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Di 10.5. Lannemezan - St. Girons 95 km: Der schönste Tag
Dieser Tag bringt die Königsetappe. Das liegt am Wetter und an der
Landschaft, wenn das beides harmoniert, kann das Radlerherz
jubilieren.
Der Himmel ist wolkenlos, man hat eine weite Sicht auf die
grünen und weissen Berge, es blüht an allen Ecken. Wir fahren
ausnahmslos auf - fast - verkehrsfreien Nebenstrassen, ein Auf und Ab
zwar, aber nie von längerer Dauer. Ab und an verfransen wir uns auch
und müssen retour. Heute ist, wie es so schön heisst, der Weg das
Ziel. Zwischen den grünen Hügeln dahingleitend fällt Thomas die
Formulierung ein: "Man müsste das alles in sich aufnehmen und
festhalten, jederzeit abrufbar". Jetzt sind wir mitten drin, tief
durchatmen, sich klarmachen, dass es schöner nicht geht.
Wir passieren die Kathedrale über St. Bertrand, die ist imposant.
Eine Ausgrabungsstätte römischer Grundmauern erinnert daran, dass es
laut Reiseführer hier eine römische Siedlung namens Lungdunum gab,
klingt ganz nach Asterix!
In Aspet setzen wir uns an dem sonnenüberfluteten Dorfplatz an den
Tisch einer Bar und verzehren Sandwich und Salat. Am Nebentisch sitzen
zwei Zecher bei ein paar Flaschen Rotwein. In der prallen Sonne sind
sie aber bald fix und fertig und lassen die Hälfte des Weins
unverzehrt zurück. Auf dem Platz steht wieder eines dieser
eindrucksvollen Kriegerdenkmäler. Der forsche Held trägt diesmal
eine dezent in Stein gemeisselte Handgranate wurfbereit beim
Vorwärtsstürmen.
Wir nähern uns dem Fluss Salat, an dessen Ufern wir Richtung St.
Girons rollen. Die schneebedeckten Gipfel der Zentralpyrenäen
leuchten voraus. In einem Vorort wird Kuchen nachgetankt. Ein paar
Männer mit Baskenmützen streunen herum, die machen einen etwas
verlotterten Eindruck. Die Sache klärt sich auf, indem hier wohl
irgendwo in der Nähe sich ein Altersheim befindet.
Dann macht sich Thomas plötzlich auf die Socken. Er kurbelt durch
verwinkelte Gassen steil hinauf, ich immer hinterher. Endlich erreiche
ich ihn keuchend. "Wo soll es denn hingehen?" "Ich dachte, hier
gibt es ein Cafe!" Wir stehen aber zu Füssen einer Festung, die wir
nicht auch noch erobern wollen.
Wir holpern über Kopfsteinpflaster durch das Burgtor wieder hinunter
in die lebendige Stadt St. Girons.
An einem grossen Platz, bestanden
mit Platanen, nehmen wir endlich unseren Kaffee ein. Was ist heute
noch zu tun? Die nächste Etappe nach Foix beläuft sich über 44 km
auf einer vielbefahrenen Strasse, das muss heute nicht mehr sein. In
bewährter Weise suchen wir uns unser Hotel, diesmal gibt es ein
Zimmer mit Balkonterrasse und Blick auf den rauschenden Fluss.
So war dieser Tag die Königsetappe, nicht was die Länge der
zurückgelegten Strecke angeht, aber die Landschaftseindrücke waren
überwältigend.
Nach einem Stadtbummel landen wir in einem Restaurant mit brüllendem
Fernseher. Es wird ein Fussballspiel übertragen und die
interessierten Zecher an der Theke wenden den Blick nicht vom
Geschehen. Eine Mikrowellen-Pizza, die kann man vergessen. Dann setzen
wir uns auch zu Füssen der Fussballspieler und beobachten ganz
unvoreingenommen das Gemetzel auf dem grünen Rasen: Halbfinale der
französischen Pokalmeisterschaft, St. Etienne gewinnt 2:0 (glaube
ich).
Als alle Tore und solche, die es hätten werden können, gezeigt sind
und die Interviews mangels Sprach- und Personenkenntnis uns auch nicht
den wahren Durchblick gewähren, sind wir in unserem vom Rauschen des
Flusses erfüllten Etablissement gut aufgehoben.
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