Im Zeichen des Massen- und Ferntourismus, bei überfüllten Autobahnen und belagerungsartigen Zuständen auf den Flughäfen fällt es einem nicht sehr schwer, dem allem den Rücken zu kehren, bescheiden seine sieben Sachen zusammenzusuchen und "von der Haustür weg" mit eigener Kraft die Schönheiten und Merkwürdigkeiten der näheren Umgebung zu erkunden. Wie sich zeigen wird, kann das sehr erlebnisreich sein, allerdings ist ein solcher Urlaub auch nicht gerade der billigste.
Wir - Heidi, Martin, Annika und Stefanie starten in aller Frühe noch vor 7 Uhr, weil es ein heisser Tag zu werden verspricht. Der etwas unsolide verlaufene Abschiedsabend zur Regelung der Blumen- und Tierversorgung steckt uns allerdings noch in Kopf und Knochen. Abschied vom Dorf erteilt uns der Küster mit dem Zuruf: "Wird heiss heute !", was unseren Kenntnisstand über die bevorstehende Tour wesentlich bereichert. Zunächst aber ist es angenehm frisch, und wir erreichen auf ausgetretenen Pfaden Stiddien und Timmerlah, ab dort aber wird der Weg über Raffteich, Lamme und Lehndorfer Holz zum Ölper See schon weniger bekannt.
Am Ölper See ist eine Bank für die erste Rast leider schon durch ein schlafendes Individuum belegt, so lassen wir uns ein paar Meter weiter an einem Anlegesteg unter reger Anteilnahme von Enten und Schwänen nieder. Als schliesslich das Individuum seinen Bankschlaf durch ein Bad im Adamskostüm vertreibt, haben wir genug gesehen und setzen die Fahrt bei wärmer werdendem Sonnenschein vorbei am Schulgarten über Querum, Waggum, Abbesbüttel nach Meine fort.
So langsam setzt die Hitze uns zu. Tische und Stühle vor einem Kiosk, die für ein Dorffest aufgestellt sind, laden zum Verweilen ein. Wenig später werden uns auch schon die Frühstückskarten der geschlossenen Gesellschaft offeriert. Obwohl wir zwar auch einen kleinen Kater haben, nicht aber der Meiner Festgesellschaft beitreten möchten, lassen wir uns aus dem Kreis der Festfreudigen hinauskomplementieren. Das bekommt Heidi schlecht, nachdem sie wohl ein paar Minuten zu lange in der Sonne gesessen hat, haut es sie glatt um (Kreislauf). Das notwendige Arzneimittel für diese Fälle ist natürlich zu Hause geblieben.
Ratlos sitzen wir eine Weile auf dem Rasen, ist unsere Reise nun zu Ende? Die gegenüber der Strasse Feiernden gucken schon ganz neugierig und gehen uns auf die Nerven. Nächster Vorschlag, wir versuchen aufzubrechen und irgendwo ein schattiges Plätzchen zu finden. Durch die Fahrt geht es Heidi etwas besser, ein schattiges Plätzchen findet sich auch nicht sogleich, so mogeln wir uns bei nun doch unerträglichen Temperaturen über Isenbüttel zum Tankumsee durch.
Hier ist nun erstmal Schluss, es gibt alles notwendige: Kiosk, Toiletten, Schatten und Wasser. Nachdem wir uns gestärkt haben, suchen wir uns auf dem Rasen einen Fleck für die Isomatten, dann geht jeder seiner Beschäftigung nach: Baden, Schlafen oder mit seinem Klabaster kämpfen. Allmählich aber bezieht sich der Himmel, eine drückende Schwüle lässt nichts gutes erwarten.
Wir machen uns also noch am frühen Nachmittag auf den Weiterweg nach Gifhorn. Dort angelangt beginnt schon ein kleiner Nieselregen. Wir beschliessen, uns hier eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Vorher geht es aber in ein hübsches Cafe an der Allerbrücke. Von dort aus bestelle ich telefonisch in einem Hotel in Garmsen zwei Doppelzimmer. Wir sind erstmal erleichtert, dass das geklappt hat. Nach einer Ehrenrunde um das Gifhorner Schloss und einem Blick auf das Gelände des Mühlenmuseums wird Gifhorn abgehakt und bei stärker werdendem Regen sind wir nach wenigen Minuten in Garmsen in unserer Unterkunft.
Die komfortablen Zimmer heben unsere Stimmung wieder, bezahlt wird ja erst am nächsten Morgen. An der Hauptstrasse finden wir ein griechisches Strassenlokal zum Abendessen. Bei leidlichem Appetit wird das allerdings kaum ein Festmahl. Noch ein paar Schritte durch das Dorf, wo die landwirtschaftlichen Betriebe zaghafte Schritte zu Ökoanbau und Selbstverkauf unternehmen. Stefanie und ich erkunden die Strecke für den nächsten Morgen, und dann sind wir schon sehr zeitig im Bett. Der Verkehr auf der vielbefahrenen Strasse sorgt für eine abwechslungsreiche Nacht mit auf- und abschwellendem Schlaf.
In der Nacht hat es stark geregnet, daher ist alles grau und verhangen. Ein übliches Hotelfrühstück stärkt uns, die für die Übernachtug präsentierte Rechnung allerdings gibt kaum Anlass zu guter Laune. Zum Glück hat der Regen der Nacht aufgehört, sodass wir bald aufbrechen können. Natürlich habe ich auf dem Vorderrad einen Platten, das wäre ja auch noch schöner, wenn das nicht auch noch dazwischenkommen würde. Lust zum sofortigen Beheben des Schadens habe ich natürlich nicht, sicher ergibt sich unterwegs in einer schöneren Umgebung eine gute Gelegenheit, dieses zu erledigen. Also Radlers hoffnungsvolle Schnellmethode: aufpumpen und Luftpumpe griffbereit halten. Das funktioniert auch erstmal eine Weile.
Nach wenigen 100 Metern auf der Hauptstrasse biegen wir rechts ab und orientieren uns weiterhin an den Betonpilzen, die den frisch eingeweihten Radweg Braunschweig - Lüneburg kennzeichnen. Entlang dem Platendorfer Moor und der Ise geht es durch Wiesen und kleine Waldstücke völlig verkehrsfrei. Ein besonders grosser schwarzer Vogel sitzt auf einem Zaunpfahl und krächzt mit ungewohnt sonorer Stimme. Wären wir nicht kürzlich im Naturhistorischen Museum gewesen und im Besitz der Weisheit, dass der Kolkrabe in Norddeutschland noch anzutreffen ist, hätten wir sicher nicht bemerkt, dass diese Krähe wie wie ein Kolkrabe aussieht. Ausserdem bekommen wir aber auch die üblichen Greifvögel sowie Kiebitze oder Graureiher zu sehen.
Irgendwann kommen wir an eine Wegverzweigung, die im Radwanderführer nicht erwähnt wird, da aber "der Weg nicht zu verfehlen" ist, fragen wir einen Forstarbeiter nach demselben. Der aber ist ziemlich unwissend, anscheinend sind die auch schon importiert. So entscheiden wir uns schliesslich für den falschen Weg, was allerdings nur zur Folge hat, dass wir später ein Stück Landstrasse von Wesendorf nach Wahrenholz fahren müssen.
Dort machen wir vor einer schönen Backsteinkirche Rast. Hier sehen wir auch eine Menge Radwanderer. Als wir wieder aufbrechen, stellen wir fest, dass sich auf dem Schornstein der Kirche ein gut besiedelten Storchennest befindet.
Nach dieser Attraktion geht es noch ein Stück auf der Landstrasse nach Schönewörde, hier aber wieder auf den Radwanderweg in die Botanik. Noch kann ich unter häufigerem Aufpumpen die drohende Reifenreparatur hinauszögern. Der Weg führt nun durch ein herrliches Wiesental zwischen Wäldern entlang dem Elbe - Seitenkanal. Hier trifft man keinen Menschen mehr an. Irgenwann erreicht man dann die Landstrasse von Wittingen nach Hankesbüttel. Es ist Mittagszeit, wir kaufen ein und setzen uns an einem Strassenbrunnen erstmal zur Ruhe.
Viel Lust zum Weiterfahren ist nicht erkennbar, so visieren wir das erste "Heuhotel" bei Bodenteich an. Nach erfolgreicher telefonischer Anmeldung brechen wir zu dieser vielleicht 10 km langen letzten Etappe auf. Ein Stück kaum befahrene Landstrasse, dann noch ein Stück durch ein grösseres Waldgebiet, alles nach Karte bis wir auf eine Strasse treffen, die auf der Karte nicht verzeichnet ist und meiner Meinung auch in die falsche Richtung führt. Um niemand zu beunruhigen, lasse ich meine Zweifel unerwähnt, ausserdem bin ich mittlerweile mit ständigem Vorausfahren unter hohem Tempo und hastigem Luftaufpumpen vollauf beschäftigt.
So bin ich der Glückliche, der als erster das Ortsschild "Lüder" passiert, wir sind also doch im richtigen Ort angekommen. Hier kann ich auch das Rad gut anlehnen, um wieder aufzupumpen. Nun weiter zur Dorfstrasse, da muss der Hof Mielmann liegen. Bis dort komme ich nun aber nicht mehr, allzu schnell lässt mich die eben eingepumpte Luft im Stich. So erreicht man den Hof mit Müh' und Not..., d.h. per pedes, und wir sind froh, am Ziel zu sein. Wir werden freundlich vom Bauern persönlich begrüsst und eingewiesen. Der Schlafplatz in der Scheune zwischen den Strohballen sieht urgemütlich aus, sogleich breiten wir unsere Sachen aus und widerstehen der Versuchung, dort gleich eine Siesta abzuhalten.
Aber erst geht es ans Reparieren des Vorderrads. Natürlich ist wieder ein alter Schaden verantwortlich, ein bereits geflicktes Leck hat sich zu einem längeren Riss gemausert. Mit einem grossen Flicken wird dieser zugepappt, lieber aber ziehe ich den mitgeführten Reserveschlauch auf. Allerdings hat dieser - wie ich verunsichert bemerke - auch schon an die zehn Flickstellen. Für den Rest der Fahrt hat er aber seinen Dienst erfüllt, wenn ich auch alle zwei Tage nachpumpen musste.
Nun ist es noch früh am Nachmittag, das Gepäck ist versorgt und es sind nur 3 km bis Bodenteich. Da fahren wir nun erstmal hin und nehmen Badezeug mit. Aber es ist zu wolkig, als dass wir uns in die Badeanstalt verziehen müssten. Der Ort bietet nicht allzuviel, irgendwann finden wir auch das Verkehrsbüro im alten Schloss, es wird eingekauft und auf einer Bank rumgesessen. Um die Zeit rumzubringen, machen wir einen kleinen Spaziergang, der in ein ungewisses Gelände führt. Auf Nachfrage bei ein paar Kindern erhalten wir eine äusserst verwirrende Auskunft über viele Brücken usw. Wir sehen ein kleines Wehr mit einem Unkrautfahrstuhl. Dann geht es auf besagtem Weg weiter, wie angekündigt über ein paar Brücken und man kommt wieder am Schloss raus.
Dort sehen wir eine "Radtour", d.h. eine vierköpfige Familie, die sich - wie es sich gehört - auch mit Informationsmaterial versorgt hat. Wir fühlen uns irgendwie überlegen, einmal sieht man uns nicht an, dass wir auch eine "Radtour" sind, und ausserdem haben wir - ätsch - ja schon Quartier. Unsere Familie zieht auch mit drehenden Köpfen durch Bodenteich, spricht sogar mal mit etlichen Passanten, offensichtlich suchen die noch. Wir albern uns darüber aus und finden das unerhört spassig. Schliesslich verlieren wir unsere Leutchen aus den Augen, während wir nach einem Esslokal Ausschau halten. So gelangen wir an das südliche Ende von Bodenteich, dort muss erst in einem Supermarkt eingekehrt werden. Nur mit viel Mühe gelingt es uns, nicht durch lautes Losprusten aufzufallen, da unsere Freunde sich dort auch gerade für einen - wie wir meinen - ungewissen Abend versorgen. Als sie das Geschäft verlassen haben, können auch wir einkaufen. Ich gehe aber schon vor die Tür, um nichts zu verpassen. Bald verschwindet die Truppe Richtung Ortsmitte.
Nach dem Einkauf gehen wir wieder zu unserer Bank am See, noch ist genug Zeit bis zum Abendessen, für das wir schon ein Lokal mit Hausmannskost ausgesucht haben. So machen wir nochmal einen Spaziergang am See entlang Richtung Bootsverleih und Minigolf.
Und siehe da: unsere Radtruppe lagert in einem Gebüsch am See und labt sich an den frisch erstandenen Vorräten. Ich bedaure, dass wir keinen Umweg finden, um meine prustenden Damen in einem grösseren Abstand da vorbeizulotsen. Beim Minigolf ist auch ein Kneippbecken, da gehen wir erstmal wie die Störche ein paar Runden. Auf dem Rückweg sehen wir unsere Familie nun nicht mehr - was mag aus ihnen geworden sein.
Nach Abendessen und Rückfahrt zum Heuhotel kann Stefanie noch eine Kutschfahrt mitmachen, wir unterhalten uns mit einem Berliner Ehepaar. Als wir uns schliesslich in unser Stroh verziehen wollen, kommt die Hausfrau von einer Geburtstagsfeier nach Hause und deckt uns noch eine Zeitlang mit einem wasserfallartigen Redeschwall ein. Das Nachtquartier teilen wir mit zwei Mädchen, die es sich mittels Heuunterlage auf einem Ackerwagen bequem gemacht haben. Ganz so komfortabel wird die Nacht allerdings nicht, Heidi versinkt allmählich zwischen zwei Strohballen, ein fortwährendes Rascheln vermag ängstlicheren und dem Mäusevieh nicht so freundschaftlich gesinnten Kreaturen den Schlaf zu rauben. Am unangenehmsten scheint mir die Staubentwicklung zu sein, die die Nase und Augen reizt. So haben wir das Übernachten im Heuhotel mal ausprobiert, weitere Wiederholungen wurden nicht vorgeschlagen.
Nach den zwei Tagen sind wir nun schon unmittelbar vor dem Wendland und freuen uns nun auf die Landschaft. Das Frühstück auf dem Bauernhof ist entsprechend gut, sodass auch noch einiges für unterwegs eingepackt werden kann. Bei schönem Wetter, leider leichtem bis mittelstarkem Gegenwind geht es erstmal über Schafwedel an einen Grenzübersichtspunkt. Das ist zwar eine Sackgasse, aber ein Grenzer freut sich offensichtlich über die Abwechslung seines langweiligen Dienstes und beteiligt sich interessiert an unserem Rastaufenthalt. Leider kann ich die Landjäger nicht finden, die ich von zu Hause mitgebracht hatte, sie haben sich auch im weiteren Verlauf der Fahrt nicht wieder angefunden, müssen also im Heuhotel verblieben sein.
Weiter geht es auf verkehrsarmer Strasse, kleine Berge würzen die Mühen, gegen den Wind zu fahren. Eine Mutter mit Sohn teilt unser Los, irgendwann überholen wir sie, während sie in der prallen Sonne an einem Feldrand Rast machen. Die Orte, die wir passieren, besitzen weder Geschäfte noch Lokale, sodass wir unsere Vorräte zunächst einmal nicht ergänzen können. So müssen wir uns nach Bergen an der Dumme durchschlagen, wo inzwischen die Geshäfte aber über Mittag geschlossen sind. In einem gemütlichen Imbisslokal können wir uns aber ausreichend stärken. Eine bereits dort speisende Radfahrergruppe kommt aus Hankesbüttel und will weiter nach Lüchow. Danach kommt ein Knabe an unseren Tisch, der zwar Sprachschwierigkeiten hat, sich ansonsten bei der Vergabe von guten Ratschlägen, Aufzählung sämtlicher einschlägiger Storchennester samt Belegungszahlen usw. nicht genugtun kann.
Wir brechen schliesslich auf und versuchen, an der nächsten Telefonzelle ein Quartier zu sichern. Das gestaltet sich unerwartet schwierig. Nachdem fast alle Groschen verbraucht sind, habe ich noch immer keinen Erfolg, weil überall belegt ist. Endlich findet sich zumindest ein Doppelzimmer auf dem Reiterhof Henke in Satemin. Das ist natürlich ganz toll, da Satemin das wohl schönste Rundlingsdorf im Wendland ist. So bestelle ich gleich zwei Übernachtungen, da ist auch der von einigen gewünschte Ruhetag gesichert.
Jetzt haben wir massig Zeit und können so richtig bummeln. Erst verläuft die Strasse etwas eintönig, mit dem Gegenwind ist auch nicht zu spassen, aber die Sonne kommt einem dadurch nicht ganz so heiss vor. In Luckau gibt es wieder einen Höhepunkt in Gestalt eines Storchennestes auf einem Telegrafenmast mitten auf dem Dorfplatz. Dort lassen wir uns nieder und gucken den Störchen beim Klappern zu. Mehrere Tageswanderer auf Rädern trödeln an uns vorbei.
Es geht weiter in das erste schöne Rundlingsdorf Schreyahn, hier treffen wir auch auf eine Familie, die noch kein Quartier hat. Diesmal sind wir nicht so albern. Zu guter Letzt noch ein paar km auf der Strasse Richtung Lüchow, dann kommt auch schon die Abzweigung nach Satemin und wir sind wenig später am Ziel. Stefanie sorgt unauffällig dafür, dass sie als erste das Ortsschild passiert.
Uns wird zunächst ein Zimmer in einem wunderschönen Haus am Dorfplatz zugewiesen. Später erhalten Annika und Stefanie noch ein eigenes Appartment auf dem Gelände der Töpferei. Nachdem wir uns eingerichtet haben, machen wir einen Rundgang, was bei der Form des Dorfplatzes naheliegend ist. Wir besichtigen den Friedhof und die Kirche, die ausserhalb des Dorfes liegen, leider kann man in die Kirche nicht hinein. Also geht es wieder zurück. Beim Studium der Inschriften an den Giebeln der Häuser wundern wir uns, wie man diese im 19. Jahrhundert nach einer Feuersbrunst alle innerhalb eines Jahres wieder aufbauen konnte. Darüber haben wir uns auf einem früheren Besuch in Satemin vor ein paar Jahren auch schon gewundert, und das nächste Mal wundern wir uns sicher wieder darüber.
Am anderen Ende des Dorfes befindet sich ein Restaurant namens Lukullus, auf den ersten Blick taxieren wir mit Erschrecken dessen Preisniveau. Wie das im Wendland aber so ist, befindet sich die nächste Kneipe nicht gleich um die Ecke. So müssen wir uns fügen und nach verstohlenem Zählen der restlichen Geldscheine anhand der Speisekarte ausrechnen, was wir uns leisten können. Es reicht für zweimal Sommerroulade, einmal Tortellonis und für Stefanie eine Hühnerbrühe. Schliesslich gilt es, die Salatbeilage in Menge und Zusammenstellung selbst am Buffet vorzunehmen. Als das besorgt und bereits halbverzehrt ist, eröffnet uns die Bedienung, dass die Sommerroulade infolge überraschenden Touristeneinfalls in der Mittagszeit nicht mehr verfügbar ist. Jetzt kommt sogar noch der Chef, Dr. Antonio de Munzio, und bedauert die Geschichte. Dafür bietet er uns ein anderes, sonst teureres Gericht zum gleichen Preis an, das noch gar nicht auf der Karte steht, erzählt uns seine halbe Lebensgeschichte und läd uns für nach dem Essen zu einem Gläschen ein. Während wir so tun, als ob wir alte Lokalgeniesser seien und noch eine Menge Leute kennen würden, denen wir das Lokal empfehlen könnten, holt er einen Stapel Visitenkarten heran, die künftig unser Fahrradgepäck vermehren helfen.
Endlich kommt das Essen, leider ist mir der Name des Gerichts nicht mehr erinnerlich, was es war, weiss ich auch nicht mehr, nur gut geschmeckt hat es, ist alle geworden und war sündhaft teuer. Nachdem wir dann gezahlt haben und die Geldbörse leer ist, erwischt uns Dr. de Munzio doch noch, um uns das Innere seines Lokals zu zeigen. Nachdem wir erst die Toiletten, dann die Einrichtung, die Musikberieselung (nur Klassik) usw. bewundert haben, kommen wir an die Theke zu sitzen und bekommen unseren Likör (für mich trocken). Aufatmend verlassen wir endlich das Lokal und besorgen uns auf dem Reiterhof erstmal ein paar Bier auf Rechnung für den Rest des Abends.
An einem Ruhetag geht man am besten baden, wenn das Wetter danach ist. Dazu müssen wir nach Lüchow fahren, ausserdem müssen wir dringend eine Post zwecks Geldaufnahme ansteuern. In Lüchow herrscht ein fürchterlicher Verkehr, da kann man das an sich hübsche Stadtbild mit vielen gutgepflegten Fachwerkhäusern gar nicht würdigen. Etwas ruhiger ist es in den Anlagen um den Amtsturm. Nach Erledigung diverser Einkäufe (Aldi) verfrachten wir uns in das Schwimmbad, wo wir bei doppelter Benutzung der Eingangsschranke eine Eintrittsmarke sparen können. Die Einsparung macht Annika allerdings wenig später wieder zunichte, indem sie sich bei einem Stadtgang ein paar nichtpassende Schuhe kauft.
In der Badeanstalt ist es schön bei der drückenden Hitze, sehr sonnig ist es aber nicht, einmal regnet es sogar. So ist es noch nicht so spät als wir aufbrechen, wir müssen auch nochmal in die Geschäftsstrasse, um Annikas Schuhe umzutauschen. Dabei sehen wir Dr. de Munzio, der in einer Eisdiele ein Eis schleckt. Dafür genehmigen wir uns nach der Rückfahrt nach Satemin einen Kaffe im Lukullus. Dort passiert die Geschichte mit dem "Fummelpfennig", als ein Kaffeegast mit nicht ganz vollständiger Fingerzahl - vielleicht war er mal Tischler - ein paar Dorfjungen die im Abtreter verschwundenen Münzen fürs Eis wieder hervorholt.
Zu Abend essen wir diesmal zwar einfacher aber preiswerter im Reiterhof. Mit einem gemütlichen Absitzen des Abends auf dem idyllischen Dorfplatz klingt dieser Tag aus.
Nachdem wir nun so viel im Wendland erlebt haben, treibt es uns die Unrast wieder weiter. Bei gemässigtem Wetter geht es noch durch ein paar Rundlingsdörfer auf schönen Nebenstrecken Richtung Dannenberg und Elbe. Dabei kommen wir auch durch Breese im Bruche, wo die drei typischen Niedersachsenhäuser Zwei-, Drei- und Vierständer nebeneinanderstehen.
Bald gelangen wir nach Dannenberg, wo gerade Markt ist. Der Verkehr ist hier genau halb so stark wie in Lüchow, weil die Geschäftsstrasse eine Einbahnstrasse ist. Es werden Obst und Gemüse für unterwegs eingekauft, dann machen wir uns wieder auf den Weg in die Botanik. Nach Überqueren eines Bahnübergangs landen wir auch in derselben, auf einem sandigen Schotterweg fahren wir ins Ungewisse. Bald aber zweigt ein geteerter Weg ab, der führt uns über Predöhlsau und Grabau nach Wussegel an die Elbe. Der erste Anblick der Elbe verführt uns spontan zu einer ausgedehnten Rast mit Kohlrabi. Über uns halten sich eine Menge Störche auf, teils im Nest, teils auf den Dächern oder in der Luft.
Hitzacker ist schon in Sicht, am frühen Nachmittag langen wir dort an. Ein Quartier wollen wir hier aber noch nicht nehmen, es ist irgendwie zuviel Tourismus da. Statt uns die alte Kastanie oder andere Sehenswürdigkeiten anzusehen, laben wir uns lieber an einem Kiosk und sehen zu, wie der Dampfer für die Elbrundfahrt ablegt. Leider gibt es keine Mºglichkeit, mit einem Schiff nach Lauenburg die Elbe hinunter zu fahren, das hätte uns manches erspart.
So geht es weiter auf der Strasse die Elbe entlang. Nun ist die Elbe ein breiter Strom, der sich in einem eiszeitlichen Urstromtal seinen Weg sucht. Ein Tal zeichnet sich durch die umgebenden Berge aus, genau durch die führt nun die weitere Strecke Richtung Norden. Da wird nicht schlecht geschoben und gemeutert. An den steilsten Stellen fahre ich vor und hole dann ein weiteres Rad nach. Einmal bei 12 % Steigung komme ich mit meinem Lastensegler auch nicht mehr fahrend hoch. Aber kein Anstieg dauert wohl länger als gerade 10 Minuten, das zählt ja gar nicht. Auf der höchsten Stelle steht ein Aussichtsturm, von dort hat man einen schönen Blick auf die Elbe und nach Mecklenburg hinein. Selbst ein paar Fernsehleute sind zugange, aber nicht wegen uns.
Nun schauen wir langsam nach einem Quartier aus, erst ist da ein Bauernhof mit freien Zimmern, aber das ist uns noch zu früh. Der nächste grössere Ort ist Darchau, sicher finden wir da was. Aber Pustekuchen, die "Zimmer frei" Schilder sind wie weggeblasen. Auch im Quartierverzeichnis finde ich nichts geeignetes. In einem Gasthaus an der Strasse könnten wir unterkommen, aber das ist uns zu teuer. Also noch einen Ort weiter nach Walmsburg, da ist wenigstens ein Campingplatz. Erst fragen wir eine Frau an der Strasse nach weiteren Unterkunftsmöglichkeiten, aber da ist gar nichts, weder Einkaufsladen noch Gastwirtschaft noch Privatquartier. Also ab zum Campingplatz, das Wetter ist ja schön und wozu schleppt man den ganzen Krempel mit. So landen wir bei der Familie Grobe, die hier den Campingplatz betreibt.
Der Platz ist sehr gepflegt, alles blitzsauber und wir finden einen idyllischen Zeltplatz zwischen den Tannen. Nur essen und kaufen können wir da nichts, obwohl unsere Mägen und Taschen ganz leer sind. Frau Grobe aber will sowieso noch einkaufen fahren, da können Heidi und Annika mit und unseren Bedarf decken. Ausserdem trifft sich das gut, da können Stefanie und ich inzwischen mit unseren knurrenden Mägen das Zelt aufbauen. Als die Einkaufsreisenden endlich wiederkommen, ist schon alles fertig aufgebaut, obwohl wir zwischendurch einen ganz schönen Stangensalat fabriziert hatten.
Das Abendessen unter freiem Himmel auf den Isomatten als Tischersatz schmeckt ausgezeichnet. Dann geht es ans Duschen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit den Duschmarken und einem Knick im Schlauch klappt auch das. Abschliessend gehen wir noch auf ein Bier in die gemütliche Schankstube. Nachdem sich herausstellt, dass Frau Grobe aus Masuren und er aus Stolp ist, zieht sich der Abend unter Studium diverser Bücher und Erzählungen doch noch eine ganze Weile in die Länge. So verleben wir hier auf dem Zeltplatz unverhofft einen unserer schºnsten und interessantesten Abende.
Die Nacht verläuft nicht ganz so angenehm mit vier Mann in dem kleinen Zelt. Die Unterlage aus Isomatten ist doch für Leute in fortgeschrittenem Alter nicht ganz so komfortabel. Als aber am Morgen noch alle morschen Knochen an ihrem Platz sind und das Frühstück ebenerdig verzehrt ist, können wir aufbrechen. Allerdings macht das Verstauen von Zelt, Schlafsäcken und Isomatten an diesem Morgen mehr Arbeit als nach einer im Quartier verbrachten Nacht.
So geht es nach Bleckede, wo wir erst einmal einen anständigen Kaffe und ein paar Stück Kuchen vor einer Bäckerei verdrücken. Wieder muss eine Post aufgesucht werden, günstig, dass die gerade neben dem Schloss liegt, da kann das auch gleich mitbesichtigt werden.
Abgehakt, und weiter geht es auf einem wunderschönen Weg am Deich entlang. Wer neugierig ist muss allerdings von Zeit zu Zeit eine schräge Rampe hinauf, um zu sehen, was hinter dem Deich so los ist. Das ist oft ganz interessant: Fischteiche mit allerlei Pflanzen und Getier, auch Graureiher. Hin und wieder bevölkern Schafe oder Kühe den Deich.
Einmal aber erscheint mir ein Tier in etwa 50 m Entfernung doch etwas ungewöhnlich. Es ist ziemlich gross, auf den ersten Blick denke ich an eine Hirschkuh, womöglich züchtet hier jemand auch Elche? Zum Fotografieren komme ich nicht, dann aber schlage ich eine Rast vor, dann kann ich ja nochmal zurückgehen. Wir lassen uns an einem kleinen Schuppen auf dem Deich nieder und geniessen die Aussicht.
Besagtes Tier hat sich freundlicherweise weiter in unsere Richtung bewegt, ich gehe ihm also mit den Kindern entgegen und mache ein Foto. Es handelt sich um ein Lama, einer Spezies, die man auf dem Elbdeich wohl eher selten antrifft. Auf dem Weg zurück zu unseren Rädern müssen wir das Tempo etwas erhöhen, weil das Lama seinerseits den Abstand zu uns unaufgefordert verringert. Gleichzeitig kommen wir bei den Fahrrädern an, wo Heidi, die schon vor halbstarken Rindern eine panische Angst zu entwickeln pflegt, ahnungslos mit dem Rücken zum Geschehen einen Joghurt löffelt (Erdbeer).
Ein paar angelnde Kinder rufen uns noch zu, das sei "Elfi" und wir sollten sie nicht reizen. Das tun wir auch beileibe nicht, eher das umgekehrte ist der Fall. Elfi inspiziert die Lebensmitteltaschen, schmeisst ein Rad um, beisst mir in die Landkarte, die ich ihr noch entwinden kann und spielt anschliessend mit Heidi und den Kindern ein wohl nur einseitig lustiges Ringelspiel immer um den Deichschuppen herum. Das ganze unter lautstarken Kreisch- und Juchzlauten der beteiligten Personen und missmutigem Zähneblecken und Spuckversuchen von Elfi.
Uns vergeht die Zeit wie im Fluge, schliesslich aber findet sich Elfi ein paar Meter weiter, sodass wir an einen geordneten Rückzug denken können. Geordnet heisst in diesem Fall, den Jogurtbecher und andere Abfallprodukte wie üblich beseitigen, die Taschen schliessen, die Räder richten und sich aus Sicherheitsgründen auf den Weg machen, den wir gekommen sind. Das geht erstaunlich schnell, bald sind wir um die nächste Ecke verschwunden und brauchen erstmal eine Zeit, um das zu verdauen. Nach Umfahren der Gefahrenstelle gelangen wir wenig später wieder an den Deich, wo wir nun die vorher unterbrochene Rast nachholen und erstmal das grosse Lachen kriegen. Ein paar Tage später lesen wir in der Bildzeitung, dass sich in Frankreich der unerhörte Vorfall ereignet hat, dass ein Lama sich unter grasende Kühe gemischt hat. Leider war bei uns kein Reporter in der Nähe.
Die restliche Strecke bis Lauenburg ist landschaftlich sehr schön. Dann kommt die grosse Brücke in Sicht, die wir überqueren um in Lauenburg ein Quartier zu suchen. Dazu begeben wir uns zum Verkehrsverein, der hier auch in der Burg untergebracht ist. Gerade kann man uns noch eine Privatunterkunft vermitteln, nur müssen wir den ganzen Weg über die Brücke wieder zurück. Dann aber treffen wir es wieder ganz toll, werden mit Kaffee bewirtet und können gemütlich im Garten sitzen. Zum Essen gehen wir in ein Restaurant am Elbufer mit schönem Blick auf Lauenburg. Auch der alte Raddampfer "Kaiser Wilhelm" liegt vor Anker.
Das Essen aber ist so gut, wie man es nur ganz selten antrifft (Matjes mit Speckkartoffeln). Wenn ich mich richtig erinnere, verläuft der abschliessende Gang durch den Ort recht geprägt von Stoffwechselprozessen. Wir wollen Tante Käti im Seniorenheim in Ratzeburg überfallen und melden uns telefonisch an. Ausserdem versuche ich noch, ein Quartier zu bestellen, aber das ist völlig aussichtslos. Abends klönen wir noch eine Weile mit unseren Wirtsleuten und dem Vorsitzenden einer weiteren radfahrenden Familie.
Bei schönstem Wetter und Rückenwind überqueren wir nun zum dritten Mal die Elbe und verlassen bald die Bundesstrasse. Wir kommen zügig voran, dann soll der Weg entlang dem Elbe - Lübeck Kanal weiterführen. Auf einer Brücke orakeln wir, auf welcher Seite des Kanals es günstiger sei. Natürlich entscheiden wir uns für die falsche Seite und landen nach gut einem km vor einem Zaun. Leider lässt sich keines der vorbeifahrenden Boote herab, uns mitzunehmen, also müssen wir wieder zurück und dann auf der anderen Kanalseite unser Glück versuchen.
Das ist kein Vergnügen, weil einzelne Steine und viele Baumwurzeln für wechselnde Bodenhaftung sorgen. Schliesslich können wir bei der nächsten Brücke über eine Schleuse wieder die Kanalseite wechseln und nun auf einem breiten Fahrweg bis zu der Landstrasse Richtung Gudow vorstossen. Bis Gudow fahren wir nun auf der Landstrasse, das macht nicht so grossen Spass aber man kommt sehr flott voran. In Gudow erinnern wir uns an eine Imbissbude am See, der wir 9 Jahre zuvor schon einmal einen Besuch abstatteten. Hier machen wir Mittagspause und bekommen ein gutes Essen (Matjes). Auch die Wasserflaschen werden aufgefüllt, denn die Sonne meint es wieder sehr gut mit uns.
Von Gudow geht es nun auf verkehrsarmer Strasse nach Seedorf am Schaalsee. Hier ist ein idyllisch gelegenes Lokal, mit Kaffee und Kuchen aber auch Wespen drumherum lassen wir es uns gut gehen. Ein Fischer fängt mit einem grossen Käscher Köderfische, ab und zu bekommt die Katze einen ab.
Das letzte Stück bis Ratzeburg ist nun nicht mehr weit, zweimal passieren wir den Kanal zwischen Schaalsee und Ratzeburger See, dann sind wir in Schmilau. Hier wollen wir uns um ein Quartier bemühen, zwei werden ja bei Tante Käti im Seniorenheim unterkommen, für die beiden anderen muss aber noch eine Bleibe gefunden werden. Laut telefonischer Anfrage vom Morgen besteht eine geringe Chance, im Schmilauer Hof ein Zimmer zu bekommen. Als wir dort vorsprechen, heisst es aber, dass alle Zimmer für eine Jugendgruppe reserviert seien. Es wird uns aber der Tip gegeben, bei Frau Mahnke an der Kirche vorzusprechen.
Was anderes bleibt uns auch nicht übrig, wir treffen Frau Mahnke in ihrer Küche an. Irgendwie müssen wir einen erschöpften Eindruck machen, denn wir werden ohne viel Federlesens zu einem Glas Brause eingeladen. Leider bekommen wir aber auch hier kein Zimmer, zwei Berliner Familien sind schon zu Gast. Nun ist es aber nicht mehr schwer, einen Zeltplatz auf dem Gelände des Hofes auszuhandeln, wir entscheiden uns für ein Plätzchen zwischen Scheune und Güllesilo, das aber zu keiner Geruchsbelästigung Anlass gibt.
Schnell ist das Zelt aufgebaut und alles für die Nacht vorbereitet, dann fahren wir die restlichen drei km bis zum Seniorenheim in Ratzeburg, wo Tante Käti uns schon vor der Tür erwartet. Nach einem langen Marsch durch die Kellerräume finden die Fahrräder ihren Platz und wir verleben mal wieder einen Abend in häuslicher Atmosphäre. Statt "Spiel ohne Grenzen" im Fernsehen mitzuverfolgen, brechen Stefanie und ich noch vor dem Dunkelwerden auf und suchen unsere heimelige Behausung auf. Es ist noch einigermassen früh, so schleppe ich Stefanie mit in den Schmilauer Hof, wo ich noch zwei Bier trinke. Die zwei Berliner, die mit am Tisch sitzen, haben nach uns noch ein Zimmer daselbst bekommen können. Die Jugendgruppe ist also doch nicht vollzählig eingetroffen. Wir aber sind eigentlich zufriedener mit unserem Zelt. Dort schlafen wir wie die Murmeltiere.
Diesen Tag verbringen wir mit Tante Käti in Ratzeburg. Vormittags marschieren wir erstmal auf dem schönen Uferweg entlang dem Küchensee nach Ratzeburg. Das liegt nun so schön auf einer Insel zwischen zwei Seen, das Stadtbild bietet dagegen überhaupt nichts Sehenswertes. Grossartig ist allerdings der Dom, den wir wegen des Gottesdienstes leider nicht besichtigen können. Nur der Löwe vor dem Dom ähnelt auffallend dem in Braunschweig, beide dienen dem Gedenken an Heinrich den Löwen. (Braunschweig nennt sich auch die "Löwenstadt").
Wir bummeln etwas ziellos herum, treffen noch eine Klassengenossin von Stefanie aus Geitelde und fahren schliesslich mit dem Bus Richtung Seniorenheim zurück. Der Bus scheint sämtliche Dörfer rund um Ratzeburg abzuklappern, die Fahrt dauert ewig. Mittag essen wir im Restaurant vom Heim, nach einer Siesta machen wir uns dann auf den Weg zur Farchauer Mühle, einem Gartenrestaurant. Den Weg hatte ich vorher zur Sicherheit mit dem Fahrrad erkundet. Wir trinken Kaffee, leider ist der Kuchen ausgegangen, stattdessen werden ein paar Plätzchen gereicht. Der Rückweg am Küchensee ist sehr schön, am Schluss bezwingen wir einen steilen Weg zurück zum Seniorenheim.
Im Laufe des Abends beginnt es zu regnen, diesmal will Annika mit im Zelt schlafen. Als wir aufbrechen, regnet es in Strömen, wir müssen uns regenfest verpacken. Auf der Fahrt sieht man sogut wie nichts, in Schmilau fahre ich auch prompt im Blindflug erst in einen falschen Weg. Wir sind froh, unser Plätzchen wiederzufinden. Leider haben wir am Morgen den Eingang nur mit dem Fliegennetz verschlossen. So müssen ein paar Wasserlachen um die Schlafsäcke herum aufgewischt werden. Da es warm ist, ist es in dem Zelt trotz oder wegen des Regens urgemütlich.
Als wir aufwachen regnet es immer noch in Strömen, eine Änderung ist zunächst nicht zu erwarten. Da Frau Mahnke um 8 Uhr wegfährt, muss ich trotzdem raus, um abzurechnen. Danach krieche ich nochmal in den Schlafsack, eine halbe Stunde später gehen wir frühstücken. Dann hört der Regen endlich auf und wir verstauen unsere teilweise recht nassen Klamotten. Auf geht's wieder nach Ratzeburg, wo der restliche Teil der Familie und des Gepäcks ergänzt wird.
Nach der Abschiedszeremonie steht uns nur eine kurze Etappe bis Lübeck bevor. Nach anfänglich schönem Weg entlang der Seeufer geraten wir aber bald auf die Bundesstrasse. Dort ist allerdings ein guter Radweg, wegen des unbeständigen Wetters gebe ich es bald auf, den Wanderweg am See entlang zu erkunden. So ist die Fahrt recht langweilig, ein starker Seitenwind macht die Sache auch nicht schöner. Wir kommen dennoch recht pünktlich in Lübeck an, wo wir von Tante Otti und Onkel Walter zum Mittagessen erwartet werden.
Bleibt nur noch das Problem, ohne Stadtplan aus der verschwommenen Erinnerung des letzten Lübeckbesuchs heraus die Wohnung zu finden. Als wier an die Trave kommen, fahren wir erstmal ein Stück an dieser entlang, das führt aber zu nichts und wir haben unsere erste Ehrenrunde fabriziert. Wir benutzen also doch die grosse Brücke und bewegen uns auf einer der grossen Ringstrassen an Lübecks Stadtrand. Als wir einige Kasernen passieren, denke ich, dass man nun links abbiegen könnte, irgendwie kommt einem die Gegend schon bekannt vor. Und schon stehen wir vor der gesuchten "Lothringer Strasse". Na das hat nun mal gut geklappt.
So kommen wir pünktlich zum Mittagessen, eine 90-jährige Tante aus Amerika ist auch zu Besuch, aber nicht mit dem Fahrrad. Am Nachmittag machen wir einen Stadtbummel, erstehen für 5 DM eine Riesentüte Obst, beteiligen uns am Sommerschlussverkauf bei Karstadt, besichtigen Marienkirche und St. Petri nebst Turmbesteigung. Dort oben bricht ein Regenschauer los, wegen des starken Windes kommt der Regen waagerecht daher. Wir stehen aber geschützt in der Menschenmenge vor dem Fahrstuhl. Inzwischen haben wir auch unseren Film entwickeln lassen und können die Bilder der vergangenen Woche schon abholen. Bevor wir wieder zurückfahren gelingt es uns nur schwer, die Stelle wiederzufinden, wo wir die Fahrräder abgestellt haben.
e19_1 Auf dem Lübecker
Marktplatz...
e20_1 ...bewacht Stefanie eine
Bananentüte
Mit Onkel Walter beratschlage ich, wie unsere Reise am besten fortzusetzen wäre. Wegen des starken Westwindes ist guter Rat teuer. Die Bahnverbindungen sind auch nicht die besten, so nehmen wir uns vor, am nächsten Morgen bis Bad Oldesloe mit der Bahn zu fahren.
In der Nacht wache ich mit einem flauen Gefühl im Bauch auf, bald stellt sich heraus, dass ich eine Magen-Darminfektion aufgegabelt habe. So muss ich mich beim Frühstück auf zwei Tassen Pfefferminztee beschränken. Doch wir brechen pünktlich auf, um den Zug nach Bad Oldesloe zu erreichen. Das wird schliesslich eine äusserst knappe Angelegenheit, der Bahnhof ist verstopft mit Menschen, die nach Travemünde zum Auslaufen der Windjammer wollen. Sekunden vor Abfahrt des Zuges verstauen wir Räder und Gepäck, um nach gut 10 Minuten Fahrt schon wieder auszusteigen. Der ganze Spass hat an die 40 DM gekostet.
In Bad Oldesloe denke ich angesichts des strammen Windes mit Grausen an die Weiterfahrt, die Stimmung ist mir sowieso aus dem Leib gefahren. Nach Erwerb einer Radwanderkarte geht es los in Richtung Grabau. Die ersten km sind eine Qual, bald setzen wir uns auf einem Dorfplatz resigniert zur Rast nieder. Dann geht es immer mühsam weiter, wir fahren möglichst eng hintereinander, um den Windschatten auszunutzen. So fressen wir uns verbissen voran. Irgendwie müssen wir doch wohl vorankommen, über Henstedt - Ulzburg kommen wir schliesslich nach Barmstedt. Hier muss Schluss sein, die allgemeine Lust reicht für keinen weiteren Kilometer. Überraschend schnell finden wir einen Gasthof mit Fleischerei und zwei Zimmern für uns. Für mich ist der Tag bald zuende, nach spärlichem Abendessen ziehe ich mich zurück und liege flach.
Die Nacht ist mir gut bekommen, ich kann wieder frühstücken. Der weitere Weg ist nun wieder ein wenig interessanter, wir fahren durch Grönland, Gemeinde Sommerland.
Gelegentlich stellen wir uns bei Regenschauern unter, die manchmal nur minutenlang dauern. Der Wind scheint erstmal nicht ganz so schlimm wie am Vortag. Wir kommen nach Glückstadt an die Elbe und fahren direkt zur Fähre. Die fährt auch gleich los, es herrscht richtiges Aprilwetter. Einmal sehen wir das Atomkraftwerk Brokdorf im Sonnenschein strahlen, dann treibt uns ein heftiger Regenschauer unter Deck. Von Wischhafen fahren wir auf einer langweiligen Strasse nach Norden bis Freiburg an der Elbe. Dort essen wir in einem Imbisslokal zu Mittag und warten einen längeren Regenguss ab. Es kommt die Idee auf, den Rest der Strecke nach Cuxhaven mit dem Bus zu fahren, aber erstmal fährt da kein Bus und zum anderen nimmt der wohl auch die Räder nicht mit.
So zockeln wir weiter, immer geradeaus, jede Kurve bedeutet Abwechslung. Ab und zu stehen Selbstbedienungsstände mit Obst an der Strasse, das Geld muss man in einen Kasten werfen. Wir haben aber auf nichts Lust und zählen nur die Kilometer. Vor Neuhaus in der Nähe des Oste - Sperrwerks kaufen wir in einer Bäckerei ein und erfahren, dass die Fähre bei Belum, die ich für die Weiterfahrt vorgesehen hatte, nicht mehr existiert. Also über die Ostebrücke, wo uns der Wind fast umfegt. Dann wieder ein Regenschauer, vor dem wir hinter eine Hecke flüchten.
Nun bläst der Wind so penetrant, dass eine Weiterfahrt nicht mehr viel Sinn bringt, wir sind auch schon in Neuhaus, wo das Hotel Ramm uns aufnimmt. Wir haben sogar gut gewählt, Neuhaus ist ein niedlicher Ort mit hübschen Strassenhäusern auf dem Deich, das Essen im Hotel ist ausgezeichnet. Nach einem Abendspaziergang sind wir wieder früh im Bett.
Die letzte Etappe gilt es nur noch zu überwinden, dann wollen wir uns für die letzte Woche in Cuxhaven zur Ruhe setzen. Der Wind ist nicht mehr ganz so stark, das Ende der Fahrt absehbar. So kommen wir ganz gut voran, allerdings nur auf der langweiligen Bundesstrasse. Für Experimente auf Nebenstrecken am Deich entlang ist keiner mehr zu begeistern. So passieren wir Otterndorf und Altenbruch und sind noch vormittags in Cuxhaven. Als wir uns bis Döse durchgeschlagen haben, hat die Kurverwaltung noch auf und es kann uns eine Ferienwohnung vermittelt werden.
Der Rest des Urlaubs verläuft in geregelten Bahnen. Erstmal geniessen wir das schlechte Wetter, indem wir uns vorwiegend in der Horizontalen dem Lesen oder Fernsehen widmen. Dann ziehen Heidi und Stefanie mit der Magen - Darmgeschichte nach, aber hier haben wir ja ärztlichen Beistand. Als das gute Wetter am Sonntag einsetzt, sind wir wieder wohlauf und können noch 4 Tage im Strandkorb geniessen.
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