Reise nach Kalabrien 6.10. - 20.10.2007

Wie wir auf Kalabrien gekommen sind, weiss ich auch nicht mehr. Wahrscheinlich durch eine der "Intelligenz-Zeitungen", mit denen sich Heidi immer versorgt und dann mit unserer Nachbarin tauscht. Die dagegen weiss sofort, wovon die Rede ist: "Aha, Kannibalien, da waren wir auch schon mal". Wir dagegen nicht! Kalabrien bildet den südlichsten Teil des italienischen Stiefels, ist also eigentlich dessen Fuss. Im Internet oder auch herkömmlich auf einer Landkarte findet man u.a. den Ort Pizzo, wo das berühmte Tartuffo Eis erfunden wurde. Wenn man dann im Reisebüro diesen Ort in den Mund nimmt, drückt einem der stets nette Herr Müller sogleich ein Sonderangebot aufs Auge: Garden Resort Calabria, 14 Tage All Inclusive für c.a. 800 EUR p.P. Na gut, buchen wir das mal, ein passender Flug von Hannover nach einem gewissen Zielort Lamezia Terme ist auch verfügbar.


Garden Resort aus ungewohnter Perspektive
Wenn man sich schliesslich - wieder zu Hause - bei Holiday Check genauer über diese Anlage informiert, stehen einem doch alsbald die Nackenhaare zu Berge: da hat es einigen überhaupt nicht gefallen, anderen dagegen doch (so ist es ja immer). Es handelt sich um eine der grössten Anlagen in Italien (ca. 590 Zimmer oder Apartments), vor drei Jahren mitten in die Botanik gesetzt und ohne Anbindung an das Umland durch öffentliche Verkehrsmittel. Wir versuchen, noch einmal umzubuchen, das Hotel Rocca Nettuno in Tropea würde sich noch anbieten, aber das käme um 290 EUR p.P. teurer, also finden wir uns in unser Schicksal, man wird schon das beste daraus machen, darin haben wir übung.

Alles weitere geht planmässig vor sich: Hund Otto (Beagle) in seine bewährte Pension bringen, wo er ohne Fernsehen, Radio, Bilder an den Wänden oder gar Sofa in einem 3er Kellerzwinger hausen darf. Aber dafür hat er Gesellschaft nebenan (Riesenschnauzer), da kann man vor dem Einschlafen noch einen Schnack machen. Herr C., der Otto betreut, bildet auch professionell Hunde aus und lacht sich kaputt, dass Heidi mit dem frisch gewaschenen "Hundebetti" aufwartet. Nachdem wir zu Hause freie Bahn haben, können auch die Koffer gepackt werden, denn wenn Otto irgendwelche Koffer sieht, wird ihm komisch zu mute.

Zum Flughafen Hannover Langenhagen bringt uns ein Zubringerdienst für 30 EUR. Dabei muss ein Stau auf der Autobahn umfahren werden, und man ist froh, dass man das nicht selber machen muss. Nach dem Einchecken besorgt sich Heidi die neuesten Intelligenzzeitungen. Dadurch kann man die Zeit bis zum "Boarding" angenehm mit Sudokus totschlagen. Oder nochmal aufs Klo gehen. Und auch noch zwei Cola besorgen. Damit sind wir schon wieder mal angeschmiert, die darf man nicht in die Sicherheitszone, oder auf Deutsch: Security Area mitnehmen. Da könnte ja Sprengstoff drin sein. Den Kram sollte man dann lieber einem nächstbesten Kind schenken, meint der Sicherheitsbeamte. Das können wir dann doch nicht verantworten, nachher explodiert das arme Kind womöglich? Also trinken wir die Cola noch flugs auf EX, und tatsächlich: man explodiert irgendwie.

Bei dem Sicherheitscheck fallen wir schon wieder auf. Heidi hat ein Sortiment von Kosmetikartikeln, die bei unserem letzten Hotelbesuch in Hamburg hängen geblieben sind, in ihrer Handtasche gebunkert. So geht das natürlich nicht! Die kleinen Fläschchen, Tuben oder was immer müssen in einem verschliessbaren Plastiktütchen verstaut sein. So ist die Vorschrift. Ob wir das nicht wüssten? Nein, wissen wir nicht. Kulanterweise bekommen wir eine Zippertüte ausgehändigt, da kann man alles rein tun. Nur die angebrochene Flasche mit Nagellackentferner wird konfisziert, da ist die zulässige Menge überschritten. Vielleicht kann einem mal einer erklären, wo der tiefere Sinn solcher Vorschriften liegt. Die Zippertüte im Handgepäck könnte man ja leicht an Bord wieder öffnen und sich was Explosives zusammen mischen? Aber lassen wir die Scherze, es ist schon zu viel passiert auf der Welt!

In der Dunkelheit heben wir ab, da ist trotz Fensterplatz nicht viel zu beobachten. Zwischendurch fallen wir mit dem Flieger auch mal in ein tiefes Loch. Das fühlt sich an, als wenn man mit dem Fahrstuhl abstürzt. Es kommt trotzdem keine Panik auf, nur einige sich liebende Paare halten Händchen, gemeinsam untergehen und so. Dazu kommt es aber nicht. Schliesslich beim Landeanflug nach 2.5 Stunden erkennt man beleuchtete Dörfer - nun schon direkt über den Kalabresischen Bergen. Die Landung und alles weitere geht reibungslos, schliesslich sind wir gegen 23 Uhr nach kurzer Busfahrt in unserem Quartier angelangt. Nach Empfang der Unterlagen und des AI-Armbändchens an der Rezeption irrt man dann in der Dunkelheit herum, bis man - in unserem Falle - Block B gefunden hat.

Und nun im Stechschritt zur Pizzeria, da soll es noch zu essen und zu trinken geben. Das stimmt sogar. Am Pool findet ausserdem noch eine Hochzeit mit mitternächtlichem Feuerwerk statt. Nach dem dritten Bier setzt sich ein Ehepaar vom Nachbartisch zu uns, das sind Kerstin und Klaus, die mit dem gleichen Flug gekommen sind. Als wir das Kennenlernen hinter uns haben und der Kellner irgendwas von "dormire" murmelt, folgen auch wir diesem Vorschlag, 2 Uhr mag es geworden sein. Wir suchen und finden nach einigem hin und her den Block B, wo unsere Koffer mittlerweile vor der Zimmertür eingetroffen sind. Vom Rest der Nacht ist nichts mehr zu berichten.

Sonntag

Auf das Frühstück sowie auf das Buffetangebot ist man natürlich gespannt. Und auf die Wettervorhersage, die im sog. "Meeting Point Calabria" aushängt. Gewitter, Regen, aber auch Sonne sind für die nächsten Tage angesagt. Das Frühstück ist kein Problem. Wenn man es ala "Full Breakfast" gestalten möchte, bieten sich Spiegeleier und Speck an. Tomaten oder Bohnen werden allerdings nur kalt angeboten. Der Toaster Automat würde anderenorts als Antiquität durchgehen. Und an den Kaffee-Automaten muss man womöglich etwas warten, weil die Leute mit den vielen Knöpfen nicht zurecht kommen, oder einer oder mehrere der Geräte nicht funktionieren.

Dann findet bald die übliche Informationsveranstaltung statt, wo zunächst die diversen Einrichtungen der Anlage Garden Resort erklärt werden, die man aber wohl zumeist kaum nutzen wird, wenn man die nur gelben AI-Bändchen hat. Damit sich nämlich auch hier eine Klassengesellschaft bewähren kann, hat man vier AI-Kategorien eingerichtet, die oberste heisst ULTRA. Da kann man dann wohl spät in der Nacht kostenfrei in einer menschenleeren Bar sitzen oder so. Des weiteren werden etliche Ausflugsmöglickeiten vorgestellt, falls man auch mal etwas vom Umland kennen lernen möchte. Auf eigene Faust geht hier nämlich gar nichts, ausser man mietet sich ein Auto. Dann aber muss man auf italienisch autofahren können, was vielleicht nicht zur Erholung beiträgt? Ampeln werden z.B. ignoriert, das haben wir von einem Gespräch zwei Strandliegen weiter mitgehört, wo jemand 4 Tage in der Gegend unterwegs war.

Damit sind wir auf den Strand zu sprechen gekommen, den man in 5 Min. durch einen synthetischen Pinienhain erreicht. Das komische Wort synthetisch beruht darauf, dass die Bäume schnurgerade parallel zur Küste in einer Reihe angepflanzt wurden. In den jeweiligen Baumzeilen kann man jeden Tag die eine oder andere Furche ziehen, wenn man Jogger oder Nordic Walker ist. Am Ende des Urlaubs hat man schwerlich alle Baumreihen abgelaufen und auch von Kalabrien und Restitalien womöglich nicht viel gesehen.

Am Strand ist es aber schön, etwas kiesig vielleicht, aber ruhig, sauber und ohne Musik und Rämmidämmi. Am Horizont findet man meistens eine dünne senkrecht aufragende Wolkensäule. Wenn man die Augen gehörig zusammen kneift, kann man auch die Konturen eines Kegels darunter erahnen: und das ist dann der Stromboli, der aktivste Vulkan Europas - wie gesagt wird. Wer es ganz genau wissen will, kann hier nachlesen.

http://141.84.51.10/palmuc/sammlung_geologie/seiten/museum/geoforum/vulkan/Stromboli2.html


Ein Mitbewohner
Der angrenzende Strand, der nicht mehr zum Hotelbereich gehört, ist übrigens alles andere als sauber. Da liegen Flaschen und reichlich Plastikmüll herum, und man wundert sich, dass dagegen nichts unternommen wird. Es wäre gar nicht soviel Aufwand nötig, ein paar Leute und ein Pickup Transporter vielleicht. Trotzdem huschen dort massenhaft kleine braune Eidechsen herum. Ein sehr viel schöneres Exemplar lernen wir allerdings auf unserer Balkonbrüstung kennen. Da lässt sich sogar in aller Ruhe ein Foto von dem kleinen Sonnenanbeter machen.

Für heute begnügen wir uns mit dem Pool, davon gibt es zwei. Der eine ist ruhiger, und den ziehen wir vor, damit man in Ruhe ein Buch lesen kann. An der anderen - grösseren Poolanlage wird ständig vielsprachig bis maximal zehn gezählt (Une, due, tri, quattro... oder so), da findet dann gerade die Wassergymnastik statt. Für heute spielt das Wetter noch nicht so ganz mit, zwischendurch müssen wir uns vor einem heftigen Gewitter in unser nahes Zimmer verziehen. Die Dachrinnen laufen bei einem heftigen Regenguss über. Danach scheint wieder die Sonne und man kann sich nochmal für eine halbe Stunde dem Braunwerdekult widmen.

Schliesslich verlebt man den ersten Abend unter Gewittergrollen mit dem Abendbuffet und dem einen oder anderen Rotwein oder Bier. Vielleicht schleppt man mal unerlaubterweise eine oder zwei Karaffen Rotwein aufs Zimmer ab, damit man auch mal gemütlich auf dem Balkon sitzen kann.

Montag: Fahrt nach Pizzo

Da es keinerlei öffentliche Verkehrsmittel gibt, ausser der Küsteneisenbahn, die aber in dieser Gegend keinen Bahnhof zu besitzen scheint, bietet die Hotelanlage listigerweise einen Shuttle Dienst an, der vormittags und nachmittags die 8 km entfernte Stadt Pizzo anfährt. Da muss man sich rechtzeitig anmelden und es kostet mal eben 5 EUR p.P. Wir erwischen die Nachmittagstour. Die beginnt lustig. Ich probiere gerade die Schaltknöpfe aus, die seitlich an den Bussitzen angebracht sind, und kippe auch schon prompt mit der Rücklehne nach hinten. Heidi bekommt einen Lachanfall, wohl weniger wegen des Kippens als über meinen verdatterten Gesichtsausdruck dabei. Für den weiteren Urlaub habe ich mir damit ein Verbot eingehandelt, irgendwelche Schalter an Bussitzplätzen zu betätigen. Nach etwa 20 Minuten ist man schon in der Stadt Pizzo und strömt mit der Gästeschar stadtwärts. Man kann sich gut an den Mitstreitern orientieren, denn die haben fast alle gelbe Armbänder. Nur einige haben rote, grüne, blaue oder so, und die sind dann etwas besseres.

Nun gut, das Ortsbild von Pizzo bietet einem das, was man sich unter Süditalien vorstellt. Da hängen Wäschestücke zum Trocknen von den Balkons, enge Gassen und Treppen führen links bergauf und rechts bergab. Die Gebäude sind gepflegt, ab und zu gibt es aber auch einen Palazzo, der sicher schon bessere Zeiten gesehen hat. Wir wandern eine malerische Srasse (San Francesco Corso) hinunter, dort sind kleine Geschäfte, sogar ein Handwerker ist beschäftigt, metallene Schmuck- und Gebrauchsstücke herzustellen und zu verkaufen. Dann ist man schon auf der Piazza della Repubblica. Da sind genügend Restaurants zugange, die einem das berühmte hier erfundene Tartuffo Eis reindrücken wollen.

Aber erstmal laufen wir um das Kastell herum, das von dem Namen Gioacchino Murat, geprägt ist. Der war ein Schwager Napoleons und König von Neapel, und der wurde im Jahre 1815 hier hingerichtet, als es in Süditalien gelang, sich von der französischen Vorherrschaft zu befreien. Wenn man das zugehörige Museum näher besichtigen will, womöglich das letzte Hemd jenes Herrn oder so, dann kostet das Eintritt. Deswegen lassen wir uns doch lieber auf ein Tartuffo Eis nieder.

Das Original dieser Eisspezialität besteht aus reiner Schokolade mit Nougat und anderen süssen Scheusslichkeiten, Kalorienbombe, heisst es. Es gibt auch eine weisse Version, die in Nussschnitzeln gewälzt serviert wird. Die kann man essen. Heid trinkt lieber einen Campari Orange. Nachdem ich mir die Nussschnitzel aus den Zähnen gepolkt habe, können wir weiter sehen, was man hier noch so unternehmen kann. So bummeln wir langsam wieder in Richtung Busplatz, wo wir um 19 Uhr wieder abgeholt werden. Da treffen sich allmählich mehr und mehr Mitfahrer, die auch nicht wissen, was sie mit der verbliebenen Zeit anfangen sollen.

Aber hier oben ist eine Aussichtsplattform, von wo aus man einen schönen Sonnenuntergang beobachten kann. Ausserdem zeigt sich der Stromboli im Abendlicht einigermassen sichtbar. Man kann sogar ein Foto machen, sicher gibt es schönere Bilder von diesem Vulkan. Nebenan ist auch die Kirche Chiesa di Rocco Francesco di Paola, 1579, die man noch kurz besichtigen kann. Es gibt dort wieder Kirchenbesucher, die in tiefster Frömmigkeit die Hände oder Füsse der Heiligenstandbilder berühren und dadurch geheimnisvolle Kräfte aufnehmen oder sowas.

Dann kommt auch bald der Bus und alle können schliesslich dem Abendbuffet zustreben.


Kapitel 2
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