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13.1.90 Ausflug nach Oebisfelde

Bei schönem Wetter wollen heute Heidi und Stefanie zu einem neuen Ausflug mitkommen. Vor einiger Zeit stand ein vielversprechender Artikel über Oebisfelde in der Nähe von Wolfsburg in der Zeitung. Außerdem befindet sich dort das Feuchtgebiet des Drömling, der von Naturschützern gegen die systematische Austrocknung durch Trinkwasserentnahme verteidigt wird. Eine knappe Stunde Autofahrt muß allerdings wieder absolviert werden. Meinen Gewissensbissen darüber steht die Tatsache gegenüber, daß einige aus unserem Dorf etwa die gleiche Strecke jeden Tag zur Arbeit in das VW-Werk in Wolfsburg fahren.

In Wahrstedt parken wir also an der Kirche, laden die Räder ab und fahren dann über die Grenze. Uns werden nur die Zählkarten ausgehändigt, die Pässe werden überhaupt nicht kontrolliert. Gleich am Ortseingang von Oebisfelde liegt rechts die dem Verfall preisgegebene Burg, ein paar Gebäude werden noch genutzt. Links zieht sich die Stadtmauer entlang, eine Straße weiter biegen wir in eine Nebenstraße ein und bestaunen die Häuser, die hier in leidlichem Zustand sind. Immer wieder beeindruckend ist der anheimelnde Charakter der Straßen, der für uns nur in der Erinnerung existiert. Hoffentlich kann man das erhalten. Wir kommen direkt an der Kirche raus, sie ist verschlossen. Nun steigen wir wieder auf die Räder und fahren weiter auf der Straße Richtung Klötze. Bald liegt links eine weitere Kirche, da sind alle Fenster kaputt. Später erfahren wir, daß es die katholische Kirche ist. Nun kommt man zum Bahnhof Oebisfelde, wo schon früher ein Grenzübergang für die Bahnreisenden war. Entsprechend ist wieder alles abgeschottet, selbst auf der Bahnüberführung ist eine Wachstation, jetzt natürlich verwaist. Nun wird die Strecke weniger schön, vorbei an ein paar Industriebetrieben verläßt man Oebisfelde und wir fahren bis Wassensdorf. Das besteht fast nur aus Gehöften längs der Durchgangsstraße. Zur Straße befinden sich die Einfahrtstore, durch die man in die Höfe hineinsehen kann, sofern das Tor geöffnet ist. Die vielen Misthaufen lassen darauf schließen, daß doch ein Teil der Landwirtschaft noch privat betrieben wird, auch wenn hier wie überall am Horizont eine LPG-Großanlage erkennbar ist.

Direkt vor eine Scheunentür hat man einen Mast gebaut, auf dem ein Storchennest thront. Dessen Bewohner sind natürlich jetzt in wärmeren Gefilden. Das wünschen wir uns auch, als wir nun gegen den kalten Wind in das nächste Dorf Breitenrode fahren. Auch hier sind alle Häuser längs der Straße angeordnet, und es gibt wieder viel zu bestaunen. An einem Brunnen steht ein uriger Ziehbaum wie in Ungarn. Nachdem wir die Dorfstraße vor und zurück abgefahren haben, geht es die wenigen km zurück nach Oebisfelde, wo wir mit Instinkt gleich an den Bahnhof fahren. Zwei russische Soldaten sitzen im Warteraum, gegenüber schläft ein Individuum auf einer Bank. Vom Vorraum gelangt man in ein Mitropa-Restaurant, wo reger Betrieb herrscht und wir einen Platz finden.

Ein Mann sitzt bei uns, der kommt aus Wernigerode und wollte mit seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar zum Einkaufen nach Wolfsburg fahren. Leider hat er seinen Ausweis vergessen, da hat man ihn nicht rübergelassen. Nun wartet er hier, bis die anderen ihn abholen kommen. Er sagt, daß es nur zwei Lokale gibt, die geöffnet sind. Er gibt auch einen Kräuterlikör aus und verabschiedet sich mit Handschlag, als seine Frau und Freunde wieder da sind. Wir bestellen inzwischen etwas zu essen, Stefanie eine Gulaschsuppe und wir einen Schweinebraten. Alles ist spottbillig, doch jeden Tag möchte ich hier auch nicht essen, um es mal so zu umschreiben.

Immerhin sind wir gut durchgewärmt und fahren die Bahnhofsstraße entlang in die Ortsmitte. Wir besichtigen die Straßen, in denen wir noch nicht waren, das Rathaus ist hier wie überall in bestem Zustand. Die Burg sehen wir uns näher an und gehen dann nochmal zurück direkt an der Stadtmauer. Hinter dieser liegen kleine Gärten, dahinter kommt dann gleich der Grenzzaun. Wieder an der Kirche sehen wir Licht, es wird gerade jemand herumgeführt. Es ist der Sohn des ehemaligen Pfarrers in Oebisfelde, der kommt aus Karlsruhe, wie wir dann hören. Diese Kirche ist sehr liebevoll restauriert, besonders beeindruckend die getäfelte Holzdecke und die Brüstung der Empore.

Danach geht es wieder zurück, zum Glück haben wir es heute nicht weit. Am Grenzübergang wird ein Wolfsburger Fahrzeug genauestens kontrolliert, das haben wir auch noch nicht gesehen. Es gilt natürlich, den "Ausverkauf der DDR" zu verhindern, und da muß das wohl sein. Bald sind wir wieder am Auto und fahren über Wolfsburg nach Hause. Heute haben wir mit dem Rad stolze 20 km zurückgelegt.


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