Nun der Anlass: es findet eine Sternfahrt aus ganz Deutschland zu dem Magdeburger Umweltfestival statt. Die letzte Etappe des westlichen Stranges führt am 28.7. auf der B1 von Braunschweig zur Partnerstadt Magdeburg. 2000 Radfahrer sind angesagt. Verena, Stefanie und Thomas wollen auch mitfahren. Dann wären es schon 2000 + vier an der Zahl. Doch daraus wird nichts.
Am Vortag, dem Dienstag, haben wir einen der bei uns seltenen Tage mit Dauerregen. Wie der gesamte bisherige Sommer, mit Ausnahme unserer eigenen Ferientage in Malchow, mit mehr Regen als Sonne den Leuten auf das Gemüt schlägt, so beeinträchtigt die Wetterlage auch das Gelingen der geplanten Aktionen im Zusammenhang mit der Sternfahrt entscheidend.
Vorgesehen war ein Aktionsabend im Kennelbad, umsonst Baden, Eintopfverpflegung, Musikdarbietungen usw. Als ich auf dem Heimweg im strömenden Regen da vorbeischaue, ist alles verwaist, ein Zettel an der Pforte verkündet: "Alles fällt aus, Umleitung zum FBZ (Freizeit- und Bildungszentrum), Sorry, das Wetter".
Zu Hause ergibt sich, da Verena die Grippe hat, dass wir schon mal einer weniger sind. Und ob wir überhaupt fahren, kann man erst am nächsten Morgen sagen, das Wetter soll nicht besser werden. Wir stellen die Heizung an.
Beim Aufstehen am Mittwoch scheint aber - etwas verzagt - die Sonne und es ist wärmer geworden. Im Westen grummelt es grau. Ich wecke Stefanie, die sich aber vom warmen Bett nicht trennen kann. Einen schönen Tag kann ich ihr nicht versprechen. So bleiben nur Thomas und ich übrig. Also nur 2000 + zwei Radfahrer auf der B1...
In der Braunschweiger Zeitung ist nur ein lustloser Bericht über die ganze Aktion zu lesen. Die Tour ist mit einiger Verzögerung am Vortag aus Hannover in Braunschweig eingetroffen. In Peine hat man versucht, den Regen abzuwarten - vergeblich. Bemerkenswert ist vor allem, dass die Radfahrer für eine Zeit den gesamten Verkehr lahmlegten, was zwar auch ihre Absicht war, dem Rest der Bevölkerung aber als grobe Beeinträchtigung ihrer Freiheit unter dem Motto "Freie Fahrt für Freie Bürger" erscheint.
Da liest sich schon besser, wer und was im "VIP-Zelt" der nationalen Tennismeisterschaften an dem kalten Buffet anzutreffen ist, dass der Chefkoch vom "Atlantic" selbstgefundene Trüffel präsentiert oder dass die Domgemeinde eine Radtour für Jugendliche nach Riddagshausen (5 km) macht.
Die Palette der Themen, für oder gegen die bei dem Umweltfestival in Magdeburg demonstriert werden soll, ist allerdings auch beträchtlich und nicht jedem Mitmenschen vom biederen Bürger bis zum "VIP" (Very Important Person), die die Braunschweiger Zeitung unnachahmlich vertritt, rückhaltlos beizubringen.
Ein Ausschnitt der Demo-Themen:
Kurz vor neun Uhr machen sich Thomas und ich auf den Weg, unseren Beitrag an dieser Problematik zu leisten. Thomas farbenfroh im Outfit eines Feierabendrennfahrers. Ich mehr normal, wie ich auch sonst zur Arbeit fahre.
Die Fahrbahn ist noch nass. In Rüningen muss man von der Strasse scharf nach links zum Kinderspielplatz abbiegen. Das beherrscht Thomas besonders gut, der hat wohl am Vorsonntag das Formel-1 Rennen in Hockenheim gesehen. Jedenfalls soll mit eingeschlagenem Lenker und blockiertem Hinterrad so etwas wie ein "Powerslide" herauskommen. Ein Bein lässt man als Abstützung lässig auf der Erde schleifen.
Gerade noch kann ich dem, was da vor mir auf der Strasse liegt, nämlich Thomas und den Resten seiner Fahrkünste, ausweichen. Dann ist die kinetische Energie abgebaut und Thomas kann sich unversehrt erheben.
Kurz nach 9 Uhr sind wir am Kennedyplatz, wo die Tour um 9 Uhr starten soll. Es beginnt zu regnen. Ein paar versprengte Figuren drücken sich mit ihren bepackten Rädern unter die verfügbaren Dächer. Soll das alles sein? Man teilt uns mit: alles ist um eine Stunde verschoben, durch die gestrigen Umorganisationen. Alle Sachen seien wohl auch noch nicht getrocknet.
Dem entgangenen Ausschlafen nachtrauernd rollern wir solange zum Kohlmarkt, um der Sache bei Tchibo mit einem kräftigem Kaffee auf die Sprünge zu helfen. Beeindruckend ist es, aus den Fenstern dem heftiger werdenden Regen zuzuschauen, schliesslich prasselt es nur so herunter. Aber ein heller Streifen im Westen...
Ich besorge mir in einem Modegeschäft erstmal eine Plastiktasche, um die Ersatzsachen nässesicher zu verpacken. An Fahrradfahren ist erstmal nicht zu denken.
Irgendwann hört es dann doch auf zu regnen, gleich scheint geradezu so etwas wie die Sonne oder was man dafür hält. Um halb 11 Uhr erscheint endlich die Meute der Radfahrdemo. Die haben in der Turnhalle der TU übernachtet und sind nun wieder gutgelaunt, farbenfroh ausgestattet mit Kind und Kegel in der Meute. Vorne weg ein Polizeiauto und einige Motorradfahrer, damit alles seine offizielle Ordnung hat.
Wir lassen diesen bunten Zug erstmal an uns vorbeirollen. Man kann technische Studien treiben, abenteuerliche Fahrradkonstruktionen, Liegeräder und Anhänger. Alles klingelt, hupt oder jauchzt. Manche singen nach Schlagermelodien umgedichtete Protestsongs.
Als der Strom gegen Ende dünner wird, reihen wir uns auch ein. Erstmals fahren wir mit dem Fahrrad mitten über den sonst für Autos reservierten Kennedy-Platz. D.h. meistens stehen wir, denn die mit Radfahrern gesättigte Strasse ist nicht in der Lage, diese problemlos aufzunehmen. Das kommt mir irgendwie bekannt vor.
Autos stinken in der Stadt,
steh' nicht rum, fahr mit dem Rad...
singen derweil welche. Wenn es wieder weitergeht, ist das nur für eine kurze Strecke. Einer erzählt, man habe am Vortag etwas mehr als 10 Kilometer in der Stunde gefahren. Heute stehen allerdings 90 km auf dem Programm. Bald ist es schon Mittag.
Es zeigt sich nun, wie schwer so ein kilometerlanger Zug von Demonstranten zu organisieren ist. Man hat wohl in Ablehnung von technischem Schnickschnack auf den Einsatz von Sprechfunk verzichtet, Megaphone sind aber erlaubt. Ansonsten wird Kommunikation von vorn nach hinten und umgekehrt mit "Weitersagen" bewerkstelligt. Wenn man bremst, muss man den Arm heben. Eine hinter mir fahrende Spontifrau belehrt mich dahingehend. Ich murmele etwas von Sicherheitsabstand.
Nachdem wir den Hauptfriedhof, Opel Dürkopp und die Baustelle A39 einigermassen passiert haben, ereifert sich eine Aktionsgruppe vor einer DEA-Tankstelle. Da sitzen wir wieder für 10 Minuten fest. Und wir haben immer noch nicht den Stadtrand von Braunschweig erreicht. Es dämmert uns schon: lange geht das so mit uns nicht gut.
Man trifft auch die unterschiedlichsten Leute. Einige sind ganz vernünftig, mit denen kann man sich unterhalten. Manche lassen durchblicken, dass sie begeistert an jeder Massenradtour teilnehmen. Einer krönt mit dieser Tour seinen "Doktor", wie er sich ausdrückt. Andere haben sozusagen das Weisse im Auge, sind 200 prozentig für oder gegen etwas, da hat man eher Angst, was falsches zu sagen.
Zwei der Organisatoren kenne ich, das eine ist Peter Kreuzer vom ADFC, der hat damit zu tun, nach hinten zu eilen und fortwährend "Aufrücken" zu rufen. Der andere ist Ede Schulz von der Asta-Verkehrs-AG, der hat das Megaphon. Hinter Cremlingen, man ist eine Stunde unterwegs und hat 10 km zurückgelegt, wird die Meute zu einer ersten Rast auf einen Parkplatz gelotst.
Nachdem wir die ganze Zeit nur gestanden oder gebummelt haben, finden wir eine Rast unnötig. Ohne lange zu fackeln, fahren wir zwischen den eskortierenden Polizisten hindurch und radeln alsdann auf dem Radweg als ganz normale Verkehrsteilnehmer von dannen. Wir sind uns einig, irgendwie passen wir nicht in diese Gesellschaft, wir können die Begeisterungsfähigkeit nicht nachempfinden. Und schliesslich wollen wir heute auch noch nach Magdeburg kommen.
Aber es gibt ein paar Gleichgesinnte, die reissen auch aus und geben sich lieber dem individuellen Radfahren hin. Wäre auch schade, bei dem schönen Schiebewind von hinten. Auf dieser Strecke ist die B1 berüchtigt, viele Tote hat es in den letzten Jahren gegeben. Die ehemals schönen Alleen hat man abgeholzt, damit die Autos auch ausserhalb der Fahrbahn freie Fahrt haben. Einem hat das auch nicht geholfen ein blumengeschmücktes Kreuz am Strassenrand zeugt davon. "Sascha" steht darauf. Heute ist durch die "Fahrradverstopfung" der Autostrom auf der B1 gehemmt und wir profitieren von dem geringeren Verkehr.
Durch Königslutter kommen wir nach Helmstedt. In der Fussgängerzone finden wir das obligate Imbissrestaurant der Serie "Kochlöffel", wo wir es uns bei Salat und Currywurst schmecken lassen. Thomas schiebt noch ein Fischbrötchen aus der "Nordsee" nach.
Auch in Helmsted wuseln so allerlei versprengte Radler herum. In Gesellschaft eines etwas hilflosen Jungen und einem bärtigen High-Tech-Spezialisten rollen wir zur Magdeburger Warte. Der Spezialist hat sich ein Liegerad gebaut, dessen Antrieb durch Batterien unterstützt wird. Die Batterien wiederum werden durch Solarzellen gespeist. Der Fahrer des Wunderwerks interessiert sich besonders für die Kraftwerke Buschhaus, Offleben und Harbke, die sich qualmend präsentieren. D.h. Harbke nicht, das wurde nach der Wende schleunigst stillgelegt oder abgewickelt. Auf einem Berg steht ein Propellerflugzeug, da soll ein Restaurant eingerichtet sein.
Wenig später erreichen wir die alte Grenze. Leider haben wir keinen Fotoapparat dabei, hier hätte sich ein Motiv ergeben, über das man viel philosophieren kann. In einem ehemaligen Wachtturm des Todesstreifens hat eine kregle Frau eine Imbissstation eingerichtet. Zwei Arbeitslose leisten ihr Gesellschaft und verkünden alle Weisheiten der Welt. Im Hintergrund ragen die Flutlichtmasten des ehemaligen Grenzübergangs Marienborn auf. Heute wirkt das schon wie ein Museum.
Ein paar hundert Meter weiter auf dem Grenzstreifen parkt unauffällig eine grössere Anzahl Polizeiautos, das macht einen etwas gruseligen Eindruck.
Wir spendieren uns einen "Grenzstreifenkaffee", dann geht es schnell hinunter nach Morsleben. Gleich am Ortseingang ist die Abzweigung zu dem geheimnisumwitterten Atomendlager im Schacht Morsleben. Da wurde zu DDR-Zeiten eingelagert, was das Zeug hielt, keiner weiss heute genaues. Wir fahren erstmal auf einen Bauernhof, bzw. das, was davon übrig ist. Dort soll die offizielle Mittagsspeisung vorgenommen werden. Jetzt ist noch nichts zu holen, auch hier nur Versprengte. Auf einer Schautafel wird die Problematik der atomaren Entsorgung betreffend Konrad, Asse und Morsleben dokumentiert.
Wir machen eine kurze Rast unter der üblichen Bewertung, was an den umliegenden Gebäuden alles instand gesetzt werden müsste. Hier wohnt anscheinend nur noch eine ältere Frau, die geht ab und zu geschäftig hin und her, meistens mit einem Eimer am Arm. Aber die wird sicher nicht für 2002 Leute kochen.
Wir fahren noch einmal zurück, um die Geschichte mit dem Endlager Morsleben genauer in Augenschein zu nehmen. Da ist alles streng bewacht, dass nur ja keiner dem Gelände zu nahe kommt. Jetzt werden schon bald die 2000 Radfahrer erwartet (wir zwei zählen ja nicht mehr mit). Also machen wir uns auf die Weiterfahrt.
Am Ortsrand von Morsleben bemerke ich, dass von Thomas hinter mir jede Spur fehlt. Also warte ich ein paar Augenblicke. Dann kommt wieder Freude mit einer schwarzen Wolke auf. Ich verschwinde in einem betonierten Unterstand an der Bushaltestelle. Durch ein Fenster kann ich kontrollieren, ob Thomas inzwischen vorbeifährt. Das ist nicht der Fall.
Also hat er sich womöglich in dem Versammlungshof untergestellt, kombiniere ich messerscharf. Nach Nachlassen des Regens begebe ich mich dorthin zurück, von Thomas fehlt jede Spur. Es gibt auch so kleine Häuschen, man hat ja an alles gedacht. Aber die kontrolliere ich nicht. Mehr fällt mir nun nicht ein und ich mache mich resignierend auf den Weg. Was man in einem solchen Fall tut, ist unklar.
Es gibt folgende Möglichkeiten:
Thomas ist vorn und ich hinter ihm oder umgekehrt.
Dann kann er denken, ich sei vor ihm, oder auch, ich sei hinter ihm.
Beides kann ich auch denken.
Also 2 x 2 x 2 = 8 Möglichkeiten nach den Regeln der Kombinatorik. Ich entscheide mich aus Bequemlichkeit für die folgende Variante:
Ich bin vorn, Thomas ist hinter mir.
Thomas denkt, ich sei vor ihm,
und ich denke, er sei hinter mir.
Da kann ich bummeln!
Später erreiche ich eine 6-köpfige Gruppe von Radlern, die laben sich gerade an den herabgefallenen Birnen auf der Strasse. Die Strasse ist ab hier wegen Bauarbeiten gesperrt, eine Umleitung ausgeschildert. Ob man da durchkommt? "Mit dem Fahrrad immer" ist die einhellige Entscheidung. Ich fahre schon mal vor.
Der nächste Ort heisst Eimersleben. Deswegen schüttet es einen kurzen Moment wie aus Eimern, ich kriege den Regenumhang gar nicht schnell genug übergezogen. Als endlich alles faltenfrei sitzt, kann ich den Umhang wieder ausziehen, die Sonne kommt wieder zum Vorschein. Aber der Regen zeigt wenig später seine Wirkung.
Vor dem Ortsrand von Eimersleben kommen die ersten Baumaschinen in Sicht. Erst fährt man auf Schotter, dann auf Sand und dann im knöcheltiefen Lehmmatsch. Man kann gerade auf einen grasbewachsenen Seitenstreifen überspringen, da verscheucht einen auch schon ein rückwärts rollender Bagger von dem Standplatz und treibt einen, - das Fahrrad unter dem Arm - einer ratternden Walze entgegen. Seitlich kann man sich an den mahlenden Rädern eines Schwertransporters vorbeidrücken, dann steht man vor einer Schnur, die zum Justieren der frisch zu setzenden Bordsteine in Kniehöhe gespannt ist.
"Hier kommen gleich 2000 Radfahrer durch" sage ich zu einem Bauarbeiter. Der guckt mich ungläubig an. "Dat kann nech sint". "Doch! " und ich erkläre den Sachverhalt. "Die fahrn die Umleitung, Polizei ist doch dabei" sagt ein dritter. "Ach so" schade eigentlich, das wäre schön gewesen.
Nun kommen grosse Pfützen, die nicht mal ein Dreispringer trockenen Fusses überqueren könnte. Durch Benutzen einiger privater Vorgärten können auch diese einigermassen umgangen werden. Endlich glänzt hinter der letzten Baumaschine, einem Teermischer, das glatte Band der frisch asphaltierten B1.
Die 6-köpfige Gruppe erscheint auch auf der Bildfläche. Wie die Störche im Salat hüpfen sie im Zickzack durch dieses anmutige Landschaft. Als sie wieder bei Puste sind, kann ich sie fragen, ob ein einzelner Radfahrer sie überholt habe. Das ist nicht der Fall, da scheint meine Annahme zu stimmen (dass Thomas hinter mir ist).
Ich gedenke der Einwohner von Eimersleben ob dieser schweren Zeiten, wo sie in ihren Häusern völlig von der Umwelt abgeschnitten dahin vegetieren. Aber die meisten haben ja Satellitenschüsseln.
Dann kommt Erxleben, wieder ein grösserer Ort. Die Ortsdurchfahrt zeichnet sich durch Kopfsteinpflaster aus, ein Genuss gegenüber Eimersleben. Aber die hier kommen auch noch dran, da kann man sicher sein. An einer Kreuzung liegt ein altertümliches Gemäuer, ob Befestigungsanlage oder Kirche ist gar nicht zu erkennen.
Auf freier Strecke erst eine Bahnüberquerung, dann die Kreuzung mit der B245 vor dem Ort Brumby. Es geht gerade flott bergab. Ob der von links kommende Tanklastzug meine Vorfahrt akzeptieren wird...??? Und ---- in die Eisen (Bremsen), gerade kann ich das Rad zum Stehen bringen, während die mannshohen Räder des Tankers an meinem Vorderrad vorbeimahlen. Ich hätte wohl auch nur ein paar Fettflecke hinterlassen.
Dann rauscht es mit fröhlichem Klingeln an mir vorbei - ich trödle gerade so schön. Das ist Thomas. Er hatte einen Bekannten getroffen, "den konnte ich auch nicht so stehen lassen " sagt er. Nach dem Anstandsgespräch hat er mich dann in der falschen Richtung gesucht. Inzwischen war auch tatsächlich die Hauptmeute herangerückt und schickte sich an, den Zufahrtsweg zum Schacht Morsleben einzunehmen. Mit energischem Einsatz gelang es dann den Sicherheitskräften, den Strom der Radfahrer auf den besagten Bauernhof umzuleiten. Dort war aber das Essen noch nicht geliefert... Damit enden unsere Informationen über diesen Teil der Sternfahrt.
Wir bringen zügig unsere Fahrt zu Ende. Beeindruckend ist es, wenn man Magdeburg, von Westen kommend, das erste mal erblickt. Man überquert einen Berg hinter Irxleben, und auf der Höhe sieht man Magdeburg vor sich liegen. Dann rücken die Türme des Doms schnell näher, wenn es die schnurgerade Gefällstrecke hinuntergeht.
Die nordwestlichen Ausläufer von Magdeburg sind ausgedehnte Siedlungsgebiete mit den üblichen phantasielosen Wohnblocks. Die Weststadt in Braunschweig sieht allerdings kaum anders aus. Ein grosses Einkaufszentrum "Elbe-Park" ist im Entstehen. Hoffentlich sorgt der Rest der Wirtschaft dafür, dass' die Bevölkerung Arbeit und Einkommen hat.
Irgendwann biegen wir rechts ab, um uns der Innenstadt von Norden zu nähern. Trotz der Hilfe eines ergrauten Radrennfahrers verfransen wir uns zwischen Wohnblocks und Baustellen. Schliesslich bleibt uns nichts anderes übrig, als eine der vierspurigen Zubringertrassen zu befahren - unser Beitrag zur Anti-Auto-Demo.
Hinter dem abgebrannten Maxim Gorki Theater schliesst sich die Karl Marx Strasse an, die ist als Prachtstrasse von Magedeburg grosszügig angelegt und autofrei. So grosszügig, dass es an allen Ecken und überall zieht. Das muss an den hohen und langgestreckten Fassaden der Gebäudefronten liegen, die eine Art Windkanal bilden. Thomas war schon des öfteren in Magdeburg und bestätigt das. "Das ist hier wie an der See" sagt er.
Da Thomas alles bereits kennt, kann er eine Stadtrundfahrt zusammenstellen, bei der ich nun meine Wissenslücken über Magdeburg gut schliessen kann. Das Kloster Unser Lieben Frauen ist der erste Anlaufpunkt. Hier ist ein Kulturzentrum entstanden, auf dem ganzen Gelände sind Skulpturen und Plastiken, meistens Figuren aufgestellt. Im Inneren des Klosters ist auch eine Kunstausstellung, die kostet aber Eintritt. Frei ist der Zugang zur Klosterkirche, jetzt als Konzerthalle genutzt. Auch in dem Wandelgang des Klosters sind allerlei Kunstwerke ausgestellt. Am beeindruckendsten sind die Plastiken einiger nahezu unbekleideter Damen, durch stilisierte Häubchen sind sie als Nonnen gekennzeichnet. Sicher etwas realitätsfremd, diese Sache.
Als wir wieder aus dem Kloster treten, hören wir ein stetes Juchzen in der Luft, fast hört es sich an wie Kranichrufe. Bald löst sich das Rätsel, am Elbufer entlang radelt gerade ein grösserer Tross und windet sich über die Elbbrücke hinüber zur Insel Rotehorn. Dort findet die nächsten drei Tage das Umweltfestival statt. Ein vorbeiradelnder Juchzer antwortet uns, man komme aus Mainz.
In Spiralen nähern wir uns dem Dom, vor dem ist eine grosse Schautafel aufgestellt. Die enthält aber nur die Namen aller Firmen, die an der momentanen Restaurierung beteiligt sind. Auch die anderen Strassenzüge der Magdeburger Innenstadt sind fest in den Händen der Bauarbeiter. Die bereits fertiggestellten Fassaden sehen dann auch sehr imposant aus. Viel Mühe gibt man sich mit der Hegelstrasse, wo mit Pflastermustern liebevoll Akzente gesetzt werden.
Wir landen endlich im Cafe Liliput, um uns auf die Rückfahrt per Bahn vorzubereiten. Das Cafe sei noch im alten Zustand, sagt Thomas. Es ist sehr gemütlich, was soll nun auch Kaffee und Kuchen anderes tun als hervorragend schmecken.
Um 18.40 Uhr besteigen wir den Eilzug nach Braunschweig. Es sind wieder die niegelnagelneuen Doppelstockwaggons mit dem Flur für die Fahrräder. Die Befürchtung, dass Hunderte von Rückreisenden nach Braunschweig für ein Chaos sorgen würden, bestätigt sich nicht, wir sind nur drei.
Nach 20 Uhr sind wir wieder zu Hause, wo man sich wundert, wo wir schon herkämen.