Zurück zum Kapitel Index

Fr 29.4. Ramboulliet - Tournoisis 105 km: Plattes Land

Wir nehmen das erste Frühstück ein, das petit dejeuner, bestehend aus Croissant und Baguette, Butter und Konfitüre, dazu Tee oder cafe au lait. Ich bin erfreut, dass die Hotelrechnung per Visa-Karte beglichen werden kann, da spart man sich das ständige Beschaffen von Bargeld. Seit ich diese Karte habe, ist sie noch gar nicht benutzt worden, nun umweht mich der hauch des "Mannes von Welt".

Bis wir weiterkommen, vergeht noch eine Weile. Erstmal Fototermin beim Schloss. Thomas sucht ein Geschäft auf, um Getränke, Obst und Baguette zu besorgen. Rainer erkundigt sich in einer nahen Bank nach den gängigen Wechselkursen, um seinen Ärger vom Vortag aufzufrischen. Dann macht sich Thomas an's Telefonieren, was natürlich wieder nicht klappt. Rainer eilt ihm zu Hilfe. Ich trete derweil bei dem strahlenden Sonnenschein von einem Fuss auf den anderen: "er scharrt mit den Hufen" heisst das bei den anderen.

Als das Telefonieren endlich funktioniert hat, muss Thomas schliesslich noch ein Örtchen aufsuchen. Dazu muss aber auch ein Kaffee getrunken werden, damit man die Legitimation bekommt. Ich scharre weiter mit den Hufen. Endlich ist es 11 Uhr, bis wir loskommen.

Die Ausfahrt aus der Stadt gelingt uns wieder mehr schlecht als recht, auf einer vierspurigen Rennstrecke finden wir uns wieder. Irgendwann sind wir dann zwischen Rapsfeldern auf einer fast autofreien Nebenstrecke. Bald findet Thomas alle Augenblicke etwas am Strassenrand. Es handelt sich um CDs mit klassischer Musik, die noch einigermassen unversehrt aussehen. Eine nach der anderen verschwindet in seiner Lenkertasche.

Das letzte Stück bis Chartres fahren wir bei Gegenwind in schneidigem Tempo, Rainer ist kaum zu halten. Schon von weitem kann man die grossartige Kathedrale von Chartres erkennen, da weiss man, dass die Fahrtrichtung stimmt. Chartres begrüsst uns mit romantischen Eindrücken, ein mittelalterliches Stadtbild, Befestigungsanlagen, schliesslich geht es den Berg hinauf, wo die Kathedrale thront.


Chartres

Dieses Ungetüm aus Stein gewordener Bildhauerkunst, an dem Generationen gearbeitet haben mögen, nimmt einem schon den Atem. Gewaltig der Innenraum, leuchtende Glasfenster und Rosetten. Es kommen einem aber auch Zweifel am Sinn der ganzen Sache, wieviel Blut und Tränen diese Pracht gekostet haben mag. Wir ziehen unsere Kreise um das Bauwerk, beschauen es von allen Seiten. Rainer hat noch andere Bildungslücken und blättert unentwegt in seiner französischen Grammatik und im Wörterbuch.

Wir schlagen nun die Richtung nach Süden ein. Bis zum Tal der Loire gilt es, eine weniger interessante Landschaft von flachem Land zu durchfahren. Der Wind bläst etwas von vorn, das macht die Sache nicht leichter. Wir finden aber fast verkehrsfreie Nebenstrassen, da kann man nebeneinander herfahren und sich unterhalten.

Als die ersten Hinweistafeln auf die Sehenswürdigkeiten des Loire-Bezirks auftauchen, befinden wir uns in Tournoisis. Das ist ein weniger interessantes Dorf, an der Strassenkreuzung aber befindet sich ein Hotel. Noch zögern wir, aber für heute reicht es eigentlich. Wir entscheiden uns für den wohlverdienten Feierabend und werden im Relais St. Jaques gastfreundlich aufgenommen. Über eine hölzerne Stiege werden wir in ein Dachzimmer gelotst.


Balkenkonstruktion
Dort besteht die Zimmerdecke aus der sorgsam restaurierten Balkenkonstruktion des Dachstuhls. Es handelt sich hier wohl um eine alte Poststation, wie der Name Relais vermuten lässt. Unten in der Halle finden wir später ein Fotoalbum, wo der ganze Vorgang der Restaurierungsarbeiten dokumentiert ist.

Frisch geduscht, schamponiert und eingekleidet erscheinen wir wieder in der Gaststube, wo uns der Monsieur an einem fest lich gedeckten Tisch bewirtet. Wir machen uns über das Menue her, bei unserem Hunger kein Problem. Salat, Ei, Steak, Quarkgericht und Dessert bilden die Gänge. Dazu spendieren wir uns Rotwein und Kaffee, Rainer noch einen Cognac obendrauf.

Trotz der vielen gedeckten Tische sind wir die einzigen Gäste. "Une catastrophe" meint der Monsieur angesichts der ausbleibenden Gäste. Wir geniessen natürlich die individuelle Bedienung. Nach dem gastlichen Abend können wir - im Nachhinein - dem Relais St. Jaques die meisten Sterne unserer Bewertungsskala verleihen. Als Thomas entdeckt, dass es ein Faxgerät gibt, lässt er sofort einen Brief an zu Hause los, am nächsten Morgen ist sogar eine Antwort da.

Nächster Tag