Reise nach Euböa 23.4.-7.5.99

Planung

Wie verfällt man darauf, der Insel Euböa einen Besuch abzustatten, wo alle Welt von Sporaden, Kykladen oder Dodekanes schwärmt? Ganz einfach, im Reiseprospekt sind nur zwei Hotels auf dieser Insel im Angebot, da kann man darauf hoffen, daß der Massentourismus noch nicht ganz so schlimm seinen Einzug gehalten hat wie anderswo, wo ein Hotel am anderen verkehrsreiche Küstenstraßen flankieren. Wir werden sehen.

Es ist gar nicht so einfach, im Vorhinein Informationen über diese Insel zu sammeln, in den Reiseführern wird sie nur stiefmütterlich behandelt und die Griechenlandfahrer im Bekanntenkreis erklären auf Befragen: Wo ist denn das? Um so besser. Immerhin ist Euböa - oder Evia - die zweitgrößte griechische Insel nach Kreta und vor Rhodos. So hätten wir die drei größten griechischen Insel bereist - aber das ist natürlich kein Argument. Allerdings sind wir vor zwei Jahren auf dem Weg nach Kreta schon einmal über die Insel geflogen, die sich etwa 150 km lang östlich des griechischen Festlands erstreckt. An einer Stelle ist sie allerdings nur ganze 35 m(!) von diesem entfernt, und dort befindet sich die Hauptstadt Chalkis oder Halkida, wo man natürlich eine Brücke vorfindet. Die höchste Erhebung befindet sich im Dirfis Gebirge mit 1743 m. Da wo wir hinfahren werden, in der Gegend bei bei Er etria, erheben sich die Berge auf über 1000 m und heißen Olimbos Gebirge. Soviel kann man schon vorab der ausgezeichneten Karte "Athen - Delphi - Euböa, M 1:250 000, Freytag und Berndt" entnehmen.

Obwohl man sich auf dieser Karte die eine oder andere Fahrradtour ausdenken kann, lassen wir die Räder zu Hause in der Hoffnung, vor Ort geeignete Räder mieten zu können. Eine andere Bemerkung muß noch gemacht werden: als wir die Reise gebucht haben, war der Kosovokrieg noch nicht abzusehen, inzwischen ist er in vollem Gange und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Flugrouten sind deswegen weiter östlich über Ungarn, Rumänien und Bulgarien verlegt worden. Wir haben allerdings weniger Angst um unsere Sicherheit, fahren aber doch mit gemischten Gefühlen angesichts der Massaker und des Flüchtlingselends im Kosovo. Und wir werden uns nicht allzu weit von den Kriegsschauplätzen in der Sonne aalen? Man möge es uns verzeihen, daß wir trotzdem die Reise antreten. Soviel zur Vorgeschichte.

Freitag, 23.4: Anreise

Der Abflug ist auf 6.45 in Hannover, da müssen wir vorsichtshalber drei Wecker auf 3 Uhr in der Nacht programmieren, die dann zur gegebenen Zeit nur mühsam gebändigt werden können. Punkt 4 Uhr fahren wir los, Annika müssen wir leider den Nachtschlaf rauben, weil sie mit zum Flughafen fahren muß, um das Auto zurückzubringen. Alles weitere klappt reibungslos, nach dem Einchecken sitzt man dann wartend auf einer Sitzbank, man kennt das schon. Eine Putzmamsell verkürzt uns die Zeit, die damit beschäftigt ist die Rolltreppen zu reinigen. Das geht der Tageszeit entsprechend alles im Zeitlupentempo vor sich und Heidi bekommt einen Lachanfall, wenn das Fräulein zum x-ten Male regungslos die Rolltreppe herauf schwebt. Wenn man genau hinschaut sieht man aber, daß sie mit einem Feudel an den Glasscheiben oder Fußleisten entlang gleitet.

Endlich geht es in den Flieger (Hapag Lloyd), wo wir leider nur einen Sitz über der Tragfläche erhalten, wo die Sicht nach unten eingeschränkt ist. Allerdings ist auch wegen der Wolken bald nicht mehr viel zu sehen. Erst kurz vor der Ankunft in Athen wird es etwas klarer. Man schwebt im Sinkflug auf das unübersehbare Häusermeer zu, es sieht aus als hätte man lauter Streichholzschachteln über die Landschaft geschüttet. Nach der Landung Paßkontrolle - warum eigentlich nach dem Schengener Abkommen? Dann das Gepäck vom Fließband in Empfang nehmen, wo wir uns mit einer Gruppe Russen um die Plätze in der ersten Reihe rangeln müssen. In der Halle nehmen uns dann die beflissenen Mitarbeiter der Firma NUR (Neckermann Reisen) in Empfang und uns wird eröffnet, daß wir mit einem Taxi zu unserem Quartier gebracht werden, und das ist immerhin so an die 60 km entfernt.

Leider spricht der Taxifahrer weder Deutsch noch Englisch, "Greek" sagt er nur und wir sind leider des Griechischen nicht mächtig. So verläuft die Fahrt meistens schweigsam und es dauert ewig, bis wir die endlosen Vor- und Vorvororte von Athen mit ihrem hektischen Verkehr hinter uns haben. Endlich geht es auf eine Autobahn, ich habe die Karte aufgeschlagen und weiß leidlich, wo wir uns befinden. Bald aber schon verlassen wir die Autobahn wieder, fahren über eine Paßstraße und landen in dem Küstenort Nea Palatia, wo wir zum Aussteigen genötigt werden. Das liegt daran, daß es hier eine Fähre hinüber nach Eretria gibt. Da wir annehmen, daß der Taxifahrer seine kostbare Zeit nicht mit einer Fährfahrt vergeudet, stellen wir uns das so vor, daß der Taxifahrer uns hier ablädt, wir mit der Fähre hinüberfahren um dort vom Hotel abgeholt zu werden. Also stecken wir ihm schon mal 10 DM als Trinkgel d zu, die er freudig entgegennimmt, uns aber anzeigt, daß wir mit dem Taxi hinüberfahren werden. Dafür ist unser Fahrer natürlich ab jetzt um so freundlicher.

Auf die Fähre müssen wir über einen Steg, der auf der Wasserseite kein Geländer hat. Das ist mal wieder was für Heidi, die erbebend die Angelegenheit bewältigt. So befinden wir uns unversehens auf einer 8 km langen Seefahrt und die Insel Euböa liegt in der Sonne vor uns. Im Hintergrund erkennt man noch Schnee auf einem Berg im Landesinneren, die Berge an der Küste sind kahl und erscheinen aus der Ferne völlig ohne Vegetation. Eine Weile lassen wir uns den Wind um die Nase wehen, dann wird es zu kalt und wir suchen die inneren Aufenthaltsräume auf.

Nach gut einer Stunde landen wir in Eretria an. Das ist ein geschäftiger Hafenort, den wir noch näher kennen lernen werden. Das Taxi bringt uns in wenigen Minuten auf der stark befahrenen Küstenstraße zu unserem Hotel namens Holiday in Evia. Vom Taxifahrer verabschieden wir uns mit Handschlag. An der Rezeption wird uns unser Quartier zugeteilt und gleich danach fährt "The Boy" mit einem zweisitzigen Gefährt vor, das uns und das Gepäck hinauf bringt. Es sind nur wenige Meter (vielleicht 150), wobei ich Mühe habe, nicht von der Gepäckablage hinunter zu fallen, die man mir als Platz zugewiesen hat. Trotzdem gibt Heidi dem "Boy" Trinkgeld, was sie lieber hätte lassen sollen, da er uns in Zukunft nicht einmal zu grüßen geruhen wird.

Nun haben wir einen netten Raum mit Freisitz innerhalb einer Bungalowanlage. Vor der Tür steht eine große Dattelpalme und oben in der Ecke des Vorraums ist ein Schwalbennest. Wir packen erst mal aus und begeben uns danach auf den obligatorischen Rundgang. Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht, wir "fremdeln" am Anfang immer, d.h. es gefällt einem alles nicht so richtig. Es gibt zwar einen herrlichen Swimming Pool mit einer Insel in der Mitte, die Flächen zwischen den Bungalows sind liebevoll bepflanzt und gepflegt und durch eine Unterführung unter der verkehrsreichen Küstenstraße gelangt man an den "Strand", der eher aus Kies und allenfalls grobem Sand besteht. Das Wetter ist inzwischen ziemlich grau geworden, zudem stellen wir fest, daß die gesamte "Anlage" eingezäunt ist und man nirgends hinaus kommt, außer durch den Haupteingang an der verkehrsreichen Küstenstraße. Wir irren eine Weile im "Hinterland" der Anlage herum, da baut man neue Bungalows und hat im verkrauteten Gelände allerhand Müll verstreut, in einer Kuhle kokelt es vor sich hin. Wie soll man hier zwei Wochen rumkriegen? Schweigsam geworden kehren wir in unsere Behausung zurück, wo es auch nicht gerade warm ist. Lesend verbringen wir die Zeit bis zum Abendessen (19 Uhr) unter der Bettdecke.

Das Abendessen allerdings enttäuscht uns heute und in der folgende Zeit nicht. Es gibt eine leckere Suppe, rund ein Dutzend Salatarrangements, ein warmes Buffet mit sechs "Rechauds" verschidenerlei Inhalts. Entschuldigung für den französischen Ausdruck, aber wir stellen bald fest, daß die Einrichtung fest in französischer Hand ist, deutsche Stimmen verlieren sich. Noch zu erwähnen der Nachtisch, der als Eis, Kuchen oder Fruchtsalat bereit steht. So kann man leicht in vier Gängen speisen, dazu outen wir uns als Deutsche, indem wir Bier dazu trinken, allerdings das gut schmeckende griechische "Mythos Bier". Da der Preis für zwei Bier 1800 Drachmen beträgt, sieht man sich genötigt, für den Kellner auf 2000 aufzurunden, was sich allerdings lohnt, denn der ist sehr nett, heißt Dimitri (was wir natürlich erst später in Erfahrung bringen) und ist immer zu einem Schnack aufgelegt.

Ich erwähne gleich die sonderbare Hierarchie der Bediensteten, dann brauche ich das später nicht mehr zu tun. Da gibt es zwei meistens lächelnde wohlgekleidete Herren, deren einzige Aufgabe es zu sein scheint, mit "Kalimera, Bon Soir, Good Evening, Guten Abend" die Gäste zu begrüßen. Wenn mal ein Gast aus Versehen bei einem von diesen sein Getränk bestellen möchte, heißt es nur "Garcon". Das ist die nächst niedere Stufe, wobei noch unterschieden werden muß zwischen dem, der die Getränke bringt und denen, die nur die abgegessenen Teller abräumen dürfen. Außerdem steht noch eine Dame neben dem warmen Buffet und rückt die Speisen wieder in eine ansehnliche Form, wenn einer zu sehr darin herum gefuhrwerkt hat. Zuguterletzt gibt es noch eine Oberinspekteur, der ab und zu mit finsterem Blick aufkreuzt, wohl um den anderen Angst zu machen.

Nun gut, das erste Abendessen hat uns wieder ein wenig aufgerichtet und ich hole für uns an der Bar eine Flasche Wein für den Abend, die kostet 2500 Drachmen, das sind etwa DM 15.-. Das werden wir sicher nicht jeden Abend machen können, sonst wird das ein teurer Urlaub. Der Barkeeper kredenzt mir aber ein Glas umsonst zum Kosten.

Als wir uns in der Empfangshalle niederlassen um eine zu rauchen, schwärmt es wie in einem Bienenkorb. Das liegt daran, daß gerade 6 Busse mit 300 griechischen Jugendlichen eingetroffen sind. Ein Teil davon wird dann auch zu unserer Freude ganz in unserer Nähe einquartiert. "Da werden wir noch was erleben" sage ich zu Heidi. Aber ab 22 Uhr wird es ruhig, da sind alle geschlossen in die Disko unten im Hotel abmarschiert. So verfallen wir nach Genuß des teuren Weines in unseren ersten Urlaubsschlaf.

Samstag, 24.4.: Eretria

Der Schlaf währt bis gegen 4 Uhr in der Frühe. Da hat wohl die Disko zugemacht. Also kehrt alles geräuschvoll unter gegenseitigen Zurufen in die Quartiere zurück, nicht ohne noch auf südländische Art einen endlosen Plausch im Freien abzuhalten. Natürlich empfiehlt es sich, von einer direkten Beschwerde Abstand zu nehmen, so wälzen wir uns zähneknirschend in unseren Betten. Irgendwann wird es ruhig, doch um 7 Uhr ist wohl das Frühstück angesetzt, da schwärmt die ganze Korona wieder aus. Somit haben wir die zweite kurze Nacht hinter uns und fragen uns, wie man sich die erwartete Erholung verschafft. Dazu sprechen wir die Betreuerin der Firma Neckermann an, der wir zufällig auf dem Rückweg vom Frühstück begegnen. Wir erfahren, daß es sich um Schülergruppen aus Athen handelt, die allerdings nur über das Wochenende angereist seien. Wegen eines zurückliegenden Schulstreiks habe sich dieser Aufenth alt in diesem Jahr verkürzt, sonst wären die eine ganze Woche geblieben. Wir segnen im Geiste den Schulstreik, stellen aber in Aussicht, daß wir gegebenenfalls beim Veranstalter Entschädigung beanspruchen werden, wenn man seinen wohlverdienten Urlaub inmitten eines solchen Spektakels anzutreten hat. Der Grund für unser Pech ist der, daß es noch früh in der Saison ist, wo die Unterkünfte wenig belegt sind und der Anlagenbetreiber auf diese Weise zu Gästen kommt.

Wir finden uns erst mal darein und fahren mit dem Bus nach Eretria, um etwas zu unternehmen. In Eretria laufen wir herum und finden bestätigt, daß der Tourismus hier tatsächlich noch nicht so viel verändert hat. Der Ort macht einen einigermaßen urwüchsigen Eindruck, auf der belebten Geschäftsstraße kann man schön bummeln. Da stellt sich ein Problem ein, daß wir am Anfang unserer Reisen öfter haben: es wird dringend ein "Örtchen" gesucht. Die Suche in einigen Restaurants oder Cafeterions verläuft zunächst erfolglos, aber gerade noch rechtzeitig finden wir dann doch eine Bäckerei mit Freisitz, wo im Inneren die erlösenden Buchstaben WC erkennbar sind. Zum Dank lassen wir uns auf einen griechischen Kaffee nieder und lassen das Leben auf der Straße auf uns wirken.

Vor einer Metzgerei hängen drei nackte Tiere. Das werden ja wohl Ziegen oder Schafe sein. Am Schwanzende von einem der Tiere ist allerdings noch ein Haarbüschel übrig geblieben, das fast auf einen Pudel schließen läßt. Es handelt sich aber wohl doch um ein Schaf, wie wir aus späteren Beobachtungen lebender Tiere folgern. Wegen des teuren Weins vom Vorabend steht uns der Sinn eher nach einem Supermarkt. Da ist man wohlsortiert und kann zum gleichen Preis die fünffache Menge an Wein erstehen. Wir sind so dreist und entscheiden uns für eine kannisterartige Henkelflasche mit 5 l Inhalt. Schließlich habe ich einen geräumigen Rucksack dabei, wo die Botille mühelos reinpaßt. Nun können wir einem weiteren unruhigen Abend gelassen entgegen sehen, die notwendige Bettschwere werden wir uns ggf. zu verschaffen wissen..

Da es die Sonne inzwischen gut mit uns meint, fahren wir mit dem Bus zurück, um die anstrengende Tätigkeit des Sonnenbadens und damit verbundenen Einbalsamierens ("Reib mir mal den Rücken ein") an dem Swimmingpool mit Insel aufzunehmen. Wenn man die Finger wieder einigermaßen ölfrei hat, kann man auch wieder zur Lektüre greifen, Heidi liest "Der Laden" von Erwin Strittmatter, ich begebe mich zu den "Gipfeln der Welt" von John Krakauer, das Buch werde ich morgen von Stefanie zum Geburtstag bekommen. Da Stefanie mir nicht über die Schulter schauen kann, habe ich mir das Geschenk einen Tag zu früh geangelt und lese nun am Pool auf Euböa von den Eisstürmen im Himalaya, in Alaska oder in der Eigernordwand. Immerhin lagere ich im Schatten unter einem alten Ölbaum, Heidi brät schon eingeölt in der Sonne.

Der alte Ölbaum steht deswegen hier, weil sich auf dem Gelände früher ein Olivenhain befunden hat, und man hat dankenswerterweise so viele Bäume wie möglich in die einbezogen. Die ältesten Bäume mögen hunderte von Jahren alt sein.

Es gelingt uns schließlich auch noch, mal das Wasser im Pool zu probieren nach dem bekannten Motto: "Wenn man rein geht, ist's kalt, aber wenn man drin ist, kann man's aushalten" - so wiederholt zu hören von einer ältere Dame zu einer anderen Zaudernden.

Am Abend versammeln sich die Jugendhorden wieder grüppchenweise. Wir meinen beobachtet zu haben, daß man ihnen eine Strafpredigt verpaßt hat, was aber das hin und wieder aufflackernde Temperament nicht restlos zügeln kann. Wir wollen ja auch keine Miesepampel sein und verschanzen uns in unserem Zimmer (draußen ist es zu kalt) hinter unserem 5 l Kannister, dessen Spiegel erstaunlich schnell sinkt. Es ist aber zu vermerken, daß der Wein nicht zu unkontrolliertem Rausch führt und auf seine Weise sehr bekömmlich ist.

Der Schlaf findet uns heute leichter, wenn auch nicht ohne gelegentliches Aufschrecken, wenn eine lebensfrohe Gruppe an unserem Quartier vorbei krakeelt.

Sonntag, 25.4.: Halkida

Als erstes überrascht mich heute morgen ein richtiger Geburtstagstisch, den Heidi mit Hemden, Shorts und den Büchern von Stefanie (im Buchhandel tätig, 40 % Rabatt) bestückt hat. Nach Geburtstagsküßchen und Anprobe diverser Textilien und "Oh wie schick" oder "Paßt!" begeben wir uns zum Frühstück um anschließend den offiziellen Informationstermin mit der Neckerfrau wahrzunehmen. Diese ist sehr nett, kommt aus Belgien und heißt so etwa Veerle Verheßelen (ich hoffe nicht den Datenschutz zu verletzen, wenn ich positiv von ihr berichte: sie spricht 5 Sprachen, neben Belgisch auch Holländisch, Französisch, Englisch und Deutsch, mit dem Griechischen hapert es noch u.a. wegen der fremden Schrift mit Gamma, Psi und Zetta...). Unsere Veerle verspricht, sich höheren Ortes (in Athen) um einen Ausgleich für die bis dato entgangenen Ruhestunden zu bemühen. Zum anderen werden die Tagesreisen gepriesen, die all erdings zu saftigen Preisen angeboten werden. Das sind: Kreuzfahrt zu den Inseln Salamis, Ägina und was weiß ich, ein Besuch von Delphi, den Klöstern Meteora oder auch Athen. Wir erwägen schon mal Athen - wenn man schon mal in der Nähe ist. Wir hören später von anderen Athenbesuchern, daß man da vor Verkehr, Abgasen und Krach schier verrückt wird - nur um die Akropolis zu sehen? Und wir werden sie auch so sehen, wenn der geneigte Leser so lange ausharrt. Leider erfahren wir auch, daß man keine Fahrräder ausleihen kann, so weit ist man noch nicht, Autos (Hertz), Motorroller oder Mopeds: kein Problem. Als wir das Hotel verlassen, registrieren wir mit Genugtuung, das sich die Jugendhorden in ihren 6 Bussen zur Abreise rüsten.

Also begeben wir uns wieder an die verkehrsreiche Küstenstraße, wo die Linienbusse auf Zuwinken vor dem Hotel anhalten. Eigentlich wollten wir den Fußweg nach Eretria erkunden, aber da kommt gerade ein Bus nach Chalkis, da brauchten wir ja nicht zu laufen, und außerdem könnte man ja auch gleich nach Chalkis fahren, und so kommt es dann auch. Ein Ehepaar fährt mit, die haben eine einwöchige Bildungsreise zu den markantesten Kulturdenkmälern hinter sich und müssen sich danach nun eine Woche davon erholen. Also es sei schon sehr interessant, aber in Arkadien sei alles vermüllt. Und Athen: Horror, der Krach vom Verkehr gehe die ganze Nacht durch, da kriegt man kein Auge zu...

Also nehmen wir vorerst mit Chalkis vorlieb und rätseln, welches der eigentliche Name dieser Stadt ist, im Bus muß man Halkida sagen, das H aus dem Rachen, ein Ehepaar aus dem Ruhrgebiet, Gegend Unna, berichtet allerdings später, daß "auf Schalke" auch funktioniert. Die Strecke nach Halkida - um uns darauf zu einigen - bietet nicht allzuviel, einige Reste ehemaliger Befestigungsanlagen auf spitzen Hügeln, der Berg mit Schneeresten im Hintergrund, das Trockenbett eine Flusses, eine Hängebrücke zum Festland - die muß neueren Datums sein.

Wir verlassen den Bus am quirligen Busbahnhof in Halkida. Da fahren Busse in alle Welt, was die Insel betrifft. Unser bildungsbeflissene Ehepaar zieht zielbewußt von dannen und wir denken, gut daran zu tun, die gleiche Richtung einzuschlagen, allerdings in geziemendem Abstand. Und wo landen wir nach Überqueren einiger gefährlicher Kreuzungen: vor dem Archäologischen Museum. Das hat aber wohl das bildungsbeflissene Ehepaar geringschätzig geschmäht, wir aber lösen zwei Eintrittskarten, nachdem wir den Kassierer hinter seiner Zeitung hervor gelockt haben. Das Museum ist aufgeteilt in einen Freiluftbereich mit Säulenresten, Steinfiguren oder Sakopharge, der Innenbereich aus drei Räumen birgt Vitrinen mit restaurierten Schmuckstücken, zusammengeklebten Krügen (ca. 100 Teile Puzzles, geschätzt). Raumbeherrschend sind Marmorstatuen, die entweder kopflos oder ihres Geschlechts beraubt sind. Ein Gästebuch liegt aus, da kann man lesen< I>: "All what we have learned at school we can observe now, the figures of marble...". Wir einigen uns auf "Alte Steine" und sind damit kulturell erst einmal ausgesteuert.

Nach Verlassen des Museums erspähen wir den blauen Spiegel der hier schmalen Bucht und landen auf der Promenade, auf der es sich schön bummeln läßt. Gleich daneben ist eine Kirche, da hat anscheinend gerade eine Hochzeit stattgefunden, jedenfalls liegen ausgestreute Blumen auf der Erde. Zwei schwarzbärtige Popen machen sich gerade von dannen. Da die Kirchentür noch geöffnet ist, ergreifen wir trotz kurzer Hosen die Gelegenheit zu einem Blick in das Innere. Da ist viel vergoldet, Kronleuchter und Ikonen. Hinter uns verschließt eine Frau gerade die Tür mit einer eisernen Querstange, so daß wir voller Panik hinzu stürzen. Aber eine andere Tür ist noch auf, so daß wir nicht als Kirchengefangene enden.

Die Restaurants auf der Promenade sind proppevoll, denn es ist Sonntag, und wie jeder weiß, sitzen die Griechen gerne beisammen und bestimmen die Weltgeschichte. Wir beteiligen uns in sofern daran, daß wir uns vor dem einsetzenden Regen unter einen Sonnenschirm flüchten, einen Cappuccino bestellen und die alte Brücke bewundern, welche die 35 m(!) breite Verbindung zum Festland herstellt. Und wenn hier mal ein Schiff durch will, um mehr als 300 km Umweg zu sparen? Bei näherem Hinsehen klärt sich das auch auf, es handelt sich wohl um eine Klappbrücke. Neben unserem Sitz unter dem Sonnenschirm langweilen sich ein paar Afrikaner und Phillipinos, die bei dem Regen ihrem Straßengeschäft in Form von CD- oder Schmuckhandel nicht nachgehen können.

Als der Regen nachläßt bummeln wir zurück zum Busbahnhof, machen dabei noch einen Umweg durch ein paar verwinkelte Nebengassen. Hier in Halkida ist es nicht anders als in vielen alten Städten, die schönsten alten Häuser sind unbewohnt und verfallen. Um 14 Uhr sitzen wir wieder im Bus, es setzt wieder Regen ein und dauert den Rest des Nachmittags an. Da kann man nur unter der Bettdecke lesen oder ein wenig von dem in den vergangenen Nächten entgangenen Schlaf nachholen.

Am Abend kommen wir mit dem schon erwähnten Ehepaar aus Unna ins Gespräch, die können uns ein paar Tips geben, wie man wunderbare Spaziergänge oder auch Wanderungen in das Innere des Landes machen kann. Eine Erkundung dieser Angelegenheit nehmen wir uns für den nächsten Tag vor.

Montag, 26.4.: Rundwanderung

Heute scheint wieder die Sonne, wir werden im weiteren Verlauf des Urlaubs feststellen, daß das Wetter jeden Tag abwechselnd mal schön und mal trübe ist. Vom Bus aus haben wir am Vortag einen Kaufmannsladen in der Nähe des Hotels Miramar entdeckt. Um dort hin zu gelangen muß man auf der stark befahrenen Küstenstraße etwa einen Kilometer lang um sein Leben bangen. Der Laden ist leider enttäuschend, es ist kein Obst im Angebot und der Wein ist auch ziemlich teuer - aber wir haben ja noch. Wir kaufen ein paar Postkarten für die Daheimgebliebenen und machen uns an die weitere Erkundung. Zunächst finden wir heraus, daß es oberhalb der Straße einen Weg gibt, den wir zurück laufen können. Dann zweigt eine Straße in Richtung Berge ab, ein Hinweisschild auf eine Taverne weist den Weg. Es ist an dieser Stelle zu bemerken, daß es keinerlei Kartenmaterial gibt, wo die Wege eingezeichnet wären. Man muß wirk lich auf eigene Faust Erkundungen anstellen. Aber das macht auch Spaß, wenn man auch hin und wieder - um nicht zu sagen: ziemlich oft - in einer Sackgasse endet.

Wir wandern also leicht bergauf durch eine fruchtbare Landschaft, alles grünt und blüht. Immer wieder die riesigen Olivenhaine und mit zunehmender Höhe der Blick über das Meer hinüber zu den Bergen auf dem Festland. Auf den Wiesen grasen Ziegen und Schafe, wobei letztere dazu neigen, sich mit den Köpfen nach innen im Kreis zu versammeln. Was das nun wieder soll? Als wir die Taverne erreicht haben - wir kehren aber nicht ein - zweigen wir rechts ab unserem Richtungssinn für einen Rundweg folgend. An manchen Anwesen begleiten uns dienstbeflissen bellend die Hunde, zum Glück getrennt durch einen Zaun. Heidi kriegt dann immer ein Hohlkreuz und beschleunigt den Schritt. Als wir das nächste Mal - unserem Richtungssinn folgend - rechts abbiegen, geraten wir auf einen vom Regen des Vortags etwas matschigen Weg. Und nun erscheinen hinter einem nicht allzu hohen Zaun zwei gefährlich aussehende Schäferhunde und die kläffen nicht nur dienstbef lissen sondern wütend. Da nützt kein Hohlkreuz, denn die Bestien könnten mit Leichtigkeit über den Zaun springen. Wir kehren um.

Wir marschieren also noch ein wenig weiter parallel zur Küste in südliche Richtung und kommen an eine Kreuzung. Da ziehen zwei Mountainbiker mit voll gefederten High-Tech Rädern (Kestrel) ihres Weges. Die haben sogar ein Begleitfahrzeug mit Chauffeur und Ersatzmaterial dabei. Soweit sind wir mit unseren Radtouren bisher noch nicht gediehen, vielleicht liegt es auch am Geldbeutel. An diesem liegt es sicher auch, daß wir uns nicht als Eigentümer der hier oben z.T. recht luxuriösen Anwesen mit riesigen Olivenhainen drum herum fühlen können. (Unser Ober Dimitri erzählt uns später, daß hier auch viele Deutsche sich eingekauft haben. Einer hätte vor 10 Jahren einen ganzen Olivenhain für DM 5000 erworben). Macht aber nichts, wir tippeln nun wieder bergab und kommen - man glaubt es kaum - wieder an der stark befahrenen Küstenstraße direkt neben unserem Hotel heraus. Zwei Stunden waren wir unterwegs und haben uns nun die M uße am Pool verdient: "Reib mir mal den Rücken ein!".

Um nun vom Rest des Tages überhaupt noch etwas erzählen zu können, widmen wir uns noch mal den Schwalben. Es handelt sich um Scharen von Mehlschwalben, die in der Luft herumschwirren und ab und zu im Sturzflug auf die Wasseroberfläche stoßen. Dabei nehmen sie die dort zappelnden Insekten auf und sorgen so für ein appetitliches Badevergnügen, indem man nicht dauernd um Wespen oder Käfer herum schwimmen muß. Sicher helfen sie auch der Mückenplage ab, und aus diesem Grund wird der Nestbau an möglichen und unmöglichen Stellen (ein Nest klebt an einer Flurleuchte) von offizieller Seite geduldet. Neben unser Lagerstatt am Pool befindet sich auf dem Rasen eine feuchte Lehmlache, dort versammeln sich unsere Freunde und schnäbeln sich kleine Lehmkügelchen zusammen. Es gelingt uns gegen das Sonnenlicht blinzelnd den Rückflug einer Schwalbe bis zu ihrer Wirkungsstätte unter einem Vordach zu verfolgen. Dort hat man mit de m Nestbau gerade begonnen und wir können berichten, daß das Nest zwei Tage später fix und fertig ist.

Es gibt aber auch aufgelassene Nester, die nicht mehr von Schwalben bewohnt werden. Da haben sich die Spatzen eingenistet, indem sie das Schlupfloch erweitert und allerlei Polstermaterial installiert haben. Da hängen Grashalme und Schnüre herunter und es sieht aus wie bei Hempels unterm Sofa.

Bleibt noch abschließend die Mitteilung, daß wir am Spätnachmittag die verwaisten Liegen unten am Meer aufsuchen, wo man einen schönen Blick hat aber auch mehr Wind. In das Meer trauen wir uns erst mal nicht, aber hier gibt es zusätzlich noch einen Seewasserpool. Im übrigen hat uns unsere gute Fee Veerle im Namen der Firma Neckermann eine Flasche Wein aufs Zimmer bringen lassen mit einem Begleitschreiben zur Entschuldigung für den Krach am Wochenende.

Dienstag, 27.4: Fußmarsch nach Eretria

Mit dem Wandern sind wir wegen der schönen Landschaft auf den Geschmack gekommen und wollen heute den Fußweg nach Eretria erkunden. Dazu marschieren wir zunächst bis zu jenem Kaufladen, suchen dort aber vergeblich eine Fortsetzung des Weges. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als ein paar 100 Meter auf der gefährlichen Straße zurück zu legen, bis ein Weg bergwärts abzweigt. Dann geht es in die richtige Richtung und endet schließlich in einer Sackgasse mit reichlich kläffenden Hunden. "Schau dich mal um" sage ich zu Heidi, denn da steht ein Hund mitten auf der Straße und kläfft uns nach. So ziehen wir mit Hohlkreuz und beschleunigtem Schritt von dannen und landen - wo wohl? - auf der viel befahrenen Küstenstraße. Nach nochmals gefährlichen 200 m auf dem Seitenstreifen ballancierend erreichen wir ein Anwesen, von wo aus man den Küstensaum erreichen kann. Vorher muß man über einen betoniertes Ab flußloch klettern, ich erspare mir dabei die Bemerkung, daß in dem finsteren Loch womöglich Ratten hausen könnten.

Am Wasser kann man trotzdem nicht weiterkommen, sondern muß oberhalb über eine Brachfläche einer Treckerspur folgen. Immerhin kann man hier üppige Agavenstauden und deren bis 3 m hohe Blütenstengel bewundern. Dann kann man endlich zum Kiesstrand hinunter klettern und die Reststrecke bis Eretria am Meer entlang turnen. Man passiert sogar einen Hotelstrand mit Badegästen, danach wird es öde auf einem sandigen Weg, wo man erste Vorbereitungen für eine spätere Bebauung trifft. Zum Glück liefert uns Mutter Natur doch noch eine Freude, indem ein Schmetterling namens Schwalbenschwanz vorbei flattert und sich sogar fotografieren läßt.

Ich muß zwischendurch mal eine hier halbwegs passende Geschichte loslassen, die sich in den 50er Jahren in dem Dorf Südhorsten bei Bückeburg im Schaumburgischen zugetragen hat. Wir sammelten damals gern Raupen in kleinen Pappkisten mit Luftlöchern und taten Blätter zum Füttern hinein. Einer dieser Pappschachteln hatte sich wohl in den Tiefen meines Spielschrankes verloren und tauchte erst im nächsten Frühjahr wieder auf. Als ich den Deckel aufmachte, lag dort ein Prachtexemplar von einem Schwalbenschwanz darin, und der hat natürlich leider in dieser beengten Umgebung nichts vom Leben gehabt. Ich habe diesen Schmetterling jedenfalls jahrelang aufgehoben, bis er zerfiel. Seitdem habe ich eine Vorliebe für diese Art von Schmetterling.

Aber wir sind ja auf dem Weg nach Eretria, das wir endlich auch erreichen. Ein brachliegendes Hotel, eine Promenade, die in ihrer Verlängerung als Damm zu einer vorgelagerten Insel dient, wo sich ein Dream Hotel befindet. Wie es da zugeht, können wir nicht berichten, nur daß die Promenade steril wirkt und auf kommende Gäste zu warten scheint. Am Fähranleger fahren punkt 12 Uhr eilige Pkws auf das ablegende Schiff, während der letzte auf die Rampe rollt, wird diese schon hochgezogen.

An der Bushaltestelle erwischen wir gleich einen Bus zurück zum Hotel, wo wir uns den Rest des Nachmittags wieder der Erholung hingeben.

Mittwoch, 28.4.: Marsch nach Amarindos.

Mit dem Marschieren haben wir es nun drauf und es hat sich schon so eingespielt, daß man sich nicht gleich morgens auf die faule Haut legt. Heute wandern wir die Straße hinauf, die südlich des Hotels abzweigt. Nach etwa 20 Minuten kommt man an die Kreuzung, wo wir die Mountainbiker gesehen haben. Dort gehen wir weiter hinauf und passieren eine neue Kirche. Da uns nun der Mut verläßt, fragen wir ein paar Handwerker nach dem Weg. Sie zeigen auf eine Abzweigung, die mit Halkida ausgeschildert ist. Das kann genau so gut zurück zur Hauptstraße führen. Und so ist es auch. Vorher an der Abzweigung eines sandigen Weges Richtung Amarindos fragen wir ein weiteres Mal zwei Männer und die zeigen an, daß man da laufen kann. Außerdem zeigen sie an, daß sie Heidi mit dem Auto hinbringen würden während ich laufen sollte. Das ist aber nicht so ganz nach meinem Geschmack.

Der Weg ist sehr schön zu laufen, es geht immer auf und ab durch eine noch schönere Landschaft als wir sie bisher gesehen haben. Obwohl der Regen vom letzten Sonntag schon eine Weile zurück liegt, geraten wir vor eine große Pfütze, die die gesamte Wegbreite einnimmt. Auf der Seite, wo man sie einigermaßen umgehen könnte, summt in dichten Trauben ein Schwarm von Bienen, so müssen wir mit etwas mehr Lehmmatsch vorliebnehmen, um uns nicht der Gefahr eines Bienenstichs auszusetzen.

Ansonsten ist der Weg so kurzweilig, daß man unversehens in Amarindos ankommt. Wie gewöhnlich streben wir dem Wasser zu. Da finden wir einen großen Schmetterling, der zwar noch lebt, aber wohl von einem Auto erfaßt wurde. Da er mitten auf dem Weg liegt, betten wir ihn in das Gras an der Seite, was ihm wohl auch nicht mehrviel helfen wird. Wenn ich nun sage wie groß der Schmetterling ist, wird es keiner glauben: so groß wie eine gespreizte Hand, graue Flügel mit braunen Ringen und Kreisen. Vielleicht kriegt man mal heraus, um welche Art es sich handelt, leider habe ich ihn nicht fotografiert. Vielleicht ist es auch ein Nachtfalter.

Die Strandpartie von Amarindos - sofern man von Strand sprechen kann - bietet ein paar malerische Ansichten. Hier steht zwar ein Hotel, aber sonst merkt man nicht viel vom Tourismus. Eine Promenade hat man sich allerdings auch gegönnt. Die ist weniger interessant als die Geschäfte und Straßencafes auf der anderen Seite der Durchgangsstraße. Besonders zwei Läden mit vielerlei Fischarten sind beeindruckend, wenn vielleicht auch nicht alles unbedingt appetitlich aussieht. Besonders gilt das für die Tintenfische mit ihren Tentakeln und Saugnäpfen.

Als wir genug gesehen haben steigen wir in den Bus und sind wenige Minuten später schon wieder zurück. Wir verbringen den Nachmittag am Strand und warten darauf, saß ein zweimastiges Segelschiff ausläuft, das am Anleger festgemacht hat. Aber da können wir lange warten, denn es läuft weder heute noch an einem der folgenden Tage aus.

Am Abend treffen wir ein Ehepaar aus Zwickau, die haben heute an einer Kreuzfahrt zu den Inseln Ägina und Hydra und was weiß ich (s.o.) teilgenommen. Das ist so morgens in der Frühe gegen 4 Uhr losgegangen, man wird erst mal nach Pireus gekarrt und fährt von dort mit dem Schiff los. Wenn man den Erläuterungen der Reiseleitung lauschen möchte, sollte man allerdings einigermaßen polyglott sein, denn es wurde nur Englisch und Französisch gesprochen entsprechend der vorherrschenden Zusammensetzung der Teilnehmer. Das war nichts für unser Ehepaar aus Zwickau: "Wir ollen Ochsen sitzen nur rum un verstehn nix, wir wissen ja gar nich, wo mir warn". Nebenbei bemerkt kostet diese 1-tägige Unternehmung ca. DM 160.- pro Person.

Donnerstag, 29.4.: Busfahrt nach Kimni

Heute ist trübes Wetter und da kann man gut eine Busfahrt einplanen. Zuerst müssen wir uns ein Wundpflaster besorgen weil Heidi sich in ihren "Wandersandalen" eine Blase gelaufen hat. An der Rezeption muß man sich ja gemeinhin auf Englisch verständigen, deswegen murmeln wir da was von "wound pad" oder so. Das versteht der zuständige Angestellte nicht sogleich, erst nach Herzeigen der beschädigten Stelle am Fuß begreift er und ruft aus: "Ah, Hansaplast!". So einfach ist das. Was er dann allerdings anbringt taugt gerademal vielleicht für eine leichte Blessur beim Naßrasieren.

Pünktlich kommt der Bus Richtung Kimni und hinter Amarindos fahren wir auf der Küstenstraße zunächst bis Aliveri. Links erstrecken sich an den Hängen ausgedehnte Waldflächen, die allesamt abgebrannt sind. Man hat vor einiger Zeit in der Zeitung davon gelesen, nicht bedenkend, daß man die Folgen dieses Dramas nun mit eigenen Augen zu sehen bekommt. Auf einzelnen Hangrippen hat man senkrecht den Hang hinauf verlaufende Brandschneisen geschlagen, was aber wohl wenig genützt hat, weil - wie erzählt wird - zur Brandzeit ein starker Sturm geherrscht hat. Wie die Brände entstanden sind, weiß aber keiner.

Auf der Seeseite gibt es etwas anderes zu beobachten. In einer Bucht ist eine große Wasserfläche mit kastenartigen Aufbauten bedeckt, Netze sind darüber gespannt. Es ist nicht schwer zu erraten, daß es sich hier um eine künstliche Fischzucht handelt, man erinnert sich gehört zu haben, daß man in Norwegen sogar Lachse auf diese Weise mästet und "erntet". Hier wird die "Ernte" von Schwerlastern mit der Aufschrift "Aqua Culture" abgeholt. Wie uns unser mitteilsamer Ober Dimitri später erzählt, sind im Frühjahr durch einen Sturm viele der angezüchteten Fische ins Meer entkommen, woraufhin sich die "normalen" Fischer ob ihrer überdurchschnittlichen Fangquoten ins Fäustchen gelacht haben.

Nun sind wir aber in Aliveri angekommen, wieder ein quirliger Ort in - wie wir meinen - in einigermaßen ursprünglichem Zustand. Außerhalb der Stadt sind einige Industrieanlagen, Schotter oder Betonwerke oder sowas. Als der Bus mitten in der Stadt hält, will eine Menge aufgeregter Leute zusteigen. Sie dürfen aber nicht, statt dessen fährt der Bus zum Busdepot. Dort wird uns klar gemacht, daß wir umsteigen müssen. Wenig später kommt dann auch der Bus, und da sitzen alle die aufgeregten Leute und haben die besten Plätze besetzt. Als später die Sitzbank hinter dem Fahrer frei wird, wechseln wir sogleich die Plätze und haben nun eine schöne Rundumsicht. Ein paar Tage später wird unser Ehepaar aus Zwickau die gleiche Fahrt unternehmen und berichten, daß man vor lauter Fahrgästen kaum aus dem Fenster schauen konnte.

Es geht nun in das Landesinnere genau nach Norden durch eine herrliche Landschaft. Ausgedehnte Olivenhaine und Apfelsinen- und Zitronenplantagen wechseln sich ab. Auf einigen markanten Hügeln erkennt man Ruinen früherer Befestigungsanlagen. Dann kommt ein besonders schöner Ort und der Fahrer sagt uns sogar den Namen, obwohl ich ja die Karte auf den Knien habe. Der an einem Berghang gelegene Ort heißt Avlonari, leider läßt sich aus dem Busfenster heraus aber kein Photo schießen. Hätte man diese Tour mit dem Fahrrad gemacht, wäre dagegen wohl mindestens ein Film draufgegangen.

Die Strecke wird nun noch schöner, weil der Bus sich hinaufschraubt und einige malerische Bergorte durchquert. Neben den atemberaubenden Aussichten in die Bergtäler erblickt man bald auch das Meer auf der anderen Seite der Insel. Dann ist es nicht mehr weit bis Kimni. Wir steigen aus und streben neugierig der Ortsmitte zu. In einer Geschäftsstraße finden wir sogar eine Apotheke, wo wir ohne Mühe mit unserem neu erworbenen Wortschatz "Hansaplast" ein paar anständige Pflaster erstehen.

Auch Kimni liegt auf dem Berg, um die Aussicht zu genießen schlendern wir eine Straße bergwärts bis man freie Sicht auf das Meer hat. Im Dunst erkennt man die vorgelagerte Insel Skiros. In den Reiseempfehlungen liest man natürlich, daß man sich nun hinunter zum Hafen, 8 km entfernt, begeben sollte, um eine Schiffsfahrt zu dieser Insel zu unternehmen. Davon nehmen wir aber Abstand, weil das zu viel Zeitaufwand bedeutet, man müßte wohl sogar auf der Insel übernachten. Von unserem Aussichtspunkt an der Straße finden wir einen gewundenen Treppengang zurück in den Ort, wo wir noch ein wenig herum bummeln. Dabei kommen wir allerdings etwas aus der Richtung und finden nur mit Mühe die Busstation wieder. Um 14 Uhr sitzen wir wieder im Bus mit dem beruhigenden Gefühl, daß uns die nachmittägliche Faulenzerei nicht verloren geht.

Der Bus ist gut gefüllt und diesmal ergattern wir leider keinen Panoramaplatz. Aber nochmals genießen wir die wundervolle Landschaft auf der Rückfahrt. Nur ein Schülerpärchen auf der Sitzbank vor uns ernährt sich ausdauernd von der Liebe und das lenkt etwas ab.

Damit ist genug über diesen Tag berichtet. Bleibt noch zu erwähnen, daß gegen Abend die ganze Gegend von Menschen mit slawischem Spracheinschlag wimmelt. Wir tippen erst auf Russen, entnehmen aber dann einer Tafel in der Hotelhalle, daß es sich um einen Pharmakongress polnischer Herkunft handelt.

Noch etwas muß berichtet werden, falls man selber noch einmal oder jemand anderer diese Reise machen sollte. Man kann mit dem Bus noch viel weiter bis an das südliche Ende der Insel nach Karistos fahren. Unser unternehmungslustige Ehepaar aus Unna hat uns davon berichtet. Das soll landschaftlich noch mal eine Klasse großartiger sein. Die Straße führt über Bergkämme, wo man auf beiden Seiten auf das Meer hinab schauen kann. Leider fährt der Bus schon morgens um 6 Uhr und daran scheitert das bei uns. Aber wir haben auch nur zwei Wochen Zeit, unsere lieben Leutchen aus Unna verweilen dagegen drei Wochen. Wir überlegen, ob wir das beim nächsten Mal auch so machen - der Flug kostet dasselbe.

Von einer anderen dreiköpfigen Reisegesellschaft bestehend aus einem Ehepaar und begleitender Schwägerin muß auch noch berichtet werden. Die sind nicht so gut zu Fuß und haben sich daher für die ganze Zeit ein Auto gemietet. Eifrig sind sie jeden Tag unterwegs und haben natürlich ungleich mehr gesehen und erlebt als wir mit unseren bescheidenen Unternehmungen. "Wir wollen Land und Leute kennen lernen" heißt es. Dabei sind sie sogar bis in die Regionen des Olymp vorgestoßen. Wenn man aber die forsche Fahrweise der einheimischen Verkehrsteilnehmer in Erwägung zieht, sind wir auch ohne die Autofahrerei ganz zufrieden.

Freitag, 30.4.: Marsch nach Gymno

Begeben wir uns also auf eine weitere bescheidene Unternehmung und machen uns heute auf den Weg zu dem landeinwärts gelegenen Bergdorf Gymno. Leider machen wir schon gleich zu Anfang wieder einen Fehler und landen wieder mal in einer Sackgasse. Nach einigen hundert Metern Rückmarsch erreichen wir aber dann die Stelle, wo wir vor ein paar Tagen die High Tech Mountainbiker gesehen haben. Ein Stück weiter ist die schmucke Kapelle und kurz danach ein Wegschild mit der Aufschrift "Gymno". Das ist so ungeschickt plaziert, daß man nicht erkennen kann, welche Richtung der hier befindlichen Verzweigung gemeint ist. Wir wählen zielsicher die falsche und geraten in irgendwelche Wiesen.

Wir können eine Frau fragen, die uns gestekulierend in die andere Richtung weist und damit ist uns auch geholfen. Der Weg steigt mäßig an - wie schön könnte man hier mit dem Rad fahren. Aber das Wandern gefällt uns auch ganz gut, leider hat man eben nicht den gleichen Aktionsradius. Dennoch erreichen wir unser Ziel und streben schnurstracks dem erstbesten Getränkeladen zu. Dort sitzt ein Herr mit dem Ladenbetreiber in der Sonne hinter seinem Bier und fragt uns gleich auf Deutsch, ob wir aus Deutschland kämen. Aus Braunschweig? - das kenne er, denn er habe einige Jahre in Osterode am Harz gearbeitet. Sogleich werden wir zu einer Cola eingeladen.

Während wir unsere Lebensdaten austauschen - wie viele Kinder und so - kommt ein Teller mit Gurkenscheiben auf den Tisch. Die sind mit einer öligen Flüssigkeit übergossen und wir müssen probieren. Sogleich verziehen wir das Gesicht, so scharf ist die Angelegenheit. Schon springt unser Gastgeber auf und pflückt zur Erklärung eine Schote von einem nebenstehenden Busch ab. Pepperoni! Gleich darauf wird ein weiterer Deutschlandheimkehrer, ein älterer Herr mit Krückstock, herbei gewunken. Der habe in Deutschland einige Läden betrieben und sei "Kapitalist" - wie es heißt. "Wir lieben Deutschland" wird versichert.

Beiläufig erkundigen wir uns nach einer Rückfahrgelegenheit und man erklärt uns, daß der Bus in 10 Minuten fahre. Darauf müssen wir uns verabschieden, zu beiderseitigem Bedauern, wenn auch ganz froh darüber, daß wir nicht versacken, was bei der anerkannten Gastfreundlichkeit der Griechen leicht passieren kann. Mangels verbleibender Zeit können wir nur einen kurzen Blick in den Ort werfen, es wird viel gebaut und wirkt daher nicht ganz so romantisch. Einen Bus finden wir dagegen nicht und müssen noch einmal bei unseren Freunden vorbei. Der Bus sei schon weg, heißt es nun. Wir müssen uns noch einmal setzen und können nur mit Mühe verhindern, daß wie an dem Biergelage beteiligt werden. Der "Kapitalist" erklärt bereitwillig, daß er uns ein Taxi nach Amarindos (8km) spendieren wolle.

Das können wir nicht ausschlagen und lernen erst mal noch die Gattin und das Söhnchen des Ladenbesitzers kennen. Schließlich übernimmt die Frau den Taxitransfer mit ihrem Wagen, nachdem die männlichen Zecher wohl nach ein paar Flaschen Bier nicht mehr so gern fahren wollen. Noch einmal große Abschiedsszene und wenig später steigen wir in Amarindos aus und reiben uns die Augen. Wenig später fährt auch der Bus und wir werden wieder unserer Faulenzerei frönen, nachdem wir dieses schöne Erlebnis gehabt haben.

Am Abend bevölkern ganze Heerscharen älterer Herrschaften, meistens weiblich, das Hotel. Dimitri, unsere Auskunftsquelle, setzt uns in Kenntnis, daß es sich um ein Bridgeturnier mit 630 Teilnehmern handelt. "Die spielen ganze Nacht und ganzen Tag, wirst du verrückt" sagt er. Immerhin müssen wir angesichts der Konstitution der Herrschaften keine Bedenken hinsichtlich einer durchgröhlten Nacht wie am vergangenen Wochenende haben.

Wir können dann auch das erste Mal einen beschaulichen Abend auf unserem Freisitz verleben, bisher war es noch zu kalt. In dem Schwalbennest über unseren Köpfen zirpt es manchmal schlaftrunken, mit einbrechender Dunkelheit überlassen die Schwalben den Fledermäusen die Lufthoheit.

Samstag, 1.5: Tag der Arbeit

Der erste Mai ist auch in Griechenland als Tag der Arbeit ein Feiertag, wovon man aber wenig merkt, denn überall wird weiter gebaut und gewirtschaftet. Auch bei unseren Schwalben hat sich etwas getan, denn wir finden so an die 6 Eierschalen unter dem Nest, da hat sich der Nachwuchs wohl in die Welt gearbeitet.

Beim Frühstück kommen wir neben den Tisch einer älteren Dame zu sitzen, die auch der Bridgeleidenschaft frönt. Außerdem hat sie einen kleinen weißen Spitz dabei, der in einer Tasche hockt und auf einem Stuhl plaziert wird. Das scheint ihm zu gefallen, weniger gut findet er allerdings, daß ihm die alte Dame mit Nachdruck zur Tarnung eine Baseballmütze aufsetzen will. Nach dem dritten Versuch gibt sie es auf und der Hund darf visuell am Geschehen teilnehmen. Heidi liegt fast unter dem Tisch vor Lachen.

Auch das weitere Gehabe der kreglen Dame ist sehr amüsant. Sie spricht mit jedem und besorgt sich Unmengen von getoasteten Brötchenhälften. Ein Teil davon rollt dann sogleich wieder vom Tisch, Anlaß zu aufgeregtem Wiedereinsammeln, nur der Hund bleibt gelassen.

Da heute der Tag der Arbeit ist, sind wir besonders faul und machen nur einen kleinen Rundgang auf noch unbekannten Wegen. Dann begeben wir uns an den Strand, es ist zwar ein wenig kühl aber mit Überwindung kann man doch im Meer baden. Die Strandliegen sind so gut wie verwaist, nur zwei beleibte Damen neben uns führen auf südländische Art ein zweistündiges Dauergespräch. Als sie abziehen, kann man sogar unter dem Meeresgeplätscher ein Schläfchen machen. Am Nachmittag erscheint unser Ehepaar aus Unna und alsbald vernehmen wir muntere Weisen von einer mitgeführten Mundharmonika (La Paloma oder In der Lüneburger Heide....).

Beim Abendessen machen wir die Bekanntschaft eines Ehepaares aus Ahrensburg. Die Dame äußert sich entsetzt über die Anlage, die Einzäunung und man fühle sich ja ganz eingesperrt. Wir verabreden uns im Anschluß an das Abendessen in der Hotelhalle, weil wir ja schon einige Tips für Unternehmungen - wenn auch bescheidene - auf Lager haben.

Es stellt sich heraus, daß unser Ehepaar aus Ahrensburg auch eine einwöchige Bildungsfahrt zu den klassischen Stätten Griechenlands hinter sich hat. Da können wir nicht mitreden, sind wir doch mythologisch nicht so auf dem laufenden. Dennoch erfährt man allerlei über Delphi, Olympia oder Athen. Es wird sich zeigen, daß wir in den nächsten Tagen noch einiges zusammen unternehmen werden.

Sonntag, 2.5.: Strandgang nach Amarindos

Natürlich haben wir den Tip, wie man am Meer entlang nach Amarindos gelangt, von unserem Ehepaar aus Unna bekommen. Von einem Strand kann man eigentlich nicht sprechen, denn es handelt sich entweder um Kies oder Mauern der an die Küste grenzenden Anwesen. Aber man duldet wohl, daß man sich zwischen den meistens gepflegten Grundstücken und dem Wasser entlang bewegt. Einige Hunde finden das natürlich wieder weniger gut, aber keiner macht einen allzu gefährlichen Eindruck.

Auf unserem Marsch treffen wir bald auf unser Ehepaar aus Ahrensburg, die nicht so schnell voran kommen, weil sie den Spülsaum am Wasser mit Akribie untersuchen. So hat man bereits Korallen, Sepiaschalen oder Seeigel gefunden. Die haben wir bislang glatt übersehen. Wir teilen unsere Absicht mit, bis Amarindos zu laufen und auf dem schon bekannten Weg zurück zu wandern. Mit "Dürfen wir uns anschließen?" sind wir nun auf einmal eine Vierermannschaft und es stellt sich heraus, daß wir auf gegenseitiger Basis eine sehr nette Bekanntschaft gemacht haben.

Nachdem man eine Zeitlang über Steine und Mauern geklettert ist, wird der zweite Teil des Weges weniger reizvoll. Dort führt ein breit asphaltierter Weg entlang und schnell ist man am Ziel. Vor dem Ort ist auch ein modernes Hotel, das heißt "Stefania" und eine Gruppe beflissener Gäste bemüht sich nach besten Kräften, den Kommandos einer Vorturnerin zu folgen. Das nennt man dann "Aerobic". In Amarindos bemühe ich mich vergeblich, den spannenlangen Schmetterling wiederzufinden, den hat die Straßenreinigung wohl inzwischen entsorgt. Stattdessen finden wir einen angeschwemmten bunten Fisch, der nun als Motiv für ein gelungenes Photo herhalten muß. Am Geländer der Promenade hat man über dem Wasser eine Kolonne ausgenommener Tintenfische zum Auslüften oder Trocknen aufgehängt. Auch bewundern wir wieder das reichhaltige Angebot der Fischläden, und noch ein Photo, denn es erfreut das Auge.

Nun suchen wir uns den Rückweg, das gelingt wider Erwarten auf Anhieb in der hintersten Ecke des Ortes, wo man ein abenteuerliches Anwesen passiert. Kaum vorstellbar, daß man da hausen kann, aber ein älterer Mann trottet herum. Der weitere Weg führt uns wie gehabt durch blühende Wiesen und Olivenhaine, es macht wirklich Spaß. Ein entgegenkommender Autofahrer ist so rücksichtsvoll, für uns Wanderer die Fahrt zu unterbrechen, damit wir nicht soviel Staub schlucken müssen.

Dann passieren wir eine kleine Kapelle, die heißt Agios Demitrios und die Tür ist offen. Das Innere ist sehr interessant, es stehen ikonenartige Tafeln herum, alles unbewacht und wir hoffen, daß keine Souvernirsammler auf dumme Gedanken kommen. Auf einer blühenden Wiese machen wir Rast und verzehren die vorher gekauften Bananen, Apfelsinen oder auch Gurken. Ein unbekannter Schmetterling von der Bauart eines Schwalbenschwanzes torkelt herum, dieser ist gelb und hat schwarze Streifen. Als wir genug gerastet, geblinzelt und geplaudert haben, wandern wir zurück, der Himmel ist wolkenlos und wir beziehen wieder unseren Strandplatz, wo wir die ganze Szenerie für uns alleine haben. Wo die anderen Leute alle stecken, können wir uns auch nicht erklären.

Immerhin können wir einem Surfer zusehen, wie er immer wieder mühsam auf sein Brett klettert um sogleich wieder hinterrücks in das Wasser zu fallen. Als er so entkräftet ist, daß er nur noch paddeln kann, muß ihn das Motorboot der Wassersportabteilung bergen. Dort verfügt man neben der obligaten gelben Banane, auf der man die juchzenden Reiter über die Wellen karriolt und zuweilen zum Kentern bringt, auch über zwei lautstarke Wasserflitzer, die wie Motorräder bedient werden und mit ihrem Geräusch ruheliebende Badegäste zur Verzweiflung treiben können. Da die Saison noch zu früh dran ist, hält sich das mangels Kundschaft in Grenzen.

Nach dem Abendessen und dem Schnack mit Ehepaar W. in der Hotelhalle hören wir in einem Baum genau über uns einen seltsam klingenden Ruf. Zufällig kommt der Chef mit dem stechenden Blick des Weges und wir fragen "What bird is this?" "It is an owl" antwortet er, was wir erstmal nicht verstehen. "Such big eyes" ergänzt er und wir begreifen: eine Eule. Die soll es zahlreich hier geben, was sich durch die Rufe aus mehreren Richtungen bestätigt. "Owls to Athen" sagen wir noch, aber das kapiert er anscheinend nicht.

Als wir später auf unserem Freisitz unseren besinnlichen Abend verbringen, springt Heidi plötzlich auf und breitet die Arme aus: "Da war sie, so groß!" und meint das war die vorbeifliegende Eule. Ich habe dagegen nichts gesehen, wahrscheinlich habe ich gerade wieder Wein nachgeschenkt.

Montag, 3.5.: Hitzemarsch nach Eretria

Wir haben herausbekommen, daß es für unsere 5 L Kanisterflasche 500 Drachmen Pfand zu kassieren gibt, wenn man sie zurückbringt. Das erfordert einen Marsch mit prallem Rucksack nach Eretria. Das Ehepaar aus Unna hat uns gesagt, daß ganz oben am Hang entlang ein wunderschöner Weg entlang führen soll. Das wollen wir nun ausprobieren, wenn auch die Sonne es heute reichlich gut meint.

Natürlich geraten wir erst einmal wieder in eine Sackgasse bis hinauf zu einer Kapelle, aber dort geht es nicht weiter und wir müssen wieder den ganzen Weg zurück. Immerhin sichten wir auf diesem Weg eine Orchidee, die einzige auf dieser Reise. Also auf einem anderen Weg hinauf, und es dauert lange, bis wir eine entsprechende Abzweigung finden. Es kommt uns ein Mann mit Einkaufstaschen entgegen, der spricht englisch und erklärt, daß er gerade aus Eretria käme. Er redet allerdings davon, daß man noch zwei Kilometer auf der Landstraße laufen müßte. Optimistisch wie wir sind, glauben wir das nicht so ganz und machen uns auf den Weg. Der ist natürlich sehr schön, so hoch oben mit Blick über die See hinüber zu den Bergen des Festlandes. Nur die Hitze macht uns zuschaffen.

Als wir einen asphaltieren Weg erreichen, besteht Heidi darauf, diesen anstatt des zweifelhaften Weges am Hang zu nehmen. Und bald geht es bergab, wir sehen eine überfahrene Schlange, die gibt es also doch wirklich. Aber dann kommen wir - das hat man ja befürchtet - genau an der Stelle am Strand raus, wo man über das Rattenloch klettern muß. Es findet sich aber auch ein Loch im Zaun, das geht einfacher. Trotzdem haben wir nach mehr als zwei Stunden Fußmarsch erst gerade den halben Weg bis Eretria zurück gelegt und müssen nun den Rest auf dem bereits bekannten häßlichen Fahrweg an der Küste entlang laufen. Das und die Hitze heben die Stimmung nicht besonders.

Heidis Wandersandalen drücken wieder und mich piekt der Sand unter den Fußsohlen. Aber es geht alles mal vorbei und wir erreichen einigermaßen erschöpft unser Ziel. Endlich werden wir den liebevoll transportierten 5l Kannister wieder los. Neben dem Supermarkt befindet sich ein Gemüseladen. Dort kann man sich Wein in Wasserflaschen abfüllen lassen. Probieren wir das doch einmal, und schon haben wir wieder einen prallen Rucksack.

Zurück nehmen wir natürlich den Bus, haben aber noch eine weitere Schandtat vor und steigen beim Hotel Miramar aus, um dem Kaufmannsladen einen Besuch abzustatten. Dort kann man nämlich Geld zu einem günstigeren Kurs als im Hotel umtauschen. Da haben wir uns aber geschnitten. Angesichts unseres prallen Rucksacks fertigt uns der Ladeninhaber mit der Feststellung ab: "You buy your soap in Eretria, this is no bank". Soll wohl heißen, wenn wir hier nichts kaufen, will er auch kein Geld tauschen. Dann soll er es lassen, nur daß wir mit unseren schmerzenden Füßen und dem prallen Rucksack nun auch noch bis zu unserem Hotel zurück laufen müssen.

Selbstredend, daß wir für den Rest des Tages die Füße hochlegen. Nach diesem anstrengenden Marsch glaube ich einen günstigen Zeitpunkt gefunden zu haben, für den nächsten Tag eine Solotour anzukündigen. Als ich meinen Plan dem Ehepaar W. erzähle, kommen wir überein, daß Herr W. mich begleiten wird und die beiden Damen einen Ruhetag einlegen.

Es bleibt noch zu vermerken, daß wir während unseres beschaulichen Tagesausklangs feststellen, daß der Abfüllwein doch nicht ganz so gut mundet wie der aus dem 5 l Kannister.

Dienstag, 4.5.: Bergtour

Wir stehen zeitig auf und finden uns um punkt 7 Uhr zum Frühstück ein. Während sich die beiden Damen am Pool verabreden, machen wir Männer uns auf den Marsch, der bergwärts führen soll, denn die knapp 1000 m hohen Bergkämme üben schon einen gewaltigen Reiz aus.

Auf schon bekanntem Weg geraten wir an die Abzweigung nach Eretria von gestern, und steigen nun weiter hoch, bis hinter den letzten Anwesen der Weg endet. Dafür findet sich ein trockenes Bachbett, in dem man über Geröll und mannshohe Felsstufen hinauf steigen kann. Das macht Spaß, fast schon alpin zu nennen. An einer Stelle finden wir ein merkwürdiges Vogelnest, ähnlich einem Schwalbennest, aber größer und wie aus Zement. Außerdem führt eine kleine Eingangsröhre hinein.

Wir erreichen dann einen Querweg, den man auch von unten sehen konnte, der führt uns zu einer Art Paß. Natürlich hat man nun eine wunderbare Aussicht über das Land unter einem. Ein Kuckuck fliegt rufend vorbei, den erkennt man an seinem langen Schwanz. An der Paßhöhe mündet ein Weg von Eretria herauf, ein weiterer führt hinauf zu einem Berg mit einer Sendestation. Vor uns liegt eine kleine Ansiedlung, die heißt Gerondas, wie uns Dimitri bereits angekündigt hatte. Dort soll es eine Kapelle mit einem Brunnen geben. Wir steigen aber weiter bergan. Man hat nun einen weiten Blick in das Landesinnere, leider ist es recht diesig, so daß man von den höheren Bergen weiter hinten wenig sieht. Zum anderen wandert man hier durchweg durch verbrannten Wald und das ist auf die Dauer nicht so erbauend. Es hat wirklich gründlich gebrannt, kein Baum ist verschont worden. Wir schätzen das Alter der Kiefern auf annähernd 100 Jahre, was auch das Nachzählen von Baumringen bestätigt. Kleinere Büsche treiben nach dem Brand wieder aus, aber für die Kiefern besteht wohl wenig Hoffnung.

Ziemlich weit oben erreichen wir zwei abgestellte Steinbruchfahrzeuge. Ein noch frisch aufgeschobener Weg führt noch weiter hinauf, endet aber irgendwann unvermittelt. Wegen der Schlangen sollte man besser nicht durch freies Gelände steigen. In der Hoffnung daß wir uns kurz unterhalb des Bergkammes befinden, steige ich dennoch ein wenig weiter. Doch bald kehre ich wieder um, die Orientierung ist zu unzureichend und man muß um die verkohlten Baumleichen herum kraxeln. Außerdem finde ich den wartenden Herrn W. auf und ab gehend wieder, es ist wegen der Bremsen nicht angeraten, stehen zu bleiben oder sich gar hin zu setzen.

Es bleibt nichts anderes zu tun, als den gleichen Weg zurück zu nehmen. Schließlich befinden wir uns wieder in dem Bachbett, wo wir nun ein Tiergerippe finden. Bemerkenswert ist, daß sich auf dem skelettierten Rückgrat knapp spannenlange Kammknochen befinden. Wir tippen also zunächst (nicht ganz ernst gemeint) auf einen Saurier, den Euböächus oder so. Dann verfallen wir auf die Reste eines Bären, die haben doch auch so einen Buckel. Außerdem soll es im Bergland noch vereinzelt Bären geben. Die endgültige Lösung wird aber wohl sein, daß es sich um eine Ziege gehandelt hat. Auf dem weiteren Abstieg kann man beobachten, daß sich der Bach im Gelände verliert und wohl nie das Meer erreicht.

Ein Abenteuer gilt es noch zu bestehen, indem wir das eingezäunte Anwesen mit den gefährlichen Hunden passieren, wo Heidi und ich am ersten Tag Reißaus genommen haben. Unter Männern ist man mutiger und wir kommen heil vorbei. Nach 5 Stunden sind wir wohlbehalten wieder unten. Zwischen den Zehen habe ich mir allerdings eine Blase gelaufen - wo gehobelt wird, fallen Späne. Dazu setzt man das Schweizer Taschenmesser als Operationsbesteck an und die Sache ist bald wieder behoben.

Mittwoch 5.5.: Noch mal nach Chalkis

Der Urlaub neigt sich seinem Ende zu und der Unternehmungsgeist läßt nach. Auf die erwähnte Fahrt an das Südende der Insel verzichten wir also, das ist sicher ein Fehler, aber man kann nicht alles haben. Weniger anstrengend ist noch einmal eine Busfahrt nach Halkida, das wir auch noch einmal bei Sonnenschein erleben wollen. Aus der Busfahrt wird allerdings nichts, denn der fährt 10 Minuten zu früh und wir sehen ihn gerade abrauschen, als wir um die Ecke kommen.

Während wir ratlos an der Straße stehen fährt ein Taxi vor. Vergeblich versuchen wir, den Fahrer abzuwimmeln. Er macht allerdings ein günstiges Angebot "Special price" - so fahren wir mal mit dem Taxi nach Halkida. Bei dem guten Preis ist sogar ein Trinkgeld drin. Mehr zu erzählen gibt es eigentlich nicht, wir bummeln herum und schießen noch ein paar Photos. Bald sitzen wir wieder im Bus und fahren zurück zum faulenzen.

Donnerstag, 6.5.: Noch mal nach Amarindos

Es ist der letzte Tag, deshalb schlendern wir ohne Hektik noch einmal auf dem Strandweg nach Amarindos. Wir beobachten einen Mann, der mit einem dreieckigen Spaten im seichten Wasser zwischen den Steinen herum stochert. Um die Hüfte hat er eine Tasche gebunden, in der er seine Ausbeute sammelt. Wir laufen aber weiter, ohne der Sache auf den Grund zu gehen. In Amarindos machen wir noch ein paar Besorgungen, bevor wir den gleichen Weg zurück gehen. Der Mann stochert noch immer im Wasser herum. Nun bleiben wir stehen, darauf kommt er auf uns zu und zeigt uns den Inhalt seiner Tasche. Es handelt sich um eine Art Würmer, die, wie wir erfahren, als Köder zum Fischen dienen. Wir können uns gut auf Englisch unterhalten und bekommen eine Zigarette angeboten. Wir haben es also mit einem Fischer zu tun, der sein Boot in Kimni liegen hat. Früher sei er "Seaman" gewesen, habe auch einmal in Hamburg gelegen. Heute habe er Familie und bleibe lieber im Lande.

Nun können wir gleich mal nach der sonderbaren Fischanlage zwischen Amarindos und Aliveri fragen. Davon hält er natürlich gar nicht viel, keine gute Qualität und so. Wir geraten anschließend ins Politische bezüglich des Kosovo-Krieges. "No war is good" sagt er und wir sind darin einer Meinung. Und Deutsche und Griechen seien ja heute Freunde. Und vergessen wir den Weltkrieg besser, wo das nicht so war. Also ein sehr offenes Gespräch und wir verabschieden uns per Handschlag.

Wir stellen plötzlich fest, daß es kalt geworden ist, kalte Fallwinde wehen von den Bergen. Da ist nichts mehr mit Pool und Strand. Aber es bleibt ja noch etwas zu tun, was das Ende eines jeden unserer Urlaube in südliche Gefilden wie das Amen in der Kirche abschließt: Heidi zieht mit Plastiktüte und offenem Taschenmesser ins Gelände auf der Jagd nach Pflanzen und Ablegern. Während ich zähneknirschend Schmiere stehe, wünsche ich nur, daß sie sich mal einen Skorpion dabei einhandelt. Weniger problematisch ist das Einsammeln von Mohnkapseln, mal sehen ob wir diesen dunkelroten Mohn in unserem Garten ansiedeln können.

Abschließend werden die Sachen gepackt und den besinnlichen Abend können wir heute leider wegen der Kälte (Balkantief laut Bildzeitung) nicht draußen verbringen. Auch von unseren Schwalben müssen wir Abschied nehmen, hoffentlich bringen sie ihre Brut gut durch, aber es sieht ganz danach aus.

Freitag, 7.5.: Akropolis

Wir werden sehr zeitig abgeholt (5.50), diesmal mit einem Bus für gerade mal 8 Mitfahrer. Und es gibt noch zwei Überraschungen: wir fahren über die Hängebrücke in Chalkis, dann über die Autobahn und nähern uns dem endlosen Athen. Irgendwann erkennen wir die Akropolis, und schon - wer hätte es gedacht - sind wir ganz dicht daran vorbei gefahren. So dürfen wir aus Griechenland heimkehren nicht ohne versichern zu können: "Wir haben die Akropolis gesehen!".