Gut ausgeruht nach dem wohlverbrachten Abend und einem guten Frühstück starte ich um 8 Uhr. Es geht weiter aufwärts im Tal di Sole, die Sonne scheint auch, aber es ist abzusehen, dass es sich im Laufe des Vormittags wieder zuziehen wird. Ich passiere malerische Orte, links liegt die Brentagruppe, rechts der Cevedale, den ich auch gern einmal sehen würde, weil ich den vor vielen Jahren einmal auf Skiern bestiegen habe. Der ist aber vom Tal aus nicht zu erblicken. Bis zum Tonale Pass sind es 30 km es geht auf 1800 m hinauf, das merke ich aber erst, als ich oben bin, ich hatte immer mit 1600 m gerechnet. Mittags bin ich oben und Regen empfängt mich. Es liegt hier auch nur ein gottverlassener Skiort mit hässlichen Häusern. Auf einer Bank unter einem Vordach raste ich und warte den Regen ab. Warm angezogen mache ich mich an die Abfahrt.
Es geht hinunter nach Ponte di Negro auf 1258 m,
wo wieder die Sonne scheint. Weiter 20 km das Tal hinunter, kaum muss
getreten werden. Am Fuss des Tals liegt Edolo, 700 m hoch und wieder
ein sehr malerischer Ort.
Nun merkt man den Klimawechsel, hier ist es sommerlich warm. Wieder
geht es nun aufwärts durch das Val di Corteno, die Strasse ist sehr
verwegen angelegt und die Autos hupen vor jeder Kurve. Einmal treffe
ich auf eine Felspartie, die über und über mit Polsterwurz überwachsen
ist, zum Teil in Blüte. Das ist etwas für einen Steingartenfreund. Ich
überlege schon, ob ich ein paar Pflanzen vereinnahme, aber ich möchte
der Natur nichts wegnehmen und bezweifle, dass die Pflanzen den
Transport überstehen. Vielleicht ergibt sich später noch eine
Gelegenheit, aber wie sich gezeigt hat, war dies wirklich die einzige
Polsterkolonie.
Edolo
Vor 16 Uhr möchte ich den Ort Aprica auf 1175 m Höhe erreichen, weil ich wieder eine Bank zwecks Geldaufnahme aufsuchen muss. So fahre ich zügig das schöne Tal bei grosser Wärme und reichlich Sonne hinauf und erreiche den Ort auch rechtzeitig. Hier gibt es zwei Bankinstitute, aber die sind beide geschlossen, weil man sich auch hier wohl nur an der Saison orientiert. Wenigstens habe ich jetzt Zeit und benutze stattdessen eine Sitzbank für eine Rast. Es steht mir nun eine lange Abfahrt hinab in das Addatal mit 375 m Höhe bevor. Es öffnet sich wieder ein atemberaubender Blick hinunter auf die lombardische Tallandschaft, gesäumt von Weinbergen mit romantischen Ortschaften. In weniger als 30 Minuten ist man nun die 18 km mit 800 m Hºhenunterschied hinuntergerauscht. Solange der Fahrtwind wehte, habe ich nur die warme Luft gespürt, aber als ich unten anhalte, merke ich, dass hier eine drückende Hitze herrscht. Auch die Vegetation ist hier mediteran, verglichen mit den vergangenen Etappen ein totaler Klimawechsel. Mein Ziel ist Sondrio, das sind noch 15 km, die leicht bergab führen und mit Rückenwind gefahren werden kºnnen. Das geht zwar ganz flott, aber ein wieder penetranter Verkehr verleidet einem die Sache, von der Sonne, die einem mitten im Gesicht zu stehen scheint, gar nicht zu reden.
Endlich bin ich gegen 17.30 Uhr in Sondrio, wo ich nur mit Mühe ein Quartier in einer Klitsche, dafür aber billig (25 DM) bekomme. Wenigstens kann ich duschen und meine Sachen neu sortieren. Dann gehe ich nochmal in den Ort, die alten Ortsteile sind fast mittelalterlich. Im Ortszentrum aber spielt sich ein mörderischer Feierabend- und Freizeitverkehr ab, das tut weder der Luft noch den Ohren gut. Die motorisierten Italiener fahren wie die Wilden, immer um den nächsten Block oder um den Marktplatz herum, nur weil's Spass macht. Am Abend sind hier noch 25 Grad, da merkt man erst, dass ja eigentlich Sommer sein sollte.
Wie zu erwarten, beginnt der Tag mit
Schwierigkeiten, weil das "Hotel" bis kurz vor 9 Uhr in tiefem Schlaf
liegt. So komme ich nicht weg, kann aber meine Bankgeschäfte auch nicht
erledigen, weil der Reisepass noch konfisziert ist. Es bleibt mir nur
die Möglichkeit, die letzten hundert DM, die ich in bar dabei habe, in
Lire umzutauschen. Um 9 Uhr zeigen sich ein paar verschlafene Gestalten
und nach Begleichen der Rechnung fahre ich wieder ohne Frühstück los.
Zum Glück gibt es eine sehr ruhige Nebenstrasse links der Adda, wo so
gut wie kein Verkehr ist.
Bis kurz vor Morbegno kann man so verkehrsberuhigt fahren, dann geht es
wieder ein paar km auf die Hauptstrasse, in Morbegno zweigt nördlich
dann wieder eine Nebenstrecke ab. Der Comer See wird an seinem Nordende
erreicht, die Landschaft ist sehr reizvoll, hier der See und da die
bizarren Bergformationen, die das Talbecken umgeben.
Alte Brücke bei Morbegno
Nun geht es eine schöne Uferstrecke am Westufer des Comer Sees entlang, eine Menge Tunnels sind zu durchfahren. Der typisch oberitalienische Südwind weht einem zwar entgegen, aber stört nicht sonderlich, die Hitze wird so weniger spürbar. Gegen 14.30 Uhr bin ich in Menaggio, wo der Comer See Richtung Lugano verlassen wird.
Ein älteres Ehepaar aus England macht an der Seepromenade grosse Umstände mit dem Fotografieren, da darf ich dann gleich auch noch von mir ein Foto machen lassen.
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Hier gibt es auch wieder eine Menge Tunnels, den
ersten kann ich sogar auf der alten Landstrasse umfahren. Später habe
ich einmal Pech mit einer Ortsdurchfahrt, die zwar für Fussgänger und
Fahrräder ausgeschildert ist, aber ich lande vor einer Kirche, Auge in
Auge vor einem russisch aussehenden Ordensbruder, der Ikonen verkauft.
Von dort geht es nur über Treppen weiter und ich bin völlig falsch
beraten. Also den Weg wieder zurück und nun hinein nach Lugano.
Die Banken sind auch schon wieder geschlossen und ich kann mir kein
Geld besorgen. So muss ich ohne ein Fränkli in der Tasche die 30 km
durch die Schweiz bummeln, denn später wird es wieder nach Italien
zurückgehen. In Lugano mache ich Rast am See und geniesse die Aussicht.
Nun geht es wieder in den dicksten Verkehr, denn es herrscht
Feierabendverkehr, der sich aus Lugano rausquält. Richtung Ponte Tresa,
wo wieder eine Nebenstrecke rechts abbiegt. Der Verkehr ist inzwischen
zum Erliegen gekommen, ich kann hunderte von Autos auf dem
Seitenstreifen oder schliesslich auf der linken Fahrspur hinter mir
lassen. Die Luft ist natürlich furchtbar.
Luganer See
In Ponte Tresa verlasse ich die Hauptstrasse und mache mich an das letzte Stück der Tagesetappe. Bis zum Grenzübergang nach Italien muss man noch einmal ganz schºn hinauf, dafür kann ich den Rest nach Luino hinunterrauschen. Gegen 18.30 bin ich in Luino, wo viele Baustellen dem Ort die Atmosphäre nehmen. Auch herrscht hier wieder der schon bekannte Feierabend-Kreisverkehr. Ich steige lieber vom Fahrrad und schaue nach einem Hotel aus, dann sehe ich auch durch Zufall schon das "Elvezia", wo es um die 40 DM ein Zimmer gibt. Das ist sogar sehr schºn, mit Dusche usw., auf dem Hof, wo ich das Fahhrad abstelle, steht eine Palme. Erstmal entspannen, duschen, und abends nochmal an den See. Hier ist das Ziel der Tour erreicht, denn nun muss ich mich Richtung Schweiz orientieren, um dann von Basel zurückfahren zu können. Ich betrachte mir den Sonnenuntergang über dem See und fühle mich sehr zufrieden. Dann gehe ich noch essen und lasse dort prompt den Pullover liegen. Am nächsten Morgen finde ich nur mit Mühe das Lokal in dem Getümmel wieder. Dort wird mir der Pullover sofort ausgehändigt.
Erstmal stehe ich nicht so früh auf nach den
Erfahrungen des letzten Morgens in Sondrio. Hier werde ich allerdings
gleich abgefertigt, aber ein Frühstück gibt es auch nicht. In Luino
wird ein riesiger Markt aufgebaut. Ich sehe mich zuerst nach einer
Schiffsverbindung zum andere Ufer um, doch da habe ich Pech. Ich bin
eine halbe Stunde zu spät, die nächste Partie fährt erst in über zwei
Stunden. So ganz werde ich aus dem Fahrplan nicht schlau, da ist mir
das zu unsicher, zwei Stunden nur rumzusitzen. Warten kann ich sowieso
nicht, es gibt ja auch Schlimmeres, als mit dem Fahrrad um den Lago
Maggiore herumzufahren. Es bedeutet zwar 30 km Umweg um das Nordende
des Sees nach Locarno, aber natürlich ist die Strecke ein Genuss.
Leider ist es sehr dunstig. Als ich die Schweizer Grenze überquere,
besorge ich mir gleich die nötigen Franken, die ich wenig später schon
gut gebrauchen kann. Kurz nach der Grenze komme ich gleichzeitig in
einem Ort mit einem Schiff an, das nach Locarno fährt, da kann ich mir
den Rest der Strecke schenken. Hocherfreut nehme ich auf dem Schiff
Platz und geniesse nun doch noch meine Seepartie. Nach einer halben
Stunde ist man in Ascona, wo ich wieder aussteige.
In Ascona ist es angenehm ruhig, hier hat man den Verkehr
herausgehalten. Wieder eine schöne Rast mit Abschied vom Lago Maggiore,
dann wieder ab in die Berge durch das Centovalli, einem verwegenen Tal.
Hier führt auch eine Eisenbahnstrecke hinauf, deren Strecke noch
abenteuerlicher ist.
Lago Maggiore in Ascona
Mitten im schönsten Hinaufkämpfen kommt eine Ampel, die nur
halbstündlich grün zeigt. Das liegt daran, dass die Hauptstrecke
gesperrt ist, stattdessen geht es einspurig über so ein 200 m höher
gelegenes Schwalbennest als Umleitung. Wieder eine Stunde Kampf,
glücklicherweise verliert man beim Hinunterfahren nicht allzuviel Höhe.
Es geht nun auch ganz romantisch weiter mit schönen Schluchten und
kühnen Brückenkonstruktionen. Als die Höhe der Schlucht erreicht ist,
mache ich endlich Pause in Erwartung der nun folgenden Abfahrt.
Eisenbahnbrücke im Centovalli
Aber diesmal habe ich mich geschnitten, es geht
noch 15 km weiter rauf, zwar nicht so steil aber es macht irgendwie
keinen Spass mehr. Erst so ganz langsam kommt der Übergang des einen
Tals in das nächste. Eine Abwechslung ergibt sich noch, als eine
riesige Kuppelkathedrale auftaucht, die hier völlig deplaziert
erscheint. Der Ort heisst Re.
Hinter Malesco folgt noch eine elend lange Geradeausstrecke mit
leichter Steigung, die scheint kein Ende zu nehmen. Hier hat man dann
an die 800 m Hºhe erreicht, aber nun geht es für die nächsten 20 km
doch bergab. Eine Schlucht wird auch bei der Abfahrt durchfahren, aber
die fliegt nur so an einem vorbei. Dieses Tal heisst Val Vigezzo.
Kirchen in Re
Dann ist man wieder unten auf 300 m Höhe, über Masera finde ich
Anschluss an die Simplonstrecke, eine Europastrasse, die entsprechend
ausgebaut ist. Der Verkehr ist ganz schwach, da kann ich es mir mal
leisten, eine solche Trasse zu benutzen. Plötzlich stehe ich vor einem
Tunnel, 2200 m lang, der einen Bergzug unterquert. Mit etwas mulmigem
Gefühl fahre ich da rein. Ich habe etwas Bedenken wegen der Luft, denn
es sieht ziemlich dunstig aus. An der Tunneldecke hängen aber grosse
Gebläse, ausserdem fahren die Motorradfahrer ja auch in der freien
Luft, bloss die sind schneller durch. Als ich wieder die Sonne erblicke
mache ich erstmal wieder Pause gegenüber von einem Steinbruch.
Felsnase vor Masera
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Gonso Schlucht |
Vom Grenzübergang in Gondo sind immer noch 500 Höhenmeter bis Simplon - Dorf zu überwinden. Solange es durch die Schlucht geht verkürzen einem immer wieder neue Aussichten die Zeit. Nach der Schlucht ist es dann nicht mehr weit, von dem Ort Gabi führen wenige Kehren hinauf und über eine Rampe erreicht man die Abzweigung nach Simplon. Gegen 19.30 Uhr, also nach 4 Stunden Aufstieg komme ich endlich an. Das erste Haus des Dorfes heisst Hotel Fletschhorn, macht aber nicht so einen teuren Eindruck. Über den Gartenzaun, noch auf dem Fahrrad, sichere ich mir meine Unterkunft. Hier kann ich sogar telefonieren, nachher auch gut essen. Das Zimmer mit Frühstück kostet Sfr 25.
Nach wieder einem ordentlichen Frühstück fahre
ich gegen 8.30 Uhr los. Nun sind die restlichen 500 m Aufstieg zum
Simplonpass zu bewältigen. Nach einiger Zeit bekomme ich die beiden
talbeherrschenden Gipfel zu Gesicht, das Fletschhorn und das
Lagginhorn, 4010 m hoch. Bei diesen Ausblicken werden einem die 1 1/2
Stunden bis zur Passüberschreitung nicht langweilig.
Der Simplon hat wieder eine lohnende Aussicht zu bieten, beeindruckend
ist die Sicht auf die Aletschgruppe und das Berner Oberland, aber ganz
ohne Wolken bekommt man die Berge einfach nicht zu Gesicht. Bei
herrlichem Sonnenschein lege ich mich zufrieden zwischen die
Alpenblumen und schaue mir wechselweise die Berge ringsumher an. Die
lange Abfahrt führt von 2000 m Höhe hinunter nach Brig auf 678 m. Bei
der breit angelegten Strassentrasse kann man es ordentlich laufen
lassen, einmal wird eine 140 m hohe Talbrücke überquert, die das
Umfahren eines Tals erspart.
Simplon Paßhöhe
Ruck zuck ist man wieder unten in Brig. Das liegt nun im Wallis im Tal
der jungen Rhone. Wieder viel Industrie und viel Verkehr. Ich muss nun
weiter bis Gampel, von wo aus es hinauf nach Goppenstein und
Eisenbahnverladung nach Kandersteg geht, da bin ich ja schon
Spezialist. Die Hauptstrasse von Brig versuche ich gelegentlich zu
vermeiden, aber dann fährt man im Zickzack durch die Gegend und weiss
nie, wann man sich verfährt. Es ist nicht weit bis Gampel, über Mittag
lässt der Verkehr auch etwas nach. In Gampel frage ich in zwei
Restaurants nach dem Weg, laut Karte müsste eine alte Strasse in der
Schlucht nach Goppenstein hinaufführen. Mir wird gesagt, dass man da
schon hinaufkäme, die Strasse aber gesperrt sei und die Benutzung auf
eigene Gefahr erfolge. Als ich die Abzweigung der alte Strasse
erreiche, biege ich trotzdem erstmal ab, um mein Glück zu versuchen.
Auf der allgegenwärtigen Baustelle ist gerade Mittagspause, sodass
einen keiner anmacht. Ich muss unter einem Schlagbaum durch, wo ein
Schild bedeutet, dass ab dort für alles gesperrt ist, auch für
Fussgänger. Ich fahre erstmal ordentlich drauf los, bis ich ausser
Sichtweite bin. Dann mache ich Rast, jetzt habe ich eine ganze Strasse
für mich alleine. Was da noch kommen kann, weiss ich zwar nicht, aber
unten ist man ja schnell wieder, nur der Aufstieg war dann vergeblich.
Die Strasse ist aber in einwandfreiem Zustand, es liegt nur ein
bisschen Steinschlag herum. Der Weg windet sich auf angenehme Weise
durch das schluchtartig eingeschnittene Tal hinauf, schon sieht man die
Galerien der Eisenbahn und der neuen Strasse. Da liegen vor mir an der
Strasse grosse Steinhalden und daneben ist ein Schild: Sprenggebiet,
Aufenthalt verboten. Ich weiss nicht, woran es liegt, dass ich die
nächsten Kurven sehr sportlich flott bewältige, doch dann biege ich
aufatmend in die reguläre Strasse ein, so schlimm ist es also nicht
geworden.
Talbrücke auf der Abfahrt
Nun noch das letzte Stück nach Goppenstein hoch,
das waren dann auch schon wieder 400 m Höhenunterschied. Der nächste
Zug soll auch bald fahren, wo ich am Ende des Zuges ohne weitere
Gesellschaft den Motorradwaggon bevölkere.
Dann geht es in sausender Fahrt durch den Tunnel, der ist 17 km lang,
das ganze kostet 4 Franken. In Kandersteg angekommen, muss ich den
ganzen Zug von hinten abfahren und verlasse hinter der Autokarawane als
letzter den Zug. Nun bin ich praktisch an der Ausfahrt aus den Alpen,
es geht hinunter zum Thuner See. Noch ein Blick zurück auf die
schneebedeckten Dreitausender, Richtung Norden breitet sich schon eine
Landschaft ohne hohe Berge am Horizont aus. Die Abfahrt führt durch
eine Gegend, wie man sie von der Schokoladenreklame her kennt.
Bemerkenswert sind die mit Schnitzereien reichverzierten Häuser.
Bahnverladung in Goppenstein
Eine Reihe von Schnauferlautos kommt mir entgegen, die an einer
Oldtimerralley teilnehmen. In Frutigen erstehe ich in einem netten
Geschäft zwei Würste und einen Käse auf die Faust, ich werde sogar nach
Woher und Wohin gefragt. Dann setze ich mich auf eine Bank und mache
mich über die Wurst her. Erst als ich merke, dass einige Leute im
Vorübergehen das Lachen nicht verkneifen können, wird mir der Anblick
bewusst, den ich da mit der Riesenwurst in der Hand biete, und ich
benehme mich etwas unauffälliger.
Gepflegte Holzhäuser
Kurz vor dem Thuner See genehmige ich mir noch eine kleinere Bergüberquerung über Aeschi auf einer Nebenstrecke, und erst dann geht es hinunter zum See. Dann passiert man Interlaken, wo sich wieder ein Teil der Welt zu treffen scheint, und gelangt an den Brieenzer See. An dessen Ufer führt eine schön zu fahrende Strasse nach Brienz, wo das letzte Quartier genommen wird. Prompt finde ich dort auch kein Privatzimmer, obwohl ich den ganzen Ort hin und zurück durchfahre. So spendiere ich mir ein anständiges Gasthaus, wo das Zimmer 70 Franken kostet. Dafür ist es die letzte Übernachtung und man hat einen Balkon mit Aussicht auf den Brienzer See verdient. Abends esse ich dann noch eine Pizza.
Um 7 Uhr stehe ich auf, womöglich gibt es einen langen Tag. Das Frühstück funktioniert im Selbstbedienungsverfahren, da ich der erste bin und niemand zuguckt, komme ich richtig in Fahrt. Nachdem 4 Glas Orangensaft, der halbe Käse- und Wurstteller abgeräumt und 4 Marmeladenportionen verzehrt sind, ist der Abfallbehälter auf dem Tisch fast voll, ich auch, und ich mache mich aus dem Staube. Nun kommt doch noch ein Pass, der Brüningpass 1000 m. Das ist für die letzte Etappe gerade das richtige. So kann ich dann wieder aus der Höhe die letzten Kilometer Richtung Luzern in Angriff nehmen. Das letzte Stück nach Erreichen des Vierwaldstätter Sees würde ich gern mit einem Schiff fahren. Kurz vorher zeigt der Kilometerzähler auch die vollen 1400 km an, da könnte man ja gleich absteigen. Schon zeigt sich auch, als ich in Seenähe komme, ein Schiff, doch es legt gerade ab, bevor ich in die Nähe des Anlegers komme. In der Hoffnung, in der nächsten Ortschaft schneller da zu sein, drücke ich nochmal auf die Tube. Aber das Schiff ist schneller und verschwindet um die nächste Uferbiegung. Als ich diese erreiche, sehe ich das Schiff und den Anleger in 2 km Entfernung, sehe, wie es anlegt, und als ich den Anleger erreiche, sehe ich, wie es ablegt. Was man alles so zu sehen bekommt ! Jedenfalls fehlen mir nach 1400 Kilometern zwei Minuten zu dem krönenden Abschluss der Tour mit einer Bootsfahrt auf dem Vierwaldstätter See. Das nächste Schiff nach Luzern, Bahnhofskai geht erst in 2 Stunden.
Jetzt sind es noch 8 km , die nun wohl oder übel zurückgelegt werden
müssen. Man fährt zwar zu Füssen des Pilatus, von dem ist bei dem Dunst
aber nicht viel zu sehen. Der Verkehr ist hier natürlich auch
knüppeldick und vor lauter Baustellen kann man kaum den Bahnhof finden.
Spätestens hier hat einen die Hektik und Geschäftigkeit wieder. Es
gilt, den Fahrplan zu studieren, die Fahrkarte zu kaufen, das Fahrrad
aufzugeben, Geld zu tauschen, das Gepäck zu bündeln usw. Als ich dann
im Zug sitze, um noch am gleichen Tag gegen 23 Uhr zu Hause zu sein,
ist alles vorbei, ich kann es noch gar nicht glauben. Die monatelang
geplante Tour ist nun Vergangenheit. Doch die Erlebnisse und Bilder der
vergangenen zwei Wochen kann ich wie einen Film vor meinem inneren Auge
vorüberziehen lassen, und davon wird man lange zehren.
Fix und fertig