In der Nacht hat es stark geregnet, daher ist alles grau und verhangen. Ein übliches Hotelfrühstück stärkt uns, die für die Übernachtug präsentierte Rechnung allerdings gibt kaum Anlass zu guter Laune. Zum Glück hat der Regen der Nacht aufgehört, sodass wir bald aufbrechen können. Natürlich habe ich auf dem Vorderrad einen Platten, das wäre ja auch noch schöner, wenn das nicht auch noch dazwischenkommen würde. Lust zum sofortigen Beheben des Schadens habe ich natürlich nicht, sicher ergibt sich unterwegs in einer schöneren Umgebung eine gute Gelegenheit, dieses zu erledigen. Also Radlers hoffnungsvolle Schnellmethode: aufpumpen und Luftpumpe griffbereit halten. Das funktioniert auch erstmal eine Weile.
Nach wenigen 100 Metern auf der Hauptstrasse biegen wir rechts ab und orientieren uns weiterhin an den Betonpilzen, die den frisch eingeweihten Radweg Braunschweig - Lüneburg kennzeichnen. Entlang dem Platendorfer Moor und der Ise geht es durch Wiesen und kleine Waldstücke völlig verkehrsfrei. Ein besonders grosser schwarzer Vogel sitzt auf einem Zaunpfahl und krächzt mit ungewohnt sonorer Stimme. Wären wir nicht kürzlich im Naturhistorischen Museum gewesen und im Besitz der Weisheit, dass der Kolkrabe in Norddeutschland noch anzutreffen ist, hätten wir sicher nicht bemerkt, dass diese Krähe wie wie ein Kolkrabe aussieht. Ausserdem bekommen wir aber auch die üblichen Greifvögel sowie Kiebitze oder Graureiher zu sehen.
Irgendwann kommen wir an eine Wegverzweigung, die im Radwanderführer nicht erwähnt wird, da aber "der Weg nicht zu verfehlen" ist, fragen wir einen Forstarbeiter nach demselben. Der aber ist ziemlich unwissend, anscheinend sind die auch schon importiert. So entscheiden wir uns schliesslich für den falschen Weg, was allerdings nur zur Folge hat, dass wir später ein Stück Landstrasse von Wesendorf nach Wahrenholz fahren müssen.
Dort machen wir vor einer schönen Backsteinkirche Rast. Hier sehen wir auch eine Menge Radwanderer. Als wir wieder aufbrechen, stellen wir fest, dass sich auf dem Schornstein der Kirche ein gut besiedelten Storchennest befindet.
Nach dieser Attraktion geht es noch ein Stück auf der Landstrasse nach Schönewörde, hier aber wieder auf den Radwanderweg in die Botanik. Noch kann ich unter häufigerem Aufpumpen die drohende Reifenreparatur hinauszögern. Der Weg führt nun durch ein herrliches Wiesental zwischen Wäldern entlang dem Elbe - Seitenkanal. Hier trifft man keinen Menschen mehr an. Irgenwann erreicht man dann die Landstrasse von Wittingen nach Hankesbüttel. Es ist Mittagszeit, wir kaufen ein und setzen uns an einem Strassenbrunnen erstmal zur Ruhe.
Rast in Hankesbüttel |
So bin ich der Glückliche, der als erster das Ortsschild "Lüder" passiert, wir sind also doch im richtigen Ort angekommen. Hier kann ich auch das Rad gut anlehnen, um wieder aufzupumpen. Nun weiter zur Dorfstrasse, da muss der Hof Mielmann liegen. Bis dort komme ich nun aber nicht mehr, allzu schnell lässt mich die eben eingepumpte Luft im Stich. So erreicht man den Hof mit Müh' und Not..., d.h. per pedes, und wir sind froh, am Ziel zu sein. Wir werden freundlich vom Bauern persönlich begrüsst und eingewiesen. Der Schlafplatz in der Scheune zwischen den Strohballen sieht urgemütlich aus, sogleich breiten wir unsere Sachen aus und widerstehen der Versuchung, dort gleich eine Siesta abzuhalten.
Aber erst geht es ans Reparieren des Vorderrads. Natürlich ist wieder ein alter Schaden verantwortlich, ein bereits geflicktes Leck hat sich zu einem längeren Riss gemausert. Mit einem grossen Flicken wird dieser zugepappt, lieber aber ziehe ich den mitgeführten Reserveschlauch auf. Allerdings hat dieser - wie ich verunsichert bemerke - auch schon an die zehn Flickstellen. Für den Rest der Fahrt hat er aber seinen Dienst erfüllt, wenn ich auch alle zwei Tage nachpumpen musste.
Nun ist es noch früh am Nachmittag, das Gepäck ist versorgt und es sind nur 3 km bis Bodenteich. Da fahren wir nun erstmal hin und nehmen Badezeug mit. Aber es ist zu wolkig, als dass wir uns in die Badeanstalt verziehen müssten. Der Ort bietet nicht allzuviel, irgendwann finden wir auch das Verkehrsbüro im alten Schloss, es wird eingekauft und auf einer Bank rumgesessen. Um die Zeit rumzubringen, machen wir einen kleinen Spaziergang, der in ein ungewisses Gelände führt. Auf Nachfrage bei ein paar Kindern erhalten wir eine äusserst verwirrende Auskunft über viele Brücken usw. Wir sehen ein kleines Wehr mit einem Unkrautfahrstuhl. Dann geht es auf besagtem Weg weiter, wie angekündigt über ein paar Brücken und man kommt wieder am Schloss raus.
Dort sehen wir eine "Radtour", d.h. eine vierköpfige Familie, die sich - wie es sich gehört - auch mit Informationsmaterial versorgt hat. Wir fühlen uns irgendwie überlegen, einmal sieht man uns nicht an, dass wir auch eine "Radtour" sind, und ausserdem haben wir - ätsch - ja schon Quartier. Unsere Familie zieht auch mit drehenden Köpfen durch Bodenteich, spricht sogar mal mit etlichen Passanten, offensichtlich suchen die noch. Wir albern uns darüber aus und finden das unerhört spassig. Schliesslich verlieren wir unsere Leutchen aus den Augen, während wir nach einem Esslokal Ausschau halten. So gelangen wir an das südliche Ende von Bodenteich, dort muss erst in einem Supermarkt eingekehrt werden. Nur mit viel Mühe gelingt es uns, nicht durch lautes Losprusten aufzufallen, da unsere Freunde sich dort auch gerade für einen - wie wir meinen - ungewissen Abend versorgen. Als sie das Geschäft verlassen haben, können auch wir einkaufen. Ich gehe aber schon vor die Tür, um nichts zu verpassen. Bald verschwindet die Truppe Richtung Ortsmitte.
Nach dem Einkauf gehen wir wieder zu unserer Bank am See, noch ist genug Zeit bis zum Abendessen, für das wir schon ein Lokal mit Hausmannskost ausgesucht haben. So machen wir nochmal einen Spaziergang am See entlang Richtung Bootsverleih und Minigolf.
Und siehe da: unsere Radtruppe lagert in einem Gebüsch am See und labt sich an den frisch erstandenen Vorräten. Ich bedaure, dass wir keinen Umweg finden, um meine prustenden Damen in einem grösseren Abstand da vorbeizulotsen. Beim Minigolf ist auch ein Kneippbecken, da gehen wir erstmal wie die Störche ein paar Runden. Auf dem Rückweg sehen wir unsere Familie nun nicht mehr - was mag aus ihnen geworden sein.
Nach Abendessen und Rückfahrt zum Heuhotel kann Stefanie noch eine Kutschfahrt mitmachen, wir unterhalten uns mit einem Berliner Ehepaar. Als wir uns schliesslich in unser Stroh verziehen wollen, kommt die Hausfrau von einer Geburtstagsfeier nach Hause und deckt uns noch eine Zeitlang mit einem wasserfallartigen Redeschwall ein. Das Nachtquartier teilen wir mit zwei Mädchen, die es sich mittels Heuunterlage auf einem Ackerwagen bequem gemacht haben. Ganz so komfortabel wird die Nacht allerdings nicht, Heidi versinkt allmählich zwischen zwei Strohballen, ein fortwährendes Rascheln vermag ängstlicheren und dem Mäusevieh nicht so freundschaftlich gesinnten Kreaturen den Schlaf zu rauben. Am unangenehmsten scheint mir die Staubentwicklung zu sein, die die Nase und Augen reizt. So haben wir das Übernachten im Heuhotel mal ausprobiert, weitere Wiederholungen wurden nicht vorgeschlagen.