Eine Reise nach China

1.11.-16.11.2009

Planung

Auf die Idee, eine Reise nach China zu unternehmen, muss man erst einmal kommen. Der Hintergrund war mein Geburtstag im April, für den Heidi auf der Suche nach einer Überraschung war. Man kann sich ja einen Ratschlag geben lassen: ein Anruf bei unserem Freund Wolfgang lässt da gar keinen Zweifel aufkommen, denn er war mit Gattin Birgit selbst schon in China und schwärmt entsprechend davon. Also ob ein neues Fahrrad oder die Chinareise – das ist sogleich entschieden.

Alles weitere fädelt unsere Freundin Ilona ein, die in einem Reisebüro in Goslar tätig ist. Schriftverkehr und Telefonate müssen allerdings über unsere Tochter Annika abgewickelt werden, damit ich nichts von allem merke. Das ist schließlich gelungen – und auch die Überraschung perfekt. Zu der Geburtstagsfeier kommen dann zudem noch einige Überraschungsgäste aus Berlin, Süddeutschland, Espelkamp, die Familienmitglieder aus England und sogar ein Gast aus Norwegen: nämlich unser Freund Terje, der die Fahrt nach Deutschland mit einigen weiteren Besuchen und Touren verbindet.

Nach dem all die Überraschungen verdaut sind, schauen wir uns die Sache einmal genauer an. Es handelt sich um die in diesem Jahr Anfang November letzte 12 tägige Flussreise des Veranstalters Phoenix auf dem Yangtse plus anschließend 4 Tagen Besichtigungen in Xian  (Terrakotta-Armee) und Peking (verbotene Stadt und Chinesische Mauer). Das hört sich auf jeden Fall vielversprechend an. Von den Buchgutscheinen zum Geburtstag wird also einer für einen China-Führer von Baedeker versemmelt. Die Visa sind noch zu besorgen, das klappt alles reibungslos. Ilona und ihr Mann Achim bringen uns die Reisepässe sogar persönlich vorbei.

Anreise Sa. 31.10.

Die Anreise sollte über Hamburg nach Frankfurt stattfinden, von wo aus dann der 10 stündige Direktflug nach Shanghai startet. Das haben wir in letzter Minute umgemodelt, weil es für uns bequemer - wenn auch teurer - ist, mit der Bahn direkt nach Frankfurt zu fahren. Gleiches gilt für die Rückreise. Nachdem uns die Kinder zum Bahnhof gebracht haben - Enkelin Pauline ist ganz traurig, dass wir so lange verreisen - sind wir nach bequemer Bahnfahrt nachmittags am Flughafen Frankfurt. Dort ziehen wir uns in einer Ecke diskret die Stützstrümpfe an, die man uns als Vorbeugung gegen Durchblutungsstörungen empfohlen hat. Der Flieger  (Boeing 747-400) startet pünktlich gegen 18 Uhr. Da es bereits dunkel ist, hat man trotz Fensterplatz nicht viel von der Aussicht. Obwohl dieses unser erster Flug in einem "Jumbo" ist, sind wir von den Platzverhältnissen doch enttäuscht. Die Sitze in der Businessclass sind deutlich bequemer, doch sind wir ja nur Economy und es ist so beengt wie in den anderen Fliegern auch. Nach Einnehmen des Bordimbiss und kurzem Schlummer ist die Überraschung groß, als man lange Zeit später sich bereits über der Wüste Gobi befindet, wo auch die Sonne mittlerweile aufgegangen ist. Man ist ja dem Sonnenaufgang entgegen geflogen und muss sich auf eine Zeitverschiebung von 7 Stunden einstellen. Was man von der Wüste erkennen kann, sind unendliche unwirtliche Sandflächen, wo wohl kein Mensch sein Auskommen finden kann. Als wir in Shanghai ankommen, ist es bereits Sonntag, 1.11. gegen 12 Uhr mittags.

Shanghai So. 1.11.

Am Flughafen Pudong muss man sich zuerst den üblichen Einreiseformalitäten unterziehen. Dazu gehört diesmal das Ausfüllen eines Formulars über die gesundheitlichen Umstände und evtl. Gebrechen des Einreisenden. Das geschieht wohl wegen der weltweit grassierenden Schweinegrippe. Das Kontrollpersonal ist dann auch folgerichtig mit Mundschutz versehen. Auch unter der normalen Bevölkerung sieht man viele Leute mit einem Mundschutz. Nach Erreichen der "Freiheit" werden wir von einem örtlichen Führer erwartet. Der nennt sich Eduard, diesen Namen habe ihm während seines Deutschstudiums sein Lehrer verpasst. Das Gepäck wird gleich verladen und zu dem Schiff MS Yangtse-Victoria verbracht, mit dem wir die Kreuzfahrt auf dem Yangtse unternehmen werden. An Bord gehen können wir für eine Weile noch nicht, weil die vorherige Gruppe gerade erst von Bord gegangen ist. Es gibt nun die Möglichkeit, mit dem hier seit 2002 eingerichteten Transrapid (Maglev) eine Hochgeschwindigkeitsfahrt zu unternehmen. Das darf man sich nicht entgehen lassen. 30 km werden in 7 Minuten zurückgelegt, die Höchstgeschwindigkeit ist 430 km/h. Da schaut man gebannt auf die Geschwindigkeitsanzeige, dass man den entscheidenden Moment für ein Foto nicht verpasst. Von der vorbeirauschenden Umgebung bekommt man so nicht viel mit. Allerdings fährt dieses Gefährt keine Gewinne ein, sondern ist in hohem Maße defizitär bei einer Auslastung von 20 Prozent, so ist zu lesen.

Der Bus, der uns zum Mittagessen bringen wird, braucht eine ganze Weile länger, bis er uns am Ende der Transrapidstrecke (Straße des Drachens) wieder aufnimmt. Während wir warten, stellen sich schon die ersten Verkäufer ein, die einem Markenuhren von Gucci oder Rolex andrehen wollen. Mit der Echtheit dieser Produkte wird es bei den Schleuderpreisen wohl nicht weit her sein. Auf der Fahrt zum Speiserestaurant darf man sich nun über die Stadtautobahnen wundern, die z.T. 8-spurig und an Knotenpunkten mit bis zu 4 Rampenebenen übereinander angelegt sind. Die Strecke führt an ausgedehnten Hochhausvierteln vorbei, die Einwohnerzahl von Shanghai beträgt knapp 14 Mio. Oftmals sind die ursprünglich existierenden Siedlungen mit verwinkelten Häuschen und Gässchen für die Neubaukomplexe der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Die zu den höchsten Gebäuden unserer Erde zählenden Wolkenkratzer werden wir noch später besuchen.

Zunächst machen wir Bekanntschaft mit dem ersten Restaurant unserer Reise. Dort gibt es eine Anzahl Speiseräume, in denen man gruppenweise zu je etwa 8 Personen an runden Tischen platziert wird. Auf den Tischen befinden sich drehbare Glasscheiben, auf denen reihum die Speisen serviert werden. Jeder darf sich von den chinesischen Gerichten nehmen, was und wie viel er möchte, sofern für die anderen auch noch etwas übrig bleibt.

Nun fahren wir endlich zu unserem Schiff. Der Weg vom Bus dorthin ist gesäumt von rotgekleideten Mitgliedern des Schiffspersonals, die alle freundlich begrüßt sein wollen. Vor dem Schiff wird sogar Musik gemacht und eine Gruppe hübscher Mädchen in chinesischen Kostümen tanzt zur Begrüßung (das zweite Mädchen von vorn wird unser Tischmädchen sein). An Bord werden heiße Tücher und ein Tee gereicht, sowie mit dem Spruch empfangen: "Willkommen zu Hause". Nach dem Einrichten in den Kabinen und einem kurzen Nickerchen geht es zum Abendbuffet, wo die Tischrunde für die nächsten 12 Tage zusammengestellt wird. Danach ist noch eine Lichterfahrt durch das nächtliche Shanghai angesetzt, zu der wir uns nach der langen Anreise aber nicht mehr fähig fühlen. So schlummern wir bereits kurz nach 20 Uhr. Wie uns später berichtet wird, ist die Lichterfahrt ein grandioses Ereignis gewesen - aber alles kann man nicht haben.

Shanghai Mo. 2.11.

Wenn man sich schon einmal in der Stadt Shanghai befindet, muss noch ein Irrtum meinerseits aufgeklärt werden. Ich dachte immer, unter dem Wort "shanghaien" verstehe man die Seemannsstrafe des Kielholens. Dem ist nicht so, mit shanghaien meint man das gewaltsame "Anwerben" von Seeleuten, indem man volltrunkene oder hilflose Individuen in der Hafengegend einsammelte, sie unter Deck verbrachte und erst auf See über ihr Schicksal als Arbeitskraft an Bord aufklärte, praktiziert im 18. und 19. Jahrhundert. Damit unterliegen wir heute dieser Gefahr nicht mehr, wobei zu hoffen ist, dass man auch nicht als hilflose Person in der Hafengegend landet. Hilflos ist dagegen heute am Montag morgen unser Bus auf dem Weg in das Stadtzentrum, der sich in dem Verkehrsgewühl kaum noch bewegen kann. Damit ist die Ansicht wiederlegt, dass China hinsichtlich des Autoverkehrs rückständig sei. Wir werden später noch einmal auf das Thema zurück kommen (Peking).

Es muss also umdisponiert werden und wir fahren zunächst den Jadebuddhatempel an. Über die historischen Hintergründe wollen wir uns hier und in Zukunft nur knapp äußern, denn weiteres steht alles in den Reiseführern oder im Internet. Diese Tempelanlage ist noch nicht so alt und hat ihren Ursprung um 1880, als zwei Mönche zwei Jadefiguren aus Birma hierher verbrachten, um die man dann ein Kloster herum gebaut hat. Zur Zeit der Kulturrevolution waren diese Figuren in Gefahr, als Symbole des Feudalismus durch die roten Garden zerstört zu werden. Da haben die pfiffigen Mönche die Türen mit Mao Bildnissen zugeklebt, was die marodierenden Gesellen am Eindringen hinderte, denn dazu hätten sie die Mao Konterfeis zerstören müssen, was sie dann nicht gewagt haben.

Im Inneren des Klosters wird der übliche Schnickschnack getrieben, wie wir ihn auch von Wallfahrtsorten in unseren Breiten kennen:  offene Feuer, Räucherstäbchen, Wunschfahnen, Geldopfer (aus falschem Geld) und Lampions. Aber alles sehr chinesisch, auch die Besucher! Nachdem wir wieder im Bus sind, schwirrt uns schon der Kopf einigermaßen. Nächste Station ist nun die Altstadt mit dem Teehaus Hu Xin Ting. Das ist so von Menschen umlagert, dass sich kaum ein anständiges Foto schießen lässt. Das Teehaus ist nur über eine Zickzackbrücke zu erreichen, die böse Geister von dem Passieren derselben abhalten soll. Trotzdem haben hier wohl schon viele illustre Gäste ihren Tee geschlürft. Es ist dort drinnen entsprechend teuer, und deshalb bleiben wir lieber draußen und wenden uns dem Yuyuan-Garten zu.

Dieser Garten wurde vor etwa 400 Jahren angelegt und weist spektakuläre Steingebilde, Teiche, hübsche Pavillons und alte Bäume auf wie Ginkgo, Buchsbaum oder Magnolien. Auf verschlungenen Wegen ergeben sich immer wieder neue Ansichten - so ist zu lesen - und so ist es auch in Wirklichkeit. Im Anschluss daran werden wir in eine Seidenmanufaktur abgeführt. Einige Arbeitsgänge der Seidengewinnung aus den Kokons der Seidenraupen werden demonstriert. Am wichtigsten ist natürlich der Verkaufsraum, wo man Blusen, Krawatten und Gewänder, aber auch Oberbetten - alles aus Seide - erstehen kann. Die Oberbetten werden gleich als Presspackung platzsparend eingetütet, damit man sie gut dem Handgepäck bei der Rückreise hinzufügen kann. Einige aus unserer Gruppe hat bereits hier der erste Kaufrausch gepackt.

Es folgt noch ein halbstündiger Bummel durch die Ladenstraßem, wobei man aufpassen muss, die Orientierung nicht zu verlieren und zum Bus zurück zu finden. Nachdem das überstanden ist, geht es weiter zum Wirtschafts- und Finanzzentrum Pudong, wo jene mächtigen Wolkenkratzer stehen, die architektonisch allerdings bemerkenswert gestaltet sind. Eines der höchsten Gebäude ist der Jin Mao Tower mit 420,5 m Höhe. Wir erhalten die Möglichkeit, zur Aussichtsetage im 88. Stock hinauf zu fahren. Von dort hat man dann einen einzigartigen, wenn auch dunstigen Blick auf den Häuserwald, die benachbarten Hochhäuser und die Baustellen ringsum. Im nächsten Jahr soll hier die Weltausstellung bzw. Expo am Bund (Promenade am Fluss Huangpu) stattfinden, und dafür wird natürlich kräftig gebaut. Nebenan ist ein Wolkenkratzer, der noch höher ist als der Jin Mao Tower, fertiggestellt im August 2008. Das ist das Shanghai World Financial Center und 492 m hoch. Man nennt dieses Gebäude den Flaschenöffner, weil sich an der Spitze des Gebäudes ein rechteckiges Loch befindet. Zitiert aus Wikipedia: Ursprünglich hatte der Architekt eine Kreisrunde Öffnung vorgesehen, was aber als japanisches Kolonialsymbol angesehen wurde.

Angesichts des "Waldes" von Hochhausbauten fragt man sich, wozu die alle gebraucht werden. Neben Geschäfts- und Büroräumen dienen viele natürlich auch dem Wohnen. Man kann Eigentumswohnungen erwerben oder sich einmieten, irgendwo müssen die Menschen aus den platt gemachten ehemaligen ebenerdigen Wohngebieten ja bleiben. Der Vergleich von "Bodenhaltung" und "Käfighaltung" drängt sich auf, aber hier handelt es sich ja nicht um Federvieh. Wenn man eine Immobilie als Eigentum erwirbt, so gilt das nur für 70 Jahre, außerdem gehört aller Grund und Boden in ganz China dem Staat. Unter diesen Voraussetzungen lässt es sich seitens der Regierenden wohl gut "planen".

Im Inneren der Aussichtsetage gibt es noch zwei Attraktionen. Durch eine Glasscheibe hat man einen Einblick in das höchste Hotelfoyer der Welt (Grand Hyatt Hotel), das sich vom 53. Stock bis hier oben erstreckt. Trotzdem wird man dort unten keine Sterne sehen. Nun gibt es noch einen Stand hier oben, wo lebende Zuchtaustern geöffnet und Perlen entnommen werden. Diese kann man sich sogleich zu einem Ohrclip oder Anhänger weiterverarbeiten lassen. Zum Glück muss man die Austern nicht auch noch essen. Wieder unten angelangt gibt es eine lebensgroße Figur zu bestaunen, die dort eingerahmt von rot-weißen Absperrbändern auf einem Podest steht. Das ganze ist ständig umlagert von fotografierenden Frohnaturen. Wie man erfahren kann, handelt es sich um den beliebten chinesischen Schauspieler Jackie Chan, aber bis der sich bewegt, kann man lange warten. Um diesen Ausflug in die Gigantomanie abzuschließen, kann man sich noch für das Projekt gleich nebenan interessieren. Dort ist das allerhöchste Gebäude im Bau: der Shanghai Tower mit geplanten 632 Metern Höhe. Das äußere Design weist eine leicht schraubenartige Fassade auf, so wird man gleich neben dem Flaschenöffner dann auch einen Korkenzieher haben. Irgendwie erinnert einen das alles dann doch an den Turmbau zu Babel.

Wir sind froh, als wir wieder auf unserem überschaubaren Schiff sind, das gegen 17 Uhr ablegt. Für uns Gäste kann nun der Urlaub beginnen, so heißt es.

Yangzhou, Di. 3.11.

Nach einer Nachtfahrt und kühler Schlafruhe (es zieht vom Fenster her) erreichen wir morgens die Stadt Yangzhou. Als Stadt gilt in China nur eine Millionenmetropole, hier sind es 4.5 Millionen Einwohner. Man startet mit zwei Bussen. Unser Reiseführer heißt Willi. Er sei einmal in Deutschland gewesen, und habe den Namen von seiner Gastfamilie erhalten, weil er durchaus eine Ähnlichkeit mit dem Willi von der Biene Maja aufweise. Ein anderer Reisebegleiter ist der Bordfotograf, dessen Namen wir am besten mit "Guckemal" festlegen. Er wird Bilder und einen Videofilm aller Ereignisse zusammenstellen.

Der erste Stop ist am sog. Kaiserkanal, der auf 1800 km Länge von Peking zum Yangtse führt bzw. umgekehrt und vor mehr als 600 Jahren angelegt wurde. Hier wurde Reis, Seide, Tee und Salz transportiert, was den anliegenden Städten zu großem Wohlstand verhalf. Uns wird eine Geschichte erzählt, dass ein Kaiser auf diesem Wege auch seinen Vorrat an Konkubinen ergänzt habe. Damals hat man sich noch durch treideln fortbewegt. Heute hat der Kanal seine wirtschaftliche Bedeutung weitgehend verloren. Bei diesem ersten Photostop hat man von einer Brücke aus einen schönen Blick auf eine Pagode am Kanal.

Auf der Weiterfahrt kann man das Leben auf den Straßen verfolgen. Hier herrscht auf separaten Fahrspuren ein reger Zweiradverkehr, viele Fahrräder mit Elektroantrieb oder einfache Motorroller. Es werden mit diesen Gefährten manchmal abenteuerliche Lasten transportiert. Sturzhelme sieht man kaum, zuweilen sitzt sogar ein kleines Kind vor dem Fahrer fast auf der Lenkstange - bei uns aus Sicherheitsgründen undenkbar. Wir kommen zu dem bekannten Westsee Park, "der die chinesische Gartenkunst mit vielen kleinen Brücken wiederspiegelt". Vor einer Schautafel wird der Weg erklärt, hoffen wir, dass alle auf eigene Faust den Weg zum Bus am Ausgang des Parks finden werden. Reizvolle Ausblicke, Pavillons und eben viele Brücken. Bald schon stehen wir vor einem blühenden Busch, dessen Name keiner weiß. Schließlich kann man eine Rast einlegen und in der Sonne die Aussicht auf sich wirken lassen.

Natürlich wird eifrig fotografiert, vor allem die zahlreichen chinesischen Besucher tun sich darin hervor. Denen scheint es vor allem darum zu gehen, sich gegenseitig vor einem reizvollen Hintergrund zu fotografieren, manchmal mit Händen an der Hosennaht und todernstem Gesichtsausdruck. Da müssen wir vielleicht noch dazu lernen. Wir fahren dann zum Essen in ein ansprechendes Restaurant. Die Küche dieser Gegend bevorzuge mehr süße Speisen, und das habe den Gästen immer gut gefallen. So ist es auch bei uns, hier bekommen wir wohl die leckersten Gerichte der ganzen Reise.

Ein weiterer Fotostop am Kanal. Dort liegen am gegenseitigen Ufer zwei alte Salzkähne. Eine Frau wäscht im Kanalwasser ihre Wäsche. An der Ufermauer ist ein riesiges Bronzerelief zu bestaunen, das das ehemalige Leben am Kanal dokumentiert. Die nächste Station ist das Zen-Buddhistische Daming Kloster. Hier gab es im Jahre 753 n.Chr. einen Mönch namens Jian Zhen, dem es nach vielen Widrigkeiten gelang, nach Japan zu reisen und dort einen Teil chinesischer Kultur zu überbringen. Durch Gegenbesuche japanischer Mönche gelangten wiederum japanische Kulturelemente nach Yangzhou. Wie uns mitgeteilt wird, ist das chinesisch-japanische Verhältnis heutzutage immer noch ein Problem, weil sich die Japaner noch nicht für die von ihnen verübten Kriegsgreuel gegenüber China in div. Auseinandersetzungen entschuldigt hätten.

Auf dem Klostergelände befindet sich auch die hohe Qin Pagode, die von einigen Unentwegten bestiegen werden kann.

Zurück an Bord erwartet uns heute der offizielle Willkommens Cocktail des Kapitäns Deng Li Yang. "Leichte Eleganz" wird als Kleidung empfohlen. Zu diesem Anlass erscheinen tatsächlich die Mehrzahl der Gäste in Schlips und Kragen, zum Glück haben auch wir ein Jackett dabei. Die Übersetzung der Kapitänsansprache erledigt Reiseführer Han. Es wird dazu Sekt - oder ist es Champagner? - gereicht und ein paar Häppchen vom Buffet angeboten. Am späteren Abend werden im Salon von etlichen Besatzungsmitgliedern "Kostüme und Trachten aus diversen Dynastien" bis hin zu moderner Kleidung präsentiert. Nicht ohne den Hinweis, dass man derlei Kleidungsstücke auch an Bord erwerben könne. Die Vorführung findet auf erfrischend natürliche Weise statt und hat nichts mit dem zu tun, was man mancherorts als Folkloreveranstaltung im Rahmen eines Animationsprogramms vorgesetzt bekommt.

Nanjing, Mi. 4.11.

Zwischendurch sei bemerkt, dass man zu jedem Tagesprogramm am Vorabend eine schriftliche Ankündigung mit Erläuterungen zu den geplanten Besuchen bekommt. Das ist vor Ort und besonders im Nachhinein sehr nützlich, damit man die vielen Ortsnamen und Besichtigungsstätten noch auf Reihe bekommt. Nun haben wir nach einer weiteren nächtlichen Flussfahrt in der Provinzhauptstadt Nanjing oder auch Nanking angelegt, Einwohnerzahl c.a. 6 Millionen. Der Name Nanjing bedeutet "Südliche Hauptstadt", und so war die Stadt zeitweise Hauptstadt von China, heute ist es Peking (Nördliche Hauptstadt).

Wir fahren zeitweise an der gut erhaltenen bzw. wieder instand gesetzten Stadtmauer entlang zum Lingu Tempel mit einer Pagode und der Wuliang Halle, einem steinernen Tonnengebäude. Dort sind historische Szenen nachgestellt, die vor allem die Gründung der Republik mit der Revolution 1911 und das Ende der kaiserlichen Dynastien behandeln. Später im Jahr 1937 hat dann in der Stadt Nanking das fürchterlichste Massaker durch die Japaner mit 300 000 Opfern stattgefunden (im Baedeker steht 70 000, bei Wikipedia 200 000). Deswegen die anhaltende Aversion gegen die Japaner!

Auf dem Weg zum Dr. Sun Yatsen Mausoleum passiert dann die Sache mit der Katze. An einem Verkaufskiosk sitzt eine jämmerlich wimmernde Katze in einem verschnürten Sack. Das ist nichts für meine liebe Ehefrau. Sogleich beschwert sie sich bei Reiseführer Willi, da müsse doch sofort etwas geschehen. Ob man die Katze womöglich verspeisen wolle? Derlei Vorurteile und Gerüchte, auch was das Verspeisen von Hunden betrifft, grassieren ja unausrottbar in den Köpfen von uns "Langnasen". "Katzen schmecken nicht" meint unser Willi. "Woher weißt du das?" fragt Heidi aufgebracht. "Dann musst du ja wohl schon welche gegessen haben!" Allmählich kann Willi, dem die Sache sichtlich peinlich ist, sie beruhigen. Man habe die Katze eingefangen und wolle sie mit nach Hause zum Mäusefangen nehmen. Lässt sich aber nicht nachprüfen. Immerhin gibt es den viel zitierten Spruch des Mao-Nachfolgers Deng Xiao Ping (der kleine Mann): "Es ist egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache sie fängt Mäuse". Gemeint war damit die Öffnung des sozialistisch kommunistischen China der westlichen Welt gegenüber auf wirtschaftlichem Gebiet. Die Erfolge jener Politik haben wir ja in Shanghai gesehen. Also trösten wir uns damit, dass eine Katze doch in erster Linie zum Mäusefangen taugt.

Der Aufgang zu dem Mausoleum besteht aus einer langen Treppe mit 392 Stufen. Das schreckt einige ab, die bleiben lieber unten. Doch so schlimm ist es gar nicht, bei gemächlichem Aufstieg braucht man gerade 5 Minuten. Dort oben ist also jener Dr. Sun Yatsen, der "Vater der Republik" in einem weißen Marmor-Prachtbau beigesetzt. Es ist aber paradox, dass nach Abschaffen der kaiserlichen Herrschaft diese Stätte einer kaiserlichen Präsentation gleich kommt und zum anderen ganz in der Nähe sich das Grab des ersten Ming-Kaisers Hongwu (1328-1398) befindet.

Nach dem Mittagessen werden wir für zwei Stunden im Bummelzentrum von Nanking abgesetzt. Es gibt eine farbenfrohe belebte Einkaufsstraße am Nanjing Kanal. Die "Hallo-Läden" befinden sich in den engen Seitengassen. Heidi lässt sich auch prompt mit vermeintlich echten Perlenketten übers Ohr hauen. Aber das gehört auch dazu. Es gibt auch einen Konfuziustempel, in den wir aber nicht hinein können, weil unser letztes Geld für heute aufgebraucht ist. Endlich sind die zwei Stunden vergangen und die Mitreisenden verkünden stolz, was sie alles erworben haben.

Flusstag, Do. 5.11.

Auf der Fahrt nach Jiujiang sind wir endlich den ganzen Tag auf dem Schiff ohne Landprogramm. Das Wetter spielt mit, es ist zwar meistens dunstig, doch die Sonne wärmt und der Kälteeinbruch vom Wochenende ist vorbei. So kann man gemütlich an Deck die vorbeigleitenden Ufer betrachten, hin und wieder nach dem Fernglas greifen und links und rechts der Reling nach dem Rechten schauen. Was wir vermissen sind Wasservögel, die durch die Industrieansiedlungen und womöglich auch durch die Wasserqualität das Nachsehen haben.

Gegen Mittag erhalten wir die Möglichkeit, die Kommandobrücke zu besichtigen. Man ist doch etwas überrascht, welcher einfachen Technik man sich hier bedient. Zwar hat man Radarüberwachung, doch kann man auf einen Beobachter nicht verzichten, der mit den passierenden Schiffen per Handzeichen kommuniziert. Nachts übernimmt der Kapitän das Kommando und wir vertrauen weiterhin der Fähigkeit und Navigationskunst der Mannschaft. Bleibt einem ja auch nichts anderes übrig.

Zu diesem Thema wird von Reiseführer Willi noch eine haarsträubende Revolverstory erzählt. Vor Jahren habe mal eine bekannte deutsche Reiseagentur eines der am schlechtesten bemannten und ausgerüsteten Schiffe auf dem Yangtse gechartert. Das sei dann auch prompt auf einer Sandbank aufgelaufen und halb abgesoffen. Die Reisegäste hätten dafür eine kostenlose Probe des Yangtse-Champagners genießen dürfen. Nichts sei davon an die Öffentlichkeit gelangt, und mittlerweile habe jene Firma das zweitschlechteste Schiff engagiert. Lässt sich leider auch nicht nachprüfen!

Es werden weiterhin tagsüber einige Vorträge im Salon angeboten wie "China, Land und Leute" oder "Die Kunst der Hinterglasmalerei", "Seidenstickerei" oder "Aufzucht und Verarbeitung der Süßwasserperlen". Diese Vorträge schwänzen wir lieber, an Deck ist es viel interessanter. Es gibt zudem auch einen Raum mit einer Büchersammlung. Dort habe ich das Buch "Sonjas Rapport" von Ruth Werner alias Ursula Ruth Kuczynski gefunden. Es handelt sich um die Biographie einer Frau, die vor und während des 2. Weltkrieges in Diensten der sowjetischen Geheimdienste als Berichterstatterin tätig war. Entscheidend aber ist: die ganze Sache beginnt in Shanghai, und man erfährt manches über die Lebensumstände jener Zeit, die noch recht kolonial geprägt war. Außerdem hat jene Dame dort eng mit einem der berühmtesten Spione zusammen gearbeitet, und das war Richard Sorge. So hat man wirklich etwas fesselndes zu lesen, und als es ausgelesen ist, wird es gleich oben auf den Lesetisch gelegt, damit der nächste auch noch etwas davon hat.

Nun sind wir am Abend und die Nacht durch immer noch auf Fahrt, die ja schließlich erst nach 3200 km enden wird. So trifft es sich gut, dass heute ein "Bierabend" angesetzt ist, wo es nach zwei Bierchen ein drittes umsonst gibt. Da gibt es kein Problem.

Jiujiang, Lushan Gebirge, Fr. 6.11.

Nun geht es wieder mit dem Bus los, man ist es fast schon leid, aber verpassen darf man ja auch nichts. Die Stadt Jiujiang zählt diesmal 5 Mio. Einwohner. Wenn es so weiter geht, kriegen wir noch die 1,3 Mrd. der Bevölkerung Chinas zusammen. Heute soll es in das Lushan Gebirge bis über 1000 m Höhe gehen. Die Region ist vor allem im Sommer beliebt, wenn man aus den tiefer gelegenen "Backofenstädten" mit bis zu 40 Grad Hitze sich hier hinauf in ein kühleres Klima flüchten kann. Auch ein prominenter Politiker hat sich da oben ein Anwesen geschaffen, das wir später kennen lernen werden. Zunächst wird eine Strecke von 24 km mit 396 Kurven in Angriff genommen, diese Straße existiert seit 1953. Oben erreicht man die Ortschaft Guling, die Engländer nannten es "Cooling". Wir steigen in kleinere Busse um, die dadurch wohl auch ein gutes Auskommen haben.

Nun gibt es die Möglichkeit, auf festen Wegen durch eine Felslandschaft zu wandern. Wer das Auf und Ab weniger liebt, kann einmal um einen kleinen See herum spazieren und auf die warten, die zünftiger unterwegs sind. So zünftig ist das dann auch wieder nicht, denn man marschiert im Gänsemarsch inmitten der Touristengruppen von Klippe zu Klippe. Auf deren Spitzen ist durch rote Markierungen angezeichnet, ab wann man bei einem Foto keinen Schritt rückwärts mehr machen darf. An einigen ebenen geräumigeren Plätzen finden sich wieder Verkaufsstände, Grillplätze und Opferstätten. An einem Geländer sind hunderte von Vorhangschlössern mit roten Wunschfähnchen angebracht. Damit der Wunsch auch in Erfüllung geht, besitzen die Vorhangschlösser kein Schlüsselloch. Auf dem Rückweg passieren wir einen eher langweiligen Bonsaigarten und finden uns schließlich im "**** Lu Shan Xi Hu Ministry of Railways Hotel" ein. Trotz der vier Sterne haben wir hier das schlechteste Essen bekommen, nach der ersten Portion knorpeligen Rindfleisches haben die weiteren Gerichte auch nicht mehr geschmeckt.

Wir besichtigen nun noch die Villa von Chiang Kaishek, der hier oben fernab vom aktuellen Geschehen zu verweilen beliebte. Auf die Frage, wie denn der immer noch vor Ausbau der Straße hier herauf gekommen sei, heißt es: in einer Sänfte. Ob das nun wieder stimmt? Nun kann man die Wohn- und Arbeitsräume besichtigen oder sich auf dem Balkon in einer geliehenen Militäruniform fotografieren lassen. Zum Abschluss dürfen wir noch eine Weile in der Ladenstraße von Guling bummeln. In einem kleinen Park gibt sich die Bevölkerung allerlei Spielen hin, vor allem wohl dem Mahjongg.

Wuhan, Sa. 7.11.

Nach einer weiteren Nachtfahrt erreichen wir die Stadt Wuhan, die sechstgrößte Stadt Chinas mit 6 Mio. Einwohnern. Unsere beiden Reiseführer Han und Willi sind hier zu Hause und bekommen dafür an diesem Tag frei. Ein örtlicher Reiseführer wird sie gut vertreten. Wieder ist ein reichhaltiges Tagesprogramm angesagt. Zuerst besuchen wir das buddhistische Guiyuan-Kloster. Es wurde von einem der Reiseführer schon angekündigt: "Am Schluss könnt ihr keine Klöster,Tempel und Pagoden mehr sehen". Aber wir machen noch mit, man könnte ja was verpassen? Zu sehen gibt es das übliche: geschwungene Dächer, Säulen, eine große Glocke, Räucherstäbchen-Altäre, aber auch eine Halle mit 500 gold-eingefärbten Statuen, die man Arhat oder Luohan nennt, wie die Schüler Buddhas genannt werden. Zwei Eingänge, Männer links, Frauen rechts, und wenn man Geburtstag hat, kann man die Figuren der Reihe nach seinem jeweils erreichten Alter entsprechend abschreiten und dann bei der schließlich erreichten Erscheinung sich ein Bild für sein eigenes Leben ableiten. Wer schlau ist, schielt schon mal nach der nächsten Figur, denn die wäre im nächsten Jahr dran.

Es gibt auch ein wassergefülltes Steinbassin, in dem sich Schildkröten langweilen. Und gerade leert einer der Besucher aus einer Plastiktüte ein plumpsendes Etwas aus, das sich paddelnd der wartenden Gesellschaft zuwendet. Diese Geste mag auch dem weiteren Lebensheil zuträglich sein. "Werden die auch gefüttert?" fragt einer unser Mitreisenden (Micha) mit schreckensweiten Augen. Aber ja, Futter könne man am Eingang erwerben, auch das sei dem weiteren Lebensergehen des Spenders zuträglich.

Nun geht es weiter in einen Bonsai-Garten und in eine Ausstellung von seltsamen Steinen, die man aus ganz China zusammengetragen hat. Als Erläuterung steht für uns unlesbar eine Inschrift in chinesischen Schriftzeichen dabei und, lesbar: "Odd Stone" an den Ausstellungsstücken.

Weiter geht es, immer weiter. An der Promenade am Yangtseufer gibt es einen Park, in dem Monumente und Skulpturen die Gefahren der Wassermächte und deren Bewältigung präsentieren. Gleich daneben befindet sich die zweistöckige Eisenbahn- und Straßen-Brücke von 1957. Vor deren grauen Pfeilern lässt sich gerade ein Hochzeitspaar ablichten. Fragt man sich: gibt es keinen schöneren Hintergrund? Aber vielleicht spielt das Symbol der Brücke eine Rolle für das weitere eheliche Wohlergehen.

Wir fahren nun über diese Brücke um inmitten von Menschenmassen das Wahrzeichen der Stadt Wuhan zu besichtigen: den "Gelben Kranich Turm". Wem es gegeben ist, der mag ihn besteigen oder mit dem Fahrstuhl hinauf fahren. Der Turm stammt aus alter Zeit, wurde verschiedentlich zerstört und 1985 wieder aufgebaut. Man hat von oben eine gute Aussicht, wenn auch dunstig - wie immer.

Am Nachmittag gebt es Gelegenheit, zu Fuß in der Stadt umher zu streifen. Die Unentwegten steigen in der Gegend des quirligen Marktes aus. Sie berichten später von abenteuerlichen Beobachtungen und eigenartigen Nahrungsangeboten wie Schweineschnauzen oder Rinderhoden. Da bummeln wir lieber die moderne Fußgängerzone ab, wo es allerdings weniger interessantes zu sehen gibt. Elegante Geschäfte und die Passanten meistens jüngere Leute nicht minder elegant gekleidet. Wir trinken umgeben vom Charme eines Mövenpick Restaurants einen Kaffee und bummeln dann in Richtung unserer Anlegestelle zurück. An einer Straßenecke sitzen einige Männer auf Rollbrettern, vielleicht dienen diese dem Lastentransport? Am Flussufer gibt es aber noch eine lange Gasse mit einem Tiermarkt, die muss noch abgebummelt werden. Wollen wir hoffen, dass die Hunde und anderes Getier ein artgerechtes Dasein fristen oder einen liebevollen Käufer finden.

An der Anlegestelle können wir unser Schiff nicht entdecken. Nach einigem Suchen mithilfe der "Boarding Card", auf der die Nummer der Anlegebrücke verzeichnet ist, sind wir schließlich am Ziel: unser Schiff liegt unsichtbar zwischen zwei anderen Yangtse-Kreuzern.

Flusstag, So. 8.11.

Es steht eine lange Teilstrecke bis zu den Schleusen des Gezhouba Stausees mit zwei Nacht- und Tagesfahrten bevor. Der Tag wird an Bord verlebt, und wir haben Glück mit dem Wetter: es ist warm und sonnig. An den Ufern des Yangtse lässt sich vor allem die Schilfernte auf den weiten Uferflächen und deren Verladung beobachten. Auf den abgemähten Flächen sind kleine Behelfsunterkünfte errichtet, die aber wohl eher der Teezubereitung in den Arbeitspausen denn als Behausungen dienen. Aber man sieht auch Wäscheleinen.

Die Vorträge sind heute: 3-Schluchten-Staudamm, Chinesisch-Unterricht, Akupunktur, Kalligraphie und Stempelkunst, das Spiel Mahjong. Abends gibt es Bingo, und dann ist dieser erholsame Tag überstanden.

Gezhouba Schleuse, Beginn 3 Schluchten, Mo. 9.11.

In aller Frühe erreichen wir die Schleuse am Gezhouba Staudamm. Dieser Damm wurde zwischen 1970 und 1988 mit über 2 km Länge und etwa 30 m Höhe erbaut, sozusagen als Probe für den 3 Schluchtenstaudamm, den wir später kennen lernen werden. Bei aller Kritik an den Staudammprojekten muss bedacht werden, dass die Gefahr von Hochwassern zu allen Zeiten ein Alptraum der Bewohner am Yangtse gewesen ist. Im letzten Jahrhundert sollen drei Millionen Menschen durch Überflutungen ums Leben gekommen sein. Wenn nun allerdings ein Staudamm durch Erdbeben oder Kriegseinwirkung brechen sollte, wäre die Zahl der Opfer nicht abschätzbar. So erfüllen die Staudämme, solange es gut geht, ihre Aufgabe als Hochwasserschutz, Transportmittel und Wasser- und Energielieferant.

Als alle Frühaufsteher sich richtig die Augen gerieben haben, sind wir schon durch die Schleuse hindurch. Es folgt die Durchfahrt der unteren Xiling Schlucht, die sich an diesem Morgen sehr neblig präsentiert. Imposante steil aufragende Berge säumen das ehemals enge Tal. Bald erreichen wir die Anlegestelle unterhalb des 3 Schluchten Staudamms, den man allerdings von hier aus nicht zu Gesicht bekommt, weil er durch eine Flussbiegung und Insel verdeckt ist. Also werden wir wieder in einen Bus verfrachtet, der uns nach Passieren einer Sicherheitskontrolle - damit keiner eine Bombe einschmuggelt - etwa 200 m höher in der Gegend der Staudammkrone ausläd. Leider regnet es mittlerweile recht stark und die Sicht ist gleich Null. Das sei jetzt immer häufiger der Fall, da nach dem Aufstauen der "Duft" (gemeint ist der "Dunst") besser aufsteigen könne. Nun hat man ein Informationszentrum eingerichtet, wo ein großes Modell der Anlage bei jeder Wetterlage zu besichtigen ist. Der Staudamm selbst ist nur schwer zugänglich, besonders die Turbinenanlagen werden wie ein Augapfel gehütet, weil sie z.T. aus multinationaler Entwicklung stammen, auch die Fa. Siemens hat hier  mitgemischt. Im Bau ist noch eine riesige Schiffshebeanlage - die größte der Welt - die vielleicht um das Jahr 2015 fertig gestellt sein wird.

Die fünf Schleusen - so erfahren wir, wurden mangels anderer williger Arbeitskräfte durch zigtausende von Armeeangehörige ohne Verwendung von Sprengstoff gebaut. Sprengungen hätten den Untergrund und die bereits im Bau befindliche Staumauer womöglich in Mitleidenschaft gezogen. Auf die Frage, wie viele Todesfälle es bei den Bauarbeiten gegeben habe, wird die Zahl 120 genannt. Leider offiziell auch nicht nachprüfbar.

Abschließend ein Foto von der größten Staumauer der Welt, und das ist wegen des Nebels eher paradox: kaum etwas zu sehen! Bevor wir wieder auf unserem Schiff "landen", ergibt sich die Gelegenheit, in der anliegenden Ladenstraße den einen oder anderen Sixpack Tsingtao Bier zu erwerben. Nach einigem Feilschen haben wir einen günstigen Preis ausgehandelt, erhalten als Wechselgeld jedoch einige Scheinchen, die praktisch wertlos sind, wie sich einige Zeit später herausstellen wird. Unser Schiff begibt sich nun in die 5 Schleusen, was so seine Zeit in Anspruch nimmt. Nach Mittagessen und kurzer Siesta ist dann auch die letzte der Schleusen geschafft.

Nun wird aus der Flussfahrt eine Seefahrt, denn ab hier ist der Yangtse auf über 600 km Länge mit anfangs 170 m Tiefe gestaut. Untergegangen sind Ortschaften, Kulturgüter, die historischen Treidelpfade und vieles mehr. 1,2 Mio Anwohner wurden umgesiedelt und leben heute in modernen Städten, wahrscheinlich nicht glücklicher. Unsere beiden Führer Han und Willi begleiten nun die Fahrt mit ihren Kommentaren, während sich die Reisegäste auf dem Vorderdeck versammeln. Leider verabschiedet sich die Sonne bald, da ist es mit dem Fotografieren vorbei.

Bei einsetzender Dämmerung werden wir auf eine weitere Merkwürdigkeit hingewiesen. Die Ortschaften an den höheren Hängen seien nur spärlich erleuchtet. Das liege an den sehr hohen Strompreisen - und das hier in unmittelbarer Nähe des größten Wasserkraftwerks der Welt mit 18 200 Megawatt Leistung und einer Produktion von 85 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr? Der Grund ergibt sich daraus, dass es kostspielig ist, die Stromzuleitungen einzurichten, und das schlägt sich dann im Verbraucherpreis nieder. In den Großstädten sei der Strom um den Faktor 100 billiger.

Die Fahrt führt heute noch bis zu der Stadt Badong, von wo aus morgen eine weitere Unternehmung starten wird.

Shennongxi Fluss, Wu-Schlucht, Qutang-Schlucht, Di. 10.11.

Wir werden von unserem Schiff mit einem anderen Boot abgeholt, um einen Ausflug in das Seitental des Shennongxi zu unternehmen. Dort wird die sog. "Bächleinfahrt" veranstaltet werden. Auf diesem Nebenfluss, der natürlich auch entsprechend hoch aufgestaut ist, geht es zwischen steilen Berghängen und Felswänden dahin. Hoch oben in einer Felsspalte kann man einen eingeklemmten Steinsarg sehen, der aus einer Zeit vor 2000 Jahren stammen soll, als man die Verstorbenen "möglichst nahe beim Himmel" auf diese Weise bestattete. Dafür sind allerdings dieser Sarg und die ihn stützenden Baumstämme verdächtig gut erhalten.

An den Felshängen entdeckt man immer wieder Höhlen und deren Überreste in Gestalt von zu Tage liegenden Tropfsteinformationen. Die Bootsfahrt endet an einem Anleger, wo wir in kleine Kähne umgeladen werden. Früher begannen hier die Treidelfahrten, heute kann man rudern. Das Geschäft der Treidelfahrt betrieb die Minderheit der Tujia, die in den Bergen dieses abgeschiedenen Gebietes ansässig sind. Wir bekommen eine sehr hübsche Führerin namens Eva bzw. "Äffa", die uns einiges erzählt und sogar sehr gekonnt ein Liebeslied im Wechsel mit einem der Ruderer vorsingt. Am Schluss wird einem das Treideln vorgeführt, obwohl es hier wegen des hohen Wasserstandes nun gar nicht mehr nötig ist. Damit hat sich natürlich auch der Name "Bächleinfahrt" erledigt.

Zurück an Bord erwartet uns das Highlight der Yangtse-Reise: die Durchfahrt der Wu-Schlucht und der Qutang-Schlucht. Vor dem Aufstauen waren diese Routen durch Strömung, Strudel und Untiefen eine gefährliche Angelegenheit. Nun erinnert das Landschaftsbild eher einer Fjordfahrt, aber immer noch eindrucksvoll genug. Auf der rechten Seite taucht eine Felsformation auf, dort gibt es eine kleine Säule, und die wird als Chinesische Loreley bezeichnet. Wenig weiter hat man bereits eine Anlegestelle eingerichtet, von wo aus man auf einem Pfad dort hinauf wandern kann. Ein Verkaufskiosk ist auch schon da.

Da die Yangtse- Kreuzfahrt sich allmählich ihrem Ende nähert, lädt der Kapitän heute zum Abschiedsabendessen ein. Da muss man wieder "in Schale" erscheinen. Außer einer kleinen Ansprache des Kapitäns, übersetzt von Han, passiert aber nichts weiter außergewöhnliches und das Abendessen verläuft wie immer.

An diesem Abend - oder war es ein andermal - wird noch einmal eine Art Modenschau durchgeführt. Diesmal werden Bekleidungsweisen der chinesischen Minderheiten von Tibet bis zur Mongolei gezeigt. Die Bevölkerung Chinas setzt sich zu 92 % aus Han-Chinesen zusammen, den Rest bilden 55 ethnische Minderheiten. Da die Minderheiten rund 80% der chinesischen Grenzgebiete bevölkern, sind diese auch für die Staatsführung nicht ohne Interesse. Von der dargebotenen Show sind wieder alle begeistert, weil alles so natürlich mit Spaß an der Sache und in keiner Weise gekünstelt abläuft.

Fengdu, Mi. 11.11.

Heute ist der letzte Tag an Bord bzw. des Besuches der Geisterstadt Fengdu. Die liegt wieder auf einem Berg und man kann hinauf laufen oder mit einem Sessellift fahren. Im Tagesprogramm ist zu lesen "...die Geisterstadt ist eine Stadt von Unterweltfiguren und Dämonen und Heimat der verstorbenen Seelen (festes Schuhwerk und Trinkwasser nicht vergessen)". Man erzählt uns wieder allerhand über die Höllen und Qualen, die einen nach einem lasterhaften Leben in der chinesischen Höllenwelt erwarten, aus der man schlimmstenfalls als Hund wiedergeboren wird. Um dem entgegenzuwirken, gehen wir mit angehaltener Luft eine Treppe rauf, überqueren die Brücke ohne Wiederkehr und balancieren schließlich einbeinig auf einem runden Stein, um seinen eigenen Charakter zu prüfen. Da kommt nicht viel bei raus.

Zur Entspannung können wir am Schluss noch über einen "Hallo Markt" bummeln. Dort nehmen die Händler regen Anteil an jedem, der vorbei schlendert. Es gibt hier durchweg nur Kitsch und z.T. merkwürdige Nahrungsmittel zu kaufen. Am Nachmittag wird die letzte Etappe bis zu er Stadt Chongqing in Angriff genommen. Das sei die größte Stadt der Welt mit 31 Millionen Einwohnern. Da hat man aber getrickst, indem man ein Gebiet groß wie Oesterreich zugrunde gelegt hat. Die eigentliche Stadt soll nur so groß wie Berlin sein.

Wir kommen dort mit einbrechender Dunkelheit an, und da muss man sich erst mal die Augen reiben. Unter einer üppig in allen Farben illuminierten Hängebrücke fahren wir auf ein Stadtbild zu, dass jeder, der es schon gesehen hat, mit Las Vegas vergleicht. Es ist ein Lichtermeer wohin das Auge schaut. Auf dem Fluss gleiten Ausflugsboote, die auch von vorn bis hinten farbig erstrahlen. Demnach kann es mit dem Stromverbrauchspreis hier nicht so weit her sein. Vielleicht sind das ja auch alles Sparbirnen? Leider ist der Fotoapparat zum entscheidenden Zeitpunkt nicht zur Hand.

Am Abend gilt es eher prosaische Dinge zu erledigen, wie die Bordrechnung zu bezahlen, die Koffer für die Abreise fertig zu machen und mit den richtigen Farbbändchen zu versehen. Eine Gruppe wird morgen nach Guilin und Hongkong (grün) reisen, die andere nach Peking (lila), und wir nach Xian (ohne Bändchen).

Chongqing - Xian, Do. 12.11.

Nun gehen wir von Bord, brauchen aber nicht zu weinen, das tut der Himmel für uns. Der Flug nach Xian ist von vormittags auf den frühen Nachmittag verschoben worden. Wie wir später erfahren, hat es in Xian und auch in Peking Schnee gegeben. Wir bekommen eine lokale Reiseführerin und fahren mit dem Bus zum Eling-Park hoch über der Stadt. Da die gesamte Stadt sich zwischen und auf Bergen befindet, gibt es hier auch kaum Fahrräder, stattdessen aber mal wieder genügend Kfz-Verkehr. Die Busfahrer von Chongqing seien besonders versiert, heißt es. Im Eling Park wird man sogleich von Regenschirmverkäufern belagert, erstaunlich wie schnell die sich der jeweiligen Wetterlage anpassen. Für 1 € bekommt man einen Schirm der vielleicht den ersten Windstoß übersteht. Eine Dame hat sich verkauft, da ist statt eines Haltestocks ein Kopfgurt unter dem Schirm und man trägt das Ganze wie eine Art Mütze.

Wir werden in eine Teestube gebeten, wo man erst mal warm und trocken sitzt. Eine Dame zelebriert die Kunst des Teeaufbrühens. Als die ersten Zuschauer schon Fäden in den Mundwinkeln ziehen, bekommt man endlich ein Schälchen Tee zum Probieren. Aber irgendwie hat uns das Nationalgetränk der Chinesen bisher und auch hier nicht begeistern können. Wenig weiter ist ein Museum, wo ein Künstler ein 20 m langes Wandgemälde vom Yangtsefluss angefertigt hat. Ob es Kunst ist, mag Geschmacksache sein.

Wir nehmen unser Mittagessen in der Nähe des Flughafens ein. Auf dem Flughafen treffen wir unsere fidele Peking-Gruppe wieder, die noch keinen Flug bekommen konnte. Durch die Lautsprecher hört man immer wieder "...delay due to the airport weather conditions". Wir kommen mit wenig Verspätung noch einigermaßen gut weg. Nach einer Stunde Flugzeit landen wir in Xian. zunächst können wir den Flieger etwa 1 Stunde nicht verlassen, weil gerade keine Gangway zur Verfügung steht. Anscheinend ist der Flugverkehr einigermaßen durcheinander geraten - davon später mehr. Schließlich nimmt uns ein fideler Reiseführer namens Wang in Empfang. Das Klima ist deutlich kälter geworden und es liegt Schnee. Die Stadt Xian, 8,3 Mio Einwohner, ist eine alte Kaiserstadt mit einer langen Geschichte. Sie ist der östliche Ausgangspunkt der Seidenstraße. Heute soll hier noch eine Pagode besichtigt werden. Doch der Busfahrer verzettelt sich so im dichten Feierabendverkehr, dass es mittlerweile dunkel wird. Ob noch eine Lichterfahrt später am Abend gewünscht sei? Ganze 6 Leutchen haben ein Interesse, da lohnt sich das dann nicht. Ein Herr ist ganz enttäuscht: "Könnten wir denn nicht mehr Reklame machen?". Am nächsten Tag auf dem Flughafen wird er sagen: "Wenn wir heute hier nicht wegkommen, können wir vielleicht noch die Lichterfahrt machen!".

Wir sind froh, dass wir nach dem ganzen Hin und Her endlich unser Abendessen einnehmen können. Für die Unentwegten wird gegen Aufpreis eine Sonderverpflegung angeboten, die aus einer Vielzahl von verschieden zubereiteten Maultaschen, einer Spezialität der Region, besteht.  Endlich werden wir im Grand New World Hotel abgeliefert. Dort ist man komfortabel in schönen Zimmern untergebracht, doch das Auspacken der Koffer für eine Nacht ist nicht nötig.

Xian, Terrakotta-Armee, Peking, Fr. 13.11.

Es muss zwischendurch einmal gesagt werden, dass die Reiseveranstalter versuchen, den Gästen nichts vorzuenthalten, obwohl in der Kürze der Zeit natürlich vieles nicht besucht werden kann. Das wäre dem Aufnahmevermögen der Besucher auch gar nicht zuzumuten. Es ist so schon um einiges zu viel. Heute morgen besuchen wir den Konfuziustempel in Xian, der durch seinen Stelenwald berühmt ist. Dabei handelt es sich um 3000 graue Steintafeln, auf denen die Weisheiten und Richtlinien des Regierens, der allgemeinen Lebensgrundsätze sowie philosophische Ansichten des Gelehrten Konfuzius und anderer Weiser in Kalligraphieschrift festgehalten sind. Ein zentraler Begriff ist die "Harmonie", ein Wort, das bisher immer für das Aufsuchen der Toiletten zum Einsatz kam. So steht unser Grüppchen frierend in den Gängen der Ausstellungshallen, lauschen mehr oder weniger andächtig den Erläuterungen, und alle sind froh, als wir wieder im warmen Bus sitzen.

Bald darf man wieder frieren, als wir nun die Große Wildganspagode besichtigen. Außer ein paar Fotos bringen wir nicht viel Energie auf, uns mit dieser Angelegenheit gebührend zu befassen. Man wartet innerlich vielmehr auf die wohl größte Attraktion der Reise: die Terrakotta Armee. Ungeduldig erwartet man die Ankunft, aber der stets dichte Verkehr spannt die Geduld auf die Folter. Schließlich fahren wir bereits in Sichtweite - wenn der Dunst nicht wäre - des Grabhügels jenes ersten Kaisers Qin Shiuangdi, gest. 210 v. Chr. Dieser Hügel ist archäologisch noch nicht in Angriff genommen worden. Auf die Frage "Warum?" heißt es, die Geldmittel und wissenschaftlichen Methoden seien noch zu unzureichend.

An dieser Stelle darf ausnahmsweise ein Auszug aus dem Baedeker zitiert werden:

Der Historiker Sima Qian lieferte um 100 v. Chr. eine Beschreibung der Grabkammer: Sie sei angefüllt mit Nachbildungen der Paläste und Amtsgebäude, mit Gerätschaften und Preziosen; Quecksilber imitierte die Flüsse des Landes, die Decke der Gruft war als Firmament gestaltet. ... Selbstschussanlagen gegen Eindringlinge. Wovon Sima Qian nicht berichtete, war die Grabwächterarmee. Sie wurde erst 1974  durch Zufall entdeckt, als Bauern einen Brunnen aushoben.

Weiter ist allerdings auch zu lesen, dass bereits im Jahre 207 v. Chr. Aufständische das Grab plünderten, Teile der unterirdischen Armee zerstörten und alles in Brand setzten.

Nun kann man nur noch bewundern, was von der Pracht übrig geblieben ist, bzw. was man bis heute zu Tage gefördert hat. Zunächst sind da zwei prächtige bronzene Vierspänner, die in Glasvitrinen ausgestellt sind. "Heiligsblechle" sagt der schwäbische Mitreisende. Anschließend dürfen wir endlich die eigens errichtete Halle zur Präsentation des bislang umfangreichsten Teils der Terrakottaarmee, dem "8. Weltwunder", betreten. Das verschlägt einem schon den Atem, wie da über die ganze Breite und Länge der Halle eine mehr oder weniger gut erhaltene Truppe in Lebensgröße mit individuell gestalteten Gesichtszügen beisammen steht. Von den ursprünglich vorhandenen Farbaufträgen ist so gut wie nichts erhalten geblieben. Man sei dabei, spezielle Lasuren zu entwickeln, die gleich nach der Freilegung einer Figur aufgebracht werden müssen, damit nicht alles abbröselt. Da auch die Wissenschaft der Konservierungstechnik voranschreitet, darf man hoffen, dass die zukünftigen Funde noch einiges erwarten lassen, da erst etwa 2000 von geschätzten 8000 Figuren ausgegraben wurden.

Eine Attraktion ist natürlich auch, dass sich einer der Entdecker namens Zhifa Yang hier öfter blicken lässt und, heute versehen mit einer langen Pfeife, die im Andenkenshop erhältlichen Bildbände signiert. - Wenn es denn ales so stimmt...

Wir fahren zum Flughafen von Xian, um unseren Flug nach Peking anzutreten. Eine böse Überraschung: die Halle ist gestopft voll mit Menschen. Kinder müssen beruhigt werden, andere sitzen auf ihrem Gepäck und spielen Karten. Anscheinend wurden eine Menge der Flüge wegen Schneefalls verschoben oder umgeleitet. Das hat auch unser Reiseführer noch nicht erlebt, wie er sagt. Er verfüge aber über "Vitamin B", und so kommt er bald mit unseren Flugtickets wedelnd zurück von irgendwelchen Abfertigungsschaltern. Und tatsächlich ist es fast ein Wunder, dass unser Flug wohl als einziger pünktlich abgeht. Schließlich haben wir heute Freitag, den 13., aber das gilt wohl als glückbringend nur für uns, und nicht für die anderen paar tausend Wartenden.

In Peking werden wir von unserem Reiseführer Lei (spricht sich wie das engl. Wort lay) in Empfang genommen. Im Voraus darf gesagt sein, dass wir hiermit wohl einen der besten Führer erwischt haben, den man sich denken kann. Nach dem Abendessen irgendwo auf dem Weg vom Flughafen werden wir endlich im Holiday Inn Hotel abgeliefert. Wir treffen sogar einige unserer fidelen Truppe, die ihr Pekingprogramm gerade hinter sich haben, und morgen in die Heimat zurückfliegen werden. Wir trinken noch gemeinsam jeder ein Bier aus der Dose draußen in der Kälte vor einem Straßenladen und nehmen damit Abschied. Ein Bier in der Hotelbar ist dagegen sündhaft teuer, in der Minibar komischerweise nicht.

Peking, Sa. 14.11.

Die große Besichtigung von Peking beginnt auf dem Platz des Himmlischen Friedens, der eigentlich Tianmen Guanchang: "Platz am Himmelsfriedenstor" heißt. Es soll der größte innerstädtische Platz der Welt sein. Das mag stimmen, denn trotz des riesigen Besucheransturms windet und zieht es hier erbärmlich. Wir haben nun gerade einen mongolischen Kälteeinbruch erwischt, der mit einem schneidenden Wind daher kommt. Das ist eine Art von Kälte, wie wir sie gar nicht kennen. Die Straßenverkäufer haben sich darauf eingestellt und bieten Schals, Handschuhe und Mützen an. Die Mützen nennt man Uschanka und ich bin froh, dass ich für 40 Yen (4 €) oder so ein solches Exemplar erwerben kann. Vorne ist ein roter Stern angebracht, um die "Linientreue" sicherzustellen. Der lässt sich später mit einer Kneifzange leicht entfernen.

Nachdem wir uns auf diesem riesigen Platz sattgesehen bzw. -gezittert haben, durchschreiten wir das Himmelsfriedenstor am Portait des Mao Zedong vorbei. Es soll das letzte derartige Konterfei in der Stadt sein. Nebenan befindet sich auch das Mausoleum des Mao, wo - wie zu lesen ist - man nie weiß, ob der echte oder ein wächserner Maokörper aufgebahrt sei. Das mag sich nach dem Wetter richten, heute wäre es kalt genug.

Wir betreten den Bereich der Verbotenen Stadt, sicher ein Höhepunkt jeder Chinareise. Hier reihen sich die Herrscherpaläste aneinander und grenzen verschiedene weitläufige Innenhöfe gegeneinander ab, die unterschiedlichen Zeremonien und Aufgaben dienten. Bis 1911 wurden die Anlagen für kaiserliche Regierungs- und Präsentationen und Feierlichkeiten genutzt. Auch Tennis wurde hier gespielt. Wie es dann weiter ging, wird gut in dem Film "Der letzte Kaiser" dokumentiert. Ab 1924 ist die Verbotene Stadt auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Für die Olympischen Spiele 2008 wurde natürlich alles aufs feinste restauriert.

Unser Führer Lei  ge-Lei-tet  uns noch in die Wohnbereiche der Eunuchen und Konkubinen. Das sind kleinere Gebäude mit verwinkelten engen Innenhöfen, in denen es heute zum Glück nicht so zugig ist. Wo die verbotene Stadt in den Kaiserlichen Garten übergeht, versammeln wir uns wieder und fahren zum Mittagessen. Diesmal erwartet uns ein gut besuchtes Buffet-Restaurant, wo man sich nicht vom Drehteller bedienen muss. An einem Stand wird auch von der Pekingente eine Kostprobe gegeben, darüber später mehr.

Die nächste Station ist die Anlage des Himmelstempels. Man wandert zunächst an einer offenen Galerie entlang, wo ein munteres Treiben herrscht. Hier treffen sich die Rentner und Frühpensionäre, wenn sie der Langeweile entfliehen wollen. Da wird Musik gemacht, gesungen und Karten gespielt. Einige versuchen auch, etwas zu verkaufen oder sonstwie eine Münze zu ergattern. Wenig weiter ist ein öffentlicher Tanzplatz, wo man sich gymnastischen Übungen oder eben auch dem Tanz hingeben kann. Mittelpunkt der Anlage ist die Halle des Erntegebets als "vollkommenstes Werk chinesischer Baukunst" (Baedeker). Nach einigem Herumwandern wärmen wir uns in einer Teestube auf.

Es gehört wohl auch zum Pflichtprogramm einer Besichtigungstour, dass man in einer Art Kaufhaus abgeliefert wird, und das gleich für 2 Stunden. Außer Nahrungsmitteln gibt es so ziemlich alles zu kaufen, hauptsächlich aber Schmuckwaren und Kleidung. Da ich einen Hosengürtel benötige, lassen wir uns ein Angebot machen. Dazu wird vom Verkäufer ein Betrag auf einem Taschenrechner eingetippt. 390 Yen (39 €) solle der Gürtel kosten. Nun genieße ich die Vorzüge einer Ehegattin, die beim Handeln sehr kompromisslos vorzugehen pflegt. Sie tippt 100 Yen in den Rechner. Nun schmilzt der Preis nach und nach zwar rapide, doch Heidi tippt immer wieder die 100 ein. Als die Verkäuferin der Sache überdrüssig zu werden scheint, wenden wir uns zum Gehen - und nach zurückgelegten 5 m wird auf die 100 Yen eingewilligt. So geht das also, welchen Verkaufspreisen kann man dann überhaupt trauen?

Und nun ziehn wir mit Gesang in das nächste Restaurang. Dort findet endlich das angepriesene Essen mit Servieren der berühmten Pekingente statt. Ein Bediensteter, als Koch verkleidet, tritt an die Tafel und säbelt auf seinem Tischchen mit einem scharfen Messer schmale Streifen, möglichst mit Haut, vom Entenbein ab oder was sonst von der Ente übrig ist. Die Bröckchen, die man davon ergattert, sollen dann versehen mit einer speziellen Knoblauch- und Gewürzpaste sowie Lauchstreifen und frischer Gurke in ein Teigscheibchen eingewickelt werden. Das kaut man schließlich durch und fragt sich, wo der Entengeschmack geblieben ist. Schon ist man wieder Banause und genießt die Entenhappen pur, wenn es sein muss auch noch mit Messer und Gabel, falls das mit den Stäbchen zu schwierig wird.

Nachdem das überstanden ist, steht für die Unentwegten noch ein Programmpunkt für heute auf der Spät-am-Abend-Tagesordnung (gegen Aufpreis): 4 Stunden: "The Legend of Kung Fu" im Roten Theater, eine der spektakulärsten Shows in Peking, so ist zu lesen. Da wäre man dann erst gegen Mitternacht "zu Hause" im Hotel. Nur 6 Leutchen der Gruppe fühlen sich dieser Sache nicht mehr gewachsen. Die dürfen mit dem Taxi auf Kosten des Veranstalters Phoenix zurück zum Hotel fahren. Wir sind auch dabei und finden uns nach diesem durchgefrorenen Tag in der heißen Badewanne wieder.

Die Große Mauer und anderes, So, 15.11.

Der letzte Besichtigungstag der Reise mit der Erwartung, die große Mauer zu sehen. Aber erst mal muss eine Attraktion jüngeren Datums angesteuert werden, und das ist das Olympiagelände mit dem architektonisch eigenwillig gestalteten Stadion, genannt das Vogelnest. Die anderen angrenzenden Sporthallen sehen dagegen eher normal aus. Ein Hochhausgebäude fällt noch auf, dessen Gestaltung die olympische Flamme symbolisieren mag. The Beijing 7-Stars Morgan Plaza, das weltweit einzige 7 Sterne Hotel. Ein Superlativ, das vielleicht nicht jeder haben muss bzw. sich noch weniger leisten kann. So geht es zu in einem Land des Sozialismus!

Auf der Fahrt zur großen Mauer darf man sich wieder einmal über den dichten Autoverkehr wundern. Es wird gesagt, dass die Anschaffung eines Autos steuerlich unterstützt wird und monatlich 8000 Autos in Peking neu dazu kommen. Das kann dann ja eigentlich nicht lange gut gehen, wenn einer nach dem anderen zwischen den Blechlawinen wahnsinnig wird. Vielleicht ist Zweiradfahren schließlich doch die bessere Lösung.

Angekommen an der großen Mauer, die sich malerisch an den Hängen entlang zieht, geht es den Unentwegten darum, möglichst weit hinauf zu steigen. Das ist auf z.T. vereisten Stufen nicht so einfach in dem Besucherstrom, der sich allerdings nach oben hin mehr und mehr ausdünnt. Zwischendurch ist der Spruch zu hören: "We climbed up to the top to find out it's not the top". Aus Zeitgründen kann ich auch nicht bis zum letzten sichtbaren Wachtturm hinauf steigen. Einige aber haben es geschafft und berichten dann, dass da oben die Mauer zuende sei und weiter nichts zu sehen gewesen wäre.

Ganz in der Nähe ist ein ländliches Dorf, das man vielleicht auch gern besichtigt hätte, aber wir müssen zum Mittagessen und anschließend wieder durch Verkaufsräume schlendern. Hier geht es allerdings recht diskret zu und man wird nicht dauernd angemacht. Aber wir wollen ja auch nicht schon wieder etwas kaufen. Wir besuchen anschließend die Ming Gräber, die von einer schönen Landschaft umgeben sind. Nun kann man noch den 1 km langen Seelenweg mit 18 berühmten Steinfigurenpaaren entlang schlendern. Einige Tierfiguren sind in Ruhestellung dargestellt, dazu meint unser Schwabe: "Dorhanne san die Strackerten".

Es folgt die nun allerletzte Besichtigung der gesamten Tour, und die ist sehr interessant. Wir besuchen ein kleines Viertel des verbliebenen Alt-Pekings. Diese überkommene Siedlungsart aus kleinen grauen Steinhäuschen mit Innenhof nennt man Hutongs. Zu Mao's Zeiten waren sie z.T. überbevölkert, weil es zu wenig Wohnraum gab. Heute müssen sie leider mehr und mehr den ehrgeizigen und profitablen Projekten der Immobilienfirmen weichen. Es ist allerdings zu lesen, dass es inzwischen auch für viele "Reiche" als durchaus schick gilt, sich in einem solcher Viertel einzuquartieren. Wir machen eine Rikschafahrt durch die engen verwinkelten Gassen. Schlaglöcher und Bodenwellen gibt es genug. Oftmals droht das Gefährt umzukippen, da machen sich die Rikschafahrer einen Spaß draus.

Danach ist der Besuch einer Familie geplant. In dem kleinen Häuschen ist es schön warm und man lässt sich in der Runde nieder, wo Tee serviert wird. Nun hat Heidi aber noch einen Spruch aus Aegypten im Kopf: "Geh mir weg mit Malventee", wobei auf den drohenden Fluch der Pharaonen hingewiesen wurde. Sie möchte also lieber draußen warten. Bis ich mich auch rausgedrängelt habe, ist sie auf der Suche nach dem Bus schon außer Sicht. Das kann ja heiter werden, denn hier verläuft man sich schnell, kalt und dunkel ist es auch schon. Man findet sich aber wieder, und bei der Gelegenheit wird noch eine Handvoll Uhren von einem Straßenverkäufer erworben, alles Gucci und Rolex bzw. Lolex. Bis unsere Gruppe vom Teebesuch wieder erscheint, sind wir gründlich durchgefroren.

Das letzte Abendessen findet in einem Restaurant in der Nähe des Olympiageländes statt. Leider geht alles normal wie immer vonstatten und es nichts besonderes dabei. Am Ende sind wir froh, nach dem Überwinden der Blechlawinen für die letzte Nacht im Holiday Inn Hotel abgeladen zu werden. Eine heiße Badewanne kann man heute genau so gut gebrauchen, wie schon gestern.

Rückreise, Mo. 16.11.

Peking erwartet an diesem Tag die Air Force Number One mit Inhalt zu einem Staatsbesuch. Da sei die Zufahrt zum Flughafen zeitweise gesperrt. So müssen wir eine Stunde früher raus. Das ist auch nötig, weil die Fahrt zum Flughafen sich bei dem Verkehrsaufkommen wieder verzögert. Nun müssen wir uns von unserem Führer Lei verabschieden, den wir in diesen drei Tagen geradezu lieb gewonnen haben. Alles weitere mit dem Einchecken und der Sicherheitskontrolle läuft normal ab und wir sitzen pünktlich im Flieger. Der hat aber noch keine Starterlaubnis, weil womöglich eine Person, die Schwierigkeiten mit der Einreise habe, wieder mit zurück genommen werden müsse. Darüber vergeht nun wieder eine Stunde, die wir als Verspätung mitbringen werden und damit die geplanten Anschlussverbindungen in Deutschland nicht mehr erreichen werden.

Zu guter letzt müssen die 10 Stunden Flugzeit überstanden werden. Mein Fensterplatz nützt nichts, es ist durchweg wolkig. Als wir uns etwa über den Baltischen Staaten befinden, ereignet sich noch ein Unfall, als ein Teilnehmer unserer Gruppe ein Unwohlsein und damit verbundenen unglücklichen Sturz erleidet. Er muss ärztlich versorgt werden und in Frankfurt vom Notdienst übernommen werden. Das trübt natürlich die Stimmung.

An der Zollkontrolle wird das Ehepaar vor uns einer gründlichen Kontrolle unterzogen. Die Koffer werden gründlich inspiziert. Aber man hat wohl weder billige Uhren oder gar Rohopium gebunkert. Wir werden durchgewunken, und erst hier fällt uns ein, dass wir mit den Gucci und Lolex Exemplaren womöglich Schwierigkeiten bekommen hätten. So aber können wir beruhigt im Frankfurter Hbf in einen ICE einsteigen, der uns direkt nach Braunschweig bringt, wo uns unser Schwiegersohn am Bahnhof erwartet.

Zu Hause angekommen sind wir fast 23 Stunden unterwegs gewesen. Nicht nur wegen der Müdigkeit fällt es schwer, die durchweg überwältigenden Eindrücke dieser Reise auf Reihe zu bringen. Eine Erholung konnte es nicht sein, eine Erkältung haben wir uns auch eingefangen. Aber was man gesehen und vor allem gelernt hat, dass muss nun erst einmal verarbeitet werden. Und das ist hiermit geschehen.

Am nächsten Tag steht in der Zeitung, dass das Treffen unseres geschätzten US-Präsidenten Barrack Obama mit der chinesischen Staatsführung in Peking auf einer gleich frostigen Ebene wie das derzeitige Klima dort verlief. Es ging um Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz. Themen, die in der unseligen Bush-Ära nur eine untergeordnete Rolle spielten.

So bleibt doch der Eindruck:  Noch ist nicht alles Gold, was glänzt - im Reich der Mitte!