Hamburg – Skagen – Greena - Kristiansand

1 Donnerstag, 18.7. HH Altona – Brunsbüttel, 113 km

Herausforderungen liegen manchmal vor der Haustür. Obwohl das nicht so ganz stimmt, denn wir leben ja nicht gleich hinter dem Deich. Aber nur gut zwei Bahnstunden davon entfernt. Es handelt sich um die bislang längste ausgeschilderte Radroute der Welt, insgesamt 6000 km lang: die Umrundung der Nordsee. Das ist die erste "von 12 geplanten transeuropäischen Radfernwegen" (EuroVelo) (aus bikeline). Die Route ist erst vor gut einem Jahr eröffnet worden, da gehört man ja glatt noch zu den ersten, wenn man diese Herausforderung annimmt. Bevor die Leute dort Schlange stehen. Wenn es denn dazu kommt...

Als es los gehen soll, steht keiner Schlange, denn wir haben einen Dauerregen. Wie nachher zu lesen ist, die größte Regenmenge in unserer Gegend seit 1881. Zum Glück verzichte ich auf einen Blick in den Keller, morgens um vier Uhr. Nur mit dem Rad zum Bahnhof zu fahren, das geht nicht, da wäre man ja gleich durch bis auf die Haut? Man kann improvisieren, alles rein ins Auto und dann bin ich weg, mit ein paar geschmierten Broten und einigen Tafeln Schokolade. Der Parkplatz hinter dem Bahnhof ist wegen Überflutung gesperrt. Man kann trotzdem um die Absperrung herum fahren und irgendwo eine Insel suchen, die Packtaschen aufladen und Wasser Marsch zum Bahnhof. Das Auto wird Annika dann später abholen, wenn der Seegang auf dem Parkplatz des Braunschweiger Hauptbahnhofs sich beruhigt hat.

Irgendwie sitze ich im Zug, so ganz wach ist man noch nicht, in Hannover umsteigen.

(Anmerkung: Wie ich später erfahre, ist an diesem Morgen im Hämelerwald ein Baum auf die Oberleitung gefallen und die Strecke war 3 Stunden blockiert. Das hat genau den nächsten Zug nach meinem erwischt, ich habe also bereits ein Riesenglück, ohne es zu wissen...)

Durch die verregneten Fenster im Zug den rauschenden Wassermassen draußen zugucken. In Altona wird ausgestiegen, und erst mal der lange Bahnsteig abgeradelt. Das ist schon mal nicht so gut, denn da kommt schon ein Regiment der Bahnpolizei aufmarschiert. Auf dem Weg nach Skandinavien, den Ländern der Blonden und Hellhäutigen, werde ich nun von dem glatten Gegenteil zurecht gewiesen, dass Radfahren auf dem Bahnsteig strengstens verboten ist. OK, ich gebe mich sehr verständig und gönne dem Freund aus Schwarzafrika diesen ersten Zugriffserfolg am frühen Morgen.

Auf dem Bahnhofsvorplatz kommt einem das Grauen: es regnet in Strippen. Regenumhang angelegt und runter Richtung Elbchaussee. Eine Braunschweiger Straße gibt es hier, komme ich da nicht gerade her? Und einen Platz der Republik! Der Charme des Hamburger Hafens zeigt sich heute nicht, so grau verhangen wie alles ist. Ein paar unverdrossenen Joggern kann der Regen nichts anhaben, um die kurve ich rum und stehe dann aber unversehens so in der Gegend von Teufelsbrück einem Müllwagen gegenüber. Da muss das Fahrrad in einen vornehmen Vordergarten gehievt werden, bis man wieder freie Fahrt hat.

Da freut man sich auf das berühmte Fährhaus in Schulau, Willkommshöft geheißen, wo die ankommenden Schiffe mit Nationalhymne und –flagge begrüßt werden. Heute hat man da nicht mal ne tote Hose geflaggt. Und dann geht es auf die Schafe los, und den Gegenwind, hinein ins Graue. Ein Gattertor nach dem anderen, alle selbstschließend, und jedes mal rinnt einem beim Absteigen das Regenwasser von der Pellerine in die Schuhe. Und auf der Strecke Schafköttel (außen hart und innen ganz weich – heute wohl eher auch außen ganz weich), Regenwürmer, Nacktschnecken, Sammelwasser auf dem Regenumhang und Gegenwind.

Sagen wir mal in Eckhorst Hetlingen, oder war es in Haseldorf Roßsteert, da sind die Feuerwehr, Malteser und Technisches Hilfswerk schwer beschäftigt. „Die Kanalisation ist abgesoffen“ kann man erfahren. Der Regen lässt nach, hört sogar auf und die triefenden Sachen, vor allem die Hosenbeine lassen sich mit dem Fahrtwind trocken fahren. Drehbrücke Pinnau habe ich noch notiert, dann fahre ich auf der Landstraße nach Elmshorn. (Das wäre vielleicht nicht nötig gewesen, über das Absperrwerk Krückau hätte man abkürzen können). Die alternative Fähre Kroonsnest wird nur am Wochenende betrieben, aber das haben wir gerade nicht.

So finde ich mich mit quietschenden Schuhen in der Fußgängerzone von Elmshorn wieder, vorbei an Holzlöffel und anderen einladenden Imbisseinrichtungen. Da gibt es einen Ort, der heißt Kuhle, und das passt zu der heutigen Situation. Überall stehen die Gärten unter Wasser, ein Gartentor: Einfahrt freihalten, dahinter ein See (leider nicht fotografiert). Eine Frau schöpft mit einem Eimer das Wasser aus ihrem Hauseingang, ohne zu merken, dass die Wasseransammlung noch zwei Grundstücke weiter reicht. Wie lange die wohl geeimert hat?

Dann ist man endlich in Glückstadt. Auf dem Marktplatz erst mal die Kamera rausgekramt und ein erstes Panoramafoto gemacht. Dazu ist zu sagen, dass ich eine kleine Digitalkamera mit führe, die in der Lenkertasche Platz findet, über 600 Bilder speichern kann, und das alles kostenfrei (weil man keinen Film braucht). Natürlich habe ich auch noch meine schwergewichtige altgediente Canon Spiegelreflexkamera dabei. Das ärgert mich nun mehr und mehr, bis man die jedes mal rausgekramt hat, und ob das Bild überhaupt was wird? Bei der DigCam kann man sofort nachgucken, oder abends am Kamin.

Wir sind immer noch in Glückstadt. Am Hafen: eine Gruppe älterer Damen wird von einem kundigen Kenner der Stadt ins rechte Bild gesetzt: Die Häuserzeile an der Hafenzeile sind denkmalgeschützt. Da finde ich mich wieder mit offenem Mund und mit dem Vorderrad in den Schienen der Hafenbahn. Gerade noch gemerkt, sonst hätte ich wohl alt ausgesehen.

Am Deich entlang geht es weiter. Dieser Satz wird sich noch wiederholen. Schafgatter, faustgroße Köttel. Dann kommt die Störbrücke, windig, aber gute Aussicht, Wasser links unten, Wasser rechts unten. Gleich danach die sog. Fahrradscheune, ein Museum mit wohl alten Fahrradprodukten, nun gerade wegen Sturmschaden geschlossen. Dann Brokdorf AKW, alles mit Stacheldraht gesichert. Aber ein schickes Schwimmbad mit Riesenrutsche gibt es hier (wer das wohl gesponsert hat?), gut für eine Rast unter einem Vordach, denn der Regen setzt wieder ein.

Es geht sozusagen von Bushäuschen zu Bushäuschen , wo man immerhin geschützt dem Prasseln des Regens lauschen kann. Der Tag endet wie er begann: mit strömendem Regen. Immerhin bin ich dann doch noch in Brunsbüttel angekommen, mit der Fähre über den Kaiser Wilhelm Kanal, am erstbesten Hotel gestoppt. Haben sie ein Zimmer frei? Aber sicher! Erlösung! Es funktioniert sogar die Heizung und so können die Sachen getrocknet werden, vor allem die Turnschuhe haben es nötig.

Essen kann man gleich im Haus: Rotbarschfilet (geht so). Jedenfalls muss man nicht mehr vor die Tür, das graust einen ja. Anruf zu Hause (Handy): die ganze Schadenfreude über irgendwelche Überschwemmungen unterwegs waren wohl fehl am Platz – wir haben selbst Wasser im Keller und ich bin weit vom Schuss. Aber es gibt hilfreiche Nachbarn und die Pumpe läuft.

2 Freitag, 19.7. Brunsbüttel - Husum, 107 km

Heute geht es im Nieselregen los, das ist auch nicht so erbauend. Vorher muss die Kette geschmiert werden, die hat es nötig. Man kann nun einen Abstecher über Friedrichkoog machen oder kürzer Richtung Meldorf fahren. Ich fahre lieber noch kürzer als die ausgeschilderte Route von Eddelak nach St. Michaelisdonn. Dort stehe ich wieder eine Weile in einem Bushäuschen aus Plastik mit interessanten Inschriften, die allerdings besser nicht wieder zu geben sind. Dafür hört der Nieselregen auf und es geht flott weiter nach Meldorf. Dort ist eine schöne Windmühle und gleich dahinter der Markt. Meldorfer Hafen – dann folgt eine 8 km lange Strecke schnurgeradeaus und schräg gegen den Wind. Rechts ist ein breites Gewässer, die Miele, dort rasen die Windsurfer dahin. Gegen die habe ich keine Chance, die sind schneller.

Nach ungeduldiger Fahrt erreicht man schließlich das Sperrwerk an der Meldorfer Bucht. Da liegen immerhin einige Kutter herum, da ist man ja allmählich ganz erpicht drauf. Es befindet sich dort auch ein Infozentrum des Nationalparks Wattenmeer. Ich gehe kurz hinein und man ist erstaunt, dass heute überhaupt ein Besucher kommt. Am Rande des Naturschutzgebietes mache ich eine Rast und schaue den Haubentauchern zu. Wenn man an der Sielanlage eine Treppe hinauf klettert, kann man eine Skulptur bewundern, wie zwei Männer sich gegen einen Haufen Steine stemmen. Soll vielleicht den Kampf gegen die See und Naturgewalten symbolisieren. Ich kann außerdem den ersten Blick auf die Weite der Nordsee werfen.

Nun geht es direkt am Deich weiter, mühsam im Wind bis man nach 8 km Büsum erreicht. Da geht es reichlich touristisch zu, vor der Kirche wische ich mir eine Bank trocken und schaue dem Treiben der Feriengäste zu. Die bevölkern allerhand Souvernirgeschäfte, was soll man heute auch anderes tun? Ich mache, dass ich weiter komme, und das geht – ratet mal – weiter immer längs am Deich. 18 km sind angesagt bis zum Eidersperrwerk, der nächsten Abwechslung. Immerhin kann ich eine Familie studieren, die wohl einen Tagesausflug gegen den Wind macht. Die fahren dummerweise nicht hintereinander im Windschatten, sondern der Vater vorneweg, die Tochter 100 m dahinter und die Mutter mit rotem Gesicht krebst ganz hinten hinterher.

An einem Siel mach ich eine Rast, da sind eine Menge Schwalbennester oben an der Dachkante. Auf dem Boden liegen einige tote Jungvögel, die aus dem Nest gefallen sind. Schließlich fahre ich am Eider Sperrwerk oben auf dem asphaltierten Damm. Aber das geht nicht lange gut, ein scharfer Seitenwind vermischt mit Nieselregen und Gischt verklebt einem die Brille. Halb blind die Böschung runter auf die belebte Straße, da ist man wenigstens vor dem Wind geschützt.

Die offizielle Route geht nun in einem weiten Bogen über St. Peter Ording und Westhever. In Westhever gibt es den berühmten Leuchtturm, der für so manche Bier- und andere Werbung herhalten muss. Meine Überlegung geht dahin, dass die Landschaft von Nordfriesland zwar schön aber doch nicht so abwechslungsreich ist, wie das, was einen womöglich weiter nördlich erwartet. Und Richtung Tönning hat man Rückenwind. Das ist schön, der Niesel hört wieder auf und schnell bin ich in Tönning. Ein großer Ort mit einer imposanten Kirche, einem malerischen Hafen und einer hübschen Hebebrücke.

Nachdem das alles abgehakt ist, geht es weiter Richtung Husum. In dem Ort Oldensworth finde ich mich vor einem Bäckerladen wieder und lasse meinem Heißhunger nach Kuchen freien Lauf. Der Kuchen wird auf einer Bank mit dem Teelöffel verzehrt, dieser ist mir wohl beim ersten Frühstücksbuffet in die Tasche gefallen. Ein Ort auf der weiteren Strecke heißt Witzwort. Das macht lustig. Man kommt dann an dem roten Haubarg vorbei. Da kann man einen Abstecher machen, dort ist wohl ein Restaurant untergebracht und es findet heute eine Hochzeit statt. Die Szene ist verstellt mit Autos, so gibt es kein Foto. Wenig später gibt es noch einen weiteren der besterhaltensten Haubarge, den sieht man nur von weitem.

Vor Husum dann ein größerer Windpark mit Infostation. Eine Anzahl Windräder hat ganz kurze Flügel, das ist man gar nicht gewohnt. In Husum hat die Info noch geöffnet und ich lande dann im Thomas Hotel, ausgezeichnet. Heute kann ich chinesisch essen gehen, im Mandarin. Da wird man so richtig satt und hinterher muss man noch einen Rundgang machen. Es gibt da das Schloss vor Husum, der Park ist berühmt durch seine Krokusblüte im Frühjahr.

3 Samstag, 20.7. Husum - Brøns, 120 km

Ich sagte ja schon, das Thomas Hotel ist ausgezeichnet. Von mir kann man immer ein Lob hören, wenn Lachs, Hering und Forelle zum Frühstücksbuffet gehören. Das ist hier der Fall. Auch die Weiterfahrt verspricht Angenehmes. Windstille, kein Regen zu erwarten. Die Route bietet wieder zwei Möglichkeiten: die Schleife über die fast-Insel Nordstrand, oder auf schnellerem Weg über Wobbenbüll und Arlauschleuse. Und das ist eine wunderschöne Strecke. Arlauschleuse ist eine Freizeiteinrichtung mit mancherlei Betätigungsmöglichkeiten, wie ein Schild verrät. Das muss gleich fotografiert werden, weil ich leider keines dieser Angebote annehmen kann. Flott geht es weiter, immer an Windrädern entlang, die drehen sich heute nur träge, das sieht man gern. Irgendwann stößt man wieder auf die Route und den Deich und ich habe 20 km gespart.

Man kann nun seeseitig oder landseitig am Deich entlang fahren. Seeseitig ist man mehr dem Wind ausgesetzt und der Stoffwechsel der Schafe scheint auf dieser Seite mehr angeregt zu sein. Daher ziehe ich die Landseite vor, auch da gibt es alle paar hundert Meter ein Sperrtor nach dem anderen. Man passiert nun die vorgelagerte Hamburger Hallig. Da ist auch schon eine Bude, wo man Fahrräder für einen Ausflug dorthin mieten kann. Die anderen Halligen liegen wie kleine Häufchen am Horizont. Ansonsten muss ich bei der Feststellung bleiben: Wenn man diesen Deich gesehen hat, hat man alle Deiche gesehen...

In Dagebüll kehrt man zurück in die Welt. Zunächst überquert man einen Schienenstrang, wo ein Gefährt einen auf die Insel (oder Hallig?) Oland bringen kann. Vor einem Fußmarsch wird gewarnt. Am Bahnhof und Fähranleger in Dagebüll stauen sich die Autos mit einem Wald von Fahrrädern auf den Dächern. Die fahren wohl alle nach Föhr oder Amrum, wie wir das auch schon einmal vor vielen Jahren gemacht haben.

Die Strecke führt nun landeinwärts und es gibt einen schönen Rückenwind. Natürlich kürze ich wieder ab und vermeide (oder verpasse) den größeren Ort Niebüll. So kommt man in Neukirchen, dem letzten Ort vor der Dänischen Grenze raus. Leider sind die Geschäfte schon geschlossen. Ich frage ein paar Kinder nach einem Geschäft, aber die gucken nur blöd und kiechern. Da treffe ich zwei Radfahrer, die kommen aus Norwegen und wollen noch bis Holland weiter. Die frage ich gleich mal nach den Übernachtungsmöglichkeiten in Dänemark. Sie hätten in einem Hotel in Brøns übernachtet, das ist 40 km von hier. Das müsste heute eigentlich noch zu schaffen sein. Wäre noch zu ergänzen, dass der weniger hektische Reisende hier das Nolde Museum besuchen sollte...

An der Grenze kann man dann natürlich noch einkaufen, hätte man sich ja denken können, denn Dänemark ist teuer. Auf geht’s, der Skandinavische Teil der Reise beginnt. Man fährt nun auf dem Radweg R1, der Westküstenroute, die bis hinauf nach Skagen ausgeschildert ist. Die ersten hundert Meter sind allerdings keine Werbung, da geht es grob geschottert neben der Straße dahin. Ich fahre auf der schnurgeraden Straße direkt nach Højer, wo man auch übernachten könnte. Ab hier wird es schön, man fährt wieder in der Botanik, teils auf geschotterten Wegen. Die Landschaft ist hier abwechslungsreicher, hügeliger und mit Wäldchen durchsetzt. Hin und wieder sieht man seltsame Hügel, vielleicht vorgeschichtliche (keltische oder so) Grabhügel? Linkerhand sieht man die Insel Sylt im Dunst. Sogar einen Zug auf dem Hindenburgdamm kann ich erkennen, der zieht in der Ferne dahin wie ein Wurm.

Dann geht es weniger interessant auf der Landstraße dahin, bis zum Horizont keine Kurve. Ich spüre einen Muskelkater im linken Oberschenkel, der wird mir die nächsten Tage noch Freude machen. Man kommt dann an der Abzweigung zur Insel Rømø raus, auf Höhe der Stadt Skærbæk. Noch gut 5 km bis Brøns, zunächst auf Schotter und dann auf glatter Straße. Da taucht schon die malerische Kirche auf, in deren Angesicht ich die letzte Rast einlege. Das wäre allerdings nicht nötig gewesen, denn das Hotel liegt schon 100 m weiter. Per Sprechanlage kann man eine Dame munter machen, die einen freundlich willkommen heißt.

Man haust hier in einem ebenerdigen Appartement mit 3 Betten und Kocheinrichtung usw. Ein Anruf zu Hause lässt sich per Handy nun nicht mehr erledigen, da sind nur noch dänische Netzdienste auf dem Programm. Oben an der Straße soll es noch funktionieren, wird gesagt, aber bei mir funktioniert so was natürlich nicht. So lasse ich mir die Verbindung an der Rezeption vermitteln und das Handy wandert fortan in die tieferen Gefilde der Packtaschen.

Zu essen gibt es Hühnerbrust mit Kartoffelchips, nicht so ganz mein Fall, dafür ordentlich teuer. Aber die Serviette ist gut, die kommt mit und dient mir fortan bei entsprechenden Gelegenheiten als Tischdecke. Deutsches Fernsehen kann man noch empfangen. Da ziehe ich mir „Die goldene Stimmgabel“ oder so mit Andy Borg rein, zu Hause darf man das ja nicht. Ich setze die dargebrachten Titel dann gern in Beziehung zu meiner Situation, und da kann man sich kaputt lachen. Folgende Titel habe ich notiert:

Einen Sommer lang sind wir im Glück geschwebt...

Du bist mein Robinson, zeig mir die Insel...

Ich könnt ohne Berge nicht leben...

Der letzte Titel gewinnt, passt ja auch am besten zum Radfahren. Ein Herr namens D.T. Heck bietet zum Schluss Wiener Weisen an, und das ist so was von schlimm...

Zu Dank verpflichtet bin ich den Inhabern Hanne og Kai Madsen, bei denen ich diesen schönen Abend verleben konnte.

4 Sonntag, 21.7. Brøns - Nymindegab, 117 km

Windstille! Jetzt rollt es! Auf Nebenstraßen fährt man durch landwirtschaftliches Gebiet durch hübsche Orte, heute morgen noch sehr verschlafen. Hinter dem Ort Vester Vedsted ist ein Damm zur Insel Mandø. Da steht auch schon ein eigenartiges Gefährt am Straßenrand: Mandø Bussen, damit kann man sich wohl durchs Watt kutschieren lassen.

Am Deich entlang geht es nun auf dem sog. Katastrofevej, topfeben und ich erreiche sagenhafte Geschwindigkeiten bei höchster Übersetzung (c.a. 30 km/h). Anhalten muss man natürlich, wenn es was zu sehen gibt wie z.B. an dem Sperrwerk Kammerslusen. Dort mündet der Fluss Ribe Å. Der Ort Ribe soll auch sehr schön sein, aber da müsste man einen Abstecher machen. Ich genieße die flotte Fahrt und die Industrieanlagen von Esbjerg, zunächst am Horizont sichtbar, kommen schnell näher. Vor Esbjerg hat man den Radweg gut ausgebaut parallel zur Schnellstraße 34. Da kommt mir ein eigenartiges Gefährt entgegen, ein Liegedreirad mit Segelmast. Der Fahrer ist mopsfidel, macht wohl Spaß, das Fahren.

Eine Rast auf dem zentralen Platz in Esbjerg (Torved?) und eine Panoramaaufnahme. Schnell ist man aus der Stadt wieder draußen. Nächste Attraktion: Mensch am Meer, eine überdimensionale Steinplastik von 1995. Da gucken vier Figuren Tag und Nacht aufs Meer, hoffentlich wird es ihnen nicht langweilig dabei. Zu sehen ist: Meer, mehr aber auch nicht.

Die Route führt nun mehr landeinwärts, manchmal etwas unwegsam aber schön durch Heidegebiet. Eingebettete kleine Seen und erste ernsthafte Steigungen sorgen für Abwechslung. Schließlich gerät man nach Oksbøl, ab hier geht es durch Militärgelände wieder zurück Richtung Küste. Ab Vejers Strand fährt man durch ausgedehntes Dünengelände, durchsetzt von den allgegenwärtigen Ferienkolonien. Leider beginnt die Heide (Erika) erst mit der Blüte. Die höchste Düne hier heißt Blåberg, die ist 64 m hoch und bewaldet.

Auf einem Bahndamm komme ich schließlich nach Nymindegab, hoffentlich die Endstation für heute. Nach ein wenig Herumschauen ist es da auch schon: Hotel Nymindegab Kro. Ich bekomme mein Zimmer – nicht ganz billig – dafür habe ich ein unbezahlbares Dünenpanorama vor dem Zimmerfenster. Da braucht man gar kein Fernsehen, es gibt sowieso nur noch dänische Sender.

Es folgen nun meine drei Verfehlungen. Als erstes soll ich das Fahrrad draußen in die Garage stellen. Ich verstaue es hinter ein paar Autos, beim Rausgehen merke ich, dass ich mich in Reichweite eines schwarzen angeleinten Hundes bewege. Dieser aber ist die Freude selbst über die Abwechslung. Wäre er bissig gewesen, hätte die Fahrt wohl ihr vorzeitiges Ende gefunden. Außerdem handelt es sich nicht um die Garage des Hotels, sondern um die eines benachbarten Privatanwesens.

Die zweite Verfehlung ereignet sich beim Einkaufen, wo ich versehentlich mit Euro bezahle. Da kriege ich einen Berg in Dänischen Kronen heraus, die hätten mich ganz schön übers Ohr hauen können. Zum Essen gehe ich in eine Grillbude mit Burgern, Pølser und Hähnchen. Das Fahrrad stelle ich draußen ab, das ist nach dem Essen verschwunden. Panik! Aber da steht es ja, wo es hin gehört, im Radständer. Ich hatte es vor die Eisausgabe gestellt.

5 Montag, 22.7. Nymindegab – Fjaltring (Jugendherberge), 104 km

Draußen vor der Tür weht ein scharfer Wind. Beim Aufladen spricht mich ein Herr aus Hannover an, der ist mit seiner Frau schon fast drei Wochen von Holland aus unterwegs. „Na dann gute Fahrt“ vermutlich sieht man sich ja nicht mehr. „Wird ein schwerer Tag heute“ hatten wir noch festgestellt. Ich fahre los, schräg gegen den Wind, der von See her Nieselschauer herüber peitscht. Nach wenigen 100 Metern wechsele ich von dem groben Schotterweg zur Straße. Das ist auch nicht so gut bei dem regen Verkehr. Man kann gegen den Wind die Ballance schlecht halten, das schlägt einen manchmal wie mit Brettern. Die Brille ist bald zu gesetzt mit salzigem Belag. Wenn einen dann noch ein Schwerlaster eng überholt, weiß man gar nicht mehr, wo man ist. Es ist lebensgefährlich! Gelegentlich sehe ich das Ehepaar aus Hannover, wie sie sich auf dem Schotterweg durch die Dünen kämpfen. Dass die Frau das mit macht, heute geht es wirklich an die Grenze des Erträglichen.

Ich verlasse die Straße, und bin damit gut beraten. In den Dünen ist man dem Wind nicht ganz so ausgesetzt, wenn auch immer noch reichlich. Am Supermarkt eines Campingplatzes mache ich Rast. Da kommt das Ehepaar angezockelt. Die Frau ist quietschvergnügt und ich mache ihr ein Kompliment, dass sie das heute aushält. „Meine Frau hätte längst das Handtuch geworfen“ sage ich. Bei dem Regen hätten sie auch schon harte Tage gehabt. Sie fahren dann vor mir her und sind deutlich schneller. Das liegt wohl an meinem Muskelkater, der heute wohl auch nicht besser werden kann.

Nach endloser Fahrt (c.a. 25 km) auf dem Holmsland Klit, einer Landzunge zwischen der See und dem Ringköping Fjord, kommt man nach Hvide Sande, einem belebten Hafenort. Dann geht es noch mal 15 km genauso weiter, nur Kampf, die Dünen rauf und runter. Schließlich durch ausgedehnte Feriensiedlungen nach Søndervig. Da hat man es geschafft und darf ein paar Kilometer landeinwärts mit Rückenwind fahren. Wenn man die Pedalen nicht benutzt, treibt einen der Wind mit 25 km/h vor sich her.

Dann zweigt ein unbefestigter Weg auf einem Damm nach Norden ab. Es geht durch das Naturschutzgebiet Nørrekær. Man hat hier auf der Windseite zerzauste Fichten, die einen gut schützen. Aber nach ein paar Kilometern ist man wieder in der freien Landschaft. Dann stehen ein paar Figuren gegen den Wind gelehnt auf dem Damm, die haben ein Fernglas auf ein Stativ montiert und äugen fasziniert in die Gegend. Was es da zu sehen gäbe, frage ich interessiert. „De braune Kiekendief“ ist meine akustische Wahrnehmung, weiteres Nachfragen bringt nichts. Das Wort Kiekendief schreibe ich mir doch gleich auf, bis heute weiß ich nicht, was es bedeutet, wahrscheinlich ein seltener Vogel.

Wenig später schaue ich mich mal um, da kommen sie doch heran gerollt, die Herrschaften aus Hannover. Sie haben in Hvide Sande Einkehr gehalten und rollen mir nun alsbald davon. Wir kommen nach Vedersø Klit, da geht es wieder in die Dünen. Aber da gibt es auch einen Wald, durch den die Strecke führt. Voller Ungeduld biege ich vorzeitig ab und das ist ein schwerer Fehler. Ich gerate mit viel Rückenwind auf die Landstraße und muss schließlich alles wieder zurück frontal gegen den Wind. In Bjerghuse biege ich außerdem zu früh ab und gerate auf die falsche Seite des Nissum Fjords. Noch mal zurück fahren und dann schnurgerade auf der nächsten Landzunge nach Torsminde. Ich bin mit den Kräften am Ende. Außerdem herrscht hier so ein Sturm, dass man absteigen muss. Kein Hotel zu finden. Ich fahre zum Campingplatz. Die haben auch nichts für einen ohne Zelt. Noch mal 10 km weiter gibt es aber eine Jugendherberge (Vandrerhejm). Da hilft alles nichts.

Es werden die längsten 10 km meiner Radlerkarriere. Hier weht es einem auch noch den Sand von den blanken Dünen ins Gesicht. Was ist das für eine Erlösung, als ich den blauen Wimpel der Jugendherberge entdecke. Ich lade gleich ab, hier kriegt mich keiner mehr weg. Aber es gibt kein freies Zimmer. Ich suche die Herbergseltern auf, die wohnen um die Ecke. In der Turnhalle wäre ein Matratzenlager, oder ob ich ein Privatquartier möchte. Aber ja doch. Man telefoniert, macht eine Skizze und vier Kilometer von hier wäre ich da.

Also wieder aufgeladen, mit dem Wind landeinwärts – bis es bis zum Horizont keine Häuser mehr gibt. Bin ich da richtig? Ehe ich mich hier gründlich verfahre, kehre ich lieber um, dann eben Matratzenlager. Alles gegen den Wind zurück, nun ist mir alles egal. Nun werde ich mit meinem Jugendherbergsausweis ordnungsgemäß aufgenommen und ziehe mich in die Turnhalle zurück. Da bin ich alleiniger Herr über alles, denn 4 weitere angemeldete Gäste kommen nicht mehr, die haben wohl bei dem Wind gestreikt.

Einkaufen kann ich nicht mehr, zu essen gibt es nur Schokolade von zu Hause – die eiserne Ration. Ich sitze aber gemütlich im Aufenthaltsraum, da ist es warm und man hat eine schöne Aussicht. Heute bin ich früh müde, kann man sich ja denken, und ich schlafe wunderbar, allein in der riesigen Turnhalle.

6 Dienstag, 23.7. Fjaltring - Klitmøller, 103 km

Für das Frühstück kann ich beim Kopmand um die Ecke einkaufen, Brötchen, Käse, Joghurt und Milchreis Fertiggericht. Schmeckt wunderbar, dann Abwasch, Turnhallenschlüssel abgeben und dann wieder in den Wind. Aber es ist freundlicher als gestern, außerdem biegt die Küste allmählich Richtung Westen um, da hat man den Wind schräg von hinten.

So weit sind wir aber noch nicht, zunächst muss der Trans Kirke und dem Leuchtturm Bovbjerg ein Besuch abgestattet werden. Hier ist Steilküste, die aber, angenagt vom Meer, nach und nach zurück weicht. Manche Ortschaft musste hier in den vergangenen Jahrhunderten aufgegeben werden – ist zu lesen.

Man gelangt nun nach Ferring, dort gibt es das Jens Søndergaard Museum. Da steht auch wieder ein Mensch am Meer, zusammen geklitscht aus Beton: The Cement Man. Wenn die anderen Skulpturen des Künstlers auch so aussehen, braucht man das Museum nicht unbedingt zu besuchen – Sorry. Etwas bergig geht es weiter mit schönen Ausblicken auf Ferring Sø und die angrenzenden Ortschaften.

Und dann – Juch Hei – mit Rückenwind über die Harbøre Tange, eine weitere Landzunge am Nissum Bredning. Jetzt macht es Spaß und alles bekommt wieder einen Sinn. Herrliche Natur rings herum, das Industriegebiet Cheminova wird rechts liegen gelassen. Die Zwischenstation Thyboron mit dem Ausgang des Limfjords wird erreicht, hier muss man auf die Fähre umsteigen. Eine kleine Rundfahrt durch den Ort bringt nichts, dafür sehe ich die Fähre von hinten. Die sollte um 12.00 Uhr fahren, darauf hatte ich mich eingestellt. Aber nach 20 Minuten ist sie wieder da und es geht auf die andere Seite, Nord-Dänemark nun schon.

Es folgt die Agger Tange mit einer 8,5 km langen schnurgeraden Straße. Landschaftlich schön, die ersten Kormorane, manche mit ausgebreiteten Flügeln zum trocken werden, die haben wohl gerade gefischt. Links ein amphibisches Vogelschutzgebiet, daran kann man sich ergötzen während die Silhouette des nächsten Ortes Agger nur langsam näher kommt. Schließlich ist auch das geschafft, wieder mehr landeinwärts und bergig zwischen zwei Seen hindurch. Bei der Ørum Kirke mache ich Rast. Auf einer windgeschützten sonnigen Bank esse ich den Käse mit dem Teelöffel auf.

Als ich wieder auf die Straße einbiege steht da doch das Ehepaar aus Hannover, in die Karte vertieft. Das hätte man ja nun nicht gedacht, dass man sich noch einmal wieder sieht. Sie haben gestern Abend in dem Ort Torsminde nach Rumfragen doch ein Nachtquartier in einer Ferienwohnung bekommen. Aber meine Turnhalle war ja auch nicht schlecht. Nun wollen sie aus Zeitgründen abkürzen und noch die Strandstrecke vor Løkken abfahren – darauf werden wir noch kommen. Wir verabschieden uns – nun werden wir uns nicht mehr sehen.

Auf der weiteren Strecke im Wald mache ich eine neue Bekanntschaft: ein Ehepaar aus Kassel auf ihrem Tandem. Die fahren einmal um Dänemark herum, dann wollen sie an die Ostsee und noch bis Dresden, da wundert man sich aber. „Wohl im Ruhestand“ frage ich. Ja, seit zwei Wochen, heißt es. Beneidenswert! Aber da müssen die ja gleich vom letzten Dienst losgefahren sein?

Der Rest für heute fährt sich schön durch Wälder und so, aber mich plagt der Muskelkater. So gegen 16.00 Uhr nehmen die Beschwerden immer zu und man wird müde. Aber ich schaffe es noch bis Klitmøller. Dort gibt es so ein Mittelding zwischen Hotel, B&B und Vandrerhejm: Strandgaaden. Das Tandem steht schon vor der Tür. Und ich bekomme aufatmend auch mein Zimmer.

Hier kann man auch ordentlich essen gehen, eine Pizzeria erfüllt alle Wünsche. Noch ein Blick zum Hafen oder Strand, da wimmelt es von Wind- und anderen Surfern. Bei denen quillt das Equipment aus den Wohnmobilen. Wenn man denen zu sieht, wie sie sich da im Wasser tummeln bekommt man eine Gänsehaut.

7 Mittwoch, 24.7. Klitmøller - Løkken, 150 km

Das Frühstück nehme ich zusammen mit den Tandemfahrern ein. Dadurch erfolgt die Abfahrt etwas später. Es gibt eine Gewissensfrage: nach Hanstholm sind es auf der Straße 10 km, die Radroute aber führt durch die Botanik über 30 km. Da entscheidet man sich doch fürs schnelle Weiterkommen, die Straße ist am Morgen kaum befahren und führt schön durch die Dünen. Von Hanstholm geht es nun aber flott voran, direkt im Rückenwind. Bis zu einem Ort namens Vigsö. Dort wird man auf eine Schotterstrecke geschickt, die lässt sich kaum fahren. Zum Glück kann man bald wieder auf die Landstraße ausweichen, wäre sonst schade um den Wind heute. Bald treffe ich die Tandemfahrer wieder, die sind auch ganz happy, haben sich aber genauso mit dem Schotterstück rum geschlagen.

Es geht nun viel durch die Wälder, die heißen hier Klitplantage und sind zum Schutz der Dünen angelegt. Ich kann es nicht lassen und kürze wieder ab, an einem See Lund Fjord vorbei und bei Torup Strand wieder auf die Route. Die Tandemfahrer treffe ich nicht mehr. Weitere Zickzack und Schotterstrecken lassen sich gut umfahren, und einigen wir uns auf den Ort Blokhus, wo die gerühmte Strandstrecke nach Løkken beginnt. Viel Trubel hier, wohl eine beliebte Baderegion.

Am Strand weht es prächtig, aber man hat ja Rückenwind. Aber so glatt ist der Strand gar nicht, ein wenig hoppelt es schon. Dann ist auflaufendes Wasser, da muss man hin und wieder durch heran leckende Wasserzungen hindurch. Außerdem weht loser Sand umher und bald knackt die Kette? Und das über 15 km? Doch wohl lieber nicht, wenn einem das Rad lieb ist. Ich finde einen versandeten Weg, der wieder ins Land führt, zwischen den Ferienkolonien mit lauter Sackgassen habe ich das Glück, irgendwann auf einer Straße raus zu kommen. Eine alternative Route nach Løkken ist hier nicht angesagt, man muss sich an die Hauptstraße halten. Die hat allerdings einen Radweg.

Doch die Nachmittagsmüdigkeit setzt wieder ein und mit schmerzenden Beinen quäle ich mich bis Løkken. Aber nun: Quartier Fehlanzeige. Beide Hotels voll und sonst nichts auszumachen. 4 km landeinwärts in Vrenstedt soll eine Jugendherberge sein. Also dorthin, aber auch die ist besetzt. Der Herbergswart steht rauchend vor der Tür und bedauert mich nicht einmal. Hier ist alles voll mit Fußballern, nichts zu machen. Ich solle man noch 16 km weiter nach Bredeslev fahren, dort gäbe es Hotels. Was soll ich machen, es ist schon nach 19 Uhr. Ich ergebe mich in mein Schicksal und fahre weiter. Nach wenigen km die Erlösung: Zimmer! Mitten in der Botanik. Zum Glück habe ich Lebensmittel bei mir. So endet der Abend auf der Terrasse mit Weißbrot und Käse (Castello, extra cremet).

8 Donnerstag, 25.7. Løkken - Skagen, 110 (123) km

Am Morgen bekomme ich ein prima Frühstück und zum Abschied darf ich mich noch in das Gästebuch eintragen:

How thankful is a cyclist

If he finds no accommodation.

And at last there is one

in Nowhereland.

 

Die Adresse der netten Leute gebe ich natürlich gerne weiter:

Jytte Rasmussen

Lökkenvej 471, Stenum

9700 Brönderlev

Tel. 98 83 81 93

Nun muss ich zurück an die Küste 10 km gegen den Wind. Am Morgen ist das nicht so schlimm. Und einen schönen Gruß vom Strand: Pedale oder Tretlager oder beides knacken. In Løkken mache ich ein paar Fotos, sonst bin ich ja nicht so gut auf diesen Ort zu sprechen. Ich hätte gestern auch gut auf der Strecke bleiben können, denn einen Ort weiter, in Lyngby ist zu lesen: Møller Hotel, Zimmer frei. Man kommt nun vorbei an einer Kuriosität, der Sanddüne Rubjerg Knude. Da hat man mal einen Leuchtturm gebaut, der liegt heute, von See aus unsichtbar, hinter der Düne, denn die ist inzwischen 90 m hoch. Erste Rast in Lønstrup, da steigt gerade ein Radlerpaar mit vollem Gepäck in den Linienbus. Panne oder müde?

Weiter geht es wieder durch Dünen und Wälder, über Hügel etwas wellig. Wir landen in Hirtshals, ein Ort, den man sich merken sollte, denn hier landet die Fähre von Kristiansand an. Ob ich da je hinkommen werde? Ein Leuchtturm auf einem Hügel, ein geschäftiger Hafen, Gewimmel in den zwei Einkaufsstraßen. Schon geht es weiter durch den Wald, da ist ein schöner Seerosenteich. Da sitzen ein paar Deutsche herum, wenn man zu denen sagt: „Das ist aber ein schöner Teich“ – dann reagieren die überhaupt nicht. Egal. Einmal kommt mir ein Ehepaar mit Kind entgegen, da rasseln Mutter und Tochter plötzlich zusammen und liegen der Länge nach auf dem Schotter. Die Mutter begraben unter all ihrem Gepäck. Die Tochter hat sich das Knie aufgeschürft und weint jämmerlich. Der Vater schimpft. Ehe ich helfen kann, ist die Mutter unter ihrem Gepäck raus gekrabbelt und ich überlasse diese Karawane ihrem Schicksal.

An einer Tankstelle öle ich die Pedale – ohne Erfolg. Aus ist es mit dem geräuschlosen Dahingleiten, jedenfalls wenn man in die Pedale tritt. Eine Rast bei Råbjerg Kirke, dann kommt eine Attraktion: die Råbjerg Mile, eine 2 km lange und 40 m hohe Wanderdüne. Hier sollen schon Außenaufnahmen für Sahara Szenen abgedreht worden sein. Da muss man sich schon die Schuhe ausziehen und eine Weile auf der Düne herum wandern, die tatsächlich unendlich groß erscheint. Es folgt ein asphaltierter Weg gesäumt von nummerierten Bunkern, was die wohl hier sollen? Das heißt dann auch Bunken Kiltplantage. Das Stück durch die Dünen vor Skagen ist schön angelegt und es herrscht ein reger Radverkehr. Kurz vor Skagen noch ein Abstecher zur Tilsandete Kirke, da steht der halbe Kirchturm im Sand. Die Besichtigung kostet Eintritt, da verdient man sicher gut an dieser ausrangierten Kirche.

In Skagen frage ich gleich am ersten Edelhotel (Color), was das Zimmer kostet. Das ist nicht zu bezahlen, außerdem sei kein Zimmer frei. Das wäre in den anderen Hotels wohl auch nicht besser, sagt man mir. Ein wenig weiter aber ein Schild aus Holz: Zimmer. Da wuseln lauter Kinder herum und eine Dame und der Hund Daisy eilen herbei. Ich bekomme ein Zimmer! Das ist zwar nicht ganz first Class und liegt im Keller. Egal, Hauptsache man hat ein Dach über dem Kopf.

Um zu sagen, man war in Skagen, muss man nun noch bis zu äußersten Landspitze raus fahren. Da gibt es nicht viel zu sehen, Drachmanns Grav, was immer das sein mag (Grab des Dichters Holger Drachmann, 1908). Auf der See sieht man eine gerade Linie, dort treffen die Wellen von Skagerak und Kattegatt aufeinander. Mir gelingt dann noch ein Anruf zu Hause vom wohl nördlichsten Campingplatz Dänemarks.

Nun ein Lokal suchen, die Sitzplätze im Freien sind in der Abendsonne alle voll besetzt. Aber ich war den ganzen Tag an der Luft und kann auch drinnen meine Pizza verzehren. Danach wird es empfindlich kalt und mit etwas Mühe finde ich mein Quartier wieder.

9 Freitag, 26.7. Skagen – Hals/Egensee, 117 km

Zum Frühstück kann man immerhin eine Kaffeemaschine benutzen, ansonsten habe ich noch Brot von gestern morgen und bröckeligen Käse. Im Haus ist es noch totenstill, wo kann ich denn nun mein Geld los werden? Ein schlaftrunkener Mann taucht auf und knöpft sich gerade die Hose zu. Ich lade mein Gepäck auf und finde dann die Madam von gestern im Nachthemd in der Küche. Damit ist alles erledigt und man fährt nun die gleiche Strecke von gestern zurück. Heute morgen ist man hier ganz allein.

Schließlich geht es auf der Landstraße mit Radweg Richtung Frederikshavn. Wir haben wieder mal etwas Nieselregen und ich muss fest stellen, dass ich wohl meine Mütze in dem Kellerloch in Skagen liegen gelassen habe. Die Beschilderung lautet nun R5, und das ist die Ostküsten Radroute. Man wir dann auch elegant um Frederikshavn herum geführt, und wenn man darauf nicht vorbereitet ist, bekommt man Schwierigkeiten mit dem Richtungssinn. Zudem geht es anhaltend bergauf und man landet an der Flade Kirke in etwa 100 m Höhe. Sogar einen Sendeturm gibt es hier oben. Um die Kirche herum befinden sich anscheinend archäologische Besonderheiten aus prähistorischer Zeit. Ich stehe aber im Nieselregen und schaue ein paar Friedhofsarbeitern zu, die mit einer Harkmaschine die Kieswege in Ordnung bringen.

Ich habe keine Karte von dieser Gegend und bin hoch erfreut, als ich vor einem Schild stehe, das die North Sea Cykle Route beschreibt. Man muss dann ein paar Kilometer entlang der E45 fahren, sozusagen eine Autobahn mit Radweg. Es geht nun immer nach Süden, landschaftlich nicht so sehr reizvoll. Von links blinkt nun das Kattegatt. Ab Melholt habe ich wieder ein Faltblatt über den R5. Ein paar Rasteinlagen, an der See oder hinter einem Supermarkt auf Säcken mit Gartenerde. Da kann man sogar einmal die Beine hochlegen.

Bis Hals geht es noch, da gibt es ein Hotel. Das ist in erster Linie ein Bowlingcenter. Und es gibt ein Jugend Fußball Festival, da ist natürlich wieder alles belegt. Immerhin kann ich einen schönen Prospekt mit detaillierten Landkarten Nord Dänemarks abstauben. Diesmal werde ich auf der Route bleiben, bis sich eine Übernachtungsmöglichkeit findet. Mit der Fähre setzt man über den östlichen Ausgang des Limfjords. Da ist gleich ein Motell, aber alles verwaist, man soll irgendwo anrufen, wenn man etwas will. Daneben ist ein Campingplatz. Da ist die Hütte 1 frei. Da bin ich begeistert, mal in einer Hütte hausen? Die kostet allerdings für einen soviel wie für 6 Personen. Egal, ein wenig weiter ist ein Supermarkt, ein Kanister Wasser, dann ist man autark. Ich lasse mir einen Topf mit Krabben schmecke, hoffentlich eine Kalorienbombe. Zwei Fliegen teilen die Hütte mit mir, aber die werden begnadigt – ich bin in guter Stimmung.

Mit den Nachbarn (Deutsche) bändele ich nicht an, die sitzen noch in der Abendsonne, die hier bis fast 21 Uhr scheint. Dann höre ich noch „So Kinder, ab geht’s“ und wenig später großes Gekreische: eine Ratte!! Schließlich aber Entwarnung: es war nur ein Maulwurf.

10 Samstag, 27.7. Egensee – Grenaa/Sangstrup, 142 km

Nach Frühstück und Abwasch, Schlüssel abgeben, geht es weiter. Erst mal bis Dokkedal, dann windet sich der R5 landeinwärts über Hügel und unbefestigt. Ich bleibe auf der 541 und komme schnell voran. So geht das bis zum Ort Als, ab hier droht eine „Durststrecke“ auf verkehrsreicher Straße gegen den Wind. Landschaftlich schön, aber eben der Verkehr. Auf halber Strecke wird man erlöst, da kreuzt der R5 und man kann verkehrsfrei bis Hadsund radeln, sieht aus wie ein alter Bahndamm. In Hadsund kaufe ich mir eine neue Luftpumpe, bei der alten ist der Stutzen abgebrochen und sie ging nur noch mehr recht als schlecht.

Dann auf einer hohen Brücke über den Mariager Fjord. Ein herrliches Panorama bietet sich dort. Zunächst muss man auf der Hauptstrasse bleiben. Da bringt einer gerade ein Plakat an: Weihnachtsbäume. Der ist ja früh dran. Tatsächlich sind hier Plantagen mit kleineren Nadelhölzern, womöglich die Nordlandfichten. Bald kann man in die Botanik abbiegen und sich Richtung Udbyhøi Vasehuse halten. Man blüht mal wieder auf, weite Blicke über die sonnige Landschaft, Kirchen auf Hügeln. In Udbyhøj dann die Fähre über den Randers Fjord.

Schön abseits vom Verkehr geht es weiter bis zur Kirche Estruplund. Wenn man sich die Kirche nicht von innen anguckt, hat man etwas verpasst. Dort sind schöne Fresken zu bewundern. Dann geht es irgendwann nicht weiter und ich verliere das R5-Schild (bei Lystrup). Also auf der Schnellstrasse bis Fjellerup. Dort gibt es eine Touristeninformation und ich bekomme eine Karte. Von der Zeit her könnte ich vor 17 Uhr in Grenaa sein, wenn ich nicht so sehr trödele. Ein Abstecher noch über Schloss Meilgaard und Bönnerup Strand, aber mehr auch nicht. Meine Zeitkalkulation ist Gold wert. Ich kann tatsächlich in der Zeit das Touristenbüro in Grenaa frequentieren. Leider kein Quartier verfügbar: Fußball Festival. Nach einigem Grübeln fällt den Damen doch was ein, sie telefonieren und mir wird ein Wohnwagen zugesagt. Da bin ich begeistert. Ich buche auch gleich die Überfahrt nach Varberg/Schweden für morgen. Den beiden Damen in Grenaa bin ich damit zu großem Dank verpflichtet.

Sogar in die Kirche lässt man mich noch rein, die sollte gerade abgeschlossen werden. Ein Informationsblatt bekomme ich obendrein dazu. Dann mache ich mich auf den Weg zu meinem Wohnwagen, der steht bei Karlby Klint in der Nähe von Sangstrup. 15 km sind es noch bis dort, aber die lege ich in Hochstimmung zurück. Eingebogen durch ein Hoftor, hier liegt mein Nirwana. Der Wohnwagen steht abseits hinter einer Scheune, da hat man seine Ruhe. Man empfängt mich herzlich, ich bin ja angekündigt.

Man weist mich ein, über das Getreidefeld könne man auf der Treckerspur bis zur Steilküste laufen, die sei Millionen von Jahren alt. Alsbald bin ich auf dem Weg dorthin, das ist ja hoch interessant. Über eine Strickleiter mit Sicherungsseil kann man an den steinigen Strand hinunter klettern. Im Meer stehen eine Reihe von Pfosten und auf jedem sitzt ein Kormoran. Die Steilküste zieht sich kilometerweit in beide Richtungen.

Ich kehre zurück zu meinem Wohnwagen und verlebe einen herrlichen Abend in völliger Ruhe. Auf dem Informationsblatt des Hauses steht dann auch: Mange muligheder for afslapning. Das kann ich sogar übersetzen und mache Gebrauch davon.

Die Adresse dieses herrlichen Domizils ist:

Klintegarden, Paul & Toni Möller

Hjembäkvej 54

Sangstrup, 8500 Grenaa

Tel. 86 33 23 04, Fax 86 33 23 15

11 Sonntag, 28.7. Grenaa – Varberg - Stravalla, 142 km

 

Zum Frühstück fehlen mir ein paar Scheiben Weißbrot für die Orangenmarmelade, da lasse ich mir in der Küche ein paar geben. Die werden dann später extra berechnet. Nach dem Frühstück noch einmal zur Steilküste für ein paar Fotos, die Kormorane sitzen immer noch auf ihren Pfosten.

Das Schiff von Grenaa nach Varberg geht um 13.00 Uhr. Da kann man alles langsam angehen lassen. Alles eingepackt, Rechnung beglichen (inkl. Weißbrot), dann geht es gemütlich zurück nach Grenaa. Auf dem Weg passiert man den Leuchtturm Fornæs Fyr, ein schöner Abstecher. In Grenaa muss nun noch eine Weile abgebummelt werden. Das fällt in der Umgebung des Hafens nicht schwer, da gibt es immer was zu gucken. Am Ende lande ich draußen auf der Mole, da kommt auch schon die Stena Nautica von See heran. Vor mir steht ein Mann auf der Mole wie das personifizierte Fernweh, aber dann winkt er einem Kind zu, das vom oberen Deck herunter jauchzt. Das will er wohl abholen.

Nachdem das Schiff angelegt hat, ist es ganz interessant zu beobachten, welche Massen nun aus dem Schiffsbauch heraus quellen. Ein Vater zeigt seinem Sohn die geöffnete Ladeklappe und sagt:

„Jetzt kannste mal reingucken, guck mal wie lang das ist, da fällste tot um“.

Dann muss man einchecken und kommt in Spur 1 zu stehen, da finden sich immer die Rad- und Motorradfahrer, die dürfen dann als erste an Bord. Mit dabei ist eine dänische Gruppe, die haben Anhänger und allerlei merkwürdiges Gepäck, wie z.B. einen Hocker quer über den Rucksack geschnallt. Vielleicht wollen die in Schweden angeln?

Nachdem die Räder weisungsgemäß verstaut sind, geht man eine Treppe nach der anderen nach oben, am besten lagert sich man auf dem Sonnendeck. Ich weiß gar nicht, wie ich die vier Stunden Seefahrt rumbringen soll. Natürlich ein Rundgang durchs Schiff, erst mal die restlichen dänischen Kronen in schwedische umgetauscht. Man kann nun wählen zwischen Supermarkt (Kaufrausch), Slotmachines (Spielrausch) oder Fast Food Versorgung (Fressrausch). Mich lässt das alles kalt, ich gehe wieder auf das Sonnendeck, packe mir etwas unter das Genick und lege mich in einer windgeschützten Ecke auf das blanke Deck in die Sonne. Und da muss ich wohl eingeschlafen sein, denn plötzlich sind 1 ½ Stunden auf das Angenehmste vergangen.

Bis man sich de Augen ausgerieben hat, kann man auch schon die schwedische Küste sehen und man ist dann bald in Varberg. Das sieht hier ja fast schon wie Schären aus? Wieder als erste verlassen wir Fahrradfahrer den Laderaum. Es ist kurz nach 17 Uhr, die Sonne scheint und Südwind!!! Da kommt man ja wohl nicht auf die Idee, jetzt schon nach einem Quartier zu gucken, sondern geht erst mal auf Strecke. Ich finde einen Radweg gen Norden, der schon kurz hinter Varberg in die Botanik führt. Beschildert ist das Ganze mit Ginstleden Cyklespåret. Was das wohl heißen mag? Ich bin einigermaßen ahnungslos und habe auch keine Karte. Zur Linken sieht man ab und zu so etwas wie eine Schärenküste, da ist man ja wohl auf dem richtigen Wege. Als Radfahrer entgegen kommen, wird gefragt „Geht’s hier nach Norwegen?“  Ja so ungefähr, jedenfalls ist der Ginstleden ein Radweg an der schwedischen Westküste entlang. Was mich erwarten mag, kann ich schon mal am Campingplatz Kärradal sehen, der ist voll belegt. Hier soll die Schwedische Riviera sein (Halland). Ich kaufe mal zur Sicherheit alles notwendige ein, dass man auch hinter einem Heuballen oder so übernachten könnte. Es geht dann flott weiter nach Norden mit diesem schönen Rückenwind. Aber dann mache ich doch einen Fehler, der alles zunichte macht. Irgendwann folge ich nicht der Beschilderung, sondern meinem Richtungssinn. Es passiert das Unvermeidliche, nach so 7/8 km an Kraftwerken vorbei  über eine unattraktive Landstraße landet man in dem Ort Bua, von der See umspült, ein kleiner Hafen. Der einzige Weg der weiter führt, ist der Weg zurück. Das ist ärgerlich. Hätte ich vorhin 20 m weiter nach vorne geschaut, hätte ich die Radwegbeschilderung bemerken müssen. Das Missverständnis hat seinen Grund darin, dass die Route auf eine Schnellstraße führt, die E6 womöglich? Jedenfalls eine Hauptstraße direkt nach Norden. Da rechnet man ja nicht damit.

Irgendwo sehe ich ein Schild: Rum & Frukost – gibt es da Früchte mit Rum oder so was? Nach einigem Grübeln komme ich drauf, aber da bin ich schon dran vorbei: Bed and Breakfast. In der Hoffnung, nun alle Augenblick ein solch verheißendes Schild zu sehen, geht es weiter voran. Aber da ist nichts mehr, vielleicht muss man heute noch bis in den nächsten größeren Ort Åsa, da soll ein Hotel sein.

Aber dann kommt doch noch das erlösende Schild: Rum. Über einen Schotterweg, ein älterer Herr wird heraus geklingelt und dann hat man sein Zimmer mit 3 Betten zu viel in so was wie einer ausgebauten Garage. Selbstverpflegung, Zahlen im Voraus, da kann ich morgen wieder früh weg. Nebenbei bemerkt ist der Juhe-Schlafsack nun fast schon mein wichtigstes Gepäckstück, denn in diesen einfachen Unterkünften gibt es keine Bettwäsche.

Ich fahre dann noch an den „Strand“, der liegt hinter einer Eisenbahnlinie und es baden da ein paar Jugendliche. Mehr ist da nicht zu sehen. Zurück im Quartier schmökere ich noch in dem ausliegenden Gästebuch, da steht zum Beispiel:

„Danke für alles. Es war eine super Nacht.

Die Betten waren weich und die Kissen waren gemütlich.“

Und man kann lesen:

„Endlich weiß ich, wie man sich im Knast fühlen muss.

Aber die Betten waren wenigstens trocken.

Doch die Luft war etwas modrig. Wir kamen noch nie so früh weiter wie heute.“

Vielleicht hätte ich doch noch ein wenig weiter fahren sollen?

12 Montag, 29.7. Stravalla – Orust/Hjälmvik, 160 km

 

Um 5.30 Uhr sthe ich auf, Frühstück mit Tee. Abwasch und los. Ich hätte gestern nicht mehr weiter fahren sollen, denn in Åsa gibt es nur ein steril wirkendes Motell und das nächste B&B wäre 20 km weiter gewesen. Dann kommt man in die Stadt Kungsbacka, da ist noch alles verschlafen. Dieses Mal finde ich den richtigen Weg und es geht weiter über schöne Nebenstrecken. Eine ganze Weile über eine ehemalige Bahntrasse, da ist allerdings eine Sperre nach der anderen, um den Rasern das Handwerk zu legen. Aber so kommt man auch nicht richtig in Schwung. Zeit, auch mal wieder an meine Pedale bzw. Tretlager zu erinnern, wo es weiterhin beharrlich knackt und kratscht. Aber mein Muskelkater ist überwunden. Zwischendurch ist die Strecke dann gesperrt, da will man gerade einen Sattelschlepper aus der Matsche ziehen. Das Seil ist schon gespannt, ich kann gerade noch drunter durch schlüpfen. Die Arbeiter schimpfen, aber wie lange hätte ich an dieser Stelle wohl warten sollen?

Zur Strafe verliere ich kurz vor Göteborg die Radbeschilderung. Schließlich landet man auf einem Radweg parallel zur E6, der führt dann in das Zentrum. Leider ist nirgendwo ein Stadtplan aufgestellt. So braucht es eine ganze Weile, bis man sich orientieren kann und das Informationsbüro findet. Dort kann man sich nicht sogleich bedienen lassen. „You must take a number“ sagt jemand. Trotzdem komme ich mit meiner Seventy seven dann gleich dran. Ein Stadtplan wird erst mal vom großen Block abgerissen. Dann händigt man mir eine Broschüre aus, die heißt Cykelspåret Bohuslän. Das ist eine Beschreibung des Radweges bis hinauf nach Norwegen, leider nur in Schwedisch und die Routenkarte ist wenig detailliert. Immerhin weiß man nun, wo es lang geht. Man schickt mich noch zum größten Buchladen von Göteborg (Akademiebokhandeln), aber die haben überhaupt nichts.

Damit habe ich in dieser quicklebendigen Stadt – die Häuser kommen mir so groß vor – genug Zeit verbracht und es geht über die Brücke der Göta Älv. Der Radweg Richtung Kungälv ist gut ausgeschildert. Das ist auch nötig, denn es geht ständig zwischen Autobahnen und deren Zubringern hin und her. Endlich lockt eine hohe Brücke, und auf die falle ich glatt rein. Nach deren Überquerung geht es einen steilen Berg hoch, da verweilt man erst einmal und wittert. Schließlich merke ich es, das war die falsche Brücke, hier geht es so Richtung Vättern See oder so was. Steht eigentlich nicht auf dem Programm.

Über die hohe Brücke zurück und da ist ja auch die Beschilderung in die andere Richtung. Die „richtige“ Brücke über die Nordre Älv ist nun gerade hochgekurbelt und man muss warten, bis ein Segelboot passiert hat. Rechts liegt die Festung Bohus. Wir fahren ein Stück flussaufwärts an der Göta Älv entlang. Und dann wird es bergig, das ist man ja gar nicht mehr gewohnt. Dafür ist die Landschaft sehr schön, Waldteiche und Wiesen, zwischendrin auch mal ein Golfplatz. Am Schluss kommt man wieder an der Küste raus, in Jörlanda. Bis zu dem denkwürdigen Ort Stenungsund geht es nun auf der Landstraße dahin, zum Schluss durch eine Baustelle in dichtestem Verkehr. Man sieht schon auftauchen, was den Ort Stenungsund denkwürdig macht: eine große Brücke hinüber auf die Insel Tjörn, Teil des Schärenarchipels.

An der Brücke ist erst mal eine große Tankstelle und viel Verkehr. Für die Radfahrer gibt es eine Unterführung und man gelangt auf den Radweg über die Brücke. Da schwebt man dahin, hoch über dem Wasser. Die Route führt wieder auf Nebenstraßen, und die Orte sind so klein, dass es da keine Unterkunft gibt. Ein Damm oder Brücke führt auf die nächste Insel Mjörn und eine weitere Brücke nach Orust. Da ist tatsächlich ein Schild an der Straße: Rum. Ich biege gleich ab und nach wenigen hundert Metern: Full. Von oben gucken Leute schadenfroh, wie ich wieder zurück fahre. Ich bin innerlich schon wieder auf eine Nacht im Freien eingestellt.

Und da ist dann noch ein Schild: B&B. Es geht um ein paar Ecken auf einem Schotterweg, an jeder Kreuzung hat man ordentlich das B&B markiert. Schließlich so ziemlich das letzte Haus, traumhaft gelegen: ich kann allein das ganze Obergeschoss bewohnen. Nach der heutigen Kilometerleistung kann man die wohltuende Regeneration gut brauchen. Vom Balkon hat man einen tollen Ausblick auf die Natur und eine dahinter liegende Bucht. Ich bekomme einen Teller und Besteck und bestreite das Abendessen wieder einmal selber.

13 Dienstag, 30.7. Hjälmvik - Grebbestad, 121 km

Heute bekomme ich ein gutes Frühstück und ich freue mich auf den Tag, der einige Genussstrecken durch die Schären bringen wird. Meine Gastgeberin erzählt, dass sie wohl die einzige B&B Station auf der Insel ist. Die meisten Leute mögen wohl keine Gäste von der Straße oder so was. Die Adresse ist:

Lena Hansson, Hjälmvik 3249, 472 97 Varekil

Tel 0304-41060  Fax 0304-4853

Wir tauschen noch die Internetadressen aus, dann starte ich in einen herrlichen Tag. Der erste Ort heißt Nösund. Der ist noch ziemlich verschlafen, die ersten Badegäste stellen sich ein. Man hat einen herrlichen Blick über das Wasser auf die Schären, das muss man sich erst mal so richtig rein ziehen.

Wenig später hat man eine hübsche Fährfahrt nach Malö. Für die Gegend ist die Strecke recht bergig, bis man den Ort Fiskebäckskil erreicht. Das ist ein Touristenzentrum und es herrscht mal wieder ordentlicher Trubel. Ich warte auf das Schiff hinüber nach Lysekil. Nur mit Mühe kann man mich daran hindern, das Charterboot Harry zu entern, das dann auch gleich ablegt und ganz woanders hin fährt.

Um 12.40 Uhr kommt dann das reguläre Boot und man kann die Überfahrt genießen. Lysekil ist wohl der bekannteste Ort der Gegend, wohl wegen seiner hochgelegenen Kirche, der Rest ist ziemlich verbaut. Ich halte mich hier nicht lange auf, leider endet aber auch der schöne Teil der heutigen Etappe. Man fährt auf der Landstraße 162 und dann um die Stadt Brastad herum auf der alten Straßenführung. Man biegt auf die 171 und fährt über einen Berg hinunter zum Åbyfjorden. Man kann hier eine Abkürzung fahren und vermeidet den Schlenker über Bovallstrand. Allerdings ist die Sache wieder recht bergig. (Mein Tretlager quietscht immer noch, wohlgemerkt).

Dann geht es immer an der Küste lang, wenn man die See erreicht, geht es bergab, anschließend ordentlich wieder rauf. Ich passiere Hamburgsund, ein größerer Ort. In der Touristeninformation wird mir gesagt, dass so ziemlich alles ausgebucht sei. Also fange ich von jetzt an, mir etwas zum Übernachten zu suchen. Der erste Campingplatz in Långesjö ist voll. Ein Anwesen mit angezeigten Zimmern ist verlassen, da zeigt sich kein Mensch. Die restlichen Hinweisschilder sind zugehängt weil belegt. Was ist bloß hier los, es ist doch mitten in der Woche? Kurz vor Grebbestad folge ich noch mal einem Hinweisschild „Stuga“. Dort werkelt ein Mann im Garten, der spricht gut Englisch. Auch da ist alles voll. Wir unterhalten uns eine Weile, man versucht sogar, mir zu helfen und im Touristenbüro anzurufen. Aber da ist zu viel Trubel. Ich solle man weiter suchen, wenn sich nichts findet, dann könnte ich hier in der Scheune schlafen. „Da bleibe ich doch gleich da“ – was soll man noch lange in der Gegend rum suchen. „I am a romanticist, I love the private atmosphere“ sage ich noch. Erst muss die Frau gefragt werden, dann werden wir uns schnell einig und ich werde eingewiesen. Da gibt es einen Wasserschlauch und einen Blecheimer zum Waschen. Die Toilette ist ein herkömmliches Plumpsklo, gespült wird mit Sägespänen. In der Scheune stellen wir ein Feldbett auf. Tische und Bänke sind auch da, hier wird manchmal gefeiert. In einer Truhe finden sich Pappteller und Einwegbestecke. Als Tisch dient ein Ackerwagen mit aufgelegten rohen Brettern.

Bei meinem einsamen Abendessen (Krabbentopf – wie gehabt) unterhalten mich ein paar Schwalben, die hier unter dem Dach nisten und etwas aufgeregt sind. Irgendwo kratzt noch etwas im Gebälk, ich kriege aber nicht heraus, was es ist. Jedenfalls hängt man die Lebensmittel nach Trapperart (wegen der Bären) lieber an einen Nagel. Als es mir an nichts mehr fehlt krieche ich in mein Feldbett, es ist so warm, dass ich die Zudecken nicht einmal vermisse. Wieder bewährt sich der Juhe-Schlafsack.

14 Mittwoch, 31.7. Grebbestad - Frederikstad, 134 km

 

In der Frühe vor 5 Uhr beginnt das Schwalbenkonzert. Da ist an Schlaf nicht mehr zu denken. So kann ich wieder sehr früh aufbrechen. Um nicht so anonym zu verschwinden, hinterlege ich meine Visitenkarte mit einem Gruß nebst 100 DKr. Vielleicht nehmen sie dann gern auch den nächsten Gast auf. Um den Namen meiner Gastgeber zu erfahren, gucke ich noch an der Tür nach, aber da steht nur Turi & Hans Martin.

Erst mal nach Tanumshede, da trifft man wieder auf den Cykelspåret Bohuslän. Die Schilder am Straßenrand mit Rum oder Stuga sind allesamt verhängt. Ob das Hotel in Tanumshede auch besetzt ist, weiß ich nicht. Nach einigem Rumgesuche finde ich den Radweg wieder und mache die erste Rast an der Kirche in Lur. Die Strecke führt ausnahmslos über Land durch Wälder, Heide und Felder. Man landet in dem Ort Skee direkt an der E6. Ein Stück auf dieser Art Autobahn bleibt einem nicht erspart, dann geht es wieder durch die Botanik Richtung Strömstad. Ich treffe auf zwei rastende Damen aus Münster, die fahren von Göteborg nach Oslo. Ich kriege auch einen Keks ab. Die beiden Damen haben eine tolle Broschüre über die Nordseeroute in Norwegen, da kann ich nur staunen. Ich besorge mir so was immer nicht gern vorher, weil man dann so viel Gewicht mitschleppt. Vielleicht bekommt man das an der Grenze.

Vor Strömstadt fährt man noch einmal an einer schönen Schärenküste entlang (sofern sie nicht von einem Riesencampingplatz verschandelt ist). Strömstad selbst gibt mir nichts – wie immer zu viel Hektik. Bald ist man wieder draußen und fährt auf schöner Strecke aber anhaltend bergig bis Svinesund, wo man von dem brausenden Verkehr aufgenommen wird und augenreibend an der Svinesundbrücke endet. Ich darf noch vermelden, dass mit dem Verlassen von Schweden mein Tretlager das Knacken einstellt. Nun schwebe ich wieder lautlos dahin.

Nun werden wieder die restlichen Schwedischen in Norwegische Kronen umgetauscht. Im norwegischen Touristenbüro bekomme ich auch die gewünschte Broschüre, ohne die wäre die Weiterfahrt ziemlich sinnlos gewesen. Sie heißt Sykkelguide Kystruta, Svinesund – Kristiansand. Sie ist dreisprachig (N,GBR,D) und enthält auch Übernachtungshinweise, das ist fast das wichtigste. Die Küstenroute heißt hier R1 und ist durch rote Schilder markiert.

Nach gut 2 km auf der E6 erreicht man das erste R1 Schild und fährt dann auf der alten Trasse der E6. Da ist immer noch genug Verkehr. Zwischendurch mal eine ruhige Strecke, aber ab Sarpsborg gerate ich auf die Landstraße 111 mit Radweg und Rückenwind. Es lockt schon wieder eine hohe Brücke vor Frederikstad, aber man biegt besser Richtung Gamlebyen ab, das ist die Altstadt in Form einer Festungsanlage von 1663. Es ist dort verkehrsfrei und romantische altertümliche Gassen vermitteln eine entspannte Atmosphäre.

In die eigentliche Innenstadt von Frederikstad gelangt man dann mit der Fähre über den Fluss Glomma. Hier ist schnell ein Hotel gefunden (City Hotel) und man kann sich mal wieder einer komfortablen Unterkunft erfreuen. Die Lokale entlang der Promenade an der Vesterelva sind voll besetzt, wo man im Freien sitzen kann und sieht um gesehen zu werden. Genau das selbe machen die stolzen Besitzer der Boote und Yachten, die hier am Pier fest gemacht haben.

Ich lande natürlich wieder beim Chinesen und fülle die Nahrungsdefizite soweit es geht wieder auf. Immerhin war ich in Schweden weder in einem Hotel noch habe ich abends einmal im Restaurant gegessen.

Im Hotel musste ich heute leider die Minibar aus räumen zugunsten einer 1.25 L Flasche eines eigens hier nach Originalrezept gebrauten Bieres mit dem Namen Frederikstad Pilsener. Das Etikett habe ich mal abgeweicht als Erinnerung. Die Flasche kostet so viel wie bei uns eine gute Flasche Wein. Genussmittel sind neben Lebensmitteln besonders teuer in Norwegen.

15 Donnerstag, 1.8. Frederikstad - Larvik, 120 km

Beim Frühstück im City Hotel bin ich umgeben von lauter Pensionären, teils aus Schwaben – die treffe ich ja immer wieder. Hinter Frederikstad verfahre ich mich sogleich, kann dann später aber 5 km zur Kirche Onsøy zurück fahren, wo der R1 verläuft. Wieder geht es durch die Botanik, Kiefern und Getreidefelder. Vor Moss wird eine 10 km lange Schotterstrecke deklariert, die beginnt gleich so grausig, dass ich doch lieber die Straße 118 mit Radweg wähle.

Die Stadt Moss hat das Nachsehen, von der habe ich nicht viel gesehen und sie nicht viel von mir. Denn am Schalter zur Fähre nach Horten heißt es: das Schiff geht in drei Minuten. Hinter mir hupt schon ein Wohnmobil, die wollen auch noch mit. Als ich an Bord bin, gucke ich erst mal nach, ob ich überhaupt auf dem richtigen Schiff bin: Horten – doch stimmt! Die Überfahrt über den Oslo Fjord dauert gut 30 Minuten. Ich gucke immer in Richtung Oslo, kann die Stadt mit ihren massigen Rathaustürmen aber nicht erkennen. Da war ich auch schon zweimal vor mehr als 30 Jahren.

In Horten soll man sich laut Beschreibung die Storgata wegen ihrer Blütenpracht angucken, das versuche ich vergeblich. Dann folge ich der Beschilderung, gelange an einen Badestrand und die Beschilderung führt einen nach links, also zurück? Damit bin ich nicht einverstanden. Ich irre zwischen den Badegästen herum, die mich mit dem vollgepackten Fahrrad unter wolkenlosem Himmel sicher nicht beneiden. Dann folge ich meinem Richtungssinn in bewährter Weise. Bald kommt von links verstärkter Verkehr und auch das R1 Zeichen ist wieder da. Des Rätsels Lösung: es gibt einen Tunnel, wohl unter den Badegästen durch oder so.

Das nächste Stück Radweg ist abenteuerlich und eher eine Mountainbike Strecke. Eng und matschig durch einen Park, ein Moutainbiker zeigt mir, was eine Harke ist. Ab dem Ort Asgårdstrand befindet man sich wieder in zivilisiertem Gebiet. Das ist alles touristisch erschlossen und es herrscht reger Badebetrieb an diesem Tag wie am Mittelmeer. Ich habe den Wind von hinten und die Sonne von vorn. Ich brauche eine Schirmmütze um das Blenden zu reduzieren. Meistens vergesse ich beim Einkaufen dann, nach einer Mütze zu sehen. Einmal lande ich auch in einem Baumarkt.

Auf den Campingplätzen sind sogar Hütten frei, wie man lesen kann. Das beruhigt. Es folgt – wie es heißt – die kleinste Fähre Norwegens. Da steht eine kleine Hütte, quer durch läuft eine Ameisenstraße. Um übergesetzt zu werden, muss man eine Klingel mit einem abenteuerlichen Hinweisschild bedienen: „Ring en Gang...“. Ich klingle also, man hört es sogar vom gegenüber liegenden Ufer her. Aber nichts regt sich. Während mir die Ameisen in die Sandalen krabbeln, mache ich schnell eine Aufnahme von dieser bizarren Rufeinrichtung. Dann entdecke ich, dass da doch einer in einem Stuhl im Schatten sitzt und der schweren Tätigkeit des Dasitzens nach geht. Punkt halb klingle ich noch mal, denn jede volle Viertelstunde ist angesagt.

Nun regt sich was und der Fährmann kommt rüber. Für 5 Kronen werde ich übergesetzt. Man fährt nun eine Weile über Felder und Wälder auf den Inseln Husøy und Nøtterøy. In Tenvik wartet der nächste Fähranleger, diesmal auch gleich die Fähre, so dass es gleich weiter geht. Man kann hier gleich durch fahren, vorbei an der idyllischen Insel Veierland, wo das Schiff zwei mal anlegt, zurück ans Festland. Dort ist man dann gleich in Sandefjord, einer größeren Hafenstadt. Von hier gibt es eine Schiffsverbindung nach Strömstad, Schweden. Hätte man dann ja alles leichter haben können, per Schiff, aber das ist ja nicht der Sinn der Sache.

Die letzte Strecke nach Larvik verläuft auf der Hauptstraße. Noch mal in einer Bushaltestelle (heute braucht man Schatten) Rast gemacht. Oh weh, da muss gleich ein Bus kommen. Tut er auch und hält extra an. Dabei will ich gar nichts von ihm. Der Fahrer lacht. In Larvik gibt es zwei Hotels. Beim ersten steht „Rum ledig“. Das zweite – Quality Hotel Grand Farris – ist als fahrradfreundlich eingestuft. Da entscheide ich mich für dieses. Zwei China Restaurants sind um die Ecke, da kann man sich sogar eines aussuchen. Hinterher ein Rundgang, da ist nicht so viel zu sehen.

Nach diesem heißen Tag ist am Abend eine Wäsche der wichtigsten Kleidungsstücke fällig. Der alte Trick: Wäsche auswringen, in ein Badetuch einwickeln und darauf herum trampeln, dann ist sie fast schon trocken. Die verbrannten Hautpartien im Gesicht, auf den Ohren und den Ellbogen behandele ich mit Penatencreme, das wirkt optimal.

16 Freitag, 2.8. Larvik - Kragerø, 76 km

Mit der Sonne ist es schon wieder vorbei, aber der Wind weht immer noch aus der für mich richtigen Richtung. Durch einen verschlafenen Ort Stavern (da steht eine Kanone in einem Militärgelände herum) geht es in zügiger Fahrt nach Helgeroa, da soll wieder eine Fähre warten. Es ist Punkt 10 Uhr, aber es wartet keine Fähre. Es ist auch kein Anleger zu sehen. Schließlich erfahre ich von zwei Fischern oder so was, dass das nächste Schiff um 12 Uhr fährt. Das vorige ist um 9.30 Uhr gefahren, das wird mir in den Kies gemalt. Also 2 Stunden warten oder 45 km Rad fahren? Man muss es ja nicht übertreiben, die zwei Stunden wird man schon irgendwie rumkriegen.

Erst mal auf eine Bank setzen und alles überdenken. Dann fängt es an zu nieseln, da muss man sich eine andere Bank suchen. Hier befinden sich eine Reihe von Buden, die nennen sich „Helgeroa Marina“. Da sind ein paar Läden und die sanitären Anlagen für die Bootsanlieger untergebracht. Inzwischen habe ich in einem nahen Campingshop nun auch eine Mütze für 50 Kr. gefunden. Im Marina Mode Shop kosten die Mützen schon 100 Kr. Als ich einmal um die Ecke schaue, ist das Schiff bereits da, hat man gar nicht gemerkt. Da kann man schon mal an Bord und die Zeit bis zur Abfahrt ist dann auch schnell herum.

Die Fahrt durch die Schäreninseln ist ein Erlebnis, schade, wenn man das verpasst hätte. Man fährt sozusagen auf Armlänge an den Felsen entlang, an einer Stelle passt das Schiff zentimetergenau zwischen zwei Felsen durch. Man kommt schließlich gegen 13 Uhr in Langesund an. Nun muss man wieder selbst für das Vorankommen sorgen. Erst mal wieder ein wenig rauf und runter, dann kommt eine Abzweigung wo man überlegen muss. Es ist von einer spannenden Strecke reich an Flora die Rede und diese ist als unbefestigt gekennzeichnet. Alternative ist nur die Europastraße E18.

Gehen wir das Wagnis mal ein. Wenn man das bergauf- und auch das bergab-schieben nicht scheut, dann ist man hier richtig. Sicher ist die Natur beeindruckend, sagen wir mal naturbelassener Schärenwald. Nach der letzten Abwärts Steigung lese ich „Nervigbakken“. Das ist ja zum totlachen, da muss gleich ein Foto gemacht werden. Aber es heißt richtig „Hervikbakken“ (gefährliche Steigung?). Man schiebt da hinunter, beide Bremsen angezogen, und das Rad rutscht einem immer noch weg.

Man kommt bei ein paar Häusern raus, die Welt ist hier zuende. Der Radweg geht in gleicher Weise noch weiter, aber man kann sich auch durch die E18 erlösen lassen. Da muss man ein paar hundert Meter im Verkehr fahren, und das ist auch kein Vergnügen, die reichen einem dann schon. Es geht auf und ab nach Valle, dann sind es noch 26 km bis Kragerø, die müssten noch zu schaffen sein. Man passiert auf der Höhe viele Waldseen, ab und zu fährt man hinunter an die Küste mit reizvollen Ausblicken.

Neben der Straße finde ich eine runde kahle Schäre mit Ausblick auf eine Bucht. Das ist ein so schöner Rastplatz, da möchte man gar nicht wieder weg. In Kragerø ist man schnell durch einen Tunnel. Auf der Insel Øya gibt es ein Ferieleiligheter, was immer das heißen mag. Da kann man ja mal nach einer Übernachtung fragen. Wieder alles besetzt. Die Leutchen sind aber so freundlich und rufen mal eben im Hotel Victoria an. Da bekomme ich noch mein Zimmer.

Der Termin für die morgige Bootsfahrt wird ermittelt (9.35). Dann muss ich eine Ansichtskarte versenden, wegen des hiesigen Ortsnamens an Krögers in Cuxhaven. Zum Abendessen versorge ich mich wieder selber mit – was wohl? – Krabben und Käse.

Als es mir wieder gut geht krame ich – das einzige Mal – das Fernglas raus und entdecke: einen Walfisch. Der schwimmt aber nicht im Meer, sondern wird aus einem flach liegenden Felsen gebildet. Ansonsten besteht der vorbei fließende Verkehr hier mehr aus Booten als aus Autos.

17 Samstag, 3.8. Kragerø - Tvedestrand, 65 km

Beim Frühstück wandert in leiser Vorahnung das eine oder andere in die Lenkertasche. Dann lasse ich mir von einem Hotelangestellten die Garage aufschließen, um das Rad zu holen, und mache ihn auf den Felsen-wie-ein-Wal aufmerksam. Das hat er noch nie gesehen, vielleicht denkt er auch: der spinnt, der Gast. Trotzdem fahre ich hinüber und mache ein Foto und überlasse es jetzt den Internetlesern zur Beurteilung, ob ich spinne. 

Man begibt sich zum Anleger in der Hoffnung, dass da heute überhaupt ein Schiff kommt. Noch sieht es nicht so aus. Ein Ehepaar kommt noch heran, sie sind aus Oerlinghausen und radeln die Strecke Göteborg – Kristiansand. Sie übernachten vorwiegend in Jugendherbergen. Einmal hätten sie eine Elchkuh mit einem Kalb gesehen. Kaum zu glauben!

Es kommt dann etwas verspätet ein Taxiboot. Kaum ist alles verladen, da braust das los, schnell wie ein Auto. Nach wenigen Minuten steigen wir aus in Stabbestad, von dort geht es 20 km auf der ruhigen 351 wieder reichlich rauf und runter. Schöne Waldseen laden zur Rast ein.

Man kommt nach Øysang, wo man wieder ein Boot nehmen kann und die 28 km nach Risør einspart. Das Ehepaar bevorzugt den Landweg, ich begebe mich erst mal zum Anleger. Es ist 11 Uhr, die offizielle Fähre fährt erst um 13 Uhr. Aber da stehen eine Menge Leute, die warten auf ein Taxiboot. Als das Taxiboot so nach einer halben Stunde kommt, sind es so an die 60 Personen geworden. Etwa 50 nimmt das Boot auf, der Rest muss zurück bleiben. Ich mit meinem Rad natürlich auch. In einer Stunde käme man wieder. In dieser Stunde kann man Aufzeichnungen machen, herum laufen und fotografieren, und wenn man damit fertig ist, vor sich hin dösen. Dann ist die Stunde rum und das Boot kommt tatsächlich  wieder. Diesmal drängele ich ein bisschen und gelange ordnungsgemäß an Bord. Ein Ehepaar mit Kinderwagen hat erneut das Nachsehen.

Die Überfahrt ist wiederum ein Genuss, ich bereue es nicht, auf den Landweg verzichtet zu haben. Obendrein hat man ja auch Kräfte gespart. In Risør, das „Den hvite by ved Skagerrak  genannt wird, ist es schwarz vor Menschen. Das ist ja fürchterlich. Am Hafen liegen eine Menge Rahsegler, meistens Zweimaster. Risør trebåtefestival ist zu lesen. An der Hafenzeile sind Buden aufgebaut, die kosten Eintritt. So schnell ich kann, kehre ich dem ganzen den Rücken. Die Zufahrtsstraßen sind schon gesperrt, es gibt wohl im weiteren Umkreis keine Parkplätze mehr.

Nach kurzer Fahrt kommt mir das Ehepaar auf dem Landweg entgegen. Die sind allerdings ganz begeistert von der Strecke hierher, aber ich habe ja auch meinen Spaß gehabt. Sie wollen trotz des Trubels nach Risør und einen Blick in das Seewasseraquarium werfen.

Ab der Abzweigung der Straße 411 (Bossvik) wird es ruhiger. Die Steigungen werden allmählich sachter, und in der schönen Landschaft schmelzen die Kilometer dahin. Schließlich erblickt man schon weitem den Ort Tvedestrand, wie an den Berg geklebt. Ich beschließe, hier über Nacht zu bleiben. Vorher muss man noch durch einen Tunnel. Das einzige Hotel hier ist „full booked“. In der Touristeninformation kann man mir nur einen Campingplatz sagen, da wären noch Hütten frei. Aber der liegt ein paar km weg an der E18. Was bleibt einem anderes übrig, ich mache mich auf den Weg. Da kommt ein scharfer Pfiff von hinten und einer kommt mit meinem Portemonnaie angelaufen, das habe ich in der Info liegen lassen. Bin ich schon zu schusselig? Aber am nächsten Supermarkt um die Ecke hätte ich es auch gemerkt.

Nach dem Einkauf fahre ich also zu dem Campingplatz, vorher ist da auch eine ordentliche Pension, aber heute habe ich wieder Bock auf eine Hütte. Hinter einer Tankstelle ist dann der Campingplatz Holt, ein öder Ort mit ein paar Hüttenzeilen. Ich nehme eine der teueren Kategorie (Hütte 6), trotzdem ist da weder Bettzeug noch Geschirr oder Kochtopf vorhanden.

Zum Telefonieren begebe ich mich noch einmal zur Tankstelle. Das Telefon geht nicht: „Bytt Batterie“ meldet es. Der Angestellte ist nicht in der Lage, den Schaden zu beheben, so bin ich wieder einmal drei Tage lang verschollen. In meiner Hütte gucke ich immer aus dem Fenster, ob die Oerlinghauser nicht noch kommen, hatten die nicht etwas von einer Hütte gesagt? Aber die tun sich so etwas sicher nicht an.

Nach dem Speisen (200 g  Krepsehaler von Fiskemannen) setze ich mich nach draußen mit einem schönen Blick auf eine Schafweide, dahinter steht der Wald wie eine schwarze Wand. Wer es genau wissen will: es sind 11 weiße und ein schwarzes Schaf, und wenn das Leitschaf mit der Glocke sich kratzt, klingelt es Sturm. Bis Mitternacht sind alle Geräusche eingeschlafen und es war doch ein recht schöner Abend.

18 Sonntag, 4.8. Tvedestrand - Kristiansand, 136 km

Nach den beiden kurzen Etappen der vergangenen zwei Tage habe ich mir für den letzten Tag noch einmal eine längere Strecke aufgehoben. Ich fahre sogar zurück nach Tvedestrand, obwohl man auf viel schnellerem Wege nach Arendal, der nächsten Stadt, kommen könnte. In Tvedestrand gibt es das angeblich schmalste Haus Norwegens. Das, was ich dafür halte, ist aber eine Enttäuschung. Da ich wieder recht früh unterwegs bin, außerdem ist Sonntag, gibt es so gut wie keinen Verkehr. In Kilsund fährt man einen Umweg, dafür hat man wieder ein wunderschönes Fjordpanorama.

Schnell bin ich in Arendal, da ist oben neben der Straße eine Bank mit einer guten Übersicht. Da wird sich erst mal hingesetzt. Weiter nach Grimstadt geht es auf der Hauptstraße, nicht so reizvoll. Ausgangs von Grimstadt passiert man ein Felsentor. Als ich die 2000 km Marke dieser Tour erreiche, krebse ich gerade wieder in der Gegend herum und suche den Radweg. Der wird gefunden und wartet nun zum guten Schluss mit einer dicken Überraschung auf. Man darf sich der „Westnorwegischen Hauptstraße“ oder „des alten Königsweges“ erfreuen, Teil einer eigenen Radroute (Vestlandske Hovedvei). Auf welligen Schotterwegen heißt es in der Broschüre, 8.5 km lang. Das beginnt wie ein ausgewaschenes Bachbett steil bergauf. Es folgt eine hohe Brücke über einen Kanal, da kommt auch gerade ein Boot vorbei. Dann regelrecht durch eine Schlucht, kaum kriegt man das bepackte Rad da hoch.

Als ich um eine Ecke schiebe, steht da eine „blonde Schwedin“ – nein, es ist eine graumelierte Norwegerin – mit einem Mountainbike, die cremt sich gerade die Lippen mit Labello ein. Die Dame ist erstaunlich sportlich, die kann ich nicht abhängen. Wo es ganz steil ist, schiebt sie aber auch das Rad. Einmal muss sie unterbrechen, da kriegt sie einen Anruf auf dem Handy. Langsam wird der Weg besser und als Häuser auftauchen hat man wohl das Schlimmste geschafft. Ein Mann mit einem Kinderanhänger erklärt sehr freundlich die Angelegenheit, dass dies früher mal die Hauptverbindung Oslo – Kristiansand war. Apropos Hauptverbindung: gleich danach finde ich mich für ein kurzes Stück auf der E18 wieder, dann folgt die Abzweigung nach Lillesand. Als ich raste, fährt meine graue Dame vorbei, die hat sich wohl noch länger auf  dem alten Königsweg rumgequält. Die Anstrengungen werden belohnt dadurch, dass nun die Sonne scheint und die Landschaft wieder Farbe bekommt.

Von Lillesand geht es geradewegs landeinwärts, immer durch den Wald, etwa 12 km lang, die sind nicht so abwechslungsreich aber schnell zu fahren. Man kommt nach Birkeland an den Fluss Tovdalselva. Dieser Fluss soll eines der besten Lachsgewässer sein, er sei getüncht (engl. limed, norw. kalket), so steht es in der Broschüre. Soll mir mal einer erklären, was das heißt. Damit bin ich auf dem letzten und auch einem der schönsten Teilstücke meiner Reise. Die Landschaft ist wie gemalt, eine unbeschreibliche Farbenpracht. Da stellt sich wieder Hochgefühl ein und man wünscht, dass das nie endet.

Leider nimmt der Verkehr nahe Kristiansand zu und man gerät zum Ende wieder auf Radwegen zwischen die Autobahnen – aber gut ausgeschildert. Die große Varodd Brücke, die man aber vermeiden kann, indem man den Bus nimmt, so steht es geschrieben. Mit gemischten Gefühlen fahre ich hinüber, die Fahrt ist nun zuende, aber auch die Anstrengungen.

Ich habe mir das Hotel Sjøgløtt in der Østre Strandgate ausgesucht, das liegt sehr günstig zum Fährhafen. Das ist die richtige Wahl, familiär und nicht so teuer, genau wie man es sich wünscht. Ein Blick an die Strandpromenade, zum Fährhafen und dann schnurstracks zum Chinesen. Da hätte man auch Buffet buchen können, aber da habe ich schon „normal“ gegessen.

Abends erstelle ich schon mal die Streckentabelle, die ist ja nun komplett.

19/20 Montag/Dienstag, 3./4.8. Kristiansand – Hirtshals - Rückfahrt

Morgens buche ich gleich die Überfahrt nach Hirtshals, sie geht von 13.30 bis 17.45 mit dem Schiff Christian IV. Um die Zeit bis dahin zu verbringen besuche ich Posebyen, ein alter Teil der 1641 schachbrettartig angelegten Stadt. Hier sind die weiß gestrichenen Häuserzeilen weitgehend im Originalzustand.

Danach geht es mit dem Rad hinauf nach Odderøya, einer vorgelagerten Halbinsel. Neben schönen Aussichten sieht man hier noch Reste der von den Deutschen angelegten Bunkern und Geschützständen. Die Kanonen hatten eine Reichweite von 8-10 km und sollten eine Invasion verhindern.

Beizeiten finde ich mich am Fährhafen ein, wieder auf Line 1 zusammen mit Motorradfahrern. Wo ward Ihr? Wieviel Kilometer (4400). Aber ich bin ja auch nicht besser, wenn auch nicht motorisiert.

An Bord bin ich diesmal schlauer und nehme meinen Rucksack mit nach oben. Nach einer Weile auf dem Sonnendeck wird es dort arg windig. Zwei Decks tiefer zwischen den Rettungsbooten kann man ein windgeschütztes Plätzchen finden. Den Rucksack im Nacken wird in bewährter Weise geschlummert, so ist die Überfahrt wunderschön.

In Hirtshals klappt alles nach Wunsch, Zimmer im Hotel Hirtshals Krø, nur am Bahnhof kann man nichts ausrichten, da ist alles dicht. Heute wieder eine Pizza, die Hirtshals Fiske Pizza, da sind komplette Octopusse drauf, ob die aus der Nordsee stammen?

Am nächsten Morgen erst mit einer Privatbahn nach Hjørring. Von dort kann man die Fernzüge nur mit Fahrrad-Reservierung benutzen. Dem Angestellten gelingt es tatsächlich, mir noch Reservierungen zu verschaffen, der Zug kommt immerhin schon in 20 Minuten. Da habe ich abschließend noch einmal Glück. In Fredericia umsteigen, von dort fährt der Zug direkt nach Hannover. So bin ich nach 12 Stunden Fahrt wieder zu Hause, dort warten Ehefrau, ein französischer Gastschüler, den sich Heidi inzwischen angelacht hat, und Hund Lotta auf einen erholten Weltenbummler, der allerdings mit einigen Kilo mehr im Gepäck (Prospekte, Marmelade, Würfelzucker) und einigen Kilo weniger auf den Rippen eintrudelt.