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Sonntag, 7.5.

Der Himmel zeigt sich zur Abwechslung leicht bewölkt, aus Rache beschließen wir, heute nachmittag eine Bootsfahrt nach Telmo mit Umrundung der Insel Dragonera zu machen. Die Fahrkarten werden gleich am Morgen besorgt, da kann man sich anschließend am Pool beruhigt aufs Ohr legen.

Hier herrscht Abschiedsstimmung, eine ganze Reihe von Gästen rüsten für die Rückfahrt. Auch die gerade begonnene Kurven-Romanze wird heute ein jähes Ende nehmen. Leider werden wir die Abschiedsszene am Nachmittag nicht protokollieren können.

Rechtzeitig begeben wir uns zum Anleger. Im Wasser krabbelt einer im Gummianzug herum, dann kommt er an Land und zeigt seiner dort lagernden Angebeteten seine Beute. Es ist ein feuerroter Seestern. Schon will ich mich ereifern über den Naturfrevel, da fliegt der Seestern aber auch schon in hohem Bogen zurück in sein Element.

Ich klettere schon mal auf die Klippen, um das Nahen des Bootes zu vermelden. Da reckt sich mir eine helfende Hand entgegen, sie gehört zu einem Iren, wie sich herausstellt. Er ist bedenklich "red on his skin", zieht sich auch gleich sein Unterhemd über. Ein kleiner Small Talk auf Englisch, das erfrischt. Daß wir auch mal nach Irland fahren möchten wird damit beantwortet, das Germany auch beautiful sei, besonders Munich, ein Golfclub und irgendwas mit Jockeys, man wird nicht ganz schlau aus dem Slang.

Ich kehre zurück back to my wife, die sich gerade in der falschen Warteschlange für die kleine Rundfahrt um die Bucht von Paguera angestellt hat. Für diese legt gerade das Glasbottom-Boot mit dem Namen Cormoran an. Da biegt auch schon unser Boot um die Ecke, es heißt auch Glasbottom-Cormoran. Nach Ausbringen einer wackeligen "Gangway" betritt man auf schwankendem Untergrund das Deck, ein Fotograf knipst eifrig, sorgsam darauf bedacht, daß die zusammen gehörenden Paare auch gemeinsam auf dem Foto erscheinen.

Wir finden einen schönen Platz neben der Ankerwinde. Lässig holt einer von der Bootsbesatzung den Anker auf. Ein Kollege schreit aus unerfindlichen Gründen immer "Macho-Mann!". Mit dem Macho-Mann ist es wohl nicht weit her, denn als das Boot schon im Rückwärtsgang ablegt, hat er sich mit seinem Seil gründlich verheddert, es verklemmt sich in der Klüse und es besteht die Gefahr, daß der Anker in die Schraube gerät. Da kommt Hektik auf, der Motor muß gestoppt und das Gehedder aus der Klüse gezottelt werden.

Nun geht es endlich los, mit einem ordentlichen Tempo rauschen wir an der Cala Fornells vorbei, passieren die Cala Munjo (Mönchsbucht). Von oben grüßt winkend ein nackter Mann. Wir umrunden Cap Andritxol. Das ist eine 200 Meter hohe Klippe, da muß man den Kopf schon zurücklegen. Geheimnisvolle aber unzugämgliche dunkle Öffnungen im Fels lassen auf die 401-te Höhle hoffen. An einigen Stellen sind auch Tropfsteine zu sehen, ob die aber oberirdisch entstanden sind oder aus aufgebrochenen ehemaligen Höhlen stammen, weiß ich auch nicht.

Es folgt Camp de Mar und Porto Andraitx. Ein braunes Haus am Steilhang wird über Lautsprecher näher identifiziert: "Haus von Claudia Schiffer!". Leider zeigt sich diese wahre Loreley aber nicht, auch ein David Copperfield macht gerade nicht mit ausgebreiteten Armen einen Rundflug über die malerische Gegend. Sowas kommt eben nur im Fernsehen vor, mit Feuer, Rauchschwaden und illuminierender Beleuchtung.


Die Insel Dragonera

Wir müssen uns mit der Insel Dragonera zufrieden geben, die nun voraus langsam in Sicht kommt. Diese erhebt sich über dreihundert Meter aus dem Meer, zur Seeseite fällt sie nahezu senkrecht ab. Wir fahren unter den schroffen Felsen entlang, jeder Kletterer würde hier das Kribbeln in den Extremitäten bekommen. Aber es ist ein Naturschutzgebiet, da darf man sicher nicht "Mit Seil und Hacken, den Tod im Nacken" seinem Sport frönen.

Nun fährt das Boot ganz nahe unter die überhängenden Felsen, man guckt unwillkürlich nach oben, ob sich da nicht vielleicht ein Steinschlag löst. In einer Grotte wird der Motor abgestellt, "Maschin kaputt!" wird mitgeteilt. Die Fotoapparate klicken. Ein Echo gibt es auch, das kann man sich ja leicht denken.

Felspartien

Maschin springt dann doch wieder an, und wenige Meter weiter kommt die nächste Sensation: "Looki, Looki, Pinguin, Pinguin!!". Eine Horde Kormorane inspiziert von den Klippen aus die Fischgründe. 300 Meter darüber kreisen die Falken, aber das muß man selbst herausfinden. Der Rest dieser spektakulären Insel wird umrundet, wir passieren die Cala Brasset mit dem alten Wachtturm, wo wir schon vor zwei Jahren einmal zu weilen geruhten. Dann legen wir wohlbehalten in Telmo an, nur mit dem Knäuel des Ankertaus hat man wieder sein Tun.

Eine Stunde Aufenthalt, am Strand setzen wir uns in ein Cafe auf einen Capucino. Immer wird die Aufmerksamkeit ja irgendwie abelenkt. Hinter uns sitzen zwei jüngere deutsche Pärchen, Einer hat das Sagen und sülzt die anderen voll, daß sie kaum zu Wort kommen. Leicht angekifft wirkt der Knabe. So lautet dann auch seine tiefgründige Erkenntnis: "Die größte Droge ist, keine zu nehmen." Um das zu untermauern, berichtet er weiter, in Hamburg habe er mal vier Tage lang gefeiert - am H.Albers Platz, er allein habe 4 Flaschen Whisky und 400 Zigaretten weggeputzt. Als wir uns dann erheben, kann man sich diesen Wunderknaben auch mal ansehen, kahlgeschoren, durch Bodybuilding gestählt, so stellt man was dar.

Heute sind alle pünktlich wieder am Boot. Noch bleibt Zeit, einer Tauchergruppe zuzusehen, die bergeweise Ausrüstungsmaterial hin und her packt. Beim Ablegen unseres Bootes bewältigt unser "Macho-Mann mit einem Eis am Stiel zwischen den Zähnen nunmehr lässig das Ankergerödel. Ein Herr neben mir ist offenbar ins Grübeln gekommen und stellt die naheliegende Frage: "Wie kommt eigentlich das ganze Salz ins Meer?" "Vom Schweiß der Badegäste" mag man ja auch nicht sagen, übrigens habe ich darüber auch noch nicht nachgedacht. Also murmele ich was von Salzlagern, die wohl in Jahrmillionen ausgewaschen wurden. Ja, das dauere wohl alles hunderte von Jahren, grübelt er weiter. Dann will er auch noch wissen, ob die Felsen aus Basalt oder Granit sind. Wir einigen uns auf Kalksandstein oder Sandkalkstein.

Nun werden die Fotos vom Beginn unserer Reise herumgereicht, die sind inzwischen über Telmo von einem PKW-Fahrer eingeflogen worden. Wir sind nicht so gut getroffen, Heidi (Vordergrund) hat auf der schwankenden Gangway keinen so gelösten Gesichtsausdruck, mein Gesicht (Hintergrund) ist durch die Schirmmütze verschattet. So heben wir uns die 600 Peseten für den Abend auf.

Dösend erleben wir den Rest der Rückfahrt, ab und zu ein Blick auf die Uhr, ob wir auch rechtzeitig zum Abendessen kommen. Das ist der Fall. Wir haben übrigens neue Tischgenossen, das Ehepaar aus Hildesheim ist am Freitag abgereist. Nun haben wir zwei ganz bescheidene Leutchen aus Wittenberg an der Elbe zur Seite. Sie machen ihre erste größere Reise nach der Wende, bisher ging es nur in die Lüneburger Heide oder ins Allgäu. Schwarzes Meer, Krim oder Petersburg, ja das kenne man ja alles von "vor der Wende". Aufgrund unseres begeisterten Berichts von der gerade absolvierten Bootsfahrt machen sie das dann ein paar Tage später auch und sind nicht enttäuscht.

Heute abend gehen wir noch Shopping, dh. durchstreifen sämtliche noch geöffnete Läden auf der Suche nach einem speziellen Zahnputzmittel, das man bei uns in jedem Geschäft bekommt. Leider erfolglos, nur Zahnstocher, Damenbinden, Brillenputztücher oder Präservative sind im Angebot. Das Gewünschte können wir erst am nächsten Tag in einer Apotheke auftreiben.

Letzte Balkonbeobachtung: Die weiße Romanze bricht mit ihren Kurven, die nur noch Erinnerung sind, zu neuen Ufern auf.

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