In Potsdam Richtung Wildpark und dem Park von Sanssouci landen wir, -
es schließt sich der Kreis -, noch einmal auf der B1, Deutschlands
Lebensader. Im Park angekommen, vergessen wir den Verkehrsgestank ganz
schnell.
Das Neue Palais präsentiert sich frisch renoviert. Die
Klinkerausfachungen sind aber nur aufgemalt, lediglich an den
Seitengebäuden sind sie teilweise echt. An jedem Eingang, ob
Schloßtheater, Treppenhaus oder Toilette befinden sich
Eintrittskassen. Wir landen im Schloßcafe, wo es keinen Eintritt
kostet. Unter Spiegeln, Marmor und alten Gemälden schlürfen wir
unseren Kaffee.
Nächste Station sind die Römischen Bäder. Hier endecken wir die
Plastik des "Butt" am unteren Ende einer Regenrinne. Einer der
preußischen Regenten hatte den Spitznamen Butt, da hat sich der
Erbauer der römischen Bäder diesen Schabernack erlaubt.
Donnerstag, 8.7.
Mit etwas Kopfschmerzen bei mir machen wir uns auf den Weg nach
Potsdam. Die Fahrräder nehmen wir mit, das geht mit der S-Bahn
problemlos. In Wannsee muß man umsteigen. Wir besorgen uns hier
gleich die Fahrkarten für die Rückfahrt nach Braunschweig, dort
werden wir noch vor Mitternacht ankommen.
Mit den Rädern fahren wir weiter zum Schloß Charlottenhof. Obwohl in
diesem Park das Radfahren verboten ist, mogeln wir uns auf den weniger
belebten Nebenwegen durch, sonst würde man sich die Hacken ablaufen.
Charlottenhof ist samt Interieur von dem allgegenwärtgen Schinkel
entworfen und eingerichtet. Eine Besichtigung kann wegen der gleich
beginnenden Mittagspause nicht stattfinden.
Das Neue Palais
Um die römischen Bäder zu fotografieren, stapfe ich duch eine
sumpfige Wiese am Parkrand. Ein Reh springt auf. Heidi beobachtet
inzwischen an einem Haus für das Parkpersonal zwei Jugendliche,
vielleicht 12 und 14 Jahre alt, die sich mit Hochprozentigem vollaufen
lassen. "Korn schmeckt nicht nach Whisky" lallt einer, noch nicht im
Stimmbruch. Wir machen, daß wir weiter kommen.
Der Butt
Die römischen Bäder Chinesisches Teehaus |
Die Windmühle Sanssouci |
An der Eintrittskasse zum Schloß steht eine Warteschlange. Nächste freie Führung 16 Uhr, das ist in drei Stunden. Also wieder nichts mit der Bildung. Wir umrunden also noch einmal das Schloß in der Hoffnung, die erst im Vorjahr mit großem Pomp eingerichtete und wieder gefüllte Gruft Friedrich des Großen zu finden. Auch das mißlingt.
Also schwingen wir uns wieder auf die Räder und fahren in die Potsdamer Innenstadt. Mit der Brandenburger Straße erwischen wir die belebteste Fußgängerstrasse von Potsdam. Anläßlich der 1000 Jahr-Feier kommen in dieser Zeit viele Besucher hierher. Gleich neben der P. Paul-Kirche finden wir das Holländer-Viertel. Das wurde für holländische Neusiedler angelegt, damit die nicht so ein Heimweh bekommen. Hat aber nichts genutzt, heute ist kein Holländer mehr da. Das Straßenbild mit den hohen Backsteingiebeln ist ganz einheitlich.
Holländer-Viertel |
Ich versuche mich an einer Abkürzung zum Park von Schloß Cecilienhof. Schon bald weiß ich nicht mehr, wo wir sind. Wir durchqueren eine Schrebergartenkolonie, leider hat das dortige Lokal Gärtner's Ruh oder so ähnlich, gerade Ruhetag. Wir fragen einen Mann in einer Grundstückseinfahrt nach dem Weg. "Das weiß ich nicht, ich bin immer nur bis hierher gekommen" sagt der, anscheinend ein Weltreisender. Ein wenig weiter weiß man besser Bescheid.
Cecilienhof |
Nach wenigen Minuten sind wir wieder draußen und wundern uns, wofür man die drei Mark Eintritt bezahlt hat. Aber wir können locker noch mehr Geld ausgeben. Dazu nähern wir uns dem Hotel Cecilienhof, eine der vornehmsten Adressen ganz Berlins. Auf die Außenterrasse kommt man nur von innen, das ist uns zu umständlich und wir übersteigen eine Absperrungsleine. Dann nehmen wir Platz, lassen uns die Karte geben und bestellen das preiswerteste Gericht: Matjesfilet für 18.- DM. "Getränke, nein danke".
Nach einer halben Stunde wird dann endlich der Matjes serviert, den hohen Preis rechtfertigt nur die Umgebung. Auf Cecilienhof sieht, wie zu lesen ist, jeder Schornstein anders aus.
Inzwischen hat sich ein Paar an unseren Tisch gesetzt, das scheint einem Witzblatt entsprungen zu sein. Sie ist überproportional gebaut, trägt eine knallrote Bluse und durchbrochene Leggins. Er dagegen ist klein und mickerig. Er darf einen Kaffee mit Marzipankuchen bestellen. "Du und Marzipan?" äußert die Dame aber verwundert. Sie bestellt dagegen einen Geflügelleberspieß mit einem trockenen Badener Wein. "Sowas haben wir in der Ungarischen Botschaft auch gegessen" sagt sie zu ihrem mümmelnden Partner. "Wenn Du den Kuchen nicht schaffst, laß ihn mir als Nachtisch" meint sie ermunternd. Die Schweißperlen der Dame unter dem kurzgeschorenen Haar vertreiben uns schließlich, wir zahlen ohne Trinkgeld. Im Innern des Hotels sitzen reichlich Japaner und verprassen ihre Spesen.
Ein Abstecher zum Marmorpalais bringt nichts ein, das Gebäude ist eingerüstet. Der Park soll einer der schönsten Landschaftsgärten sein, er wurde von Peter Josef Linne eingerichtet. Uns ärgert dieser posthum, indem wir erst einen Berg hinaufschieben, dann wieder hinunterbremsen müssen.
Mit Blick auf die Rückfahrt lotse ich Heidi über die berühmte Glienicker Brücke. Hier wurden immer die Agenten ausgetauscht, das ist nun wohl vorbei! Das mit der Glienicker Brücke hätten wir lieber lassen sollen. Wir geraten in eine ehemalige Exklave von Ostberlin am Glienicker Ufer. Die nach Babelsberg führende Brücke ist nicht passierbar. So müssen wir über 10 km am Griebnitzsee entlangfahren und kommen erst bei Kohlhasenbrück in die Nähe der S-Bahn. Als das Ortsschild Potsdam am Straßenrand erscheint, erklärt Heidi mich wieder für verrückt, den da kämen wir doch wohl die ganze Zeit her, oder was! Kurz darauf sind wir aber in der S-Bahn - gerettet!
Zurück zu M.s, noch ein Plausch in der Abendsonne und ein stärkendes Abendessen, die Räder wieder aufgepackt und winkend machen wir uns von dannen. Mit der S-Bahn geht es nochmal nach Potsdam, dort wollen wir unseren Zug nach Braunschweig besteigen. Nun liefern wir unser letztes Kabinettstückchen.
Auf dem Wagenstandanzeiger ist eingetragen: Gepäckwagen am Schluß des Zuges, Abschnitt D auf dem Bahnsteig. Dort bauen wir uns auf und erwarten gelassen die Einfahrt des Zuges. Eine ganze Minute soll der Aufenthalt haben. Als er ausrollt ruft ein Mitropa-Angestellter aus dem Wagenfenster: "Hier ist nur der Postwagen, der Fahrradwagen ist vorn!". Hoppel-hoppel, das kennen wir schon. Heidi steigt einfach auf und radelt am Zug entlang. Bei mir mit den Pedalhaken und den losen Gepäcktaschen gelingt das nicht so schnell. "Einsteigen und die Türen schließen!" ertönt es aus dem Lautsprecher. Die Türen knallen. "Heidi!!" rufe ich der enteilenden Gattin verzweifelt nach, reiße eine x-beliebige Abteiltür auf und zerre das Rad hinauf, die Gepäcktaschen fallen runter. "Hierher!!" schreit Heidi, sie hat den Fahrradwagen erreicht. Ich zerre wieder alles zurück, bleibe mit dem Rucksack hängen, mit einigen blauen Flecken komme ich auch noch zu potte. "Nun mal ruhig, ohne Sie fahren wir schon nicht ab" sagt der Bahnsteigbeamte. Man wartet nur auf uns, die Köpfe hängen aus allen Fenstern. Endlich sind auch wir mit hochroten Gesichtern im Innern des Zuges, einen Platz finden wir dann erst drei Waggons weiter.
Außer, daß in unserem Abteil ein sonderbarer Mensch sitzt, der ohne die kleinste Pause eine Zigarette nach der anderen raucht, die Kippen anschließend sortiert und in seinen Taschen verstaut, mit heiserer Stimme uns zum Mitrauchen ermuntern will, sich schließlich in Magdeburg per Handschlag verabschiedet, ereignet sich nichts bemerkenswertes mehr. Vom Braunschweiger Bahnhof rollen wir ganz gemütlich durch die Nacht nach Hause.
Angesichts der vielen Ortsnamen, die bei der Beschreibung einer solchen Tour unvermeidbar anfallen, sei der folgende Vers aus Fontanes Gedicht "Havelland" zitiert, entnommen dem Buch "Franz Fabian, An der Havel und im märkischen Land":