg
zwischen den Weinbergen, der die Orte verbindet.
Ich liebäuge schon mit der nächsten
Übernachtungsmöglichkeit. Die ergibt sich hinter dem Ort
Cully in Form eines Comfort Hotels, aber auch mit Velowimpel. Das gibt den Ausschlag. Das
Zimmer nehme ich aber lieber nach hinten raus, wo der Genfer See leider und
die vielbefahrene Landstraße glücklicherweise nicht
sind. Heute ist wieder Waschtag und die Angelegenheit ist am offenen Fenster schnell
getrocknet. Abendessen aus der Tüte (in Morges war ich noch im Coop).
11. Tag: So, 13.6. Cully - Susten/Leuk, 123 km
Am Sonntag Morgen kann man ungestört auf der Straße fahren,
da ist so gut wie kein Betrieb. Nun kommt die berühmte Uferzeile Vevey
bis Montreux. Nicht schlecht, was sich da an Anwesen an den
Hängen angesiedelt hat. Und die Hotels erst. An der Uferpromenade stehen
Palmen. Darunter wandeln an diesem Morgen die Hundebesitzer (oder lassen
wandeln – weiß man’s?).
Dann wird man ganz aufgeregt: da liegt doch rechts voraus so
ein Briefmarkenschloss? Da muss ich gelegentlich mal wieder in mein
altes Briefmarkenalbum schauen. Es handelt sich um das Chateaux de Chillon,
Motiv für viele Schweizer Briefmarken. Danach hat man das mit der
Schickeria überstanden und kurvt im Mündungsdelta der Rhone herum. An
einem Waldstück höre ich den Pirol oder mehrere. Dann geht es immer an einem Kanal lang, das
ist aber nicht die Rhone. Die Beschilderung der Radroute habe ich
zwischendurch verloren. Ich muss eine Frau, die auf dem Feld ihren Hund
ausführt, nach dem Weg fragen. Die kann aber erst antworten, nachdem sie sich die
Ohrstöpsel ihres MP3-Players oder was das sein mag, heraus genommen hat.
Die Beschilderung finde ich erst bei Monthey wieder,
wo es endlich an der richtigen Rhone entlang geht. Das Tal verengt sich
dann bei St. Maurice, wo sich Eisen- und Autobahn in einen Tunnel
verabschieden - die Feiglinge! Bis Martigny bleibt man an der Rhone, die leider auch
durchgehend kanalisiert ist, um die Uferregionen für Industrie, Ansiedlung und
Landwirtschaft nutzen zu können. Ab und zu kann man auf einer
Schautafel darüber etwas lesen, warum und wozu und so.
In Martigny knickt das Tal bekanntlich um 90° nach Nordosten
in das Untere und obere Wallis. Was wird nun mit dem Wind, der mich bis
hier her geblasen hat? Nach wenigen km steht es fest: er weht einfach
stromaufwärts ob Knick oder nicht. Mir soll’s recht sein. Es wird nun auch immer
schöner: an den Südhängen endlose Weinberge, dazwischen schmucke Orte. In
der Talaue wird eifrig Obst und Gemüse angebaut. Ein Treibhaus mit fast schon
grell bunten Blumenkolonien zwingt mich, mit dem Fotoapparat den Uferdamm hinunter
zu klettern. An einer anderen Stelle werden Erdbeeren abgeerntet.
Könnte man da nicht mal...? An einer versteckten Stelle probiere ich mal zwei-drei
Früchte, und als ich mich wieder aufrichte stehe ich vis a vis einer
Pflückerschar, die hatte ich übersehen.
An einer Natur-Beobachtungsstation mache ich noch eine Rast,
da kann man durch Sehschlitze die Tierwelt beobachten. Ich zoome mir
aus 50 m Entfernung eine Ente heran, scharf bekommt man so ein Bild
natürlich nicht.
Das letzte Stück für heute ist mühsam. Die Städte Sion
und Sierre werden links liegen gelassen. Dann folgen 10 km auf
der Landstraße, eine andere Route gibt es hier nicht. Und der Wind
kommt auf einem Mal von vorn, aber wie. Man darf sich nun nicht die Laune vermiesen
lassen, wenn man den ganzen anderen Tag von dem Wind profitiert hat. Voraus
liegt der Ort Leuk, nur durch einen Aufstieg erreichbar, und - traumhaft
schön: Leukerbad
auf 1400 m Höhe, damit unerreichbar. Und unter beiden liegt ganz
bescheiden der Ort Susten. Gibt es da ein Hotel? Jedenfalls keins, das offen
hätte. „Zimmer frei“ lese ich da und schon stehe ich mit dem Rad in einem
Garten. „Sind sie die Herrschaften mit dem Zimmer?“ –„Ja, das sind wir“ – und
damit hat der Tag mal wieder sein glückliches Ende gefunden. Essen gehen
kann ich auch noch im Restaurant Taverne. Da steht Fohlensteak auf
der Speisekarte. „Ist das was vom Pferd?“ „Ja“ „Dann probiere ich das mal.
Und ein großes Bier bitte!“. Es schmeckt dann wie Rumpsteak, trotzdem
kann ich den Gedanken nicht los werden, warum man Fohlen schlachtet und zum Verzehr
verwendet. Das nächste Mal werde ich wohl erst wieder meine
Pferdebratwurst auf dem Braunschweiger Weihnachtsmarkt verzehren.
Draußen scheint die Sonne und man könnte die schönste
Aussicht haben. Die Fensterscheiben des Lokals sind aber gelb
getönt und gemustert, da sieht man alles nur verschwommen.
Vielleicht ist es nach ein paar mehr Bieren besser,
- wenn alles so aussieht?
12. Tag: Mo, 13.6. Susten - Zermatt, 25+20 km
Beim Frühstück bringe ich die gute Vermieterin (Agnes
Metry, Kantonsstrasse 36) ordentlich auf Trab mit Internet und
Veloland. Sie schreibt sich ein paar Adressen aus der Broschüre auf, damit
habe ich meinen Beitrag zur Förderung des Schweizer Radtourismus geleistet
(dieser Bericht ist natürlich auch einer).
Ich habe mir eine Überraschung für mich ausgedacht. Wenn man
schon mal in der Gegend ist, könnte man da nicht mit der Bahn nach
Zermatt hoch fahren und sich dort ein wenig umschauen. Hat man nicht schon als
Kind mit angehaltenem Atem von der Erstbesteigung des Matterhorns gelesen? Habe
ich nicht zu Hause ein Buch: „Matterhorngeschichten“ verschlungen? Damit
ist die Diskussion abgeschlossen und die Abstimmung ergibt einstimmig: Zermatt.
Dazu muss man nach Visp auf den Bahnhof. Ich habe
in etwa die Abfahrtszeiten (stündlich) auwendig gelernt. Das ist immer nicht so gut. Denn
dann rast man dahin um zu vermeiden, dass einem gerade ein Zug vor der Nase weg
fährt. Diesmal erledigt sich das auf andere Weise. An einer
Brückenauffahrt tut es plötzlich am Hinterrad einen Schlag und das schleift
augenblicklich! Achsenbruch?
Aufatmen: es sind nur drei Speichen abgerissen – gleich drei
auf einmal? Genau drei Speichen habe ich als Ersatz mitgenommen. Da sie
außerdem gegenüber dem Zahnkranz zu ersetzen sind, ist die
Sache nicht weiter ein großes Problem, ich muss noch nicht mal die Luft ablassen.
Bald geht es weiter, möglichst vorsichtig, bei jeder Unebenheit, Bordstein oder
gar Schlagloch zuckt man zusammen. Da kommen zwei Flugplätze in Sicht,
der erste sieht verlassen aus. Da kann man doch schon mal die Betonpiste entlang
brettern, man muss nur aufpassen, dass man nicht abhebt. Beim zweiten
Flugplatz landet aber gerade ein Flugzeug, da bekommt man doch ein bisschen
Gänsehaut, wenn man dazwischen geraten wäre. Also lieber auf die Straße
und schnell ist man dann auch in Visp. Die Matterhorn Gotthard Bahn fährt
in 15 Minuten, damit ist einem kein Zug vor der Nase weg gefahren. Glücklich
sitze ich dann im Zug, obwohl das auch ganz schön kostet: 15 Franken für das
Rad und 32 Franken für den Fahrgast. Zum Glück konnte ich gerade noch vermeiden,
dass man mir eine Rückfahrkarte andreht.
Es geht hinauf durch das Mattertal. An steilen
Passagen wird ein Zahnradantrieb zugeschaltet. Schluchten und Tunnels,
luftige Brücken. Das wird man dann morgen mit dem Rad alles wieder runter
zischen. Der letzte Ort vor Zermatt heißt Tasch, da gibt es riesige
Parkflächen, denn Zermatt ist autofrei. Waren es 20 Busse, die ich im Vorbeifahren
zähle? Aber sonst sind die Parkflächen nur zu einem Bruchteil belegt.
In Zermatt auf dem Bahnhofsplatz geht es dennoch ganz schön
quirlig zu. Und nun die Auflösung vom Anfang dieser Geschichte: wo
fahren die Japaner gerne hin? Offensichtlich zum Matterhorn – dem
europäischen Mount Fuji.
Es wimmelt geradezu von ihnen, natürlich sind alle lieb und
freundlich, wie es ihre Art ist. Im Touristenbüro suche ich mir das Hotel Garni
Testa Grigia aus, das ist gleich um die Ecke. Die Dame von der Rezeption ist
allerdings gerade nicht anwesend. Die sei mal eben ins Migros, teilt mir ein
ebenfalls wartender Herr mit. Er sei selbst aus Zermatt, teilt er weiter mit, ob
ich Fragen hätte, dann nur zu. „Na klar, wer hat denn das Matterhorn
als erster bestiegen?“. Als er sich anschickt, tief Luft zu holen, verrate ich,
dass das ein Scherz sei, aber da erscheint die Dame, zurück aus dem Migros,
auch schon. Fir beiden müssen erst eine technische Frage erörtern, wann und wo
die Telefonanlage funktioniert oder nicht. „Nun sind sie dran“ heißt
es endlich. Ich bekomme Zimmer 208, Dusche auf der Etage, das ist dann preiswerter.
Gepäck abgestellt, Fenster auf und erst mal raus geschaut. Da steht das
Matterhorn sozusagen über den Dächern in seiner ganzen Schönheit.
Und dieser Ausblick geht nicht auf die Rechnung.
Später am Abend zeige ich der Rezeptionsdame ein paar Fotos
auf dem Display. „Die sind aber schön, wo haben sie die denn
gemacht?“ „Na, von Zimmer 208!“. Damit ist meine Motivation aufs höchste aktiviert
und bald geht es mit dem unbepacktem Rad „.auffi“. Wie ihr euch denken könnt,
gibt es für mich nur eine Richtung: immer auf jenen Berg zu. Da gibt es einen
schönen Hangweg, Fahrräder verboten. Aber ich schiebe ja nur bergan – in
dem bewährten Tempo eines Almöhi, Schritt um Schritt bedenkend. Bei 1936
m Höhe erreicht man die Ansiedlung Zmutt, eine Alm bzw. mittlerweile
ein Bergrestaurant, wo man es sich gut gehen lässt. Es folgt ein
kleiner Stausee, dort kann das Tal in der Nähe der Staumauer gequert werden. Von
dort führt ein geteerter Weg auf der anderen Talseite wieder hinunter, damit ist der
Rückzug mit dem Rad gesichert.
Ein holperiger Weg führt weiter bergwärts, kann man den
überhaupt mit den empfindlichen Speichen auch wieder runter
fahren? Einige Mountainbiker zeigen einem, was Sache ist. Die kurbeln mit kleinster
Übersetzung hinauf oder sausen mit Powerslide talwärts. Ich
schiebe stur weiter bergan, passiere Biel oder Stafel, 2199 m, bis ich auf
vielleicht 2300 m Höhe angelangt bin. Dann weitet
sich das Tal bis zum Zmuttgletscher. Da ist alles eher grau und
unwirtlich. Ich habe den Fuß des Matterhorns erreicht und bilde
mir ein, von hier einen Aufstieg beginnen zu können. Bei der Einbildung soll
man es belassen, wir werden noch sehen, warum. Die Abfahrt über den
steilen holperigen Pfad ist auch aufregend genug. Aber es geht, bis zum Stausee komme ich
heil hinunter. Danach ist asphaltiert. Hei, geht es da hinunter, vorbei an
Wanderern mit schmerzenden Füßen. Das Mitnehmen
des Fahrrads hat sich gelohnt, denn so muss man den gesamten Abstieg
nicht per pedes zurück legen. 20 km sind es dann auch am Schluss und alle
Speichen noch intakt.
Unten angekommen findet man sich an der Kirche wieder. Dort
ist der berühmte Bergsteigerfriedhof.
Auf jedem Grabstein ist neben Namen, Alter und Herkunft auch die
Art des Unfalls und der Ort des Geschehens verzeichnet. Abstürze,
Steinschlag, Erfrieren, Erschöpfung. Ich denke an den Kriegsfriedhof in Cernay
zu Füßen des Harmannswillerkopfes zurück. Dort wurden die Opfer dahin
gemäht, auf höheren Befehl an ihre Position kommandiert – hier starben sie durch die
Herausforderung an sich selbst und die unberechenbaren Naturgewalten. Ist so ein Tod
sinnvoller? Ich kann es nicht beurteilen, der tausendfache Tod am
Hartmannswillerkopf war jedenfalls absolut sinnlos, das ist sicher.
Einen anderen Gedanken muss ich auch noch los werden. Auf so
einer Radfahrt fährt man öfter an Personen vorbei, die
gebrechlich auf einem Balkon oder im Rollstuhl dahin siechen und einem vielleicht mit
sehnsuchtsvollen Blicken hinter her sehen. Da fährt man dann bei
voller Gesundheit dahin, auf Ziele zu, die diese Menschen in ihrem Leben nie
mehr aus eigener Kraft erreichen oder sehen werden. Auch das ist ein Grund,
nachdenklich zu werden – ihr wisst schon, was ich meine!
Das Leben geht weiter, ich gehe nicht ins Migros (da gibt es
kein Bier) sondern ins Coop, damit ich heute wieder aus der Tüte
speisen kann. Langusten Jumbo oder Crevettes geheißen, ein Weichkäse,
dazu ein backwarmes Krustenbrot (Baguette Rustique), damit ist die Abendverpflegung
gesichert. Nur Ersatzspeichen kann ich in den einschlägigen
Bike-Shops nicht bekommen. Die gibt es nur für Mountainbikes (26 Zoll) – so ist das
in den Bergen.
Nach dem Speisen empfiehlt mir die nette Dame an der
Rezeption noch einen Höhenweg, die Berge würden vielleicht
noch glühen, nach 20 Uhr oder so? Umgeben von 38 Viertausendern, so ist zu lesen, da sollte das doch klappen? Es
geht einen steilen Weg hinter der Kirche hoch, vorbei an in Holz neuerbauten
Hotelkomplexen. Da scheinen sich die Investoren verkalkuliert zu haben,
denn das steht alles leer und öde herum. Genaueres ist nicht heraus zu
finden. Oben auf den Matten klettere ich bis an eine Schlucht, zum „Edelweiß“
soll es da weiter gehen. Plötzlich springt da eine Gemse in der Gegend herum.
Ich kriege sie sogar auf die Linse, leider wird das Bild nur unscharf bei der
spärlichen Beleuchtung. Und die Berge beginnen auch nicht zu glühen, sie
wollen heute wohl nicht.
Man findet mich zum Schluss in meinem Zimmer 208, das muss
ein wenig umgeräumt werden, Nachttisch weg und so, dann kann man
mit hochgelegten Füßen das Matterhorn in seiner ganzen
Größe bewundern, bis es sich in der Dunkelheit verabschiedet.
13. Tag: Di, 14.6. Zermatt - Oberwald(Wallis), 95 km
Als der Morgen graut, bin ich auf dem Plan. Es ist 5:30. Und
da präsentiert sich das Matterhorn, wie ich es auf Postkarten
gesehen habe, mit glühender Spitze wie ein angezündetes Streichholz.
Wenig später sind schon die
schroffen Wände erglüht, danach kann man sich noch mal auf’s
Ohr legen. Um Sieben Uhr gibt es Frühstück. Meine liebe Rezeptionsdame hat
sich den versprochenen Farben entsprechend gekleidet, ganz in Rosa, das Oberteil
selbst gehäkelt oder geklöppelt – an langen Winterabenden, was
weiß ich? Jedenfalls freut sie sich über ein Kompliment.
Vielleicht kommt man einmal wieder – viele Orte gibt es
inzwischen, wo man mal wieder hin möchte,
aber noch viel mehr, wo man noch nicht war. Ich freue mich nun auf
die 1000 m Abfahrt über 35 km. Kalt ist es in der Frühe und bei jedem
Sonnenfleck wird eine Rast eingelegt.
Die Handschuhe kommen das erste Mal zum Einsatz. Unten im
Tal sind sie dann nicht mehr nötig, es wird wieder ein warmer Tag.
Nun stellen sich die gewünschten Erfolge ein. Ich finde eine Fahrradwerkstatt,
wo es Speichen regalweise gibt, zahle dann allerdings 5 Franken für 5 Speichen,
das ist teuer. In Brig finde ich auch einen Buchladen, der alle gewünschten
Veloland-Broschüren vorrätig hat. Ich nehme sozusagen
nachträglich die Rhone Route. Das ist zwar teuer, aber man kann in Ruhe nachlesen, was man
alles nicht gesehen hat. Außerdem gibt es die Rhein-Route, die habe ich noch
im Visier.
Im übrigen bin ich durch diesen Teil des Tales - vom Simplon-Pass kommend - schon
einmal vor 15 Jahren auf meiner Alpentour gefahren. Hätte man mir damals gesagt,
dass ich 15 Jahre später im Vollbesitz meiner Kräfte hier wieder erscheinen würde,
ich hätte aufgejauchzt. Aber was rede ich da: heute sollte ich aufjauchzen!
Nunmehr voll ausgerüstet – der Papieranteil des Gepäcks wird
immer mehr – geht es weiter, wollte ich sagen, doch viel weiter komme
ich erstmal nicht. In dem Ort Mörel gibt es eine Seilbahn
hinauf, von dort oben soll man den Aletschgletscher sehen. Außerdem hat
man es hier mit dem Unesco Weltkulturerbe Aletsch zu tun. Das bezieht sich auf
die lockeren Siedlungen an den grünen Hängen und zwischen
Wäldern, die ich nach einigem Hin und Her alsbald von oben zu sehen bekomme.
Man kommt hinauf zur Riederalp, 1925 m, von wo aus man den Aletsch keineswegs sehen kann.
Dazu muss man erst noch eine weitere Seilbahn hinauf zur Moosfluh, 2335 m,
bemühen. Dort aber ist es so weit. Man schaut über die Kante und da liegt er vor
einem: ein erstarrter Strom, schweigend und unbeweglich. Diese Erstarrung ist es,
die einen in ihren Bann schlägt. Mein Panoramafoto gelingt nicht ganz,
Vordergrund passt nicht, vielleicht bin ich zu aufgeregt.
In die andere Richtung erlebt man das ganze Panorama der
Schweizer Zentralalpen von Monte Rosa bis Weißhorn. Auch das
Matterhorn reiht sich noch in die Reihe der Viertausender, auch wenn es so von oben
und von weitem lange nicht so majestätisch wirkt.
Nach zwei Stunden bin ich wieder unten. Es wäre zu prüfen
gewesen, ob man das Fahrrad nicht hätte mit hinauf nehmen
können um sich dann schräg an den Hängen talaufwärts vor zu arbeiten.
Das ist den Karten zu schlecht zu entnehmen – so muss man bei den Orten Betten und Fiesch
noch einige derbe Steigungen bewältigen. Mein Tagesziel
heißt Oberwald, und da denkt man, in Niederwald ist es nicht mehr weit. Da irrt man sich dann,
denn es sind noch 18 km, und zwar unbefestigt. Ich nehme lieber die
Straße und komme so vielleicht bequemer ans Ziel. Das ist das Hotel Furka, die letzte
Station vor dem Furkapass (abgesehen von Gletsch und Belvedere).
Die Wirtin ist so nett und sucht mir eine ganze Batterie Kartons
raus, damit ich ein paar unbenötigte Sachen nach Hause schicken kann.
In einen Karton passt mein ebenfalls nicht benötigter Rucksack genau rein.
Ausserdem die nicht mehr aktuellen Karten und Broschüren, Rasierapparat,
zweiter Fotoapparat, abgelaufene Batterien, kurze Hose.
Am Schluss sind es 5 kg, die allerdings 38 CHF Versandkosten verursachen, zudem ist ein
Zollformular mit 7 Durchschlägen auszufüllen. Da merkt man
noch nichts von dem vereinigten Europa, aber die Schweiz gehört ja noch nicht dazu,
und aran wird sich wohl auch so bald nichts ändrern, odr?
Sonst geht es mir gut in Oberwald, es gibt Leber Berliner
Art mit Röstis – ganz aus der Gegend. Draußen rauscht die
Rhone, das kann einen gar nicht stören, weil mann es nicht abstellen kann. Ich stelle
mir einmal vor, das sei ein Aggregat, dann würde man schier verrückt. Komisch
so was, alles psychisch... Das Geläute der Kuhglocken kommt auch noch dazu. Das
Fußballspiel der Europameisterschaft, das mit seinem lästigen Lärm im
Fernsehen läuft, wird bald abgestellt, so ist es viel schöner.
14. Tag: Mi, 15.6. Oberwald – Disentis, 72 km
„Welcher Berg ist das eigentlich, den man da von überall
sehen kann?“ frage ich beim Frühstück. Das ist das
Weißhorn, 4506 m, das weit hinten über dem Tal thront. Nun beginnt für heute der
anstrengende Teil. Zwei Pässe stehen auf dem Programm: Furka, 2431 m, und Oberalppass,
2044 m. Früher gab es auch mal eine Eisenbahn dort hinauf, die soll wohl wieder in
Gang gesetzt werden. So kann man als Abwechslung beim Aufstieg
die Linienführung dieser Bahntrasse studieren. Nach ein paar Kurven kommt man dann
nach Gletsch,1757 m.
Dort ist ein großes Hotel und es zweigt der Grimselpass ab, 2165m, dessen
Straße sich im Zickzack den Hang hinauf schlängelt. Dahinter liegt das
Einzugsgebiet der Aare, dem dritten großen Fluss in der Schweiz. Das Quellgebiet aller
drei liegt an dieser Stelle ganz nah beieinander. Nimmt man noch Reuss und Tessin
(Ticino) hinzu, so sind es 5 Flüsse, die alle in dieser Region ihren
Ursprung haben..
Beim weiteren Aufstieg holt mich ein schwer bepackter Radler
ein. Das ist Bernard aus Kanada, 5 Monate in Europa. 40 kg schleppt er
mit und hat unverständlicher Weise beim Passaufstieg 3 volle
Getränkeflaschen in den Rahmenhaltern. Wir sind doch hier nicht in der Wüste.
Ich mache ein Foto von ihm und gebe ihm meine Email Adresse, mal sehen ob er sich mal meldet.
Heute will er noch auf 130 km kommen. Dann zieht er weiter, da kann ich nicht
mithalten, abgesehen davon, dass ich das eine oder andere Foto machen
muss. Hier sind es z.B. die gelben Alpenanmonen, die ich zuvor noch nirgendwo
gesehen hatte. Dazu muss man über die Leitplanken klettern und auf einem
steilen Hang herumkraxeln. Aber es tut dem Bewegungsapparat als Abwechslung gut.
Man erreicht dann eine weitere Zwischenstation, das ist
Belvedere am Rhone Gletscher. Ich gebe ausnahmsweise mal eine
Internetseite an, wo man die traurige Geschichte des Rhone-Gletschers in den letzten 150
Jahren studieren kann:
http://www.unifr.ch/geoscience/geographie/glaciers/Les%20Langues/Rh%F4ne/Rhone.htm"
Allen anderen Gletschern der Alpen und anderer Gebirge weltweit ging es natürlich nicht
besser, alle haben wesentliche Teile ihres Umfangs verloren. Am
Belvedere halten nun die Busse und die sensationshungrigen Busgäste
schwärmen aus. „Toiletten 60 Rappen, Eishöhle 5 Franken“ informiert eine
Reiseleiter stereotyp alle, die vorbeikommen. Als Radfahrer steht man zitternd unter irgend
einem Vordach, um sich vor dem Regen zu schützen. Einer kommt von oben,
der muss sich erst mal trocken legen. Es ist ein Franzose. „Soleil?“ fragt er
und deutet talwärts. „May be“ sage
ich. Dann geht es weiter, die letzten Steigungen bis zur
Passhöhe. Der Furka-Pass ist einer der höchsten Pässe in den Alpen, gut
dass ich das erst hinterher herausgefunden habe.
An einer Mauer ist hier ein Zitat angebracht, von einem
gewissen J.W.G. und das lautet:
Ich bemerke, dass ich in meinem Schreiben der Menschen
wenig erwähne, sie sind auch unter diesen großen
Gegenständen der Natur, besonders im Vorbeigehen, minder merkwürdig.
Das gibt irgendwie Stoff zum Nachdenken. Jener Herr war im
Jahre 1779 (Briefe aus der Schweiz) hier und denkt mal an, wie
groß der Rhone-Gletscher damals noch war, der Eisbruch hat fast bis hinunter
nach Gletsch gereicht. Wunderbar, wie umständlich aber wohlklingend ein
Dichter einen einfachen Gedanken auszudrücken vermag.
Damit ist die Grübelpause am Furkapass zuende und es geht
an die Abfahrt, warm angezogen und mit Handschuhen. Kalt bleibt es
trotzdem. Wegen der etwas holperigen Straße kann man es auch nicht so
laufen lassen. Die Finger sind bald gefühllos. Dafür wird es um einen herum
wieder grüner. Am Schluss eine lange gerade Strecke bis Andermatt. Auch hier in
versammelter Eintracht unsere fernöstlichen Freunde. Ich mache mich über
einen Bankautomaten her, dann kehre ich mich den Kehren des Oberalppasses zu der nun auf
einen wartet. Und wer kommt da herangezockelt: der gute Bernard! Er hat in
Andermatt „getankt“, d.h. zu Mittag gegessen. Dann zockelt er weiter und ist dann
irgendwann aus meinem Gesichtsfeld entschwunden. Wieder gesehen habe
ich ihn nicht und weiß nicht, wie weit er diesen Tag noch gekommen ist.
Wir bewegen uns übrigens wieder parallel zu einer Bahnstrecke. Hier fahren
feuerrote Züge, manchmal mit gläsernen Panoramawagen, da steht dann womöglich
„Glacier-Express“ an der Zugmaschine. Ich darf aus dem Internet abschreiben:
Mit den berühmten Schweizer
Gebirgsbahnen von St. Moritz nach Zermatt oder umgekehrt, vom Piz
Bernina zum Matterhorn. Eine 7 1/2-
Stundenbahnfahrt über 291 Brücken, durch 91 Tunnels, über den 2033 m hohen
Oberalppass. Eine Panoramafahrt durch die Hochalpen im Herzen der
Schweiz.
In den Panoramawagen sitzen ältere Damen und lösen Kreuzworträtsel.
Kaum ist der Zug durch, ertönt ein scharfer Pfiff.
Der Zug kann es nicht gewesen sein, der ist schon weg, ein Vogel –
oder ein Murmeltier? Sicher letzteres, das sich hier als Bahnwärter
aufspielt.
Zu entdecken ist es aber nicht. So kommt man unversehens an der
Passhöhe an, da ist noch ein See halb zugefroren. Ein paar Motorradfahrer stoppen und
fotografieren sich gegenseitig ob der vollbrachten Leistung. Auch ein
Tandem mit einem Ehepaar taucht auf. Gerade kann ich mich vor diesen noch in
die Abfahrt stürzen. Viel Bremsen bei engen Kehren bis man unten im
Tal des eigentlichen Vorderrheins ankommt. Es gibt auch noch einen Hinterrhein,
der später kurz vor Chur zu uns stoßen wird.
Es ist hier, weiter entfernt von den
Zentralalpen, eine grünere und lieblichere Landschaft. Aber auch
sehr lawinös, wie man an den Lawinenschneisen oder Hangverbauungen erkennen kann.
Ich habe für heute genug, die Finger sind immer noch gefühllos. Im
nächsten größeren Ort quartiere ich mich ein, wieder Hotel Furka,
diesmal auf der anderen Seite als gestern. Im Anmeldezettel solle ich auch mein Geburtsdatum
eintragen, sonst gäbe es Reklamationen. „Ich bin da immer etwas eitel“ sage
ich und trage das Datum ein. Da gerät die Chefin ganz aus dem Häuschen.
„Das ist ja nur um einen Tag mit meinem“ juchzt sie auf und kann sich gar nicht beruhigen.
„Na, dann haben wir in diesem Jahr wohl schon schön gefeiert“. Damit
bin ich wieder einmal fein aus der Rolle des anonymen Gastes heraus getreten.
Der Rundgang führt mich nur bis zu der kleinen Kirche, die von innen auch ganz nett ist.
Natürlich gibt es hier auch das barocke Benediktinerkloster St. Martin.
Die Klosterkirche dort soll der schönste
Sakralbau Graubündens sein. Dorthin schaffe ich es nicht mehr,
sondern widme mich den Cevapcici (19 CHF). Telefonieren kann ich nicht, die Free and
Easy Karte (E . plus) ist aufgebraucht.
15. Tag: Do, 16.6. Disentis - Buchs, 120 km
Es war richtig, gestern so früh
aufzuhören, denn heute ist wieder Bilderbuchwetter. Die Farben
stimmen! Voran kommt man erstmal nicht so schnell, da muss erst eine Kuhherde
vorbeigelassen werden. Danach ist der Weg auch nur selten in seiner vollen Breite
benutzbar, denn die Kuherde hat einige Spuren hinterlassen. Nach Passieren eines
idyllischen aber hochgelegenen kleinem Ort geht es schließlich
meistens bergab. Bevor wir uns einer großen Besonderheit nähern, wollen wir
noch einmal Rast machen in Valendas, da soll der größte hölzerne
Dorfbrunnen Europas sein. Sieht auch alles ganz gut aus.
Die Besonderheit besteht darin, dass hier vor 14 000 Jahren der größte
Bergsturz Europas stattgefunden hat, ganannt Flimser Bergsturz.
Die Felsmassen haben dabei dem Rhein das Bett
versperrt, welches er sich erst in Form eines Canyons wieder graben
musste. Durch diesen Canyon kann man nur wandern oder mit der Bahn hindurch
fahren. Es hat sich aber gezeigt, dass es wohl am interessantesten ist, die
ausgeschilderte Radstrecke zu wählen, weil sich dort auch
eindrucksvolle Einblicke von oben auf tun. Die ganze Angelegenheit besteht
natürlich durchweg aus Schutt und Schotter, denn die einstigen Felslagen sind
durch den gewaltigen
Felssturz weitgehend zerlegt worden.
Damit sind wir fast schon in Chur.
Außerhalb auf einem großen Platz übt die Schweizer
Armee. Heute lagert man sich im Schatten unter Bäumen, da ist man dann im Ernstfall von der
feindlichen Luftaufklärung schlecht auszumachen. Ansonsten gibt es wieder
einen Chur-Schock durch Verkehr, Klima und Krach. An einem Platz, er heißt
Regierungsplatz, ist es schön ruhig unter Linden und Ahorn, da kann man sich abregen.
Nach der Vereinigung mit dem Hinterrhein haben wir nun schon einen respektablen Fluss, auf dessen
Dämmen man flott dahin radelt. Damit es nicht zu langweilig wird, wird man
auch mal über Land geschickt , zu dem markanten Schloss Marschlins
beispielsweise. Aber dem nicht zu nahe kommen, alles privat wie zu lesen ist. Ein paar
kleine Berge hat man einem auch noch in den Weg gestellt, damit man nicht zu
übermütig wird. Das wird man dann spätestens hinter dem Ort Maienfeld/Fläsch (Heidis
Heimat, habe ich das im Vorbeifahren gelesen? Aber sicher: Heididorf ist im Internet zu finden).
Nun geht es endgültig auf dem Rheindamm schnurgeradeaus, soweit man schauen kann. Eigentlich wollte
ich in Sargans Station machen, doch ich rausche daran vorbei. Eindrucksvoll
sind die Orte Triesen und Triesenberg, die in der Abendsonne an den Hängen
ein farbenfrohes Bild abgeben. Danach folgt schon Vaduz mit dem
Fürstentum Liechtenstein. Davon ist nicht viel zu sehen, bis auf die Burg von
Vaduz, die wohl auch von Briefmarken her bekannt ist.
Für heute komme ich in Buchs raus. Dort ist eine lebhafte Industrie, die verkehrsberuhigte
Bahnhofsstraße bildet das Geschäftszentrum. Das war’s dann schon. Quartier finde ich im
Hotel Hirschen an der St. Gallener Straße, und damit nicht so ruhig.
Gegenüber ist auch ein Pferdemetzger, da werden auf Plakaten die Vorzüge des
Pferdefleisches erörtert. Aber das Thema hatten wir ja schon. Nebenan liegt an
einem kleinen See der Ortsteil Werdenberg als Holzbausiedlung. Im Gastraum
des Hotels hängen zwei riesige Trophäen: das Gehörn eines
Steinbocks, über 1 m lang, sowie ein mächtiges Hirschgeweih. Daher wohl der Name dieses Hauses.
16. Tag: Fr, 17.6. Buchs – Stein am Rhein, 145 km
Noch vor acht Uhr komme ich weg.
Das ist immer gut, weil es morgens meistens noch windstill ist, und
heute wird der Wind von vorn wehen. Man muss sich noch den altertümlichen Ort
Altstätten ansehen. Gemäß der Broschüre frage ich eine Frau nach
dem „bergseits der Marktgasse liegendem Laubengang“. „Das ist die Marktgasse selbst, die
ist der Laubengang“ wird geantwortet. Wieder einmal guckt einer dumm aus der
Wäsche. Ist aber auch ziemlich von Autos verstellt, die ganze Angelegenheit.
Danach ist man schon im Mündungsdelta zum Bodensee, dem größten
Süßwasserdelta Europas. Das freut
einen. Der letzte Ort heißt Fussach, danach NSG. Den Brachvogel
kann ich dennoch nicht entdecken. Auf den würde man unter Umständen auch
durch seine grellen Schreie aufmerksam. Am See ist dann doch ein Ausflugsrestaurant
und ein Campingplatz. Schließlich geht es an den alten Rhein, 15 km Umweg
bin ich gefahren, um diese Region zu sehen, das hat sich eigentlich nicht
gelohnt. Es hat die Organisatoren des Radweges sicher auch einige Mühe
gekostet, die Route zwischen den Autobahnen, deren Auffahrten und der Eisenbahnlinie
hindurch zu lotsen. In Rorschach landet man fast auf den Bahnsteigen des Bahnhofs.
Irgendwie bin ich heute von diesem Teilstück auf der Schweizer Seite des Bodensees nicht so angetan.
Vielleicht liegt das am starken Radverkehr, da fühlt man sich nicht so
individuell. Oft geht es immer an der Bahn lang.
Diese Strecke ist auch für Inline-Skater ausgeschildert. Ich bin froh,
dann irgendwann in Kreuzlingen und Konstanz anzukommen. Hier gibt es ein
paar Sachen zu erledigen. Erstmal lecker Euros vom Bankomat. Dann eine neue Free
& Easy Karte für das Handy. Das geht alles gegenüber vom Bahnhof.
Dann noch zum Obermarkt für ein Foto vom Hotel Barbarossa, wo ich einmal auf
einer Dienstreise genächtigt hatte. Nebenan ist eine Stadtführung
zugange, da wird von Prangern und Galgen berichtet und die Leute gruseln sich.
Wieder aus Konstanz herausmogeln zum Grenzübergang Tägerwilen, da ist man wieder in der
Schweiz. Dieser Teil des Bodensee-Radweges ist wiederum sehr schön,
Orte wie Ermatingen, Berlingen oder Steckborn haben hübsche Häuser.
Auf dem See, dem Untersee tummeln sich die Surfer bei starkem Wind (der von vorn kommt). Wie an
der Schnur gezogen fegen die über das Wasser. Einige lassen sich von einem Drachen
ziehen, das nennt man dann Kite-Surfing.
Während ich mich so gegen den Wind voran kämpfe, habe ich mir ausgedacht, dass ich morgen einen
Ruhetag in Stein am Rhein einlegen werde. So buche ich im Hotel Grenzstein
gleich für zwei Nächte ein. Ob ich einen Adapter für den Föhn
brauche, werde ich gefragt. Einen Föhn habe ich nun gerade nicht im Gepäck. Könnte
man höchstens zum Wäschetrocknen gebrauchen. Mein Zimmer hat sogar einen Balkon mit
schöner Aussicht, wenn die Tankstelle vor der Nase nicht wäre. Nichts ist perfekt.
Nach einem Holzfällerteller mit der musikalischen Untermalung: „Drunten am Bach,
da steht an Haus mit am Schindeldach...“
geht es einem dann schon wieder besser.
17. Tag: Fr, 19.6. Stein am Rhein, 95 km
Zunächst einmal hinunter nach Stein zum Fotografieren., aber
es gibt noch keine Sonne. Heute wird hier ein Fest stattfinden, es sind
eine Menge Verkaufsbuden aufgebaut. Der ganzen Sache wird lieber der
Rücken zu gekehrt und man macht sich auf in Richtung der Stadt Radolfzell.
Immer am See lang, schön zu fahren, viele Tagesfahrer.
Kurz vor Radolfzell ist die Mündung der Aach in den Zeller
See mit einer Schautafel. Da weiß ich schon, wo ich als
nächstes hinfahre. Am Bahnhof in Radolfzell ist die Info, dort bekomme ich auch eine Radkarte
der Gegend. In der Stadt schaue ich mich nur kurz um, kann später aber
nachlesen, was ich alles verpasst habe.
Natürlich weiß jeder, der meine
Geschichte mit der Donauversickerung
kennt (1995), wo ich nun hin fahren will: zum Aachtopf, der
größten Quelle in
Deutschland. Dort kommen die Wasser wieder zum Vorschein, die in der
Donauversickerung verschwinden, sich also entschlossen haben, statt in
das
schwarze Meer in den Ärmelkanal zu fließen.
Auf dem Weg dorthin passiert man das Friedinger Schlössle,
543 m. Um mir nicht nachsagen zu lassen, man lasse alles links liegen,
fahre bzw. schiebe ich dort hinauf. Das hätte ich mir sparen
können, denn dort ist heute wegen geschlossener Gesellschaft keine Besichtigung möglich.
Es findet das hier bekannte „Rittermahl“ statt. Da bin ich nicht
eingeladen. Man hat aber einen schönen Blick auf den Hohentwiel über Singen.
Fahre ich eben weiter über Volkertshausen (da hat noch ein Supermarkt offen) nach
Aach. Der Aachtopf ist ausgeschildert, aber viel zu sehen gibt es da nicht. Am
interessantesten ist noch die Schautafel. Die schönste Quelle in
Deutschland ist dann doch wohl der Blautopf in Blaubeuren.
Auf der Rückfahrt bietet sich nun Schloss Langenstein mit
Fasnachtsmuseum an. Das Schloss ist fest in den Händen von
Golfern, d.h. rings herum von einem 18 Loch Golfplatz umzingelt.
Das Ganze nennt sich Country Club Schloss Langenstein. Einer von denen
sucht verzweifelt seinen Golfball am Straßenrand. Da ist wohl ein
Schlag in die Hose gegangen. Jedenfalls ist der völlig fertig. Was macht ein Golfer,
wenn er seinen Ball nicht wieder findet? Harakiri? Da muss man sich mal schlau
fragen
(Auskunft einer Kollegin, die ist sogar Vereinsmeisterin: „Er muss einen
Provisorischen spielen und bekommt einen Strafschlag“).
Im nächsten Ort, der heißt Wiechs, ist schon wieder ein
Golfplatz, der beginnt gleich an dem kleinen Kirchlein.
Um über Land zu fahren kann man sich
nun den ausgeschilderten Wegen anvertrauen. Dort ist leider für
gewöhnlich nicht angegeben, wohin es geht, sondern die Wege sind nummeriert. So
wechselt gelegentlich die Wegenummer und man weiß dann schließlich nicht
mehr, wo man sich befindet. Ich muss daher einen Herrn mit Hund als GPS-Ersatz
bemühen. „Da und da und da geht’s nach Beuren“. Der
einzige Ort, wo ich nicht hinkomme, ist Beuren, lande aber wieder in
Friedingen. Da ist jetzt der Bär los. Es findet eine Dorfhochzeit
statt, Hunderte haben sich auf dem Kirchplatz versammelt. Das Brautpaar wird
von der Feuerwehr in einen Hubkorb gesetzt und dann mit der Drehleiter
hochgekurbelt so hoch es geht. Höher als der Kirchturm!
Ich will noch nach Singen gleich um die Ecke und im Tal. Da hat man einen nagelneuen Radweg im
Wald angelegt, wie überhaupt die ganze Gegend auf Radler eingestellt zu
sein scheint. Das ist gut so. Hauptattraktion in Singen ist der Hohentwiel,
686 m. Da muss ich nun aber nicht auch noch rauf, bei allem was recht ist. Eine Rote
Grillwurst in der Fußgängerzone, dann geht es „heim“.
Neben der Strecke zurück zum Rhein und in die Schweiz ist praktisch eine zweite
Straße nur für den unmotorisierten Verkehr – kein Radweg sondern eine Radstraße.
So kommt man entspannt wieder nach Stein. Am Ortsanfang entdecke ich endlich, was
ich schon lange suche: eine Pizzeria.
Nach dem Regenerieren im Hotel Grenzstein fahre ich mit dem Fahrrad zu der Pizzeria.
Da genieße ich neben einer Pizza Marinara auch das Fußballspiel
Deutschland – Lettland auf einer Großleinwand.
Genießen ist zu viel gesagt, Pizza ja, aber auf der Leinwand
zittert das Bild und alles ist doppelt: zwei Bälle, zwei
Schiedsrichter, alle Spieler doppelt und so auch die Tore. Trotzdem fällt kein Tor.
Auf dem Rückweg werde ich bei einem
überraschenden Regenschauer dann leider ziemlich nass, weil ich
keine Regenklamotten mitgenommen hatte. Und die Hotelgarage für die
Fahrräder ist inzwischen gerammelt voll, da muss mein Rad unter einem Vordach
nächtigen.
18. Tag: So, 20.6. Stein am Rhein - Säckingen, 115 km
Die weitere Schweizer Rheinroute verspricht noch einiges.
Von Gailingen nach Diessenhofen führt eine schöne
Holzbrücke über den Rhein. Dann ist man aber auch schon in Schaffhausen, da geht es erst richtig
zur Sache. Es kann einem passieren, dass man nur der Beschilderung zum
Rheinfall folgt und dadurch die Besichtigung der sicherlich sehenswerten Altstadt
verpasst. Wenn es endlich steil hinauf geht zum Schloss Laufen hat man
es geschafft, die bedeutendste Sehenswürdigkeit am Rhein (neben
Deutschem Eck in Koblenz oder Loreley). Die Besichtigung ist nur vom Schloss Laufen aus
möglich, kostet 1 €, das lohnt sich aber. Es gibt einige Aussichtsplattformen,
Treppen die hinunter führen, sogar kleine Tunnel durch
Felsvorsprünge. Wenn da gerade eine temperamentvolle italienische Touristengruppe zugange ist kann es
einem passieren, dass man bei der ganzen Gestikuliererei in einem Tunnel eine
verpasst bekommt. Sonst wird viel und gegenseitig fotografiert – gerade
ist die Sonne heraus gekommen. Ach ja, der Rheinfall. Schon beeindruckend,
besonders, weil man ganz nah an die gewaltig strömenden Wassermassen heran
kommt. Auch Boote fahren hinüber zum Mittelfelsen, da wird man vielleicht
sogar nass von der Gischt.
Am Eingang oben sitzt ein älterer Herr und verdient seinen
Lebensunterhalt mit seiner Geige. Der hat sich auf die Besucher
eingestellt, was die Nationalität angeht. So fiedelt er unentwegt und ohne
Pause: Mi sono innamorato di Marina ...
Irgendwie hat das was, wenn man dem eine Weile lauscht. Bald hat man
den ganzen Trubel hinter sich, findet sich nun allerdings vor einem heftigen
Regenschauer Schutz suchend in einer eigens erbauten Radlerstation wieder. Und das
ist oberhalb des Ortes Rheinau mit einer Benediktinerabtei. Bei
schönem Wetter wäre man vielleicht hinunter gefahren.
Dafür geht es nun auf einem schotterigen Weg ein paar km
durch den Wald und es regnet weiter. Dabei werden Füße, Rad
und Gepäcktaschen einigermaßen eingesaut – hätte man doch lieber die
Straße nehmen sollen. Dann fährt man über eine Brücke eines Rhein-Zuflusses. Da
kommt gerade eine Dame vom Uferweg herauf. „Wie heißt denn dieser Fluss hier?“ frage ich.
„Das ist die Thur“. Da wird mir auch klar, warum ich die ganze Zeit im Thurgau
herumgegeistert bin. Die Dame will mich dann noch auf weitere geschotterte Wege
verweisen, die viel schöner seien. Aber mein Bedarf ist gedeckt.
Nun fährt es sich auch so sehr schön weiter teilweise durch
Auwälder aber auch über ein paar Berge (am Irchel).
In dem Ort Kaiserstuhl erlebt man dann wieder was. Da wird gerade ein Turm
(Römerturm, stammt aber aus dem Mittelalter) für eine Besteigung geöffnet
(kostenfrei). Eine Gruppe mit Tandems und Rückspiegeln an den Brillen wartet
schon auf Einlass. Die kommen aus Amerika und freuen sich auf das „Alte Europa“,
na also.
Oben auf dem Turm hat man eine schöne Aussicht, wie das auf
Türmen so ist. Eine der Tandemdamen fragt mich, was das für
ein Rad dort oben sei. Das sieht aus wie so ein Tretrad, in das man jemanden einsperren
kann, damit er durch beständiges Laufen das Rad in Drehung versetzt.
Wozu es gedient haben mag, können wir uns nicht erklären. Vielleicht als Kran
oder Lastenwinde? Man hätte ja auch die Dame am Eingang fragen können. Ein Teil
der Tandemgruppe verschwindet in der nahen Gastwirtschaft, ein anderer begibt sich mit
oder ohne Tandem auf eine Ortsbesichtigung. Ich setze mich unter einen Baum – und
klacks! – hat mir ein Vogel auf den Kopf geschissen. Für so was muss man also
erst knapp 2000 km fahren – aber es soll Glück bringen.
Das Rheintal wird nun allmählich weiter. In dem Ort Koblenz
findet dann die große Vereinigung des Rheins mit der Aare statt.
Der Rhein kann froh sein, dass er seinen Namen behält, denn die Aare bringt mehr
Wasser mit sich. Der hätten wir übrigens von Gletsch über den
Grimsel-Pass aus auch schon folgen können. Das wäre dann die Aare-Route (Route 8)
gewesen. Gleich hinter der Einmündung liegt auf deutscher Seite die Stadt Waldshut. Hier wird
in einer der nächsten Nächte das Epizentrum eines kleinen Erdbebens sein
(3.8 auf Richter Sk.). Da merkt man jetzt noch nichts davon.
Einige Zeit später wird es etwas technisch beim „Stern von
Laufenburg“. Das ist eine internationale Stromverteilerzentrale. Ein
Wald von Isolatoren, von denen ich nur einen Bruchteil auf das Foto bekommen
kann. Hoffentlich blicken die Experten da noch durch. Ich bin für heute
froh, Säckingen zu erreichen, noch dazu über eine gedeckte
Holzbrücke – der längsten Europas. Dabei quert man nebenbei die Grenze nach Deutschland.
Am Bahnhof ist eine sehr gute Informationstafel, wo ich mir
ein Hotel heraussuchen kann. Man hätte auch im Goldenen Knopf,
gleich am Münsterplatz absteigen können, das erste Haus am Platze. Da
wäre es dann doppelt so teuer. Ich frage mich zum Hotel Schneider durch. Da
ist zwar alles verrammelt, aber nach Klingeln öffnet eine nette Dame und
ich kriege ein schönes Quartier. Zum Essen lande ich mal wieder beim Chinesen (Hongkong).
Irgendwie erscheint mir hier alles spottbillig, nachdem man aus der
Schweiz herüber kommt. Deshalb gibt es heute was mit Ente, und
tatsächlich, ein ganzer Berg davon wird serviert.
Ein Rundgang offenbart: St.
Fridolinsmünster,
gotischer Bau mit barockem Touch, im Moment ist gerade Messe, da kann
man nicht hinein. Diebsturm, Teil der
mittelalterlichen Befestigungsanlage, Gallusturm, wieder
instand gesetzt durch die Bad Säckinger Narren. Und wie war das mit dem „Trompeter
von Säckingen“? Das ist ein Versepos von Joseph Victor von Scheffel,
dort kommt auch eine "epische Charakterkatze" vor,
und die heißt Kater Hiddigeigei.
19. Tag: Mo, 21.6. Säckingen - Colmar, 123 km
Die letzten paar Kilometer der Rhein-Route bis Basel bieten
keine großen Attraktionen mehr. Ab Rheinfelden wird der Rhein
schiffbar. Dort trifft man sich auch mit der Nord-Süd-Route (Route 3), die von
Basel nach Chiasso (oder umgekehrt) führt. Nach Basel hinein rollt man dann
nicht am Rhein entlang, sonder kommt von Süden immer mit der
Straßenbahnlinie 14. Und dann bin ich da, wo ich vor über einer Woche schon einmal war: an der
mittleren Brücke. Inzwischen bin ich fast um die ganze Schweiz geradelt und um Unmengen
an Eindrücken reicher. Als ob das nun nicht bald einmal genug wäre...
Nein, raus aus Basel, zwischen Baustellen und Schwerlastern.
Jetzt habe ich nur noch die Michelinkarte als Orientierung und man muss
sozusagen lernen, wieder als selbständiger Mensch zu agieren. Ich
habe mich schon auf ein Vorankommen auf der Landstraße eingestellt. In dem
Ort Rosenau entdecke ich aber den Canal Rhone du Rhin. An dem führt,
angelegt für unsere französischen Sonntagsfahrer, natürlich ein
vorbildlicher Radweg entlang. Den hätte man schon von Basel aus benutzen können.
Nun blüht man auf. Und wo weht der Wind her? Leicht zu raten, wenn ihr mich so dahin
brausen seht!
Bald ist auch Mulhouse ausgeschildert, bis dort kann
man am Kanal fahren, der eigentlich bei Kembs in den Rhein
mündet. Ab da ist der Weg sogar asphaltiert. Nach Mulhouse rein zu fahren schenke ich
mir, was soll ich da. Ich befinde mich auf einem Kreisverkehr, da steht nur
eine Richtung zur Verfügung, alles andere sind Autobahnauffahrten. Man
kann sicher besser Richtung Colmar gelangen als auf der D 201 über Battenheim.
Am Schluss gibt es aber noch ein paar schöne Nebenstraßen
und Ortsdurchfahrten mit Oberentzen – Niederentzen und Oberhergheim –
Niederhergheim. Und wie sah es in Ste Croix en Plaine aus? Das kriege ich
wiederum nicht auf die Reihe.
Aber in Colmar muss man sich die Augen reiben. Ich frage
erst mal eine Frau mit Tochter nach dem Touristenbüro. Da
müssen sie mich erst ein Stück begleiten, damit man das besser erklären kann. Aber
erstmal muss ich ein Foto machen, so wie das hier aussieht. Die Touristen Information
ist in der Nähe der Dominikanerkirche bald gefunden. Ich kann mir das
billigste Hotel aussuchen, das liegt sogar gleich um die Ecke. Größeren
Comfort darf man dort nicht erwarten und der Zimmerausblick geht auf einen riesigen Parkplatz
raus.
Essen werden wir heute wieder in einer Pizzeria, trotz der
viel gepriesenen Elsässer Küche: Sauerkrautplatte,
Quarkkuchen und Gugelhupf? Ich gehe ins La Doles oder Le Sereno? Kriege ich gar
nicht mehr auf Reihe. Wie üblich führe ich gegen Schluss so gut wie
keine Notizen mehr, weil man sich hinterher sowieso an alles erinnern kann. Denkste! Sicher
war es wieder eine Pizza mit Meeresfrüchten – wie ich mich kenne.
Nun ist aber was los auf den Straßen. Heute ist
Musikfestival. Tausende von Menschen auf den Beinen. An jeder
Straßenecke spielt eine andere Band
– und das so laut wie möglich. Da wackeln die alten Häuser. Auch bei mir merke
ich, wie das Rippenfell oder sonst was vibriert. Das fühlt sich gut an. Manche
Darbieter haben nicht so viel drauf: da läuft eine Schallplatte und man
betätigt sich an den Reglern um rauszukitzeln, was die Woofer hergeben. Bis bald 22 Uhr
laufe ich herum und verlaufe mich schier. Danach ist dann bald Ruhe und man baut alles wieder ab.
20. Tag: Di, 22.6. Colmar - Strassburg, 97 km
Am Morgen muss ich wenigstens noch Klein Venedig (Petite Venice) besuchen
und ein Foto machen. Das finde ich von allein gar nicht wieder, ich muss schon
den Stadtplan zu Hilfe nehmen. Für den letzten Tag habe ich mir
die Elsässische Weinstraße: La Route des Vins de Alsac vorgenommen. Da reihen sich an die 20
Weinorte aneinander wie die Perlen an der Schnur und einer schöner als der
andere. Ausgediente Weinpressen stehen zur Dekoration an den Straßen. Oft
bepflanzt mit Blumen, die Orte nennen sich sowieso alle Ville des fleurs oder
so. Mit Recht. Leider bekomme ich etwas Regen ab, das zwingt dann öfter
zum Rasten.
Einmal kommt ein Herr heran gezockelt und fragt mich aus. Er
war gestern auch in Colmar, bei dem Musikspektakel. „Dass ich da
überhaupt ein Quartier gefunden habe“ sage ich. „Die meisten Besucher kommen aus der
Umgegend“ sagt er, das hätte ich mir beinahe schon gedacht. Und in
Braunschweig, ja da sei er in den achtzigern auch schon gewesen. Von
hier gibt es auch einen Radweg hinüber nach Emmendingen in
Deutschland (Radweg Villé – Elzach). Ich bleibe aber lieber auf der
Weinstraße.
Bei einer anderen Pause gelingt mir vor der spiegelnden
Scheibe einer Bank das einzige Foto von mir selber, damit man mir auch
alles glaubt. Nun gibt man eine neu erworbene Kamera nicht gern aus der Hand
und mit dem Selbstauslöser oder Fernauslöser habe ich noch keine Experimente gemacht.
Nachher löscht man noch alles - nach einer Tour ist der größte Besitz die
fotografische Ausbeute.
Hinter Obernai endet die Weinstraße irgendwie und man wendet
sich ostwärts Richtung Strassburg. Ich will am nächsten
Tag von Offenburg einen Zug nach Hause nehmen. Nun hätte ich wissen müssen, dass von
Molsheim über Strassburg nach Offenburg ein Europäischer Radwanderweg
führt. In Unkenntnis darüber fahre ich weniger angenehm auf der D392, vorbei am Airport
Str.-Entzheim auf Strassburg zu. Dabei kommt mir wenigstens die
Idee, über Nacht in Strassburg zu bleiben und nicht in Offenburg. Da wäre man ja
bescheuert. Ich brauche auch keine Touristeninformation, das Hotel weiß ich
schon: Hotel Vosges am Bahnhof. Wenn es das noch gibt. Da war ich 1994 schon mal.
Das Hotel gibt es noch. Es hat noch einen Fahrstuhl alten
Stils, im Drahtkäfig alles offen. Ich führe mich gleich als
Stammgast auf. Tatsächlich bin ich noch im Computer gespeichert. Da ich mich
damals hoffentlich ordentlich aufgeführt habe, macht das ja nichts. Das
Zimmer geht auf den Bahnhofsvorplatz raus. Etwas laut. Der Bahnhofsplatz war vor 10
Jahren eine einzige Baustelle. Heute ist es eine einzige graue öde
Fläche. Nicht einen Blumenkübel hat man dort aufgestellt. Unverständlich!
Darunter ist ein Einkaufszentrum. Aber die Sonne scheint oben!
Trotzdem gehe ich zum Bahnhof wegen Stadtplan und evtl.
Fahrkarte. An der Information stellt man sich dumm an und kann mir
keine Verbindung mit Fahrradtransport heraus suchen. Auch mit der deutschen
Sprache hapert es entschieden. Will ich mal nicht meckern, bei mir ist
Französisch auch gleich Null. Aber ich lebe ja auch nicht nahe an der Grenze und bin
nicht am Informationsschalter des Strassburger Hauptbahnhofs beschäftigt.
Muss ich also morgen doch noch mit dem Rad nach Offenburg fahren.
Nun wird Strassburg abgespult: Place Kleber,
Gutenbergplatz, Münster, Petit France. Zum Teil noch
schön in der Sonne zum
Fotografieren. Zum Abschluss zum Chinesen, der befindet sich gleich
neben dem
Hotel. Kalamares oder Crevettes war es wohl. Danach werden die Beine
hoch
gelegt.
21. Tag: Mi, 23.6. Strassburg - Offenburg, 30 km
Von hier weiß ich, dass es den ausgeschilderten Fahrradweg
gibt, finde ihn auch gleich an der Grenze nach Überqueren der
Rheinbrücke in Kehl. Dann geht es immer auf dem Damm des Flusses Kinzig
entlang. Ein Musterbeispiel ausgekofferter Flusslandschaft. Da muss man sich nicht
über die Jahrhunderthochwasser wundern, wenn man wie hier ehemalige
Auwälder und Überflutungsflächen in Landwirtschafts-, Siedlungs- oder gar
Industrieflächen umfunktioniert hat. Immerhin hat man dazwischen die Radwege gut
ausgeschildert.
In Offenburg bekomme ich eine Verbindung innerhalb der
nächsten halben Stunde mit dem IC Bodensee, der von
Konstanz kommt und bis Stralsund fährt. Nur in Hannover muss ich umsteigen. Im Zug
sind dann nach und nach mehr als 15 Fahrräder – und mir hat man keine
Reservierung gegeben. Irgendwie klappt es aber doch, obwohl sich da einer lauthals beschwert,
dass ein anderes Fahrrad an seinem Platz hängt. Vielleicht war es
meins? Da bleiben wir lieber ganz unauffällig.
Damit ist die Reise zu Ende. Drei Wochen sind für eine
Radtour eine sehr lange Zeit, in der sich fast schon zu viele
Eindrücke häufen. Darum schreibe ich immer alles auf, denn sonst geht doch zu vieles
durch das Sieb des Gedächtnisses. Da sind vielleicht auch Dinge
erzählt, die allgemein nicht von so großem Belang sind – dann waren sie hoffentlich
wenigstens lustig.