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Radtour auf der Romantischen Straße und am Bodensee

20.-31.8.97

Planung

Angefangen hat alles mit Sarah aus Cincinatti. Von dort kam nämlich eine Anfrage, was es mit der Radroute "Romantische Straße" auf sich hätte, das klang so:

Hallo, ich bin eine amerikanische Studentin und ich werde im April nach Deutschland fliegen.
Ich moechte am Romantische Strasse radfahren aber es gibt nicht viele Informationnen/Vorschlaege über Fahrradwege des Romantische Strasse am Internet...

Da wir bislang nichts über die Existenz dieser Route wußten bzw. sie uns noch nicht besonders aufgefallen war, war es um so erstaunlicher, was für kulturelle Kleinode von dieser Strecke berührt werden. Fast ist zu befürchten, auf einer "Tour de Kitsch" zu landen, so spektakulär sind die Sensationen aufgereiht. Darauf werden wir im folgenden nun genauer kommen, denn kurzum haben wir die für diesen Sommer geplante Radtour um den Bodensee um die Romantische Straße aufgerundet.

Würzburg

Die Romantische Straße beginnt in Würzburg, führt an den Flüssen Tauber, Wörnitz und Lech entlang und endet in Füssen. Unerläßlich ist ein geeigneter Reiseführer, als Radfahrer vertrauen wir am besten auf das Heftchen: "Vom Main zu den Alpen, Radroute Romantische Straße" von der Bielefelder Verlagsanstalt (BVA).

Da wir mit den Urlaubsterminen ein paar Probleme haben, müssen wir die Tour mitten in der Woche beginnen. Wir beschließen daher, noch am Abend des letzten Arbeitstages (Mittwoch) mit dem Auto nach Würzburg zu fahren, dort zu übernachten und das Auto dort irgendwo für die Dauer der Tour zu deponieren. Um dieses Vorhaben vorzubereiten wählen wir die bequemste Variante, indem wir telefonisch im Hotel Grüner Baum, wenige hundert Meter vom Beginn der Radroute entfernt, die Übernachtung vorbestellen. Daß wir nicht vor 22 Uhr ankommen würden, und ob wir das Auto da so lange stehen lassen könnten? "Das geht alles in Ordnung" versichert uns die freundliche Dame am Telefon. Nur den Schlüssel müßten wir dann bei der nahegelegenen Pizzeria abholen, die hätten lange geöffnet. Wie lange, vergessen wir zum Glück zu fragen.

An besagtem Mittwoch hole ich Heidi direkt um 19.30 Uhr am Geschäft ab, das Fahrrad wird auf geschnallt, und los geht es der untergehenden Sonne nach. Ab dem Autobahndreieck Salzgitter geht es dann wie immer gen Süden, da kann man die geblendeten Augen wieder aufmachen. Für die Anfahrt nach Würzburg haben wir 3 Stunden einkalkuliert. Da die Autobahnen unserer Tage von einem fast durchgehenden Konvoi von Schwerlasttransportern belagert sind, geht diese Rechnung nicht ganz auf. Gegen 20 Uhr in Kassel lesen wir erschreckt: noch 202 km bis Würzburg. Und die ziehen sich durch die Kasseler Berge und über die Rhön ganz schön in die Länge.

Natürlich ist es längst dunkel, als wir endlich in Würzburg unsere Ehrenrunden drehen, einem um diese Tageszeit schlecht funktionierenden Richtungssinn folgend. Wie ein Leuchtturm aber geleitet uns endlich die angestrahlte Festung Marienberg auf den richtigen Weg. Aufatmend nehmen wir einen Briefumschlag in der Pizzeria in Empfang, wo man sich gerade anschickt, das Lokal zu schließen (22.30). Was hätten wir dann gemacht? Und was hätten wir unterwegs für Rechenkunststücke angestellt, wenn wir das gewußt hätten?

Nun hat aber alles geklappt. In dem Briefumschlag befindet sich eine Magnetkarte, daran ist ein Text angeklebt, den ich zitieren muß:

"Diese Seite (Pfeil) vor das rote Licht rechts von der Haustür halten, es leuchtet grün, die Haustüre läßt sich öffnen. Diese oder diese Ecke (zwei weitere Pfeile) bei der Zimmertüre auf den roten Punkt drücken, Türe läßt sich bei grünem Punkt öffnen."

Und tatsächlich, dieses Sesam-öffne-dich-Spielchen funktioniert! Früher nannte man das: Nippel durch die Lasche ziehen. Heute geht das alles elektronisch.

Donnerstag, Würzburg - Waikersheim, 75 km, Grüner Baum

Begierig, die Nase in den Wind zu stecken, brechen wir zeitig auf, nachdem der Autoschlüssel für die nächsten 10 Tage bei der Rezeption deponiert wurde. Zum Glück wird das Auto nicht vorher inspiziert, denn es steht sozusagen im Gnadenbrot und so sieht es auch aus. Außerdem schnasselt der Auspuff vernehmlich.

Würzburgkulisse von der Alten Brücke

Nun ist Würzburg selbst mindestens eine ganztägige Besichtigung wert. Da wir einiges schon kennen, lassen wir es mit dem Stadtpanorama im morgendlichen Gegenlicht, von der Alten Brücke aus, bewenden. Entlang an der Rückseite der Festung zieht sich der Beginn der Radtour sanft in die Höhe. In Höchberg entscheiden wir uns mangels ausreichender Beschilderung für eine falsche Abzweigung, die dafür steil nach oben führt. "Geht das die ganze Tour so?" fragt Heidi mißbilligend. "Aus dem Maintal müssen wir erst mal raus, das hatte ich aber gesagt" muß ich mich rechtfertigen. Daß ich auch nicht weiß, wo wir hier raus kommen, behalte ich lieber für mich. Wir kommen an einem Waldrand raus, und nach einigem Hin und Her landen wir in Waldbüttelbrunn, das hört sich doch immerhin ganz nett an.

Ein Mann, der zur frühen Morgenstunde vor seinem Haus kehrt, schickt uns auf den richtigen Weg nach Eisingen. Auf dem Weg dorthin - wir schieben gerade wieder - spricht uns ein morgendlicher Spaziergänger an. Unversehens sind wir in eine kleine historische Unterrichtsstunde verwickelt, vielleicht ein pensionierter Lehrer? Wir erfahren, daß wir uns auf dem "Judenweg" befinden, einer alten Verbindungsstraße jüdischer Händler. Nur mühsam können wir uns weiteren Lektionen entziehen und brausen dann alsbald bergab, um dann wieder zu schieben usw.

Vor einem lieblichen Wiesental, unten braust die Autobahn, machen wir unter einem Birnbaum die erste Rast. Nach dem Motto Grüner Baum, wie unser Hotel heißt, werden wir auf dieser Tour noch so unter manchem Baum rasten. Gegenüber von dem Wiesental droht schon ein bewaldeter Höhenzug, den wir zu überqueren haben. Vorher überqueren wir die Autobahn, wo ein Radarwagen der Polizei auf der Brücke lauert. Wir kommen aber ohne Knöllchen davon.

Der Anstieg, der dann folgt, ist brutal, grober Schotter, 10-15% Steigung. Zum Glück findet das alles im Wald statt, sonst wären wir wohl schon jetzt einem Sonnenstich oder Hitzschlag erlegen.

Auf freier Strecke

Man darf verraten: danach hat man es geschafft. Es folgt eine Genußstrecke bis hinunter in das Tal der Tauber. Der Weg ist herrlich geführt, durch liebliche Ortschaften, an blühenden Gärten vorbei, durch Maisfelder. Alte Mühlen liegen am Weg, die heißen Seemühle, Öl- und Sägemühle, Emmenthaler Mühle, Schneidmühle oder Welzmühle.

Die erste Attraktion aber ist die Pilgerkapelle Liebfrauenbrunn. Da befindet sich in einem Keller eine Quelle, wo die Frauen aus der Gegend flaschenweise das Wasser abfüllen. Das sei so frisch und wohlschmeckend, behaupten sie, doch wir argwöhnen, daß sie sich auch für ihr Seelenheil einiges davon versprechen.

Die Tauber erreicht man dann in Werbach, wenig später ist man in Tauberbischofsheim. Hier muß man aufpassen, ist das doch die Stadt der Säbel- und Degenfechter. Während wir auf einer Bank am Marktplatz in die Runde schauen, geschieht uns aber nichts.

Wenig später geraten wir in die erste Barockkirche, war es in Lauda? Und in Bad Mergentheim sitzen wir dann schon wieder auf einer Bank und verzehren eine Bratwurst (die Rote Wurst ist leider ausgegangen). Nebenan findet zwischen ein paar Frauen eine aufgeregte Diskussion über Grabpflege und Blumen statt. "Da verstehe ich kein Wort" sagt Heidi. Ich habe mir aber einen Ausspruch gemerkt, der etwa so klang: "Am liebschte hätt ich ihr die Blume in’d Gosch nei schlage, da hätt se vielleicht anderscht guckt".

Tauberbischofsheim

Auf dem weiteren Weg treffen wir nun viele Radfahrer, die leider aber auch die schönsten und schattigen Rastplätze besetzt halten. Wir nähern uns Weikersheim, wo wir Quartier nehmen wollen. Im Touristenbüro kann uns alsbald ein Hotelzimmer bestellt werden, es ist gleich gegenüber im Gasthaus Grüner Hof. Dort ist eigentlich geschlossen, aber der Sohn des Hauses nimmt sich unserer an.

Weikersheim

Wie wir aus den uns vorliegenden Unterlagen entnehmen, hat Waikersheim einiges zu bieten. Der Ort nennt sich Stadt der Musikjugend. Das bestätigt sich, indem eine Menge Leute mit Gitarrenkasten oder ähnlichem hin und her eilen. Auch aus manchen Häusern singt und klingt es. Im Lidl-Markt, wo wir unseren Getränkevorrat ergänzen, diskutieren dann auch zwei junge Leute über Zupftechniken von Saiteninstrumenten.

Auf unserem Rundgang studieren wir vorausschauend die Speisekarten der einschlägigen Lokale für den Abendschmaus. Vorher statten wir dem bemerkenswerten Schloß einen Besuch ab. Man restauriert es gerade, es ist noch halb eingerüstet. Sehenswert ist vor allem der Schloßgarten, wo man zwischen Schloß, Orangerie und üppigen Blumenbeeten hin und her wandeln kann.

Zum Abendessen haben wir uns nun kein ortstypisches Lokal erwählt (Tauber-Forelle usw.), sondern den Griechen Pegasos in der Bahnhofsstraße. Im wunderschönen Biergarten lassen wir uns unter einem weit ausladenden Baum nieder, dessen Art wir nicht bestimmen können. Es ist jedenfalls keine Linde. Als das Lokal sich mehr und mehr füllt und wir mit Bifteki, Gyros und dergleichen nebst einigen Bieren unsere Lebensgeister wieder belebt haben, können wir bestätigen, daß wir das richtige Lokal erwählt haben. Schließlich fragen wir den Wirt nach dem Baum. Das sei eine alte Ulme, eine der wenigen in ganz Nordbayern überhaupt. Über das Ulmensterben, das vor einigen Jahrzehnten in Deutschland die meisten dieser Bäume dahin gerafft hat, weiß unser Wirt nichts, er sei erst seit drei Jahren hier.

Schloß Waikersheim
Schloßgarten in Waikersheim
Schloßgarten in Waikersheim

Freitag, Waikersheim - Feuchtwangen, 72 km, Die Rothenburger Puppenstube

Wie der gestrige Tag verspricht es wieder, sehr heiß zu werden, so daß wir uns beizeiten auf den Weg machen. Mal links, mal rechts der Tauber geht es wunderschön dahin. Auf den Südhängen des Tals kann man merkwürdige Steinwälle sehen. Da hat man wohl über viele Jahre die Lesesteine aus den Feldern und Weinbergen angehäuft.

Tauberwwhr

An einem schönen Rastplatz lassen wir uns nieder. Da biegt mit knatternden Rädern ein älteres Ehepaar um die Ecke und gesellt sich zu uns. "Sie haben ihren Helfer wohl immer dabei" begrüßen wir sie. Ja, da käme man überall mit hin, die Frau habe es mit dem Knie, aber so könne man immer noch radfahren. Die beiden Räder sind imposant, wiegen 36 Kilo und haben am Hinterrad einen kleinen Hilfsmotor. Wir sind alsbald in eine technische Diskussion verwickelt. Am Auto habe man einen eigens konstruierten Anhänger zum Transport der Räder. Gerade erst sei man in den Alpen gewesen, da seien die Radtouren leichter als hier. Eine Liege und Decken führe man auch mit sich, falls man sich mal legen müsse. Und dann sind sie – weg wie Meiers Hund – um die nächste Kurve verschwunden, während wir die leichten Hangsteigungen hinauf kurbeln.

Creglingen

Wir erreichen den Bilderbuchort Creglingen. Ein Muß ist hier der Abstecher zur Herrgottskirche, wo ein weltberühmter Maria–Himmelfahrts-Altar von Tilman Riemenschneider zu bewundern ist. Ehrfürchtig bestaunen wir dieses Wunderwerk der filigranen Holzschnitzerkunst. Wie lange man an so einem Werk gearbeitet hat, entzieht sich unserer Vorstellung. 1505-1510 steht im Merkblatt.

Man nähert sich nun der wohl größten Sehenswürdigkeit dieser Tour: dem Städtchen Rothenburg ob der Tauber. Wieder einmal muß ich Heidi vorwarnen, die beiden kleinen Buchstaben "ob" bedeuten oberhalb, das heißt man muß aus dem Tal der Tauber hinauf auf die Höhe. Vorher treffen wir unser Ehepaar mit Hilfsmotor wieder, die haben einen Platten. Man müsse nun das Rad mit einem Abschleppseil, das man bei sich habe, an einer Astgabel in einem Baum aufhängen, worauf man das defekte Hinterrad seitlich ausbauen könne. Das warten wir nicht ab, sondern schieben hinauf auf der Straße, es sind einige Serpentinen zu bewältigen.

Klingengasse in Rothenburg

Endlich betreten wir durch eines der vielen Stadttore die Stadt. Nun darf man verstummen, die Luft anhalten, Ooh und Aah sagen, oder was einem immer einfällt. Wir ärgern uns erst mal, daß hier noch Autos herum fahren dürfen. Das mindert natürlich den mittelalterlichen Eindruck dieses Ensembles erheblich. Außerdem ist man umsummt von allerlei Sprachen der umher streunenden und staunenden Touristenmassen. Kommt man gerade aus der Botanik, muß man sich daran erst gewöhnen. Wir beschließen, Rothenburg nicht vollständig zu erobern, da kämen wir heute ja gar nicht mehr weiter. Wir schieben an der St. Jakobs Kirche vorbei, die einen eigenartigen Turmhelm hat. Auf dem Marktplatz ist die Touristen-Information, da besorgt man sich ein kleines Heftchen, damit man später nachschauen kann, was man alles verpaßt hat. Außerdem erstehen wir Pflaumen und Weintrauben an einem italienischen Gemüsestand.

Für mich gibt es nur eines, ich will DAS Bild ablichten, das jeder kennt: Links ein Tor, rechts ein Tor, in der Mitte ein Fachwerkgiebel. Und schaut man die Straße runter: da sieht man schon die fotogene Szene, einen Augenblick später hat man sie im Kasten. Aber wo war das nun, vielleicht am Plönlein?

DAS Foto von Rothenburg ob der Tauber

Wir suchen ein ruhiges Plätzchen, das ist in dieser Stadt gar nicht so einfach zu finden. Heidi übernimmt die Erkundung und lotst mich freudestrahlend in den Spitalhof, wo wir ganz allein unter einer Linde auf einer Rundbank unsere Rast genießen können. Da ist das Hegereiter Haus zu bestaunen, heute eine Altenbegegnungsstätte. Eine Scheune entpuppt sich als Reichsstadthalle und ehemalige Zehntscheune. Ein Touristenpaar betritt nun den Spitalhof, die benehmen sich ganz anders, als man es gewohnt ist. Sie fotografieren sozusagen ohne Fotoapparat, legen den Kopf in den Nacken, lassen die Atmosphäre auf sich wirken. So muß man es wohl machen, wir werden ganz andächtig dabei. "Die paaren sich gleich" sage ich zu Heidi, man entschuldige diese respektlose Bemerkung.

Das Hegereiter Haus im Spitalhof

An der Spitalbastei verlassen wir Rothenburg, wohl wissend, daß wir es nicht so gewürdigt haben, wie die Stadt es verdient hat. Sicher kommen wir einmal wieder.

Siebersturm

Es bestehen einige Zweifel, wie die weitere Tour verlaufen soll. Man kann hier nämlich elegant auf den Altmühlradweg wechseln, das bedeutet eine weitere gemütliche Talfahrt. Ich kann es durchsetzen, daß wir der Romantischen Straße treu bleiben. Die wird nun aber tüchtig bergig. Gehorsam folgen wir der Beschilderung und schieben bergan. Da hält ein entgegenkommender Treckerfahrer und informiert uns darüber, was uns erwartet. "Hier kommen drei Berge, fahren sie da unten rum, da kommt nur ein Berg".

Wir diskutieren. Wie der Esel zwischen den zwei Heuhaufen, der schließlich verhungern muß, weil er sich nicht entscheiden kann. Wir schieben schließlich weiter bergan, eigentlich wollen wir die Romantischen Straße erleben, und nicht irgendwelche Bundes- und Umgehungsstraßen. Im Nachhinein ist es dann doch ein Fehler gewesen, denn die drei Berge kommen wirklich. Nach dem schweißtreibenden Auf und Ab erreicht man das Krähennest Schillingsfürst hoch droben auf dem Berg. Zwischendurch rasten wir auf Baumstämmen, wo man die Einschlupflöcher des Borkenkäfers studieren kann. Das hilft auch nicht aus der Mißstimmung heraus, eben so wenig die Tatsache, daß sich in besagtem Krähennest der Bayrische Jagdfalkenhof und das Schloß der Fürsten von Hohenlohe befinden soll.

Schlauer, wie wir nun sind, folgen wir der Straßenbeschilderung bis Wörnitz und begeben uns dort auf die Bundesstraße B25, immerhin die Original – Romantische Straße. Darüber informieren die braunen Hinweisschilder, auf denen man nicht versäumt hat, die Route auch in japanischen Schriftzeichen als solche zu kennzeichnen. Nun verpassen wir natürlich Orte mit geheimnisvollen Namen wie Wittum, Ratzendorf oder Zischenhausen. Auch das Fahrradmuseum in Zumhaus liegt weitab von der Strecke.

"Na siehste" sagt Heidi angesichts der Tatsache, wie gut wir nun voran kommen. Tüchtige Straßenbauer haben sich natürlich bemüht, bei der Trassierung dieser Bundesstraße unbequeme Geländeunebenheiten weitgehend weg zu bügeln.

So rollen wir schließlich auf Feuchtwangen zu, unserem heutigen Ziel. Zu guter letzt biegen wir wieder reumütig auf den Radweg ein, feuchte Wiesen und Feuchtwangen, für heute ist es geschafft. "Ich kann auch nicht mehr" sagt Heidi. Das Verkehrsbüro am Marktplatz hat leider schon geschlossen. In dem Buchladen nebenan hat man aber auch ein Quartierverzeichnis und schickt uns auf den Weg zum Gasthof Ballheimer mit angeschlossenem Biergarten. Damit sind wir wieder einmal gut untergekommen. Wie jeder Radfahrer weiß, hebt sich dann die Stimmung schlagartig.

Marktplatz in Feuchtwangen

Bald verfügen wir wieder über genügend Kräfte, eine Stadtbesichtigung vorzunehmen. Ein niedliches Städtchen, da läßt sich trefflich bummeln. Um etwas zum Lesen dabei zu haben, erstehen wir in besagtem Buchladen einen Konsalik: Transsibirien Express. Das paßt doch in die Gegend! ("Der größte Schund", lautet Heidis späteres Urteil).

Da in Bayern immer alle Kirchen geöffnet sind, haben wir auch in Feuchtwangen die Gelegenheit genutzt, und meinetwegen der Stifts- und Johanniskirche einen Besuch abgestattet. Das ausliegende Informationsblatt beginnt sehr salbungsvoll, dafür weniger informativ, darf man zitieren?:

Lieber Besucher!
Ihr Weg hat Sie in die Stiftskirche geführt.
Sie haben sich ein wenig umgesehen und haben nun dieses Blatt in die Hand genommen.
Sie sind neugierig geworden, wollen mehr wissen, wollen vielleicht auch sicher sein, daß Ihnen nichts Wichtiges entgangen ist.
Dazu kann Ihnen dieses Blatt eine Hilfe sein.
Gleichzeitig will es aber auch mehr: es will Ihnen ein Gebäude vorstellen, das durch die Jahrhunderte gewachsen ist, ...

Um weiteres zu erfahren und zu sehen, sollte man selbst dieser Stadt einen Besuch abstatten.

Nun plagt uns der Hunger und wir finden uns in dem unserer Pension angeschlossenen Biergarten ein. Heute sitzen wir unter mehreren Bäumen: einer Linde, einer Esche, einer Zwetschge und - nach Befragen - einer Hainbuche. Und es schmeckt mal wieder, Leber auf Spätzle oder so.

Da der Abend so lind und lau ist, sitzen wir ein wenig länger. Nebenan poltert ein Anwohner mit einer motorisierten Kehrmaschine herum. Da gibt es was zu lachen. Aber als wir uns schon längst der Ruhe hingeben wollen, sind die Gäste an diesem linden und lauen Abend noch lange nicht aus dem Biergarten zu vertreiben. Bis lange nach Mitternacht dürfen wir den klugschwätzerischen Reden lautstarker Alleswisser lauschen.

"Das müssen sie uns aber im Preis nachlassen" meint Heidi. Davon kann ich sie gerade noch abhalten.

Sonnabend, Feuchtwangen - Harburg, 72 km, Die Halbwertzeit von Dinkelsbühl

Wir bleiben unserem Tick, auf der Bundesstraße zu fahren, erst einmal treu, so sind wir heute morgen im Nu in Schopfloch, verpassen aber einen Ort, der z.B. Heiligenkreuz heißt. Aber nun kann Entwarnung gegeben werden, was die Berge angeht, denn man erreicht das Tal der Wörnitz. Da geht es wieder gemütlich zu, durch die Talauen erreicht man Dinkelsbühl.

Dinkelsbühl

Was soll man nun wieder sagen? Stadtmauern, Tore, Türme, Fachwerkhäuser, prächtige Straßen – ein geschlossenes Ortsbild seit dem Mittelalter erhalten. Nicht so verwinkelt wie Rothenburg, eher großzüger, weiträumiger und einfach überwältigend, weil man nicht so darauf vorbereitet ist. Wieder das Informationsblatt vom Verkehrsamt, damit man weiß, wo man war. Aber Dinkelsbühl vergißt man nicht.

Aus mehreren Gründen. Den einen muß man vorsichtig angehen. Einer von uns hat es mit der Verdauung zu tun. Dafür gibt es Apotheken und das Mittel Dulcolax, Durchschlagzeit 5 Stunden. Das wird in Dinkelsbühl zum Einsatz gebracht. Danach verlassen wir diese schöne Stadt durch das Nördlinger Tor, also in der richtigen Richtung. Als die begleitende, die Berge ebnende Wörnitz nach links abschwenkt, wählen wir wieder den Kompromiß auf der B25. Rechtzeitig nehmen wir aber die Herausforderung wieder an, nämlich in Minderoffingen. Und das hat sich gelohnt, landen wir doch wenig später im Kloster Maihingen, völlig unvorbereitet, weil im Tourenführer nichts davon zu lesen ist. Also betrachten wir dieses Kloster als Eroberung und wälzen uns geradezu im Barock der Klosterkirche. Stuck, Gold, Deckengemälde – es blendet irgendwie alles.

Weiter geht es nach Wallerstein, das wir sicher wieder nicht richtig zu würdigen verstehen. Liegt das Augenmerk auch bereits auf dem Nördlinger Ries, einem Krater, der von einem Meteoreinschlag vor der Kleinigkeit von 15 Millionen Jahren herrühren soll. Die im Süden erkennbaren Berge lassen sich gut ausmachen, auf unserer Strecke bemerken wir den Anfang des Nördlinger Ries nicht.

Auch Nördlingen mit seiner kreisrund angelegten Struktur müssen wir für heute stiefmütterlich abhandeln, denn die Halbwertzeit von Dinkelsbühl beginnt abzulaufen. "Bloß ab in die Botanik" klagt der Betroffene von uns beiden.

Kloster Maihingen
Kloster Maihingen Chor
Kloster Maihingen Orgel

Nun muß man sagen, daß es hier eine schöne Botanik gibt, vor allem viele Maisfelder. Kleefelder sind weniger vorteilhaft, da sollte man zumindest die weithin sichtbare weiße Mütze ablegen, wie der Nicht-Betroffene vorschlägt. So macht es einigen Spaß, hier am Rande des Ries dahin zu rollen, rechts grüßt die Kirche von Mönchsdeggingen.

Nun gibt es wieder eine kleine Geschichte am Rande. Auf der Straße zieht sich die ganze Zeit schon im Zickzack ein weißer Strich dahin. Es sieht so aus, als habe ein Markierungsfahrzeug einen Mittelstrich ziehen sollen, aufgrund übermäßigen Wirtshausbesuches des Fahrers vielleicht aber nicht die richtige Linie gefunden. So mutmaßt man jedenfalls. Einmal erblicke ich einen Mann im Rollstuhl, der in aller Ruhe die Landschaft betrachtet. Nachdem wir schon vorbei sind, fällt mir ein, den könnte man ja mal fragen. Schnell zurück, sichtlich erfreut über das Interesse fängt der alte Mann zu erzählen an.

Ja, das rühre von einer Hochzeit her. Da hätte die Braut aber schon vorher einen Kavalier gehabt – "Sie verstehen". Da habe man sich den Schabernack erlaubt, nachts um drei den Weg zwischen Herkunftsort von abgewiesenem Kavalier und glücklichem Bräutigam in dieser Weise zu markieren. "Ein alter Brauch" sagt er noch, dann fahre ich strahlend Heidi nach, um zu berichten, was ich wieder alles raus gekriegt habe. Nun steht mit Kalk gemalt noch auf der Straße: "Pech gehabt". Da wohnt wohl der Kavalier. Wenig weiter: "Herzlichen Glückwunsch". Da wohnt wohl die Braut.

Zwischen Kleinorsheim und Großorsheim

Damit haben wir die beiden Orte Kleinsorheim und Großsorheim hinter uns gelassen. Die Wörnitz hat uns den Gefallen getan, an dieser Stelle den das Ries umgebenden Kraterrand zu durchnagen. Ein paar Millionen Jahre hatte sie ja Zeit dazu. Heidi wählt die bequemere Strecke auf der Straße, ich hole mir die Erlaubnis ein, auf dem begleitenden Radweg den beschwerlicheren Teil über ein paar Hügel zu wählen. Und das lohnt sich. Liegt doch unvermittelt eine Märchenburg vor einem. "Müssen wir da rauf?" fragt Heidi bange. Natürlich nicht, ein Foto und dann ab nach Harburg, wo wir heute den Tag beenden wollen.

Die Märchenburg von Harburg

Eine Tankstelle bietet sich als Informationsquelle für eine Quartierempfehlung an. "Cafe Käferlein" lautet die Devise. Da sind wir alsbald, bekommen unser Zimmer – ist das wieder schön! Der Ort Harburg ist zwischen die Wörnitz und die darüber thronende Burg an den Berg geklebt. Die alte Brücke, die wurde im 2. Weltkrieg wohl aus strategischen Gründen gesprengt und danach von den Einwohnern im Originalzustand wieder aufgebaut. Das ist einer Schautafel zu entnehmen. Da hat man freiwillig und unentgeltlich "Spann- und Rückdienste" und dgl. geleistet. Ein Pegel zeugt von Hochwassern, da steht der Ort brusthoch unter Wasser. Achtzehnhundert – nochwas ist die höchste Pegelmarkierung, die zweithöchste war erst vor einigen Jahren.

Die alte Brücke in Harburg

Als wir uns auf die Treppe zum kleinen Kirchlein begeben, kommt unsere Wirtin vom Cafe Käferlein heran und empfiehlt uns den Aufstieg zur Burg (15 min), da könnte man herrlich sitzen, trinken und essen. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, bei Heidi genügt zweimal sagen, und wir machen uns auf den beschwerlichen Weg. Geht es doch ganz schön luftig hoch, bald liegt das Tal der Wörnitz zwischen den Zehenspitzen, wenn man an der Kante hinunter schaut. An der Burgmauer findet sich eine kleine Pforte, dann hat man schon die Burg erobert. Da gibt es dann eine Vogtei, einen Diebesturm, Marstall, Kastenhaus usw. Hauptziel aber ist natürlich das Hotel Restaurant Fürstliche Burgschenke. Da lassen wir uns nieder, diesmal unter Rotdorn. Und so schnell stehen wir nicht wieder auf, das kann schon mal gesagt sein. Das ist ja eine Kulisse, mitten in so einem Burghof. Da gibt es einen Brunnen, der ist – auf Befragen – 157 Meter tief. Nur Wasser sei nicht mehr drin, teilt die Bedienung mit, seitdem man den Straßentunnel unter der Burg hindurch gebaut habe. Früher sei der ganze Verkehr durch den Ort unterhalb der Burg durch gegangen. Nun geht er unter der Burg durch.

Ausnahmsweise zitiere ich unsere Zeche, denn die hört sich nun doch sehr romantisch an:

3 Landsknechtbier
1 Weizen Dunkel
1 Jägerbraten
2 Salat v. Buffet
1 Lachsforellenfilet

Das ist doch wohl knapp über DM 50.- wert, Trinkgeld ist da auch noch drin. Am Nebentisch sitzt ein französisches Ehepaar, die fragen uns nach dem tieferen Sinn von Maultaschen und Spätzle. Auf Englisch können wir so halbwegs diese schwäbischen Spezialitäten umschreiben, mit noodles und so. Ein paar Japaner wuseln auch noch herum und fotografieren sich gegenseitig.

Glücklich wandern wir schließlich den steilen Weg zum Cafe Käferlein wieder hinab. Der Abend hat aber noch viel zu bieten. Gegenüber im Wirtshaus Zum Straußen findet ein Fest statt. Von unserem Zimmer aus kann man das gut einsehen. Was macht man in so einem Fall: Kopfkissen (um die Ellenbogen zu schonen) aufs Fensterbrett und gucken. Vor dem Wirtshaus befindet sich ein moderner Brunnen in Bronze, eine Bank ist auch da. Als die ersten Leute bemerken, daß wir da von oben gucken, ziehen wir die Ecken der Kopfkissen erst mal soweit ein, daß man sie von der Straße aus nicht mehr sehen kann. Heidi ist nun auch bald rechtschaffen müde, so gucke ich den Rest des Abends alleine aus dem Fenster.

Da könnte ich noch ein paar Seiten darüber berichten, die Romantik dieser danach benannten Straße überfällt einen heute Abend konzentriert. Da ist erst mal ein schwarzer Typ, der interessiert den Brunnen umkreist und jede der Bronzefiguren genauestens inspiziert. Da wackelt eine ältere Anwohnerin auf ihn zu: "Bischt Du's, der Rotzbub, jo meih!" Ein verlorener Sohn vielleicht?

Aus dem Wirtshaus klingt es nun:

Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein,
und das heißt: ERIKA!!

Und dann, sogar auf deutsch:

Zum Geburtstag viel Glück,
Zum Geburtstag, liebe ERIKA,
Zum Geburtstag viel Glück.

Auf der Straße schreit eine aufgeregte Frau wiederholt: Silkäh - Pause - Silkäh!! Die sucht wohl Silke. Die Kirchturmuhr schlägt 10 Uhr (22 Uhr an). Das geht hier so: vier Schläge für die volle Stunde, dann 10 Schläge volltönend, dann noch mal 10 Schläge in einer anderen Tonart, auch volltönend.

Die Kapelle im Wirtshaus intoniert nun mit neuem Schwung:

Es gibt kein Bier auf Hawai...
Marina, Marina, Marina...
Oh when the Saints go marchin in...
Hey Postman give me answer, is there Memphis Tennessie...

Dann werden die Fenster des Wirtshauses geschlossen und der Blick auf ERIKAS Geburtstagstisch mit den Gartenzwergen verstellt. Da gehe ich auch ins Bett.

Sonntag, Harburg - Friedberg, 73 km, Kirchentag

Das erste Stück heute morgen kürzen wir wieder ab, um eine unnötige Steigung zu vermeiden. Als wir wieder auf den Radweg einbiegen, ruft uns ein Mann mit Hund zu "Hier geht’s lang" und meint die Bundesstraße. Wir lassen uns aber nicht beirren und bestaunen wenig später eine kleine Kapelle hoch auf dem Berg in Wörnitzstein. Durch die Talauen im Morgentau erreichen wir Donauwörth. Diese Stadt kennen wir schon von unserer Donau-Radtour vor zwei Jahren. An der Mündung der Wörnitz in die Donau machen wir Rast.

Wörnitzstein
Zusammenfluß von Wörnitz und Donau

Es folgt eine Strecke, die landschaftlich weniger interessant ist. Damit einem das nicht langweilig wird, wird man hinter Druisheim wieder einen Berg hoch geschickt. Dafür gelangt man wenig später zum Kloster Holzen. Zwei echte Nonnen kommen uns sogar entgegen. "Grüß Gott!" sagt man da am besten. "Werdens ausrichten" kommt leider nicht als Antwort, sondern auch "Grüß Gott!". Wir versuchen unser Bestes und betreten die imposante Klosterkirche.

Kloster Holzen
Stuckgewölbe
Eine Mumie

Erst auf den zweiten Blick offenbart sich etwas Gruseliges. In den Seitenaltären sind Figuren aufgebart, die man anfangs für Skulpturen hält. Bei genauerem Hinsehen, zeigt sich eher, daß es sich um echte Leichname zu handeln scheint. Über die skelettierten Schädel ist jeweils eine strumpfähnliche Gaze gezogen. Dem Informationsblatt zufolge handelt es sich um die sterblichen Überreste des hl. Märtyrers Nikolinus, der hl. Aurelia, oder der hl. Theodora. Den einen Altar schmückt eine Knochensammlung, alles Reliquien, ein Herz ist auch dabei.

Ein Gästebuch liegt auch aus. Da hat so mancher seine geheimen Wünsche den div. hl. Vierzehn Nothelfern oder sonst wem offenbart.

...Hilf mir, daß ich die Statik-Vorprüfung bestehe.
Und mach, daß ich mit H.C.W. zusammen komme und er Anette vergißt...

Wir verlassen die Kirche etwas kopfschüttelnd. Aus der nahen Klosterschenke klingt es ganz profan von einer zünftigen Kartenklopperei nebst dem durch reichlichen Biergenuß verursachtem Gebrüll. Der Betroffene von uns hat immer noch mit der Halbwertzeit von Dinkelsbühl zu tun, das läßt sich hinter Büschen erledigen nach dem Motto, ...das Herrgöttle hat geholfen...

Nun folgt wieder eine wunderschöne Strecke durch die Flußauen der Schmutter, einem eher unbekannteren Flüßchen. In dem Ort Markt grüßt eine Burgruine auf einem Berg.

Bei Markt

Dann gelangt man nach Biberbach, wo mit der Pfarr- und Wallfahrtskirche Hl. Kreuz wieder eine prächtige Barockkirche aufgebaut ist. Vor der Kirche befindet sich eine Kreuzigungsgruppe, wo man beim Betrachten versucht ist, Haltungsnoten zu verteilen. (vgl. der Turner am Kreuz, G. Grass). Außerdem gibt es hier noch eine Lourdes-Kapelle. Wenn ich den Namen Lourdes höre, reicht es mir sowieso schon. (Das sind alles persönliche Meinungen !).

Kreuzigungsgruppe vor der Pfarrkirche in Biberbach
Friedhofsautomat

Bald nun quert man hinüber zum Lauf des Lech, der hier schnurgeradeaus dahin zieht. Eigentlich sind es zwei Leche, ein Kanal voller Wasser und ein weiß schimmerndes Schotterbett, dem natürlichen Flußbett. Zwischen diesen beiden Flußläufen befindet sich ein Damm, auf dem man nun dahin radelt. Dicht verfilzt ist der Auwald durch die üppigen Kletter- und Schlingpflanzen. Gut bekannt ist uns die Ackerwinde, die wir im eigenen Garten allerdings nicht so gern haben. Da wo sie hin gehört, ist sie schön anzusehen, besonders wenn sie blüht.

Kanalisierter Lech
Naturflußbett
Spannungsreicher Kontrast

An einem großen Umspannwerk wird einem wieder der spannungsgeladene Kontrast zwischen Natur und Technik demonstriert. Kurz vor Augsburg in den Parkanlagen bekomme ich mal wieder einen Platten, den ersten seit zwei Jahren auf einer Radtour. Zwei Reserveschläuche sind immer im Gepäck, nach 15 Minuten rollt es wieder. Natürlich müssen wir nun einen Abstecher in die Stadt Augsburg machen. Da muß es sowas wie untere- und obere Stadt geben, wir geraten an die Rückseite des Rathauses in der unteren Sadt, die Vorderseite scheint in der oberen Stadt zu liegen, denn da muß man eine Treppe hinauf. Die kann aber umfahren werden und wir landen – wie es sich gehört – auf der prachtvollen Maximilianstraße.

Maximiliansstraße in Augsburg
St. Ulrich und Afra

Gleich gegenüber liegt der Palast der Fugger, erkennbar an dem großen aufgemalten Wappen, wenig weiter befindet sich das Schaezler Palais. Am Ende der Straße liegen St. Ulrich und Afra. Bemerkenswert, daß der amtierende Papst in dieser Kirche eine Messe abgehalten hat, da gibt es eine vollständige Bildsammlung darüber. Ansonsten überrascht einen die Schlichtheit dieser Basilika-Kirche, nachdem man bisher von einer Barockkirche in die nächste gestolpert ist. Welche Verdienste sich die hier beigesetzten Hl. Ulrich und Hl. Afra erworben haben, erschließt sich leider nicht.

Damit ist unser Aufnahmevermögen erschöpft. An einem Kanal entlang fahren wir Richtung Friedberg, dem eine ganze Spalte in unserer Tourbroschüre gewidmet ist. Ein idealer Ort für die Übernachtung? Von der Lage schon, denn danach kommt eine lange Durststrecke den Lech entlang. Also wieder mal einen Berg rauf und rein in das mittelalterliche Ensemble. Das ist leider auf den ersten Blick nicht auszumachen. Wir fragen zwei Frauen nach einer Unterkunftsmöglichkeit. "Oh das ist net so guat hier in Friedberg" meinen sie, empfehlen uns aber den Gasthof zur Linde, wo dann auch alles nach Wunsch klappt.

Der Rundgang bietet wider Erwarten nicht so viel. Nur mühsam findet man Reste der Stadtmauer wieder, das meiste ist modern überbaut. Ein Stückchen vom hölzernen Wehrgang besteht noch auf ein paar Metern Länge. Zwei Wassertürme gibt es noch, die Kirche ist uns zu modern. Irgendwie klappt das heute nicht mit der Stimmung. Auch müssen wir immer wieder auf die Uhr schauen, weil die Zeit bis 17.30 so langsam vergeht. Dann öffnet nämlich das China-Restaurant Big Panda.

Den Abend verbringen wir anschließend wieder im Biergarten unter Linden. Dieser Biergarten liegt so verkehrsgünstig, daß man der vorbei wummernden Technomusik genauso lauschen kann wie den aufheulend beschleunigenden Motorrad-Assen. Gegen Abend wird es dann ruhiger, so daß wir erstaunlich gut schlafen.

Rathaus in Friedberg

Montag, Friedberg - Schongau, 85 km, Alpenausblick

Beim Frühstück müssen wir sozusagen die Füße hochnehmen, weil der Gastraum noch gewischt wird. Es ist 6.30.

Morgennebel

Wenn man früh am Morgen schon auf einen Ausblick auf die Alpen hofft, so wird man durch den Morgennebel in den Wiesen daran gehindert. Sind wir doch heute schon kurz nach 7 Uhr unterwegs. Schon wieder eine Kapelle mit dem Namen St. Afra, dann erreichen wir den Kuhsee südlich von Augsburg. Neben einem große Wehr ist die olympische Wildwasserstrecke, der Eisseekanal.

Danach geht es lange lange durch den Wald, von Staustufe 23 bis Staustufe 18. Einmal kann man 2 Wiesen studieren, die eine als Nutzwiese gedüngt und grün, die andere sich selbst überlassen mit Magerrasen und Artenvielfalt. Deren Farbe ist eher gelb.

Zwei Wiesen

Dann geht es auch schon mal aus dem Wald heraus und hübsch durch Maisfelder. In Pittriching gelingt es uns nach Befragen, einen Schlachter und einen Getränkemarkt zu finden. Danach findet eine ausgiebige Rast an einem munter plätschernden Brunnen statt. Weiter im Zickzack durch die Felder. Nach Staustufe 19 eine sportliche Einlage: da hat man den Radweg durch die Wallanlagen der Burgruine Haltenberg geführt. Man muß die Räder tragen, um hier durch zu kommen.

Durchblick

Man hat nun ein fast senkrecht abfallendes Steilufer zur Rechten. Eine Schautafel informiert einen über die Kleine und Große Schanze, das sind vorgeschichtliche Befestigungsanlagen. So erreichen wir den Ort Kaufering, wo vor dem Gemeindehaus eine Rast eingelegt wird. Oben lockt die Pfarrkirche St. Johann Bapt., wo ich auch noch schnell mal hinein schaue. Heidi läßt es diesmal ruhiger angehen. Ich dagegen kann vermelden: "Noch ne Barockkirche". Aber – und das ist das beste, von dort oben kann man die ersten blassen Konturen der Alpen erkennen.

Pfarrkirche in Kaufering

Als wir Kaufering verlassen, geraten wir vor die Wallfahrtskapelle St. Leonhard, die gibt es hier außerdem. Um die Kirche herum ist eine doppelte Kette gespannt, was das nun wieder bedeuten soll? Auf den ausliegenden Wunschzetteln steht z.B.:

...ich bitte Dich, daß es mit Herbert und mit mir wieder so wird wie früher...

Vor der Kapelle kurvt ein gelb bedreßter Rennfahrer herum, der hat sich wohl verfahren, die Kapelle interessiert ihn gar nicht. Er kehrt um, biegt auf die ansteigende Straße ein und – uns stockt der Atem, steigt ab und schiebt. Das machen wir dann genau so, aber wir sind ja auch nicht gelb bedreßt.

Wallfahrtskapelle St. Leonhard

Nächste Station ist Landsberg, vorher können wir noch einem Flugzeug der Bundeswehr bei der Landung zuschauen. Die üben heute Schönwetterfliegen, falls mal Kampfhandlungen bei schönem Wetter anstehen.

Oberhalb von Landsberg

Oberhalb von Landsberg ist eine Befestigungsanlage, dann geht es steil hinunter., schließlich durch ein Tor hinein in die Ortsmitte. Wir blinzeln ein wenig herum und biegen dann vor der Lechbrücke wieder ab ins Grüne. Man hat hier versucht, der Natur so wenig wie möglich ins Handwerk zu pfuschen. Das sind natürlich nur Alibi-Aktionen, wenn man bedenkt, was man insgesamt für Eingriffe am Flußlauf des Lech (und nicht nur diesem) vorgenommen hat.

Landsberg

Da liegt ein tonnenschwerer Felsblock am Wegesrand. Eine Schautafel erklärt: es handelt sich um einen Nagelfluhfelsen, der ist 1968 aus dem Hang heraus gebrochen. Es handelt sich um ein Konglomeratgestein aus Kalk und Kieseln, einem Naturbeton, wenn man so will. Interessant!

Bei Staustufe 15 treffen wir auf ein Ehepaar, die können uns einen wertvollen Tip geben. Statt die nächste Steigung des Radweges zu nehmen, sollten wir auf dem als R6 gekennzeichneten Weg bleiben. Das machen wir auch so, rasten noch einmal an einem schattigen Waldrand. Danach geht es sehr steinig zu auf grobem Schotter holpert man dahin. Bei der ersten Gelegenheit flüchten wir auf die Landstraße. Abgesehen von der brennenden Sonne ist es hier auch viel schöner als im Wald. Die Alpen liegen nun schon näher vor einem. Grüne Matten und Dörfer mit schmucken Kirchen, so stellt man sich das Allgäu vor, wo wir uns ja auch gerade befinden.

Allgäu
Allgäu

Auf einer Bank sagt Heidi "Hier könnte ich ewig sitzen". Bei der nächsten Steigung aber: "Das ist hier nicht meine Welt". Ich verstumme und bin sauer. Stellt sich mal ein Hochgefühl ein – schon kriegt man eins über gebraten. Nun geht es auch noch ganz steil hinunter zur Lechbrücke, damit man anschließend alles wieder hoch schieben kann. Es folgt dann doch noch ein wunderschönes Stück Weg von Hohefurch nach Altenstadt an einem Bach entlang. Ein altes Mühlrad bietet einen romantischen Anblick.

Ein altes Mühlrad

Unser Ziel ist Schongau, das wir nach diesem heißen Tag dann auch bald erreichen. Das Verkehrsbüro verkuppelt uns an den Gasthof Sonne. Was wir in Friedberg am Abend zuvor vergeblich gesucht haben, finden wir hier: Stadtmauer satt, ein fast geschlossener Wehrgang, Tore und Türme, historische Gebäude. Ein Rundgang ist in der Stadtbroschüre vorgezeichnet, die Orientierung danach übernimmt Heidi, da kann sie ihre Lesebrille immer gut zur Geltung bringen.

Endlich sitzen wir am Marktplatz vor der alten Post. Heute gibt es Zigeuner-Steak und Forelle Müllerin. Weil Heidi statt Spätzle lieber Kartoffeln mag, mokiert sie sich über die 1.- DM Beilagenänderungsgebühr bei dem reichlich blasiert wirkenden Kellner. Der taut dann später noch ein wenig auf, als er 1.80 DM Trinkgeld kriegt. Wahrscheinlich ist er höhere Beträge nicht gewohnt.

Schongau

Dienstag, Schongau - Füssen, 50 km, Königsetappe

Die letzte Etappe der Radtour Romantische Straße steht an. Kaum zu glauben, welche Diskussionen nun über den Ablauf derselben ins Haus stehen. Es gibt drei Möglichkeiten: Rechtsseitig vom Lech, da ist es bergig, Linksseitig vom Lech, da sei es schön zu fahren, sagt der Wirt vom Wirtshaus Sonne, und direkt auf der B17, das ist am bequemsten. Wir einigen uns auf die linksseitige Strecke. Dazu müssen wir aber wieder den Berg rauf, den wir gestern runter gekommen sind. Dazu habe ich keine Lust. Ich habe sowieso keine Lust heute.

Weil ich ja meistens vorfahre, wähle ich für meinen Teil die Bundesstraße aus, damit man seine Ruhe hat. Da gibt es dann wenig zu sehen und noch weniger zu reden. Statt dessen versuche ich die Genauigkeit des Tachos an den Kilometersteinen zu eichen. Das klappt auch nicht so richtig, weil die Markierungspfosten wohl auch nicht so ganz genau gesetzt sind.

Trotzdem sind wir auf diese Weise schnell in Steingaden und werfen thriumphierende Blicke auf die Berge, wo der Radweg sich hindurch schlängelt. In Steingaden gibt es natürlich wieder ein Kloster mit einer - wer hätte das gedacht - prächtigen barocken Klosterkirche. Wer nun noch einen Mangel an barocken Sensationen hat, der macht sich auf den Weg zu der weltberühmten Wieskirche. Die liegt ein paar km entfernt in 871 m Höhe.

Auf dem Weg zur Wieskirche
Die Wieskirche
Barocker Prunk

Als auch das geschafft ist, darf man sich wieder unter Menschen fühlen, aber es ist noch früh, da ist der größte Rummel noch nicht los gegangen. In der Kirche liegen wieder Wunschzettel aus, einer in japanisch, den können wir natürlich nicht entziffern. Wir staunen einmal im Kreis rum, begeben uns an den Platz, wo man standardmäßig seine Fotoaufnahme von der Kirche macht, und ziehen dann weiter. Es verschlägt uns noch auf nahezu 900 m Höhe.

Und dann kommt noch das Schlimmste: ein geschlossenes Gatter, dahinter glotzen so an die 30 Kühe, da führt der Weg hindurch. Während ich das Gatter hinter uns schließe, sehe ich Heidi schon in zügigem Tempo mit Hohlkreuz durch die Herde eilen. Ich feixe mir eins, fahre hinterher und schon sind wir durch das nächste Gatter wieder draußen. Man wird also auch nicht immer gleich in einen Stierkampf auf Tod und Leben verwickelt.

Der nächste Ort ist Trauchgau, dann fährt man auf dem Radweg der Bundesstraße am Bannwaldsee vorbei. Links voraus sieht man es schon, daß Romantischste der ganzen Tour: Schloß Neuschwanstein. Als wir uns endlich zu Füßen desselben nieder lassen, sind wir gar nicht so romantisch gestimmt, das ist manchmal so. Wir marschieren erst mal zum Schloß Hohenschwangau hinauf, das liegt näher. Als wir oben sind, sind die Kräfte verbraucht, nicht mal zum Zücken der Geldbörse für das Eintrittsgeld reicht es. Aber was interessieren schon Intarsienparkett, Kachelöfen und Biedermeiersofas oder was sonst man im Inneren so eines Schlosses besichtigen kann.

Neuschwanstein
Hohenschwangau

Warum wir heute so einen schlappen Tag haben, hat wohl zwei Gründe:

1. Es ist es das letzte Teilstück, da sinkt die innere Spannung ab, das haben wir auf früheren Touren auch schon erlebt.

2. Es ziehen dunkle Wolken auf, da scheint sich ein Wetterwechsel anzubahnen, und das spürt man dann eben in den Knochen.

Daher verzichten wir schweren Herzens auf einen weiteren Aufstieg hinauf nach Neuschwanstein (20 min) und fahren nach Füssen. Heidi will nun zum Bodensee, also fahren wir am besten zum Bahnhof. Da wird uns auch gleich eine Verbindung in der nächsten halben Stunde angeboten, zwei mal umsteigen. Die Fahrkarten werden gleich gelöst, der Fahrradtransport ist frei, und das freut einen dann ja auch.

Noch einen Kaffee in einem Biergarten, dann geht es schon los. Neben uns im Zug sitzt ein Ehepaar mit Kind, die haben 18.- DM für den Fahrradtransport bezahlt. "Vielleicht hat sie der falsche Schalterbeamte bedient" mutmaßen wir. Es stellt sich dann aber raus, daß sie genau eine Station zu weit fahren, der Freitarif gilt nur bis eine Station davor. So ist das mit der Deutschen Bahn, Ordnung muß sein. Zufrieden, daß wir alles richtig gemacht haben, lehnen wir uns zurück, schauen dem nun einsetzenden Regen und der vorbeigleitenden Landschaft des Allgäu zu.

In Kaufbeuren müssen wir umsteigen. Dort verpaßt uns nun die Deutsche Bahn einen Tiefschlag der besonderen Art. Wir erleben ja immer sowas beim Bahnfahren. Der Zug, der uns nur eine Station weiter nach Kempten mitnehmen wird, ist der Interregio Alpsee Berlin – Oberstdorf. Als wir die Räder in das Fahrradabteil verladen, steht die Schaffnerin schon parat mit der fröhlich machenden Auskunft: "Hier müssen Sie aber Reservierungs- und Transportgebühren bezahlen, das sage ich Ihnen gleich". Ich glaube das nicht so ganz, hat uns doch der nette Schalterbeamte nichts davon gesagt. Der Zug fährt schon längst, da finde ich im Kleingedruckten des Fahrplans den entsprechenden Hinweis, die Schaffnerin schreibt schon die Tickets aus. Für jedes Rad müssen wir 12.- DM nachbezahlen, obwohl wir nur eine einzige Station weit den IR benutzen. Da treibt es einem die Zornesröte ins Gesicht – die Schaffnerin bedauert den Tatbestand auch – aber Ordnung muß sein. "In Polen wär das nicht passiert" ist unsere einhellige Meinung, eine entsprechende Erfahrung haben wir ja im letzten Jahr auf der Fahrt von Stettin nach Swinemünde gemacht.

Nach 18 Uhr sind wir schließlich in Lindau, wo wir in einem mittelmäßigen Hotel absteigen. Am Bodensee ist eben schon mehr Tourismus, da wird es eng und teuer. Unser Rundgang wird dann noch ganz nett, obwohl es windig und ungemütlich geworden ist. Nichts mit Biergarten heute, wir finden uns im Rössle ein. Wir bestellen Hering und Bodenseefelchen, haben damit der Insellage von Lindau Tribut gezollt.

Es war nicht ganz unser Tag heute: Dafür haben wir einen Abschnitt der Reise abgeschlossen und können unbeschwert ein neues Ziel ins Auge nehmen. "Der Leistungsdruck ist weg" sagt Heidi und meint damit wohl die Berge.

Mittwoch, Lindau - Konstanz, 82 km, Um den See rum

Wir haben nun noch drei Tage Zeit, in denen wir die vollständige Umrundung des Bodensees natürlich nicht schaffen werden. Als erste Teiletappe bietet sich von Lindau aus die Schweizer Seite an, die für uns ja auch Neuland ist. Obwohl es in der Nacht noch tüchtig geregnet hat, starten wir in einen frischen und sonnigen Morgen.

Lindau

Erst einmal schauen wir uns die Inselstadt Lindau noch einmal bei Tageslicht an. Auf dem Wochenmarkt erstehen wir ein paar Gurken für unterwegs. Natürlich stolpern wir auch noch mal in eine der Kirchen, um unseren Hunger nach Barock nicht zu kurz kommen zu lassen. Über die Seebrücke, dann geht es auf dem gut ausgeschilderten Uferweg angenehm dahin. Bald passieren wir die Grenze nach Oesterreich. Wir tun so, als hätten wir nichts damit zu tun. Es nimmt auch keiner Anstoß, wozu gibt es das Schengener Abkommen.

Wir folgen einem Schild: Innenstadt, weil wir uns Bregenz angucken wollen. Es ist damit aber der Ort Lochau gemeint, den wir uns nicht angucken wollen. Also wieder zurück zur Straße am See, bis Bregenz ist es noch ein Stückchen. Man kommt dann auch direkt beim Bahnhof raus, sozusagen auf dem Bahnsteig. Der Abstecher in die Innenstadt fällt dann auch nur kurz aus, denn lieber möchten wir dem Verkehrsgewühl entfliehen und freuen uns mehr auf den Radweg am See.

Seebühne Bregenz

Der Seebühne der Bregenzer Festspiele muß natürlich noch ein Besuch abgestattet werden. Die Festspiele haben erst kürzlich statt gefunden, die Kulissen sind noch aufgebaut. Es hat Porgy and Bess gegeben, entsprechend hat man eine unwirtliche Welt in Szene gesetzt. Ein Torso einer schmuddeligen Betonbrücke, zu deren Füßen ein Haufen abgestürzter Schrottautos aufgetürmt ist. Da erfreut man sich um so mehr an dem Grün ringsumher und dem schönen Blick über das Schwäbische Meer hinüber nach Lindau.

Seeblick

Wir geraten an die Bregenzer Aach, wo man mit großen Steinblöcken einen ordentlichen Schwall verursacht hat. Durch den Ort Hard erreicht man die Brücke über den Neuen Rhein. Das ist ein schnurgerade ausgekofferter Kanal, eingefaßt durch Deiche. Auf dem blühen immerhin die Herbstzeitlosen, ist das für Ende August normal? Uns kann's recht sein.

In der Botanik

Richtig schön wird es aber erst entlang des Alten Rheins, den man allerdings kaum zu sehen bekommt. Der Alte Rhein bildet die Grenze zwischen Oesterreich und der Schweiz. Auf der Brücke passieren wir die Grenze in das für heute nun schon dritte Land. Daß wir weder Schillinge noch Schweizer Franken in der Tasche haben, kümmert uns wenig, wir haben ja die Gurken.

Der weitere Weg wird nun ein wenig unübersichtlich. Wegen der Orientierung fahre ich einmal rechts auf den Bürgersteig und ramme um ein Haar einen Mopedfahrer, der mich rechts überholen wollte. Der hat aber schon gestoppt, ich entschuldige mich, er sich auch, nur meine Ehefrau, die maßregelt mich tüchtig. "Du guckst auch immer nicht richtig" oder so was. Ich fühle mich im Recht, muß man denn damit rechnen, auf dem Bürgersteig rechts überholt zu werden?

Zur Strafe - für wen auch immer - geht es nun einen Berg rauf, das nennt sich nun Rorschacherberg. Es ist nicht heraus zu bekommen, warum man den Berg nicht seeseitig umfahren kann. Natürlich geht es danach wieder runter nach Rorschach, wo man wieder sozusagen auf dem Bahnsteig des Bahnhofs landet. Der Name dieses Ortes ist bekannt durch den Rorschach-Test. Dieser wird bei psychologischen Gutachten angewandt, indem ein wenig Tinte auf ein Blatt Papier gekleckst wird. Das wird dann zusammengefaltet und es entsteht eine sog. Klecksografie. Bei der sich darbietenden Figur muß man sich etwas möglichst unanständiges vorstellen und dem begutachtenden Psychologen beschreiben. Je unanständiger das dann ist, um so glücklicher ist dabei der Gutachter. (Der Name des Tests stammt lt. Brockhaus von dem schweizer Psychiater H. Rorschach, 1884-1922).

Rorschach hat noch eine Macke: es ist durch die Eisenbahnlinie vom Seeufer abgeschnitten. Glücklich, wer in der Nähe eines Bahnübergangs sein Quartier hat. Es folgen bekannte Orte wie Arbon, Frasnacht - nicht zu verwechseln mit dem ähnlich klingenden Synonym für Fasching - dann Romanshorn. Da gibt es einen Hafen, von wo aus man sich in alle möglichen Richtungen einschiffen kann. Das kommt für uns heute nicht in Frage, blendendes Wetter, der schöne Radweg, der blaue See, "Das ist meine Welt" läßt Heidi verlauten.

In der Gegend von Uttwil passiert man Grundstücke, wo private Anwesen sich zum Seeufer hinunter ziehen, da wird man nachdenklich als Bewohner eines Reihenhauses. Sei's denen gegönnt, die so ein schönes Fleckchen Erde ihr eigen nennen. Wir erreichen den Ort Landschlacht. Da hat es wohl zu einer Seeschlacht nicht gereicht, warum auch immer. Ein Fischer, leider männlich, sonst hätten wir eine Fischerin vom Bodensee erlebt, bringt sein Boot in den Hafen, wirft den Anker aus und klappt den Außenborder hoch.

Einer der Orte
Malerisches Salatfeld

Die Kulisse von Konstanz ist schon auszumachen, ein Rauchpilz erhebt sich über der Stadt. Wir fahren nun an Kreuzlingen irgendwie vorbei, in einem Bahnhofsgelände etwas so ähnliches wie eine Grenzstation, dann steht man vor einem Bahnhof. "Da ist die Info" macht mich Heidi auf das Touristenbüro aufmerksam. "Aber wir sind doch noch gar nicht in Konstanz" sage ich, ortskundig wie immer. "Da stand eben Universitätsstadt Konstanz" wird entgegen gehalten. In der Info frage ich erst mal, "Sind wir hier eigentlich in Konstanz?". Das wird bestätigt, so schnell kann es gehen.

Gegenüber sind jede Menge Feuerwehrfahrzeuge aufgefahren, sogar eine Einsatzleitung gibt es. Hätten wir nun vor gehabt, im Hotel Halm abzusteigen, das wäre nicht gegangen, das brennt gerade. (Es ist ein wenig anders, darauf kommen wir später). In der Info empfiehlt man mir dieses oder jenes Hotel. Inzwischen hat Heidi draußen auf der Übersichtstafel das Hotel Zeppelin ausgeguckt, da gebe es einen separaten Innenhof für Fahrräder. Es gibt hier vor dem Konstanzer Bahnhof auch eine sehr nützliche Einrichtung: da kann man nach Drücken diverser Tasten und Eingabe einer Kennummer kostenfrei eine telefonische Verbindung mit dem gewünschten Quartier herstellen. Das praktizieren wir nun mit dem Hotel Zeppelin, es funktioniert sogar. Zwei Übernachtungen melden wir gleich an, da kann man nämlich morgen einen Ruhetag einlegen, um eine Fahrradtour zu machen.

Der erste Eindruck von Konstanz ist überaus positiv. Eine schöne Fußgängerzone und viele alte Häuser. Zu denen gehört auch das Hotel Zeppelin, das sich durch eine üppig bemalte Fassade hervor tut. Nun war ich vor etwa 15 Jahren anläßlich einer Dienstreise ja auch schon mal in Konstanz und habe in einem Hotel genächtigt, das eine Fassadenbemalung aufwies, soweit es mir in Erinnerung ist. War das womöglich sogar hier? Ich gerate ganz aus dem Häuschen.

Hotel Zeppelin

Das Hotel Zeppelin liegt aber am Stefansplatz, das stimmt nicht so ganz mit der Erinnerung überein. Keine Angst – es wird sich alles auflösen. Wir bekommen jedenfalls ein Zimmer, das ist groß und hoch, hat Fenster auf einen Innenhof, und damit eine sehr düstere Atmosphäre. Das ist weniger schlimm. Wir wollen ja hier nicht sonnenbaden. Schlimmer ist der Ausblick in den Innenhof hinunter. Da hat so mancher Hotelgast Zigarettenkippen, Bierdosen und anderen Müll hinunter geschmissen. Unerklärlich, warum ein Hotel, das was auf sich hält, solche Mißstände nicht beseitigt.

Sei's drum, wir brechen auf um das übrige Konstanz zu erkunden. Das besteht gewohnheitsgemäß darin, die aushängenden Speisekarten für das Abendessen in Augenschein zu nehmen. Immerhin wird aber auch Heidis Wunsch entsprochen: ein Cafe am See, mit Meerblick und angenehmer Atmosphäre. Das alles bietet ein altes Fachwerkhaus am Hafen, es nennt sich Konzilgebäude, besteht seit 1388, hat seitdem verschiedenen Verwendungszwecken gedient und ist heute zu einem modernen Fest- und Tagungsgebäude umgestaltet. Da tagen wir nun bei Kaffeee und Eisportion (mit Sahne).

Hier legen auch die Schiffe der Weißen Flotte an, wie sie von Usedom bis Genfer See genannt wird. Wir ergötzen uns an den an Land eilenden Touristen, zählen die anlandenden Radfahrern oder lauschen Gesprächen am Nebentisch, wie es unsere Art ist. Als uns der Hunger plagt, machen wir uns auf zu einem noch nicht feststehenden Lokal.

Wie mit der Schnur gezogen geraten wir auf einen Platz, der heißt Obermarkt. Und da ist das Hotel Barbarossa mit bemalter Fassade. Das war es – jetzt weiß ich es wieder – da bin ich vor 15 Jahren abgestiegen. Schon sitzen wir unter einem Sonnenschirm, auch wenn es schon dunkelt. Was soll man sagen, schlecht ist es uns an diesem launigen Ort nicht gegangen. Wir haben sogar noch was raus gekriegt. Die Bedienung ist eine Studentin aus Breslau, die findet hier alles prima. Nebenan parkt ein Auto mit Mafiosis, wie wir meinen. Aber da hat wohl nur einer seine Frau aus der Boutique abgeholt.

Eines ist noch zu klären: die Brandkatastrophe beim Bahnhof. Das erledigen wir nun auch noch. Vor Ort ist noch immer einiges los, man wirft gerade das gesamte Innere der Brandstätte vom Dach aus auf die Straße. Das ist einigermaßen gruselig, was da alle herab segelt und auf die Straße kracht. Zudem glimmt es noch recht deutlich oben im Gebälk. Wir fühlen uns verantwortlich und machen einen Polizisten auf das Geglimme aufmerksam. "Das hat die Feuerwehr im Griff" werden wir abgefertigt. Ein Anwohner weiß – auf Befragen – zu berichten, daß dort oben zweifelhaftes Volk gehaust habe, die wegen einer Kündigung Rache durch Brandstiftung verübt hätten. Zweie hätte man schon, zwei weitere würden noch gesucht.

Am nächsten Morgen kann man alles in der Zeitung nachlesen. Es hat jedenfalls nicht das berühmte Hotel Halm gebrannt, sondern dort ist nur der Rauch aus den Lüftungsschächten gekrochen, wodurch der Brand überhaupt erst entdeckt wurde. Eine Million Schaden hat es dennoch gegeben, und wir haben Konstanz an diesem denkwürdigen Tag erlebt.

Donnerstag, Mainau – Überlingen – Meersburg, 30 km, Regen

Heute können wir ganz gemütlich ohne Gepäck um den See gondeln. Es bietet sich der Überlinger See an, da gibt es die Insel Mainau und auch sonst noch einiges zu sehen. Wir packen die Badesachen ein, besser hätten wir aber die Trainingsanzüge mitnehmen sollen. Um die Insel Mainau zu erreichen kann man den Hinweisschildern folgen, oder – wie wir – sich einen eigenen Weg möglichst nahe am Ufer suchen. Hinter dem Ortsteil Petershausen gerät man dann zwischen einem Thermal- und einem Freibad in einen Park, aus dem man nur durch eine Drehtür oder eine spezielle Pforte heraus kommt. Die Pforte ist wahrscheinlich für Kinderwagen gedacht, ein Fahrrad paßt nicht ohne weiteres durch. Erst wenn man verschiedene Kippwinkel ausprobiert hat, mag es einem gelingen, das Rad diagonal verkantet und schräg gekippt durch die Öffnung zu lavieren. Oder man baut das Rad auseinander...

Wir kommen jedenfalls zum Ableger der Fähre nach Meersburg und sind damit wieder in der Zivilisation. Auch auf den Parkplätzen vor dem Eingang zur Insel kann man sich nicht über Einsamkeit beklagen. Der Eintritt ist nicht ganz billig, wie zu erwarten. Mit einer Broschüre in der Hand kann man sich dann aussuchen, ob es einen mehr zu den Rosen oder Dahlien zieht, ob man das Schmetterlingshaus – das größte in Deutschland – besichtigen will, eine Schloßführung mitmachen will usw. Wir gucken ein paar Papageien zu, wandern dann an bemerkenswerten Mammutbäumen entlang. Da kann man auch Jahresringe zählen, wenn man lange Weile hat.

Insel Mainau
2 Papageie

Als wir wieder am Eingang anlangen, kommen uns mehr und mehr Menschenmassen entgegen, der Run auf Mainau ist in vollem Gange. Wir fahren weiter am See entlang, leider wird das Wetter grau und grauer. Es hat keinen Zweck, weiter zu ziehen, ab Dingelsdorf ist der Uferweg für Radfahrer ohnehin gesperrt. Dort gibt es aber noch die Marienschlucht, den Teufelstisch und eine Höhle, das hätte man sich gut noch angucken können. In einem Gasthof in Dingelsdorf müssen wir aber vor dem einsetzenden Regen Schutz suchen und essen eine Tagessuppe.

Bald darauf setzen wir über nach Überlingen. Graue Regenschwaden ziehen über den See. Eine Weile stellen wir uns in Überlingen beim Verkehrsverein unter, dann schlagen wir uns - wohin wohl - zur Stadtpfarrkirche St. Nikolaus durch. Hier blendet einen weder Barock noch Rokoko, sondern es handelt sich um Gotik, da kommt man ganz durcheinander.

Ueberlingen

Es hört nicht auf zu regnen, da machen wir uns auf den Rückweg, gut daß wir Rückenwind haben. Nun hat man noch eine Sehenswürdigkeit aufgebaut, das ist die Wallfahrtskirche Birnau. Die liegt, wie es sich gehört, natürlich auf einem Berg, wenn auch nur auf einem kleinen. Nun entwickelt sich folgender Disput:

"Noch ne Barockkirche, müssen wir deswegen unbedingt da rauf?"

"Aber das ist doch Birnau, eines der Wahrzeichen vom Bodensee!"

"Na gut, sonst bist Du wieder nöckelig."

"Und wenn wir da rauf fahren, bist DU nöckelig."

Kloster Birnau

Wir fahren nicht, sondern schieben rauf. Man muß es nicht bereuen. Erstens ist es in der Kirche wärmer als draußen und zweitens regnet es dort nicht rein. Ob wir mit unseren Regenumhängen die richtige Figur an diesem ehrwürdigen Ort machen, ist eine andere Frage. Jedenfalls gibt es wieder etwas zu staunen. An der Aussichtsplattform über dem See begebe ich mich noch an die Ballustrade, wo auf einer Schrifttafel der Schöpfer dieses herrlichen Sees gepriesen wird. Das kann man nachvollziehen, wenn man sich die über den See ziehenden grauen Regenschleier weg denkt.

Meersburg

8 km bis Meersburg, meistens entlang der Straße, das ist dann nicht mehr so schön. Die Schönheiten von Meersburg sind trotzdem augenfällig, auch wenn wir triefend und verfroren wenig Sinn dafür aufbringen können. Heidi besorgt eine Tafel Schokolade, das ist schon mal was. Ich mache ein Foto, damit man beweisen kann, daß man da war. Dann buchen wir die Überfahrt nach Konstanz, wärmen uns ein wenig in der Wartehalle auf, zittern auf dem Schiff, fahren so schnell es geht, "nach Hause". Eine heiße Dusche, und als dann der Regen richtig loslegt, sind wir mit unserem düsteren Hotelzimmer auch ganz zufrieden.

Abends essen wir beim Griechen, das Restaurant liegt gleich um die Ecke, da kommt man einigermaßen trocken hin. Der Salat wird gebracht – ein wenig Dressing würde ihm gut tun, meint Heidi. Sie bedient sich einer Flasche mit rotem Inhalt, wird wohl Essig sein. Der Salat schmeckt dann wohl auch etwas sonderbar. Als dann wenig später der Kellner jene roten Flaschen, sie stehen auf allen Tischen, mit dem Feuerzeug in eine illuminierende Tischbeleuchtung verwandelt, haben wir wieder etwas zu lachen. Als Lampenöl entpuppt sich also das vermeintliche Dressing. Fragt sich nur, was für eine Durchschlags- oder Halbwertzeit es hat. (Zur Beruhigung: es ist nichts weiter passiert).

Zur Belohnung für dieses Ungemach bereitet uns die Abendsonne nach dem Regen eine eigenartige Beleuchtung: die Häuser und Kirchen um den Stefansplatz glühen auf.

Freitag, Konstanz - Singen (Hohentwiel), 53 km, Annäherung an Stein am Rhein

Das Ziel der letzten Etappe unserer Tour bedarf eines Kommentars. Wir müssen letztendlich mit der Bahn zurück nach Würzburg gelangen, das haben wir uns für den Sonnabend vorgenommen. Um Kosten zu sparen, kann man das mit dem Wochenendticket für 35.- DM erledigen. Man muß nur sorgfältig darauf achten, daß man nicht wieder in einem InterRegio Zug landet, wie wir gesehen haben. Von Singen aus gibt es eine ideale Verbindung: ein RE (Regional Express) fährt nach Stuttgart, von dort ein weiterer nach Würzburg.

Also müssen wir an diesem Tag nur von Konstanz nach Singen radeln. Für die Strecke gibt es auch wieder einige verschiedene Varianten, die ich diesmal nicht alle durch diskutiere. Wir entscheiden uns für die Schweizer Variante am Südufer des Unteren Sees. Der Untere See gehört genaugenommen nicht mehr zum Bodensee, weil ein Stück Rhein dazwischen liegt. Auf der anderen Seite liegt das NSG Wollmatinger Ried. Dort mögen die Wolpertinger her stammen, die, wenn einmal erlegt, gern als gehörnter Hasenkopf in waidbewußten Gasthöfen als Wandverzierung dienen.

Weder des NSG noch der Wolpertinger werden wir ansichtig, während wir uns – nun wieder in der Schweiz – voran arbeiten. Wir haben es nun mit einem tüchtigen Gegenwind zu tun. Gegenüber der Insel Reichenau machen wir in Ermatingen eine Rast. Die Insel Reichenau ist durch ihren Gemüseanbau bekannt, wie man nachlesen kann. Wir haben aber auch ein Feld mit Mohrrüben gefunden, aus dem Heidi mit einem ordentlichem Rübenbüschel wieder auftaucht. Das kommt einem bei so einer Rast dann zu Gute. Ein freundlicher Schweizer Kanalarbeiter schickt sich an, einen Wasserschacht neben unserer Rastbank auszuspülen, und empfiehlt uns eine nahe gelegene andere Bank, damit wir nicht naß werden.

Ermatingen
Ortsdurchfahrt Steckborn

Ebenso freundlich ist der Ort Ermatingen mit seinen schönen Fachwerkhäusern. Ab dem Ort Berlingen beginnt der Untere See und das gegenüber liegende Ufer rückt heran.

Blick über den Unteren See

Der letzte Ort am See ist Stein am Rhein. Da fahren wir glatt dran vorbei, bemerken den Irrtum wenig später, wo schon der Radweg nach Singen ausgeschildert ist. Sollen wir nun zurück fahren? Wir hätten etwas verpaßt, wenn wir es nicht getan hätten. Nur dem Wanderweg hätten wir uns nicht anvertrauen sollen. Denn der wird so schmal, daß wir nur noch schieben können, links geht es zwei Meter direkt runter zum Rhein. Nachdem auch noch eine kleine Steigung überwunden werden muß, finden wir den Radweg wieder.

AnnÌherung an Stein am Rhein
Rheinbrücke
Altstadt

Schon auf der Rheinbrücke wissen wir, daß ein wunderhübscher Ort auf uns wartet. In der Altstadt sind schön bemalte Häuser, da schieben wir staunend hindurch, bis wir durch ein Tor diesen sehenswerten Ort wieder verlassen.

Da wir nun mehr in Richtung Norden fahren, ist uns der Wind freundlicher gesinnt. Dunkle Wolken ziehen auf. In dem Ort Ramsen ist eine Tankstelle, die wir bei einsetzendem Regen gerade so erreichen. Eine Radlerin spricht uns in Original Schwyzerdütsch an, wir verstehen kein Wort. Darauf wechselt sie auf "normales" Deutsch, das klingt für unsere Ohren schon besser. Sie und ihr Partner wollen den kürzesten Weg nach Schaffhausen wissen, sie hätten ihre Gruppe verloren. Das seien so 30 Leute, aber die haben wir auch nicht gesehen. Als der Regen nachläßt, fragt sie noch, ob wir als "versierte Velofahrer" beurteilen könnten, ob man nun losfahren solle. Wir stimmen zu und fahren selber weiter.

Es ist nicht mehr weit bis zur Grenze und dann nach Singen. Am Bahnhof wird gleich das Wochenendticket und die Fahrradkarten für morgen besorgt. Dann schieben wir durch das Gewühl des gerade stattfindenden City-Festes hindurch. Im Verkehrsamt bekommen wir auch gleich ein Quartier zugewiesen: Singener Weinstube heißt es.

Nachdem alles versorgt ist, führt uns der Rundgang hinunter zu einem Flüßchen namens Aach. Als wir von der Brücke so in das Wasser schauen, geht mir plötzlich ein Licht auf. "Weißt du, was das hier für Wasser ist?" frage ich Heidi. "Das ist Wasser von der Donau!" kann ich sie belehren. Ganz in der Nähe liegt nämlich die berühmte Aachquelle, die größte Karstquelle Europas, wo ein Teil des Wassers aus der Donauversickerung zu Tage kommt. Mit jener Donauversickerung haben wir auf unserer Radtour vor zwei Jahren ja ein mittleres Fiasko erlebt. Aber das ist heute schon Geschichte.

Die größte Berühmtheit von Singen ist der Hohentwiel. Das ist der schroffe Rest eines Vulkankegels, der gleich neben der Stadt aufragt. Obendrauf hat man seit Urzeiten eine Festung nach der anderen errichtet, die jeweils als uneinnehmbar galten. Wie man sich denken kann, bringen wir die Energie nicht mehr auf, dort hinauf zu wandeln, sondern wir wenden uns dem City-Fest zu. Hier kann man auch Chinarestaurant Fung Wong geöffnet, wo es mal wieder prächtig schmeckt. Damit ist die Radtour beendet, nach 10 Tagen unterwegs sind wir diesmal auch ganz froh. Die Eindrücke waren gerade auf dieser Strecke so vielfältig, daß man manches nur noch anhand der Aufzeichnungen auf Reihe bekommt.

Die Rückfahrt mit der Bahn am nächsten Tag ist dann auch so gut wie streßfrei. Nur ein paar Schlachtenbummler, die zu dem Spiel VFB Stuttgart – Borussia Dortmund anreisen, machen ordentlich Rabatz. Das Siel endet später 0:0, da hätten sie sich den Radau sparen können.

Zurück in Würzburg

In Würzburg steht unser Auto wohlbehalten unter einem grünen Baum. Wir bedanken uns bei der Chefin des Hotels für den Sonderservice, es kostet nicht mal was. Obwohl oder weil man nach der Autofahrt zurück nach Braunschweig nicht gerade taufrisch ist, versacken wir an diesem Abend beim Waschefest, das ausgerechnet heute in unserem Dorf stattfindet.


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