JWD - 300 km Rund um Berlin
13.7.- 19.7.2008

Planung
Für Schwaben, Bayern und andere Unwissende: JWD heißt Janz Weit Draußen.

Vor Jahren erhielten wir als Reaktion auf einen Reisebericht über eine Polenreise folgende Email (Auszug):

Vielen Dank für Ihre überaus gelungene Satire eines deutschen Kleinbürgers im Ausland...
.
...Ich warte schon voller Spannung auf eine mögliche weitere Folge ihrer Reiseberichte, vielleicht diesmal über die deutsch-deutsche Integration - möglicher Arbeitstitel: "Mit der Vespa auf den Spuren Theodor Fontanes durch die Mark Brandenburg".

Wer sich  mit Theodor Fontane in diesem Sinne näher beschäftigen möchte, sollte sich die "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" zu Gemüte führen oder gar Günter Grass: "Ein weites Feld", den angeblichen Wenderoman, wo ein gewisser Fonty sein Unwesen treibt.

Nicht eine Vespa- sondern eine Radtour "Rund um Berlin" ist daher eigentlich schon lange geplant. Aber wie es in unserer schnelllebigen Zeit so ist, vergeht dann doch eine ganze Zeit, bis es so weit ist. Den Ansporn mögen auch zwei Hinweise aus den Zeitungen geben.

Da ist unter dem Stichwort Metropolenrundkurs zu lesen:

"Brandenburger Hoteliers und regionale Parks haben eine Fahrradroute rund um Berlin für ihre Gäste entwickelt: in fünf Tagesetappen umrundet man die Hauptstadt auf 250 km befestigten Feld- und Waldwegen ... des Berliner Umlands."
www.regionalpark.de
www.havellandradler.de

Wem diese Strecke zu kurz ist, der kann sich auch auf den Radfernweg Tour Brandenburg begeben, und das sind dann eben mal über 1000 km. Dafür ist der Abstand zur Großstadt Berlin natürlich größer und man hat nicht den eigentlichen Eindruck von einer "Stadtrundfahrt". Für die große Brandenburg Tour, die es seit 2007 gibt, ist auch bereits ein Bikeline Heft erschienen.

Weil wir uns aber noch jung und kregel genug fühlen, wollen wir die Fahrt um Berlin selbst in die Hand nehmen, als da sind: Ulrike und Rainer sowie wir zwei beiden Heidi und Martin. Hund Otto muss für eine Woche wieder in seiner Ferienpension im Kellerzwinger einquartiert werden.

So 13.7. Brandenburg - Falkenrehde

Da wir an einem Sonntag starten, können vier Personen mit einer einzigen Fahrkarte reisen, und das ist dann das Wochenendticket zu 37 € für Regionalbahnen. Preiswerter geht es ja nun nicht. Vier Fahrkarten für die Räder kommen natürlich noch dazu. Nach 9 Uhr geht es vom Braunschweiger Hbf los. Mangels Fahrstuhl zu den Bahnsteigen fahren wir sozusagen durch die Katakomben des Bahnhofs und dann eine schräge Rampe hinauf zu unserem Zug. In Magdeburg Buckau muss man umsteigen. In dem Zug nach Brandenburg, der sich sogar bis Eisenhüttenstadt an der Oder durchschlängelt, wird das ganze Abteil von einem energisch telefonierenden Mädchen unterhalten. Die hat alles drauf, was man von der heutigen Jugend erwartet. Daher ist es im Abteil mucksmäuschenstill, damit keiner etwas verpasst. "Ey, Alter, das glaubse nicht, inne Küche klebt der wie ne Scheißhausfliege an meim Arsch, kannse dir nich vorstelln" - usw.
Trotzdem sind wir gegen 12 Uhr in Brandenburg, wo die Tour beginnen soll.

Und das tut auch der Regen - beginnen meine ich. Deshalb verzichten wir auf einen Besuch des Brandenburger Stadtzentrums - man kann ja noch mal wiederkommen. Stattdessen muss ausgerechnet an meinem Fahrrad ein Schlauch ausgetauscht werden, weil sich ein Plattfuß ankündigt. Nachdem das unter den schadenfrohen Augen einiger herumstehender Taxifahrer erledigt ist, geht es ab in den leichten Nieselregen, zunächst auf der B1 (Aachen - Königsberg). Nach kurzer Strecke auf dem begleitenden Radweg kann man nach Gollwitz abbiegen. Sogleich erblicken wir rechterhand auf einer Wiese einen dahinstelzenden Storch. Von Gollwitz führt ein weniger komfortabler  Schotterweg zur Havel.

Und nun - oh Wunder - findet man einen frisch geteerten Weg vor, der auf dem Uferdamm entlang führt (Havel-Radroute). Von dort hat man immer wieder herrliche Blicke auf die verzweigten Wasserarme der Havel. Hin und wieder liegt in einem verschwiegenen Winkel ein Boot vor Anker, die machen Urlaub auf dem Wasser. Man nähert sich so dem Götzer Berg, 109 m, der aber auf bequeme Weise umrundet werden kann. Der Havelradweg enttäuscht einen weiterhin nicht und führt ab dem Ort Deetz durch urwaldartigen Auwald. Als der Regen langsam stärker wird, stoßen wir auf eine Gartenwirtschaft, die heißt "Havelstübchen". Man ist sich einig, dass einem hier eine Soljanka mit Blub gut tun würde. "Bestellen sie schnell, gleich kommen 30 andere Radfahrer" wird uns mitgeteilt. Doch trotzdem ist das mit der Soljanka nicht ganz so schnell gegangen, nachdem die 30 anderen begossenen Pudel eingetroffen sind. Nebenbei haben wir erfahren, dass der schöne Radweg erst vor einem halben Jahr angelegt worden ist, wovon das nette Havelstübchen profitieren mag.

Nach der willkommenen Rast hat der Regen nachgelassen und hört bald ganz auf, sodass der Fahrtwind die Klamotten schnell wieder trocknet. Man umfährt nun im Zickzack ein eingezäuntes eigenartiges Gelände, da hat man eine Müllkippe "renaturiert", Königs- und Nachtkerzen (Pioniervegetation) blühen immerhin schon auf den Hängen des Müllberges. Damit sind wir an der Fähre Schmergow angelangt. Wäre die nicht in Betrieb, hätte man hier ein Problem, aus diesem abgelegenen Winkel zu der gegenüberliegenden Stadt Ketzin zu gelangen. Nun hatten wir uns im Internet zuvor über diese Angelegenheit informiert, auch am Sonntag ist der Fährbetrieb gesichert. Für 1 € p.P. werden wir hinüber geschippert. An Ketzin ist für uns in erster Linie ein Cafe an der Havelpromenade interessant, wo eine weitere Labung stattfinden kann.

Das letzte Stück für heute geht es meistens schnurgeradeaus auf der Landstraße nach Falkenrehde. Ein Radweg ist gerade im Bau, der ist zwar schon teilweise benutzbar, aber für dessen komplette Inanspruchnahme sind wir noch zu früh gekommen. In Falkenrehde ist das erste Quartier im Gutshof Havelland per Internet vorgebucht. Also kommen wir gut unter und veranstalten alsbald eine Arbeitssitzung im Restaurant des Hauses. Das Tagesangebot ist ein Matjesgericht, da ist die Speisekarte fast überflüssig.

Wir ermitteln dann die Route für den nächsten Tag. Außerdem kann man an einem Minicomputer, den Rainer mit sich führt, per GPS und Wetter online nachvollziehen, wo man sich befindet und dass man sich den Regen am Nachmittag nicht nur eingebildet hat.

Mo 14.7. Falkenrehde - Heiligensee

Vor und nach dem Frühstück scheint die Sonne, da geht es gutgelaunt zu Werke. Wir fahren ein Stück längs durch Falkenrehde nach Süden, überqueren die Brücke über den Havelkanal und vertrauen uns in Paaren einigen Feldwegen an. Es gilt die Autobahn Berliner Ring zu kreuzen, was im zweiten Anlauf schließlich gelingt. Nun gibt es rund um Berlin,
wie gesagt wird, tausende von Seen. Nur sehen tut man sie nicht immer, selbst wenn man nahe an ihren Ufern entlang radelt. Das liegt daran, dass die begehrten Seegrundstücke weitgehend bebaut und hermetisch abgeriegelt sind. Auch ein Wald- oder Schilfgürtel verstellt mitunter die Sicht. So entgeht auch der Fahrlander See unseren Blicken. Es folgt ein Seengebilde, das heißt Krampnitz- Lehnitz- und Jungfernsee, ist aber eigentlich nur ein See. So kommt man also vielleicht irgendwie auf die stattliche Anzahl von tausend Seen oder mehr.

Hier findet sich an einer Waldstraße mit einigen kleinen Steigungen ein hübscher Rastplatz mit Seeblick. Rainer bemüht sich dankenswerter Weise zwischendurch um Heidis Fahrradschaltung, der unseligen Torpedo Pentasport. Das habe ich schon lange aufgegeben, obwohl es ja eher in meinen Aufgabenbereich gehört. Immerhin hatte ich Heidi ein Rad mit der Rohloff Speedhub angeboten, mehr kann man nicht tun, oder? "Ich lass mir mein Fahrrad nicht wegnehmen", was kann man da noch machen? Schließlich kommt Rainer freudestrahlend und heftig tretend angestrampelt: er hat tatsächlich die beiden Gänge mit den kleineren Übersetzungen wieder ausfindig gemacht.

Es geht weiter nach Sacrow - natürlich am (unsichtbaren) Sacrower See gelegen. Wir wollen schon durch den Ort durchrauschen, da fällt der Blick auf ein herrschaftliches Anwesen und einigen Trubel rings herum. Eine Frau ruft über den Gartenzaun: "Die machen da Dreharbeiten für Wege zum Glück!". Da kann man aber jemand flitzen sehen, und das ist Heidi, die diese Soap-Serie bzw. Telenova am Nachmittag im ZDF zuweilen zu erleiden pflegt. Das Schloss Sacrow ist im Film die Villa derer von Weyden. In einem Nebenhof stehen ein paar Akteure oder Komparsen, oder was immer die sein mögen, herum. Heidi behauptet steif und fest, Luisa, Simon, Meike und Eva erkannt zu haben. Leider ist Annabelle nicht von der Partie, aber die sitzt ja mittlerweile auch im Rollstuhl und hat ein schlechtes Gewissen. Also Eva Landmann (Karin Ugowski) kann ich auch bestätigen, die kaut gerade auf einer Semmel herum und das sieht genauso aus wie im Fernsehen.

Inzwischen wird uns bedeutet, nicht mehr zu fotografieren und nicht die ganze Zeit mit offenem Mund dazustehen. Also wendet man sich einer Schautafel zu, auf der die Restaurierungsarbeiten nach der Wende an Schloss Sacro, dem Park und den Weganlagen dokumentiert sind. Auch die so beliebten Sichtachsen sind wieder hergestellt worden. Von einer Bank nebenan erlauscht man währenddessen folgende Satzfetzen: "...also den letzten Dreh hab ich geschmissen, das war am Wochenende, man muss ja nicht alles mitmachen..." usw.

Nach so einer Episode ist man ja einigermaßen beschwingt und so geht es in diesem Sinne weiter in Richtung Kladow. Hier bildet die Havel einen großen See und man fährt in einiger Höhe dahin. Leider ergeben sich wieder nur wenige Aussichtspunkte, denn die respektablen Anwesen besetzen die Hänge am Ufer. So passiert man anscheinend die Pfaueninsel ohne sie recht zu sehen. Gut zu sehen ist dagegen das Wannseebad mit Strand und der Grunewaldturm. Mittlerweile säumen hübsche Kleingartenanlagen den Weg. In Alt Gatow stolpern wir über ein italienisches Restaurant namens Castelli Romani. Da kann man schön sitzen und sich der Spaghettis erfreuen.

Nun ist es schon früher Nachmittag, als man die Scharfe Lanke und Spandau erreicht. Besuch der Zitadelle oder nicht? Während wir noch rätseln, kommt und ein beredter Herr zu Hilfe und entscheidet, wie wir weiter zu fahren hätten. Entlang der Neuendorfer Straße komme man direkt zur Fähre nach Tegelort. Leider geben auch unsere Kartenwerke nicht mehr Möglichkeiten her. Später verfügen wir über eine Karte, nach der man die ganze Zeit auch am Wasser hätte fahren können (Eiswerder, Nordhafen, Werderstr.). So begeben wir uns diesmal leider für einige Kilometer auf besagte Straße mit lebhaftem Verkehr und entsprechendem Lärmpegel. Man kann nur auf dem Bürgersteig oder Radweg, falls vorhanden, fahren. Als die Straße kein Ende zu nehmen scheint, ist doch der Abzweig zur Fähre erreicht. Die bringt uns nun nach Tegelort, von wo aus wir mit der Quartiersuche beginnen.

Es gibt einen hübschen Uferweg entlang der Havel. Eine Unterkunft ergibt sich dann erst in Alt Heiligensee mit dem Hotel Restaurant Danneberg am See. Dort werden wir gastfreundlich aufgenommen. Das Anwesen erstreckt sich bis an die Havel, wo sich ein Schiffsanleger befindet. Ein hübsches Plätzchen, zur Zeit ist allerdings touristisch gesehen nicht viel bzw. gar nichts los. Es wird uns aber mitgeteilt, dass an diesem Abend noch eine Schulabschlussfeier nebenan stattfinden würde. So ist es auch - aus unserer Sicht ein "Türkischer Abend", der sehr gepflegt und gesittet verläuft.

Ein Erkundungsgang offenbart, dass Alt Heiligensee, auf einer Landzunge gelegen, ein altes Angerdorf ist. Eingeschossige Häuser säumen den Dorfanger, sofern sie nicht durch modernere Bauten ersetzt sind. Wir sind lediglich auf der Suche nach einer Ansichtskarte für einen Geburtstagsglückwunsch, aber in den verfügbaren Geschäften wären sonderbarerweise eher Rasenmäher, diverse Baumaterialien, Gartenausstattung oder eine neue Küche leichter zu erstehen gewesen als eine simple Ansichtskarte. Ulrike versucht ihr Glück in die andere Richtung wo sich die Kirche befindet. Dort ist sie dann direkt in eine Hochzeitsgesellschaft hinein geraten.

Den Abend verbringen wir auf angenehmste Weise speisend im Pferdestall, das ist das zugehörige Restaurant in einem alten Gebäude. Und Heidi bekommt auch ihre Ansichtskarte samt Briefmarke - so einfach ist das! Bei einsetzender Dämmerung sind wir dann abschließend auf dem Bootssteg versammelt, es herrscht eine romantische Stimmung und einige Fledermäuse huschen am Abendhimmel herum. Facit des Tages: "Wir haben alles richtig gemacht!".

Di 15.7. Heiligensee - Bernau

Wieder geht es mit Sonnenschein los, also bester Laune. Wir radeln durch die Siedlungsgebiete von Heiligensee, bis wir schließlich irgendwo hinter der S-Bahnstrecke auf den berühmten Mauerradweg stoßen. Da geht es nun wieder in die grüne Lunge der Außenbezirke der Großstadt Berlin. Gerade haben wir wieder einmal eine Autobahn überquert (BAB Zbr. Hamburg, man glaubt gar nicht, wie laut es da zugeht), da rauscht auch von links oben etwas Ungewisses heran. Das ist ein Mountainbiker, der mit geschätzten 40 km/h und gefühlten 80 km/h durch unsere kleine Versammlung durch brettert. Und schon ist er wieder verschwunden...

Wir geraten nun nach Frohnau, wo sich ein Buddhisten Haus befindet. Da finden wir sogar hin. Dort geht es eine steile Treppe hinauf, also bleibt Heidi unten, denn die würde sonst nicht wieder hinunter gelangen, jedenfalls nicht aufrechten Ganges. Ulrike lässt sich sogar zu einem Besuch des Andachtsraumes überreden, dazu müssen aber die Schuhe ausgezogen werden. Ich mache derweil draußen ein paar Fotos. Ein freundlicher Herr bietet an, auch von mir ein Foto zu machen, doch ich winke ab: "Ich bin nicht so fotogen". Und das ist sicher nicht gelogen!

Als Ulrike mit verklärtem Gesichtsausdruck aus dem Andachtsraum zurück ist, geht es weiter über Hohen Neuendorf nach Birkenwerder. Hier befindet sich ein Naturschutzgebiet im Briesetal, dort soll es sogar Biber geben. Ein abgeknabberter Baumrest findet sich am Wegesrand, hoffentlich hat den nicht ein übereifriger menschlicher Naturliebhaber extra zurechtgeschnitzt.

Der Weg durch diese grüne Hölle ist etwas abenteuerlich, lässt sich aber doch einigermaßen fahren, wenn man weiß, dass das nicht den ganzen Tag so weiter geht. Schließlich sind wir in Zühlsdorf, von wo aus man auf der Landstraße schnell nach Wandlitz gelangt. Dieser Ort hat ja einen etwas anrüchigen Ruf, als sich zu DDR-Zeiten Honnecker und Co. sich dort eine bequeme Bleibe geschaffen und dem real existierenden Sozialismus ein Schnippchen geschlagen haben. Ansonsten entdeckt man dort nichts auffälliges. Eine Anwohnerin verrät uns einen Schleichpfad zum Seeufer des Wandlitzer Sees. Wir machen eine Rast, folgen aber nicht der Aufforderung eines Herrn, mit ihm zusammen ein kühles Bad zu nehmen. Als er wieder den Fluten entstiegen ist, erzählt er uns, dass dies nun für eine Zeit das letzte Bad gewesen sei, morgen müsse er auf den Operationstisch. Wir können ihm nur alles Gute wünschen.

Ein schöner Waldweg führt uns unweit des (unsichtbaren) Liepnitzer Sees zum Jägerheim Ützdorf. Dort gibt es Kaffee und Kuchen. Leider ist die Schwarzwälderkirschtorte ausgegangen, dafür gibt es Marzipantorte - nicht weniger lecker, Hauptsache süß! Am Nebentisch sitzt ein älteres Ehepaar über ihre Reiseunterlagen gebeugt. Die sehen wir dann später in einen Waldweg einbiegend, aber heute werden wir sie noch einmal treffen.

Über Lanke umfahren wir nun den (unsichtbaren) Hellsee und erreichen nach allerdings etwas mühevoller Fahrt durch den Wald die Siedlung Lobetal. Dieser Ort geht auf Friedrich von Bodelschwingh zurück und es befinden sich dort wohl eine Anzahl von sozialen Einrichtungen und Behindertenheime. Es gibt von hier eine sog. Fahrradstraße direkt nach Bernau, die zugehörige Route nennt sich Eiszeittour. Diese nördlich von Bernau und "birgt alle Elemente in sich, die das von den Gletschern der letzten Eiszeit und den folgenden Schmelzwässern geprägte Barnimer Land zu bieten hat" - so ist zu lesen.

In Bernau angekommen werden wir von der Touristeninformation gleich um die Ecke angemeldet und sind entzückt über den Namen der Restauration: Hotel und Gasthof "Zum Zicken Schulze". Gleich nach uns trifft das ältere Ehepaar von heute Nachmittag ein, etwas geschafft von einem ähnlich abenteuerlichen Waldweg. Sie haben wohl eine Berlinumrundung mit Gepäcktransfer gebucht.

Nach dem Abendessen wird ein Rundgang durch Bernau gemacht und die einzelnen Sehenswürdigkeiten abgeklappert. Als da sind Steintor mit Hungerturm, St. Marien Kirche, Henkerhaus, ehem. Herberge "Schwarzer Adler", ein Gasbehälter genannt "Blaues Wunder" u.a.m. Leider hat man zu DDR-Zeiten einiges der alten Bausubstanz durch Plattenbauten ersetzt. Inzwischen hat man mit einigem Erfolg versucht, Modernes mit Altem harmonisch zu kombinieren.

Mit dem Namen Bernau werden auch Erinnerungen geweckt an die Bernauer Straße in Berlin. Dort hatten sich nach dem Mauerbau im Jahre 1961 dramatische Fluchtereignisse abgespielt und seit 1963 befindet sich dort die Gedenkstätte Berliner Mauer.

Für heute beschließen wir den Abend im Freien sitzend und das eine oder andere Bier findet den ihm zugedachten Weg. "Wieder alles richtig gemacht!".

Mi 16.7. Bernau - Buckow

Von Bernau in Richtung Osten gibt es keine eigentliche Radroute und man kann bei angenehmem Rückenwind auf ruhigen Landstraßen fahren. Schöne urige Dörfer wie Börnicke, Willmersdorf oder Werneuchen werden passiert. In Willmersdorf läßt sich eine Kirche mit zwei Türmen fotografieren. Weiter geht es über Wegendorf und Buchholz und dann auf einem unbequemen
sandigem Weg nach Spitzmühle, das liegt zwischen Fänger- und Bötzsee. Auch hier sind die Seeufer entlang der Straße durchgehend bebaut, Rainer schäumt vor Wut. An einem Seitenweg finden wir dann schließlich einen Rastplatz am Seeufer. Nach Strausberg geht es danach auf einem gut asphaltiertem Weg weiter.

Auch in Strausberg dauert es eine Weile bis wir den Weg am Straussee finden und im Zentrum an der Marienkirche rauskommen. Nun ist es Mittagszeit und das Restaurant & Tagungszentrum "Am Fischerkietz" ist angesagt. Da machen wir nun eine "Tagung". Auf der Aussichtsterrasse sitzt man hoch über dem See und hat einen weiten Blick. Am gegenüber liegenden Ufer sind einige hölzerne Fischerhütten auszumachen, Haubentaucher und Kormorane tummeln sich. Leider wird der Himmel immer grauer. Rainers eierlegender Wollmilchsau Vielzweckcomputer kommt nun mal wieder zum Einsatz, und da ist lt. Satellit eine schöne Regenfront im Anzug. Als einige Windböen aufkommen und die ersten Regentropfen vor sich her jagen, verziehen wir uns in das Innere des Restaurants.

Schließlich entschließen wir uns aber doch, den Weg fortzusetzen. Und siehe da, es regnet ja noch gar nicht. Aber die an sich schöne Straße nach Garzau ist doch mit mehr Verkehr gesegnet, als zu erwarten war. Dafür erwartet uns dort der berühmte Europa Radfernweg R1 (Calais - Petersburg).  Mit der Strecke hat man sich einige Mühe gegeben, die Route ist in diesem Abschnitt vorbildlich angelegt und beschildert. So nach und nach beginnt es nun doch zu regnen. Nach einem Schlenker über Waldsieversdorf erreichen wir endlich entlang einer Museumsbahnstrecke das heutige Ziel Buckow (Märkische Schweiz). Dieser Ort ist herrlich gelegen, umgeben von Anhöhen und mit einigen Seen gesegnet, der größere heißt Schermützelsee. Bei dem inzwischen starken Regen haben wir nicht so viel davon. Aber ein Quartier findet sich mit Hilfe der freundlichen Unterstützung im Touristenbüro sogleich bei dem Restaurant & Pension "Strandcafe". Etwas durchnässt und verfroren ist eine wärmende Bettdecke dann durchaus nicht das Schlechteste.

Mit dem Abendessen werden wir bestens bedient. Was mich betrifft, gab es eine große Forelle, die anderen Gerichte der Mitstreiter habe ich nicht mehr im Gedächtnis. Nun kommt das nette Sevierfräulein - die ist inzwischen auch aufgetaut - mit einem eigentümlichen Anliegen an unseren Tisch. Man suche nach einem Rezept für ein altertümliches Nachtischgericht, aus der Zille Zeit oder so? Unsere beiden kompetenten Damen kramen in ihrem Gedächtnis oder in Erinnerungen an Rezepte aus den Intelligenzzeitungen. Aber außer "Arme Ritter" oder "Rote Grütze" ist da nicht viel mehr bei rausgekommen. Ja, das Rezept brauche jemand für ein Gastronomie-Examen, vielen Dank!

Heidi und ich machen sich mit einem ausgeborgten Regenschirm noch auf zu einem Spaziergang zum Brecht-Weigel-Haus. Hier haben dereinst Bertolt Brecht und Helene Weigel nicht schlecht gewohnt und gedichtet, heute ist das wohl ein Literatur- und Kulturzentrum oder sowas.

Nachdem der Regen aufgehört hat, können wir unter einem Sonnenschirm, der die nachtropfenden Plops von den Bäumen darüber auffängt, noch ein wenig draußen sitzen. Die immer bemerkenswerter nette Bedienung erzählt uns sogar offenherzig einiges über ihr Leben und ihre Katzen. Aber sonst sei in Buckow nicht viel los für junge Leute. Bei schönem Wetter sei allerdings immer recht viel Betrieb rings herum, und so mag das Hotel/Restaurant dann auch auf seine Kosten kommen.

Für uns war das heute eher ein Herbst- als ein Sommertag. Aber die Regenfront ist inzwischen durchgezogen.

Do 17.7. Buckow - Köpenick

Heute morgen herrscht der schönste Sonnenschein. Beim Frühstück überrascht Rainer uns mit der Nachricht, dass er in aller Frühe ein Bad im Schermützelsee genommen habe. Da kriegt man ja fast eine Gänsehaut beim Zuhören. Nein, es sei ganz toll gewesen! Wir checken out und lassen dem netten Frollein von gestern abend noch liebe Grüße ausrichten.

Wegen der Sonne werden noch einige Fotos angefertigt, Schlosspark, ein Mühlrad, die Kirche. Dann geht es auf den Weg zum Roten Luch, wo ein Bach namens Stobber die Gegend ent- oder bewässert. Nur beginnt der Weg dort gleich zu Anfang dermaßen sandig, dass wir uns keiner weiteren Tortur unterziehen möchten. Dann bleibt man doch lieber auf dem R1 von gestern und dafür ein paar Kilometer auf der gleichen Route zurück bis Garzau und Rehfelde. In Garzau gibt es was zu sehen, und das ist eine Feldsteinpyramide. Ulrike und Rainer begeben sich auch auf einem Feldweg dorthin, wir anderen zwei stromern auf einer Wiese herum und bewundern alte Ackergeräte. Hier gibt es auch ein Schloss, an dem und den umgebenden Gebäuden arbeitet man noch.

Von Rehfelde geht es mit etwas Gegenwind nach Süden. In Zinndorf müssen wir aprupt stoppen, weil zwei Störche auf dem Dach des Kirchturms sich gerade ihrer Toilette widmen - wie auch immer. Es geht weiter nach Süden bis nach Kagel, wo wieder eine Rast fällig ist. Die nahe Kirche sieht nicht so interessant aus, es ist aber zu lesen, dass sie im "Schinkelschen Rundbogenstil" errichtet sei. Damit ist auch dem Namen Schinkel einmal Genüge getan. Die weiterführende Straße ist offiziell gesperrt, aber "Zufahrt bis zur Brücke frei". Das wird also wieder einmal spannend. Nun hat man hier ein Einsehen mit den nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern gehabt und eine provisorische Rampe bereitgestellt an Stelle der sich noch im Bau befindlichen Betonbrücke.

Kurz darauf scheiden sich die Geister, weil Rainer eine Strecke ausgeguckt hat, die auf der Karte nicht so vertrauenerweckend aussieht. Also werden die Handies eingeschaltet und ein Treffpunkt vereinbart, weil wir anderen lieber dem R1 folgen. So geraten wir auf bequeme Weise zu dem Ort Alt Buchhorst, wo Rainer wenig später nach einer Route über Neu Finkenstein auch eintrifft. Nun fahren wir wieder gemeinsam am Peetzsee entlang und genießen den einen oder anderen Aussichtspunkt. Schließlich gelangen wir nach Erkner. Weil wir uns nun schon an den komfortablen und gut ausgeschilderten Radweg R1 gewöhnt haben, schlägt Rainer vor, einen Abstecher über eine kleine Brücke weiter nördlich zu machen. "Gerne" folgen wir ihm auf hoppeligen Straßen, bis wir tatsächlich vor der Brücke stehen. Das ist nun leider im eigentlichen Sinne keine Brücke mehr, weil man wohl die morschen Planken entfernen musste. Deswegen ist sie wohl auch gesperrt. Ein Individuum kommt des Weges und erklärt, dass die Brücke bereits seit zwei Jahren außer Betrieb sei, "man habe ja keen Geld für sowat". Immerhin finden wir eine neu errichtete Brücke zurück in die Zivilisation, nur muss man die Räder samt Gepäck eine steile Treppe hinauf hieven. Doch bald danach haben wir den R1 wieder bzw. er uns.

Leider geht es eine Weile auf der belebten Állee Berliner Str. dahin, bis man endlich links nach Hessenwinkel abbiegen kann. Unweit aber unsichtbar verbirgt sich der Dämeritzsee. Doch eine Brücke über die Müggelspree wird erreicht, dort sieht es wirklich ein wenig so aus wie im Spreewald. Die Teichmummeln blühen und ein Kanu gleitet unter uns durch. Dann geht es eine ganze Weile durch den Wald auf vorbildlich asphaltierter Strecke. Aber ehe man den Kleinen Müggelsee ganz verpasst, folgen wir einem Hinweis auf das Hotel Restaurant Neu Helgoland, der uns an das Ufer dieses Sees führt. Aber nun bekommen wir endlich unsere Schwarzwälderkirschtorte. Wie es zu dem Namen Neu Helgoland gekommen ist, lässt sich nicht ermitteln, sonst heißen Restaurants in dieser Lage meistens Seeblick, Strandperle oder ähnlich phantasiereich.

Auch den Großen Müggelsee entdecken wir erst auf halber Höhe und genießen die Aussicht von einem Bootssteg aus. Es ist nun nicht mehr weit nach Köpenick. Als wir das Hotel Alter Markt erreichen, haben wir für heute über 60 km hinter uns und damit die längste Etappe. Für das Abendessen begeben wir uns in das Restaurant Luise, wo man eine schönen Blick auf die Dahme und das gegenüberliegende Ufer hat. Mit dem Essen sind wir nur teilweise zufrieden, mit dem Dunkelbier Staropramen schon eher. Es folgt eine Exkursion zur Schlossinsel, wo es auch allerhand historisches zu erkunden gilt, z.B. die Kunde über eine Riesenagave, die hier im Jahre 1712 zum Blühen gekommen ist und der man als "Wunderaloe" eine Schautafel gewidmet hat.

Für den Rest des Abends haben wir wohl die urigste Kneipe der Szene erwischt, die heißt Zur Gardestube in der Rosenstraße gleich neben dem Rathaus, wo der Hauptmann von Köpenick sein Heldenstück aufgeführt hat. In diesem Sinne ist das Lokal gestaltet, eine Unzahl von Bilddokumenten aus alter Zeit sind zusammen getragen worden, eine lebensgroße Figur eines Gardesoldaten ziert den Raum usw. Der Herr Wirt erzählt uns so manches über die Entstehung, Einrichtung und heutigen Werdegang seines Restaurants. Wer mehr wissen will, sollte sich selbst zu einem Besuch dort entschließen. Das kleinste Museum von Köpenick wird es auch genannt.

Zum Hauptmann von Köpenick alias Wilhelm Voigt gibt es nun noch eine Geschichte in eigener Sache. In Heidis Familie wird heute noch erzählt, dass ein gewisser Urgroßvater Bürgermeister in dem Ort Wronke gewesen sei und den Hauptmann von Köpenick verhaftet habe. Das stimmt, wie man es der Biografie des Wilhelm Voigt entnehmen kann. Nur fällt diese Verhaftung in eine frühere Zeit zurück, als jener sich auf Wanderschaft befand. Da ist er einmal frühmorgens auf eine Hochzeitsgesellschaft gestoßen, die in der freien Natur vor dem Ort Wronke eine Nacht durchgefeiert hatte. Die Musikanten hatten gerade ihr Musizieren beendet und die Musikinstrumente an einem Zaun abgestellt. Unser Held der Geschichte und womöglich noch einige Kumpane, die haben sich sodann die Musikinstrumente gegriffen und sind fröhlich musizierend in das Dorf einmarschiert. Vielleicht hat es nicht ganz so gut geklungen, denn die armen Burschen wurden sogleich des Diebstahls bezichtigt, verhaftet und verurteilt. Nun hatte jener Wilhelm Voigt noch ganz andere Dinger gedreht - wie man lesen kann. Aber der Bürgermeister von Wronke - der hat auch seine Rolle gespielt. Zu dessen Pensionierung existiert in unserer Familie noch eine Verdiensturkunde, unterzeichnet von Kaiser Wilhelm I.

Fr 18.7. Köpenick - Potsdam

Mit den Wegen nach Potsdam verhält es sich wie mit den Wegen nach Rom, viele führen dort hin. Zunächst statten wir noch der Touristeninformation in Köpenick einen Besuch ab, wo wir endlich eine Karte über "Grüne Wege" in und um Berlin erstehen können. Diese werden wir heute gut brauchen können. Auch der Mauerradweg ist bereits per Bikeline dokumentiert.

Wir fahren zunächst auf der östlichen Seite der Dahme in Richtung Süden, um eine spezielle Fähre zu erreichen. Diese bringt uns über die Dahme nach Grünau. Aha, dort ist Rainers Bruder aufgewachsen, deshalb also. Ein Elternhaus oder sowas müssen wir aber nicht noch suchen. Doch dieser Ort ist für die Weiterfahrt ganz gut geeignet, weil man schnell den Teltowkanal erreicht, an dem man nun schön entlang radeln kann. Bald versperrt jedoch eine Baustelle den Weg und man muss über einen Schlenker diese Geschichte umfahren. Man baut hier an einer Autobahn, dadurch ist der Mauerradweg, der sich an dieser Stelle auch anbieten würde, nur schwer zu erreichen. Nach der Karte fahren wir parallel zum Teltowkanal auf der Kanal Str. durch Industriegelände.

Schließlich ist das überstanden und es geht wieder schön am Kanal dahin. Leider auch nur bis Tempelhof, da ist eine Umgehung über die Ordensmeister Str. angesagt. Dann geht es ohne Unterbrechung in grüner Umgebung immer am Kanal weiter. Am Schloss Lichterfelde legen wir eine schöne Rast ein. Bald danach stößt man wieder auf den Mauerradweg, der auch eine Weile durch amphibisches Gelände dem Kanal folgt und dann nach Norden abbiegt. Also machen wir das auch. Mit Erfolg, denn an der Neuruppiner Str. befindet sich ein nettes Imbissrestaurant, das kommt uns gerade recht.

Wenig später erreicht man einen schnurgeraden Weg durch den Wald in Richtung Babelsberg. Das mögen 5 km ohne jede Wegbiegung sein. Einmal überqueren wir die Autobahn, genau dort befand sich zu DDR-Zeiten der Kontrollpunkt Dreilinden. Den braucht man nun nicht mehr, stattdessen gibt es Dokumentations- und Gedenktafeln, damit man das alles nicht vergisst. Ab Kohlhasenbrück hat man Babelsberg und den Griebnitzsee erreicht. An diesem führt ein wunderschöner Weg entlang, aber damit hat es so seine Bewandnis. Etliche der Nobelgrundstücke reichen nämlich bis an das Seeufer hinab und man wird durch Schilder darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um Privatgelände handele. Einer Schautafel ist auch zu entnehmen, dass noch einige erbitterte Rechtsstreitigkeiten im Gange sind.

Hier ligen auch die Truman Villa, an der wir auch vorbei fahren, sowie die Stalin- und Churchill Villa. die haben wir wohl übersehen. Hier waren jene Herren einquartiert, als sie im August 1945 im Schloss Cäcilienhof das Potsdamer Abkommen aushandelten. Wir hatten auch mit dem Gedanken gespielt, das letzte Quartier im Schloss Cäcilienhof zu nehmen, aber da gibt es unter 160 € kein Zimmer, also auch keine Potsdamer Konferenz in eigener Sache. Wir haben mittlerweile das Ende des Griebnitzsees erreicht und fahren über eine Brücke zur Waldmüllerstraße. Dort stehen einige russisch anmutende Holzhäuser. Nun ergibt sich die Gelegenheit, sich wieder einmal auf Agentenspuren zu bewegen, indem man die sagenumwobene Glienicker Brücke überquert. Für uns gilt dagegen, dass wir hiermit den Kreis um Berlin geschlossen haben, denn gegenüber befindet sich der Ort Sacrow, wo wir ein paar Tage zuvor unseren Spaß mit den Leuten von "Wege zum Glück" hatten. Auch für eine Radtour wäre so ein Titel nicht schlecht: Wege zum Glück!

Aber wir sind in dem verkehrsreichen Potsdam angelangt, wo es die fast schnurgerade Berliner Straße in Richtung Zentrum entlang geht. Nach einigem Hin und Her finden wir die Touristen Information in der Nähe des Brandenburger Tors, nicht zu verwechseln mit dem berühmten anderen in Berlin Mitte und Unter den Linden und so. Dafür haben die dort in Berlin Mitte einen Potsdamer Platz zum Ausgleich und der ist wohl inzwischen wohlgeraten - als Kommerzzentrum.

Heute ist Freitag und das Wochenende beginnt. Also sind die Quartiere nicht gerade zum Aussuchen. Wir werden in Richtung Potsdam West eingewiesen, wo sich ein  art'otel potsdam, Zeppelinstraße 136 befindet. Das ist nicht ganz so preiswert, aber wir spendieren uns damit ja auch unsere letzte Übernachtung. Immerhin gibt es eine schöne Route entlang der Neustädter Havelbucht dorthin. Vorbei an einem Gebäude, das aussieht wie eine Moschee, sich aber als Dampfmaschinenhaus ausweist, biegen wir ab ins Grüne und fahren im Zickzack Auf dem Kiewitt herum - so heißt das hier. Ein Wunder, dass das "Otel" zu finden ist, und zwar in einem Gelände um den Persiusspeicher herum, schön gelegen mit Havelblick. Was es mit dem Speicher auf sich hat ist uns, ahnungslos wie man ist ein Rätsel. Aber, wie nachzulesen ist, handelt es sich um das letzte Filetstück der Potsdamer Speicherstadt.

Dagegen ist das art'otel ultramodern und verheißt laut Stadtprospekt hochkarätige Kunst oder anspruchsvolles Design. Das begeistert uns nun nicht so sehr, weil keine Unterstellmöglichkeit für die Fahrräder besteht. Die müssen dann heute Nacht im Regen stehen, wie man sehen wird. Die Zimmer sind natürlich picobello, was einem nicht viel nutzt, wenn man Hunger hat. Das Hotelrestaurant Aqua ist für uns eine Kategorie zu teuer. Gleich gegenüber an der Zeppelinstraße ist aber das Steak-Restaurant Canavaro, das mit mediteranischen Spezialitäten lockt. Da sind Rumpsteak, Grillteller oder meine ersehnte Pizza Frutti Mare, für 6 € übrigens, eine Delikatesse.

Dermaßen gestärkt wandern wir nun sogar noch zurück zum Brandenburger Tor und Luisenplatz und finden auch dort ein schönes Restaurant, das heißt Restorante Contadino und bietet u.a. kubanische Küche. Für uns reichen für heute ein paar Bierchen. Wir vergucken uns fast schon in eine kleine grazile vermeintliche Kubanerin, doch es stellt sich heraus, dass sie aus Togo stammt, perfekt deutsch spricht und sich auf ein Studium vorbereitet. Zum Abschluss dieses Besuchs werden wir noch mit einem Feuerwerk überrascht, dass irgendwo am Horizont kunstvoll abgefackelt wird. Das sei ein jährlich stattfindender  Wettbewerb erfahrener Feuerwerker, wird uns von einer Dame mitgeteilt. Sie sei absoluter Potsdam-Fan, verrät sie.

Wir aber müssen uns auf den Rückweg machen, und erreichen gerade noch vor einem sintflutartigen Regen die Oase Palazzo Di Persius, wo es ein Abschlussbier gibt und wir anschließend nur über ein paar Meter zum Hotel hinüber huschen können. Und unsere armen Fahrräder stehen derweil ungeschützt im Regen.

Sa 10.7. Heimfahrt

Gerne hätte man die Fahrt noch weiter fortgesetzt oder sich in Potsdam näher umgeschaut. Nun, vieles kennt man schon von früher, wie z.B. den Park von Sanssouci. Interessant ist für heute der Potsdamer Hbf., wo wir als erstes wieder ein preisgünstiges Wochenendticket für die Rückfahrt zu erwerben gedenken. Nun dürfen wir ein letztes Mal eine Fähre in Anspruch nehmen, die uns hinüber nach Hermannswerder bringt. Dann sind wir bald am Bahnhof und erledigen die Formalitäten. Auf dem Programm steht noch ein Besuch des Babelsberger Filmmuseums. Aber das vereitelt eine heraufziehende Regenfront, die wir auf Rainers Allzweckcomputer auch genau erkennen können, ein Blick zum Himmel ergibt das gleiche Ergebnis. An der Humboldt Brücke beschließen wir, reumütig zum Bahnhof zurückzukehren und damit ist diese Umrundung der Stadt Berlin beendet. Über die Rückfahrt muss nicht detailliert berichtet werden.

Zu Hause angekommen, holen wir am nächsten Tag unseren Hund Otto wieder aus seiner Pension bzw. dem Zwinger im Keller ab. Da er dort bei schmaler Kost gehalten wird, ist er zwar wie immer wieder einmal rank und schlank geworden. Nun scheint er so ausgehungert zu sein, dass er - wieder zu Hause - in einem verschwiegenen Moment Teile einer Sandale weg geknabbert hat, mit der die Tour absolviert wurde. Das gleiche Schicksal erleiden ein paar Socken, auf denen stand: 100 Mildes away from Home. Vielleicht war das auch nur Rache! Unsere Enkelin Pauline hat nun auch noch den rechten Spruch für uns: "Wart ihr im Urlaub auch im Käfig?".

Nein, waren wir nicht, falls jemand das alles bislang geschilderte gelesen haben sollte! Aber ganz unrecht hat sie nicht, war nicht Berlin - ob Ost oder West nicht auch einmal ein Käfig - wenn auch ein großer?