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Tabarz - Eisenach - Bebra 77 km

Die letzte Etappe meiner kleinen Reise zeichnet sich nun ab, über Eisenach werde ich wieder die Bahnstrecke Fulda - Hannover ansteuern. Wann welche Züge fahren, weiß ich aber nicht, es ist Sonnabend, das erschwert die Angelegenheit womöglich. Der Morgen beginnt nicht sehr vielversprechend. Das Frühstück ist ab 7.30 angesagt, ich stehe also um 7.15 auf und bin pünktlich in der Gaststube. Keine Menschenseele weit und breit. In der Haustür steckt der Schlüssel, so kann ich hinaus und hinter dem Haus hinter einem Bretterverschlag mein Fahrrad aus dem Schuppen holen. Ich schnalle schon mal die Packtaschen auf und kehre dann hoffend auf das Frühstück in die Gaststube zurück. Immer noch keiner da.

Das morgendliche menschliche Rühren meldet sich, für einen Radfahrer aus organisatorischen Gründen sehr wichtig. Auf der Toilette findet sich kein Papier. Blitzschnell stibitze ich eine Rolle aus der Damentoilette nebenan. Dann gibt es noch Probleme mit der Spülung - aber das will ich mal hier nicht breittreten. Nun wieder in die Gaststube - wie mache ich das wenigstens mit der Bezahlung. Ich suche mir Kugelschreiber und einen Zettel und schreibe: "Wegen meiner Zugverbindung mußte ich pünktlich losfahren, anbei DM 20.-, M.W., Zimmer 7". Bevor ich mein Angebinde auf der Theke ablegen kann, erscheint ein verschlafenes Mächen im Morgenmantel. Sie sei krank, die anderen hätten wohl verschlafen. Gerne aber mache sie mir das Frühstück. Das nehme ich dankend an, habe dabei selbst ein schlechtes Gewissen. So kann ich wenigstens ordnungsgemä meine Rechnung bezahlen. Danach ist das Mächen wieder verschwunden und ich mache mich auf den Weg. Es nieselt leicht aber erträglich. Dafür ist es herrlich ruhig, kein Mensch läßt sich blicken und ich fahre durch ein paar kleine Orte. Dann die einzige kritische Situation: ich fahre einen steilen von Wasserrinnen zerfurchten Weg hinunter, da kommt mir in einer Kurve plötzlich frontal ein bergaufschnaufender Wartburg entgegen. Unter beiderseitigem Vollbremsen gelingt es uns, ohne Feindberührung aneinander vorbei zu lavieren.

Bis Eisenach geht es meistens weiter bergab, so sind die 20 km heute morgen schnell abgespult. Weit vor Eisenach immer wieder Schilder an der Straße: "Sei so nett, Motor aus". Also Staugebiet - oder Eisenbahnübergang. Da ich meine Zeit einteilen muß, fahre ich durch Eisenach immer der Nase nach, links die Bahnstrecke, an deren Begrenzungsmauer alle weitschweifenden Blicke zerschellen. Schließlich komme ich in einem Industriegebiet zum Stehen, hinter einem Cirkus im Vordergrund thront oben die Wartburg und schält sich aus dem Morgennebel.

Circus vor Wartburg
Wieder mal bin ich falsch gefahren, eine Fußgängerbrücke über die Hörsel entläßt mich aber aus der Sackgasse.

Nun an einer im Wiederaufbau befindlichen Bahnstrecke entlang, das ist die Werra-Talbahn, mit der man wohl was vor hat. Dann bin ich - oh Wunder - wieder in Hörschel: der Kreis hat sich geschlossen. Wenig weiter vor Wartha ist eine Brücke über die Werra, dann färt man wieder durch die Grenzanlagen und ist auf bundesdeutschem Terrain (im alten Sinne). Dafür kann ich in Herleshausen der aufatmenden Familie per Telefon mein Wohlbefinden mitteilen.

Porta Thüringiensis
Aber noch ist die Schlacht nicht geschlagen, ich visiere erstmal den Bahnhof Sontra an, bis dort sind es gut 20 km. Es wird nochmal anstrengend, bis Nentershausen ist eine langezogene Steigung zu bewältigen. Dort an der Kreuzung gerate ich ins Grübeln: Sontra 8 km, Bebra 17 km. Sontra ist ein kleiner Ort, da halten nur Nahverkehrszüge, Bebra dagegen bringt als Umsteigebahnhof auch die weitreichendsten Fernzüge zum Stehen. Eine kurze Kalkulation: das macht eine halbe Stunde Unterschied, dafür ist meine Heimfahrt gesichert. Also auf nach Bebra, nochmal ist ein langer Berg dazwischen, zwei Müllfahrzeuge fahren hupend an mir vorbei. Eine lange Abfahrt belohnt die Mühen, um 14.10 erreiche ich den Bahnhof. Erster Blick auf die Abfahrtstafel: 14.12 Nahverkehrszug nach Göttingen. Während ich an den Fahrkartenschalter trete, fährt der Zug gerade ab. In Sontra häte ich diesen unter Vermeidung der weiteren Strapazen bequem erreicht. So bleibt nur eines: Fahrrad als Gepäck aufgeben, in einen IC (Parzival von München nach Hamburg) hüpfen, bis Hannover Stehplatz einnehmen, und dann in den Zug nach Braunschweig. Dieser fährt zum Hohn nach Leipzig, also in die Richtung, aus der ich zwei Tage lang komme. Dafür teile ich das Abteil mit zwei älteren Damen aus Bitterfeld. "Pflanzen wachsen bei uns nicht, nicht mal Gräser" - "Und die Menschen?" - "Wir sind daran gewöhnt". Mit dem Taxi nach Hause - der Alltag hat mich wieder, den Rennsteig aber, den habe ich!


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