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So 8.5. Cambo - Oloron St. Marie 115 km: Wo sind die Pyrenäen?

Es scheint sich abgeregnet zu haben, die Sonne macht die ersten Versuche, durch die grauen Wolkenschleier zu dringen. Vor dem Abflug drehen wir noch eine Platzrunde durch den Ort. Es handelt sich um eine nette Gebirgssommerfrische, offensichtlich kommen hier viele Gäste her. Vor der Kirche ist ordentlich was los, es scheint ein besonderer Feiertag zu sein, aber dahinter kommen wir erst später.


"Grün ist das Tal"
Unter dem Motto "Grün ist das Tal" geht es los, entlang dem Fluss Nive, der heute natürlich ordentlich geladen hat. Die unbewaldeten Berge sind wie mit einem grünen Polster überzogen. Besonders malerisch eine Wiese mit Schafen auf einem Bergrücken. Eine Bahnlinie begleitet uns durch das wilder werdende Tal.


Schlauchbootfahrer
Wir hören juchzende Schreie vom Fluss herauf, da sind Schlauchbootfahrer zwischen den Stromschnellen zugange. Wir werden Augenzeugen, wie einer über Bord geht, aber bald wieder aufgeangelt wird.

Weniger erfreulich sind die vielen Kröten, die auf der Strasse ihr Leben lassen mussten. Schliesslich weitet sich das Tal wieder und wir erreichen St. Jean Pied de Port. Wir befinden uns nun mitten im Land der Basken, wie man unschwer an der typischen Kopfbedeckung der Einheimischen erkennt. In den engen Gassen marschiert eine Musikkapelle auf, man kommt vor Menschen gar nicht weiter. Ein etwas depperter Passant versucht ein Gespräch mit uns, was aber wegen der mangelnden Sprachkenntnisse beiderseits bald scheitert.

Ein Restaurant bietet sich an, mal wieder ein Glückstreffer. Nicht was das Käsesandwich oder den Kaffee angeht. Nein, hier findet sich ein Original nach dem anderen ein. Zwei der Typen verfügen unter der obligatorischen Baskenmütze nurmehr über ein halbes Ohr. Ob sie Opfer eines hier üblichen Naturkampfes sind, grübelt man da. Hier geht es aber um was anderes. Ständig wird mit Geldscheinen und Wettzetteln hantiert. Anscheinend schliesst man Wetten auf Pferderennen ab, wo immer die stattfinden mögen.

Thomas bestellt einen Teller Oliven, auch mal etwas anderes. Schliesslich brechen wir wieder auf, der erste Pass wartet auf uns: der Col de Osquich, 500 m hoch. 400 Meter davon müssen wir hinauf. Wir kurbeln schwitzend vor uns hin, ich mit meiner kleinen Übersetzung, Thomas schwer tretend.


Col de Osquich
Endlich erreicht man ein Gasthaus, aber das ist noch nicht die Passhöhe. Weitere zwei Kilometer hinauf, dann hat man es geschafft. Die Aussicht über die Vorberge der Pyrenäen belohnt einen für die Anstrengungen. Und natürlich die Abfahrt, bei der man bremsend die mühsam erklommenen Höhenmeter wieder vernichtet.

Der Blick auf die Zentralkette der Pyrenäen ist verhangen, immerhin erkennt man schneebedeckte Berge. Bald sind wir in Mauleon Licharre und wir fallen über eine Bäckerei her. Mit Heisshunger ziehe ich mir drei Stücke Kuchen rein, das baut auf.

Gemächlich rollen wir die Reststrecke ab nach Oloron St. Marie. Hier gibt es eine bemerkenswerte Kirche (Reiseführer), aber die ist von einer Baustelle umgeben, ausserdem haben wir nur Augen für den Hinweis auf ein Hotel. Centre Ville - Ortszentrum, das ist in solchen Fällen angesagt. Im Hotel Bristol steigen wir ab.


Oloron St. Marie
Der Fahrradfahrer stellt nach einem anstrengenden Tag keine grossen Ansprüche, immer wieder ist man von einem Glücksgefühl erfüllt, wenn man eine Unterkunft hat, sei sie auch noch so einfach. Hier ist das Haus dunkel und muffig, aber sauber. Die Legende von Wanzen und anderem Ungeziefer in südeuropäischen Regionen müssen wir ganz entschieden zu rückweisen, immer war es sauber und die Duschen spendeten stets wunderbar heisses Wasser.


Kriegerdenkmal
Hier sind die Verhältnisse also etwas einfacher, in der Bar an der Strasse versitzen wir den Abend dann wieder auf angenehme Weise. Ein Baske ist von dem anstrengenden Tag gezeichnet und wird hinter der Theke immer kleiner. Was heute für ein Feiertag sei, Kranzniederlegungen und so, darüber grübeln wir noch nach. Thomas meint, Ende des Zweiten Weltkriegs. Ich bin der Meinung, das Kriegsende sei im August oder so. Wandelnde Bildungslücken! Inzwischen habe ich im Lexikon nachgesehen, am 7. Mai 1945 hat Generaloberst Jodl in Reims die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet.

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