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Mittwoch, Oberndorf - Salzburg - Krimml - Uttendorf, 20+40 km

In dieser Nacht habe ich einen unruhigen Schlaf. Es steht in den Wolken, wie es weiter geht. Doch der Morgen ist wolkenlos, und das Glück fällt uns beim Frühstück vom Himmel. Da sitzt ein Ehepaar, die kommen gerade von oben, d.h. vom Pinzgau auf dem Tauernradweg runter. "Fahren Sie von Salzburg mit der Bahn rauf, das geht jede Stunde, und dann mit dem Rad runter, landschaftlich ein Traum". Genau das hat mir ja vorgeschwebt. Bloß können wir dann nicht schon am Donnerstag oder Freitag nach Hause fahren, wie es Heidi lieber gewesen wäre. Da der Prophet im eigenen Lande nichts gilt, ist dieser Vorschlag von anderer Seite auch von ganz anderer Durchschlagskraft. Wir rechnen durch, am Sonnabend kämen wir auch noch nach Hause.

Nun schwebe ich wie auf Wolken, die ja gar nicht da sind. Wir werden den kompletten Tauernradweg zusammen bekommen, das ist es doch. Vergessen der gestrige Tag, als ob eine ganz neue Tour vor einem läge.

Bis Salzburg müssen wir erst einmal radeln, das sind 20 km. Der Weg ist etwas eintönig, schnurgerade immer an der Salzach lang - aber natürlich keine Berge! Die Alpen, auf deren Anblick ich sehnlichst warte, erscheinen nur allmählich hinter den Baumwipfeln des Auwaldes. Den Salzburger Untersberg erkennt man dann irgendwann.

In Salzburg nehmen wir den direkten Weg zum Bahnhof. Da die Züge nach Zell am See stündlich fahren, haben wir keine Probleme mit der Verbindung. Auch ein Radlerabteil gibt es in dem schon bereitstehenden Zug. Außer uns fährt noch ein radelnder Pensionär mit. Der ist technikversessen, jedes Teil an seinem und auch unseren Rädern wird durchgegangen. Das besondere Thema ist mein Sattel. Der sei ja toll, den würde man in Oesterreich gar nicht bekommen (das kann kaum stimmen). Zum Einfahren eines neuen Sattels hat er einen totsicheren Tip: eine Nacht in Wasser legen und dann einen Tag darauf fahren - dann habe alles die richtige Paßform. Das nehme ich aber nicht so ernst, einen Naturledersattel eine Nacht in Wasser zu legen, da sträuben sich einem ja die Haare. Außerdem hat mein Hinterteil mittlerweile die Härte der neuen Unterlage partiell akzeptiert.

Der Zug benötigt ein-ein-halb Stunden bis Zell am See. Auf der Fahrt gleitet die später zu durchradelnde Landschaft schon an einem vorbei, das ist eigentlich schade, wegen der späteren Überraschungseffekte.

Bei strahlendem Sonnenschein steigen wir in Zell am See aus und begeben uns erstmal an die Promenade, wo der See als blauer Spiegel vor einem liegt. Für die Schönheit der Landschaft haben wir wieder mal nicht das richtige Auge, weil wir schon wieder am Rechnen sind.

Das Unglück ist nun, daß die Pinzgauer Schmalspurbahn nach Krimml auch erst in ein-ein-halb Stunden abfährt, und dann ihrerseits für die etwa 50 km auch noch einmal ein-ein-halb Stunden benötigt. Wir berechnen, daß ein dreiviertel Tag bei herrlichstem Wetter für das Fahrradfahren verloren geht.

Heidi würde am liebsten gleich von hier Richtung Salzburg aufbrechen. Es gelingt uns, die darauf zwangsläufig folgende Funkstille zu vermeiden, indem wir auf die Idee kommen, die Zeit für die Organisation der Heimfahrt mit der Bahn zu nutzen. Ich muß sagen, so gut hat das auf unseren vielen Radtouren noch nie geklappt, wie hier in Zell am See.

In der Auskunft bekommen wir einen Zug von Freilassing (das liegt bei Salzburg) direkt nach Hannover mitgeteilt. Eine Reservierung mit Fahrradmitnahme ist kein Problem, das Lösen der Fahrkarten per Bahncard auch nicht, die Bezahlung mit der Visa-Card bargeldlos, also alles umsonst, jedenfalls was die momentane Geldbörse angeht. Nun ist alles palletti, wir haben die Heimfahrt in der Tasche und der nächste Lebensmittelladen hat auch noch was zu bieten.

Die Pinzgauer Schmalspurbahn führt dankenswerterweise einen Güterwaggon zum Verladen der Fahrräder mit, so an die 20 werden es wohl sein, die da eingeladen werden. Wir sitzen gemütlich im Abteil und können uns auf der langen Fahrt gar nicht vorstellen, das alles wieder abzuradeln. Allerdings hält der Zug an jedem Misthaufen, manchmal ist auch ein Golfplatz oder Erlebnisschwimmbad auszumachen.

Um halb vier am Nachmittag erreichen wir die Endstation, das ist noch ein paar Kilometer vor Krimml, wo sich die berühmten Wasserfälle befinden. Also ich war schon mal dort, vielleicht Anfang der 60er Jahre, und Heidi hat keine Gelüste, weil es dorthin nochmal tüchtig bergauf geht. Die anderen Mitreisenden aber streben erstmal zielbewußt bergwärts.

Wir dagegen machen uns sogleich talwärts mit Schmackes auf den Weg. Wie es in den Alpen so ist, spielt leider das Wetter nicht ganz mit, ein paar Regentropfen klatschen uns bei der ersten Abfahrt ins Gesicht. Nach der Abfahrt folgt eine Schikane in Richtung Sulzbachtal. Man muß da schon mal um ein paar Bergbauernhöfe herumschieben, dann geht es aber wieder runter und man fliegt auf dem Talboden des Pinzgaus dahin. Leider lassen sich mangels Sonne keine Fotos schießen. Die Hohen Tauern mit Großglockner oder Großvenediger sind da natürlich auch nicht zu sehen.

Trotzdem umgibt uns eine zauberhafte Landschaft, Orte mit weißen Kirchtürmen, oben auf den grünen Matten verstreute Berghöfe. Nur das Vieh, Kühe sollten es wohl sein, ist wenig anzutreffen, sollten die hier auch schon in Massenquartieren eingepfercht sein? Einmal müssen wir die Köpfe einziehen, da wird eine neue Hochspannungsleitung verlegt. Mit Flaschenzügen hievt man das Kabel auf die Masten hoch.

Wir durchfahren Mittersill, den bekanntesten Ort der Gegend. Da ist der Tourismus zu Hause, wir suchen uns Uttendorf aus, ein weniger bekannter Ort. Wir finden zwei Gasthöfe, den Kirchenwirt und Gasthaus Waltl. Zwischen diesen beiden pendeln wir mal eben hin und her und entscheiden uns dann für das Waltl.

Ein schönes Zimmer, duschen und dann zum Essen. Beim Kirchenwirt schauen wir erstmal vorbei, da lädt gerade das "Sonnleitner Trio" seine Musike aus. Da essen wir doch lieber in unserem Waltl. Schweinshaxe und Sauerbraten, am Nebentisch eine Meute Arbeiter, ob das die Kabelzieher von der Hochspannungsleitung sind? Wir verstehen nur "Obi", "Ummi" oder "Auffi". Das scheinen oesterreichische Ortspräpositionen zu sein. Ich mache mir Gedanken, ob die Unwegsamkeit der Alpen auch die Sprache prägt, wo diese Worte vielleicht eine andere Bedeutung besitzen als unser norddeutsches "Da längs!".

Wir in unserer neugierigen Art gehen jedenfalls nochmal die paar Schritte zum Kirchenwirt "ummi" und schauen durch die Fenster in den Musiksaal. Da wird gerade

"Oh du mein Kufstein, holladiadriheidihooh.."

intoniert, auf der Tanzfläche sind nur weibliche Paare zugange. Wir sind zufrieden mit unserem Waltl!


Im Pinzgau

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