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Freitag, Salzburg

Die Krönung der Reise sollte ein Tag in Salzburg sein. Uns geht es seit Beginn der Tour so, daß einem eigentlich die Städte, jedenfalls die großen, gar nicht so viel Spaß machen. Ich kenne das schon von früher, Augen und Ohren reagieren empfindlich auf den Ansturm von Sinneseindrücken. Zudem haben wir heute einen Schnürlregen, wodurch wir zwar eine der Salzburger Eigenarten kennenlernen, leider auf Kosten der Unternehmungslust.

Von Freilassing fahren wir mit dem Bus, hinter der Grenze muß man umsteigen. Das erledigen wir weltmännisch. Am Karajanplatz steigen wir aus. Wir haben noch keinen Stadtplan, so geraten wir auf den Universitätsplatz und in die zugehörige Kirche. Auf Nachfrage bei einem Pärchen, die sprechen englisch, erfahren wir, wo die Touristeninformation ist: am Mozartplatz.

Nun haben wir einen Stadtplan und können mit offenen Augen vorgehen. Erstmal auf den Domplatz, da heißt es dann gleich unterstellen, denn der Regen prasselt herunter. Die Fiakerpferde stehen unter Planen mit gesenkten Köpfen.


Salzburg im

Schnürlregen

Wir hoppeln noch schnell um eine Ecke und sind im Vorraum des Doms. Nur hinein kann man nicht, da beginnt gleich eine Orgelmatinee. Ebenso geht es einer Gruppe, die durch einen Herrn mit Bömsel zusammengehalten wird. Der Bömsel ist ein Stab mit einem farbigen Wuschel (was ist das nun wieder?) oben dran. Der Bömsel ist ein wahres Wunderinstrument.

Erstens erkennt man auch von weiter weg immer, wo sich das Zentrum der Gruppe befindet,

zweitens läßt sich auch die als nächstes angestrebte Richtung weisen und

drittens kann man orientierungslose Gruppenmitglieder noch aus der Distanz durch einen gezielten Stoß in Aufmerksamkeit versetzen.

Eine vierte Verwendungsmöglichkeit werden wir wenig später kennenlernen.

Ich schlage Heidi vor, uns der Bömseltruppe anzuschließen, die hätten doch sicher ein interessantes Programm. An einer Brotbäckerei verlieren wir sie aber aus den Augen. Und in der Brotbäckerei da ist es schön, ganz warm, da kann man mal die Socken auswringen, die Brille putzen und sich ein wenig trockenlegen.

Sodann geraten wir auf einen Friedhof, da sind die Erzabtei St. Peter und die Katakomben. Führung erst in 1 1/2 Stunden. Wir suchen nun in der Franziskanerkirche Zuflucht vor dem Regen. Da finden wir unsere Bömseltruppe wieder. Die sitzt geordnet in den Bänken. Der Leiter verkündet gerade: "Wir singen jetzt ein Lied zur Ehre Gottes!" Dann setzt er seinen Bömsel ein wie der Tambourmajor seinen Stab und es erschallt das Lied "Es loben und preisen die Völker den Herrn...". Mehrstimmig und als Canon, bei der ausgezeichneten Akkustik sehr wohlklingend.

Das waren dann unsere ganz privaten Salzburger Festspiele. Wir suchen nun die Getreidegasse auf. Dazu müssen wir durch die "Pillhuhngasse". Das habe ich aber falsch entziffert, denn richtig heißt es "W. Philharmoniker". Überhaupt ist hier alles nach irgenwelchen Musikassoziationen benannt, wohl wegen der Festspiele. Die abgebildeten Künstler an den Musikalienläden kennen wir mit Ausnahme von Pavarotti und Placebo Domingo In der Getreidegasse herrscht ein Gedränge wie auf einem Jahrmarkt. Besonders vor dem Mozart-Geburtshaus stauen sich die menschen mit zurückgelegten Köpfen. Beeindruckend sind die geschmiedeten Ladenschilder, die über den Köpfen in die Gasse hineinragen. Gegenüber von Mac Donalds trinken wir einen Kaffee in einem Tchibo. Die anderen Geschäfte mit Mode oder Schmuck sind für uns weniger interessant, wohl auch keine Billigoccasionen. Am Ende der Getreidegasse ist das Hotel "Goldener Hirsch" da steigt gerade ein Paar im Jankerlook in eine Karosse des Magistrats. Wir gucken nur mit hohlen Augen zu.

An einem Brezelstand erstehen wir eine Laugenbrezel, die wir bis zum Beginn der Führung durch die Katakomben verzehren. Als die Führung beginnt, wird es eng, mehr als dreißig Personen drängen sich um die Dame, die erst in Deutsch und dann in Englisch die Merkwürdigkeiten erklärt.

Da liege erstmal der Bruder des Komponisten Haydn begraben, aber nicht sein Kopf, der sei in einer nahen Kirche in einer Urne deponiert. "That's a strange thing" wundert sich einer hinter uns. Neben dem Haydn-Bruder ruht die Schwester von Mozart, das "Nannerl". Eine Komposition von dunklen Bildtafeln zeigt die Schrecken der Pest, wie sie Arm und auch Reich zu verschlingen vermag.

Dann geht es eine Treppe hoch, Vorsicht. Nun befindet man sich in einer Kapelle, die als Raum in Kreuzform in den Berg gehauen wurde. Ein Geheimgang führte ursprünglich, d.h noch in der Römerzeit, von der Festung oben in diese Räume. Genutzt wurden sie in der Zeit der Christenverfolgung als geheime Treff- und Gottesdiensträume. Sie sind wohl dann über lange Zeit in Vergessenheit geraten, erst ein Bergsturz im 16. Jahrhundert oder so hat sie dann von außen freigelegt. Der zweite Raum befindet sich noch ein Stockwerk höher und ist noch älter.

Eine Bemerkung bringt einen wieder in Harnisch. In dem unteren der Räume werden noch Messen abgehalten, im oberen nicht. Das geht auch nicht, weil oben kein geweihter "Altarstein" vorhanden ist, unten dagegen ist einer da, da geht das dann. Man fragt sich dann doch, in welcher Zeit man lebt und was von solchem götzenhaften Gebaren zu halten ist. Das Vergnügen hatte ich ja schon im letzten Jahr in Lourdes.

Als die Führung zu Ende ist, suchen wir doch noch den Dom auf, denn der ist inzwischen frei. Aber danach sind wir kulturgesättigt und begeben uns bei dem andauernden Regen dann lieber zur Bushaltestelle und machen uns auf den Rückweg. Die letzten Schillinge können wir in einer Bank direkt an der Grenze zurücktauschen. Dann sagen wir Oesterreich auf Wiedersehen und "Bis zum nächsten Mal" zu der Bankangestellten.

Die Mozartkugeln als Mitbringsel kaufen wir in Freilassing beim Supermarkt.

Die Rückfahrt am nächsten Morgen mit dem schönen IC verläuft absolut reibungslos. Man führt einen Gepäckwagen mit, und da haben bequem mehr als 50 Räder Platz. Der Rest der Fahrt von Hannover nach Braunschweig mit dem Regionalzug ist fast schwieriger, weil man da die Räder am Zugende nur provisorisch in den Ausgang stellen kann.

Am Braunschweiger Hbf. begrüßen wir überraschend unsere "Studenten" Manu und Andy, die per Dachgeber mal bei uns übernachtet haben und mit dem gleichen Zug von einer Tour durch Norddeutschland zurückkehren.

Fazit:

Daß meine Ehegattin so gut fahrradfahren kann, hätte ich nicht gedacht. Es war zwar nicht unsere erste Radtour, aber wohl doch die sportlichste bisher. Wie wir das in Zukunft mit den Bergen halten sollen, ist mir noch unklar. Nach zwei Wochen unterwegs mit so vielen Strecken, Land- und Ortschaften ist eine detaillierte Beschreibung wie diese ein "Muß", weil sonst nach schon kurzer Zeit einem alles durcheinander gerät. Das geht schon mit den Urlaubsfotos los. Wenn ich die durchmischen würde, hätte man seine Mühe, sie wieder richtig einzuordnen.

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