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Donnerstag: Die Küstenstraße

Ich habe mir noch eine Fahrradtour entlang der Küstenstraße vorgenommen, sofern das Wetter mit spielt. Heute spielt es mit. Ich kann Heidi unbesorgt zum Baden schicken und um 9 Uhr mit dem selben Rad wie neulich aufbrechen. Diesmal vergewissere ich mich, dass die Schnellspanner ordnungsgemäß angezogen sind. Zunächst gilt es, die 290 m hinauf nach Sellia hinter sich zu bringen. Da kann man fahren und schieben, wobei man letzteres sowieso wegen der schönen Aussicht öfter machen sollte. Aber nach etwa 45 Minuten oben angekommen, ist man doch einigermaßen schweißgebadet. Ab Sellia geht es zunächst eben dahin. Und da liegt ein überfahrenes Tier mit einem buschigen Schwanz auf der Straße. Sicher tut es mir leid, aber so kann ich ein Foto machen und mutmaßen, dass es sich um einen Marder handelt.

Nachdem man nun richtig auf der Höhe ist, folgt eine lange Abfahrt hinunter nach Kato Rodakino. In einem anderen Reisebericht habe ich ein Bild gesehen, wo eine Abwärtskurve der Straße den Eindruck erweckt, eine Rampe direkt ins Meer zu bilden. Das ist hier, aber nicht nur hier, die Straße von Sellia nach Plakias hat auch einige solcher Stellen. Am Ortseingang von Kato Rodakino rolle ich noch mit einem beträchtlichen Tempo dahin. Da läuft mir plötzlich ein Mann vor das Fahrrad. Die Vollbremsung gelingt und ich kann ausweichen. Wäre ich sonst ein Opfer der Bluträcher geworden? Dieser Bezirk namens Sfakia soll ja einer der wildesten Kretas sein und war früher berüchtigt für seine Fehden, in denen sich ganze Dorfpopulationen gegenseitig ausgerottet haben sollen.

Das muss nun nicht sein, ich mache Halt auf einer Brücke über eine tiefe Schlucht. Hinter der Brücke befindet sich eine Haarnadelkurve ohne Sicherung. Unter dem Scheitel der Kurve gähnt ein Abgrund. Sind deswegen so viele Heiligenbilder am Felsen angebracht? Liegt am Grund der Schlucht vielleicht ein Berg von Autowracks? Man kann nicht bis hinunter gucken. Dafür muss man nun wieder hinauf klettern nach Ano Rodakino. Wenn sie es nicht schon war, ab hier wird die Straße ein Traum. Von hoch oben der weite Blick auf das Meer, umgeben von Blumenfeldern und grünen Berghängen. Besonders hübsch ist der Anblick des Dorfes Skaloti, das von blühenden Wiesen eingerahmt wird. Dort schrecke ich in einem Minimarkt zwei Jugendliche beim Fernsehen auf, um eine Fanta zu erwerben.

Von hier geht es hinunter in eine vorgelagerte weite Ebene, die eher einen trostlosen Eindruck macht. Hier liegt aber das altertümliche Frango Kastello, bzw. das, was davon übrig ist. Ein altes Gemäuer, das aber so viele Besucher anlockt, dass sich eine Taverne an der anderen angesiedelt hat.

Bald danach erreicht man den Ausgang der nach der Samaria Schlucht zweit bekanntesten, der Imbros Schlucht. Da stehen schon mal wieder eine Menge Busse herum. Zwischen den Besucherströmen muss ich hinauf kurbeln, manche feuern einen an, das ist beinahe wie bei der Tour de France. Da kommen mir auch schon wieder die Mountainbiker mit dem Begleitbus entgegen, die kommen wohl überall hin...

Die Imbros-Schlucht scheint eine Vegationsgrenze zu sein. Ab hier wird die Landschaft öd und karg. Einer hat mal geschrieben, dass die Berge dieser Gegend ein gutes Trainingsgebiet für Mondastronauten sein würden.

An einem steilen Hang kann man nun die Serpentinen der Hauptstraße von Chania nach Hora Sfakion erkennen. Wenig später erreicht man diese Straße, auf der aber auch nicht mehr Verkehr ist. Zum Abschluss geht es hinunter nach Hora Sfakion, leider muss an einem Schotterstück runter gebremst werden, da hat es wohl mal einen Erdrutsch gegeben. Hora Sfakion ist der letzte größere Ort, der hier an der Südküste per Straße erreicht werden kann. Danach führt nur eine kleine Schlängelstraße hinauf in das letzte Dorf mit dem Namen Anopoli. An einer Taverne halte ich an, da kann man Hora Sfakion von oben bewundern.

Am Hafen werden die Schiffe aus dem Winterschlaf geholt. Aus Richtung Samaria bzw. Roumeli fährt gerade ein Schiff ein. Am anderen Ende der Bucht erkennt man das Fischerdorf Loutro, das nur mit dem Schiff erreichbar ist. Wenn ich nun in den Ort hinunter fahren würde, müsste ich auf dem Rückweg alles wieder hinauf. Genug Busse stehen da unten ja schon herum, da kommt es auf meine Person mehr oder weniger wohl auch nicht an. Ich mache mich auf die Rückfahrt.

Diesmal halte ich mich auf der oberen Straße und lasse die Ebene mit Frango Kastelli rechts liegen. Dabei passiert man noch den Orte Kapsodasos. Auf dem weiteren Weg entdecke ich ein Hinweisschild an einer Abzweigung, Kallikratis steht darauf. Also gibt es doch eine Verbindung in die Berge, die man auf der ersten Tour hätte nehmen können. Aber die muss man erst einmal finden, auf der Karte ist die Straße jedenfalls nicht eingezeichnet. Von der weiteren Fahrt gibt es nichts neues zu berichten, man kennt die Strecke und die Orte ja schon. Doch es ist auch reizvoll, die Landschaft nun von der anderen Seite aus zu sehen. Die Reste einer Mühle erkenne ich diesmal nur auf der Rückfahrt.

In Sellia mache ich noch einmal eine kleine Rast an der Stelle mit der schönen Aussicht. Da fährt ein vollbesetzter Bus vor, Foto Safari steht auf einem Schild. Da steigen auch schon die Massen aus und es klickt wie verrückt. Die meisten fotografieren ohne Vordergrund, da wird das dann so eine Art Luftbild von der Plakias Bucht. Außerdem läuft eine Stromleitung quer durchs Bild, aber die habe ich bei meinem Foto auch drauf. Ich fahre weiter und fotografiere nun meinerseits eine eigenartige Felspartie im Tal (mit Vordergrund). Das ganze sieht aus wie eine abgerutschte Scholle, und die haben wir auf unserem Fußmarsch schon bewundert.

Gegen 16 Uhr bin ich wieder unten, 90 km mag ich gefahren sein, da kann man ein Bad gut gebrauchen. Nach dem unruhigen Wetter der letzten Tage sind am Strand leider unangenehme Teerklumpen angeschwemmt worden, die wohl von gewissenlosen Tankerbesatzungen her stammen. Hier in der entlegenen Libyschen See gibt es sicher keine Kontrollen, wenn die Tanks mit Meerwasser gespült werden. Auch der sonderbare Typ mit dem Oberhemd um den Kopf ist wieder da und spaziert mit nichts anderem bekleidet freizügig den Strand entlang. Was der da zu seinem – und wie er meinen mag – der anderen Ergötzen vor sich her trägt, da kann man nicht mit halten. Vielleicht nimmt er auch Viagra!

Am Abend kann ich schon die Fotos abholen, die ich am gleichen Tag gemacht habe. Wir fragen den Inhaber des Fotogeschäfts gleich mal nach dem überfahrenen Tier. Er schreibt uns zwei Namen in griechischen Buchstaben auf: Zoulida und Kouhavi. Aber ob ich das richtig entziffert habe, weiß ich nicht.

Freitag – Sonntag: Baden und Bergerkundung

Die letzten verbleibenden Tage reißen wir uns natürlich kein Bein mehr aus. Ich gehe noch einmal hinauf zum Stollen und taste mich zu den vermeintlichen Piratenlöchern durch. Am Sonnabend kann ich es dann nicht lassen, ein letztes Mal versuche ich den Steig um die Landspitze herum zu finden. Diesmal belästigen mich die Raben – vielleicht sind es auch nur Krähen – nicht. Endlich finde ich den Steig, der wohl nur noch selten benutzt wird, denn er ist ziemlich zu gewachsen. Einige kleine Steinhaufen erleichtern hin und wieder die Orientierung. Einmal muss man durch eine Felsspalte kriechen, dann geht es noch ein wenig weiter hinauf, bis man das Meer auf der anderen Seite sehen kann. Das genügt mir und ich kehre um.

Am Sonntag ist der Abreisetag, an dem wir das Zimmer bis 12 Uhr geräumt haben müssen. Abgeholt werden wir aber erst nach 18 Uhr. Leider ist uns am letzten Tag kein schönes Wetter beschert, und wir bibbern die Zeit am Pool ab. Auf der Fahrt zum Flughafen werden nach und nach Gäste eingeladen, die in Rethimno ihren Urlaub verbracht haben. Da kann man sich nur wundern, wenn man den Verkehrslärm, die Hotels mitten in eng besiedelten Stadtteilen und schließlich den Strand sieht, wo sauber ausgerichtet mehrere Reihen an Liegen und Sonnenschirmen hintereinander wie die Soldaten ausgerichtet sind. Dagegen waren unsere Buchten geradezu Paradiese.

Unser Aktionsradius war diesmal ohne Leihauto und dgl. nicht so groß, dennoch groß genug, um vieles Schöne zu sehen.


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