Auf einer Bank im Burghof machen wir uns es gemütlich, in einen Papierkorb kann man auch klammheimlich die leere Weinflasche vom Vorabend entsorgen. Da kommt schon einer um die Ecke, der die Papierkörbe wieder leert. Als er die leere Weinflasche im Papierkorb neben uns entdeckt, schüttelt er mit dem Kopf und murmelt: "Die saufen wie die Bürstenbinder". Wir gucken derweil schräg vor uns auf den Boden.
Wir fahren weiter und versuchen, einem hügeligen und unbefestigten
Teilstück des Radweges auszuweichen. Dabei geraten wir leider auf die
Bundesstrasse B245 und müssen ohne Radweg ein paar km bis Bebertal
hinter uns bringen. Zum Glück sind die überholenden Schwerlaster
grosszügig und weichen mit grossem Abstand aus. Das ist ja leider nicht
immer so. Wir sind froh, als wir die Abzweigung nach Hundisburg
erreichen, wo uns eine Attraktion der besonderen Art erwartet.
Zunächst gibt es noch einen Zwischenfall. Während ich fotografiere,
fährt Heidi wie üblich voraus. Als ich dann bis zum Schloss Hundisburg
nachfahre, entdecke ich keine Spur von ihr. Nun war gleich am
Ortseingang die ausgeschilderte Abzweigung Richtung Haldensleben. Ist
sie da vielleicht entlang gefahren. Also zurück und ein Stück des Weges
erkundet, aber auch da keine Spur. Also zurück zum Schloss, wo wir ja
den Barockgarten besichtigen wollen. "Wo bleibst du denn?" werde ich
vorwurfsvoll empfangen, aber so hat man sich wieder. Die Räder lassen
wir stehen ohne sie anzuschliessen, hier wird ja wohl keiner klauen. Bei
Heidis Rad wäre es auch nur schade um die Packtaschen und die
Baumeltiere am Lenker.
Wir klettern ein paar Treppen hoch und betreten durch einen Torbogen den Innenhof des Schlosses. Dort ist auch ein Empfangs- und Verkaufsraum und wir unterhalten uns mit der Dame dort. Wir seien schon 1990 einmal hier gewesen, und da habe es allerdings noch etwas anders ausgesehen, berichten wir. Da entdecke ich den gleichen WLAN Stick an ihrem PC, den ich auch zu Hause habe (Netgear). "Wenn wir mal ins Internet gehen, können wir ihnen das Foto von damals zeigen". Das gelingt auch und die Dame staunt nicht schlecht.
Nun begeben wir uns auch in den Barockgarten, da hat sich wirklich mächtig was getan. Das Fernsehen kommt hin und wieder und in der letzten Woche war auch ein Bericht in der Braunschweiger Zeitung, den wir leider übersehen hatten. Nun kann man wieder ein paar Fotos machen, die den Erfolg der Bemühungen dokumentieren. Anschliessend klettern wir die Treppen wieder runter und finden unsere Räder unversehrt vor.
Für den Rest der heutigen Strecke wollen wir uns wieder dem Mittellandkanal anvertrauen, der uns direkt zu unserem Tagesziel Wolmirstedt führen könnte. Dazu fahren wir auf der Landstrasse nach Althaldensleben und fahren nach einer Umleitung auf dem linken Gehsteig einen kleinen Berg runter. Wir fahren links, weil da Schatten ist. Wie immer fahre ich bergab volle Kanne, bis ich Heidis Bremsen hinter mir quietschen höre. Als ich mich umsehe, sehe ich ihre Gepäcktasche von hinten links auf der Fahrbahn liegen. Die Fahrerin eines Autos, die aus einer seitlichen Einfahrt zu kommen versucht hat, steigt gerade aus. "Hast du dich wehgetan" fragt sie, grammatisch nicht ganz richtig. Inzwischen bin ich auch zurückgefahren. Es ist weiter nichts passiert, doch Heidi hat weiche Knie. Nun liegt diese enge Ausfahrt direkt hinter einem Knick des Gehsteigs und ist vorher nicht zu erkennen. Doch wir sind auf der falschen Seite gefahren. Zum Glück ist die Fahrerin sehr freundlich und macht uns keine Schuldvorwürfe. Ich kann Heidi trösten, dass ich das grössere Glück gehabt habe, weil ich an dieser "blinden" Stelle mit einem viel höheren Tempo vorbei gerauscht bin. Da wäre man glatt über den Lenker gegangen und es wäre ein erheblicher Blechschaden entstanden. "Ja, diese dumme Ausfahrt" klagt die Dame noch, "aber wir ziehen hier ja bald weg". Wir verabschieden uns, noch einmal beiderseits Entschuldigungen aussprechend.
An der Kanalbrücke angekommen setzen wir uns erst mal in den Schatten,
um die weichen Knie auszukurieren. Der Fahrweg am Kanal ist dann auch
entspannender, wir kommen zur nächsten Brücke, und weit voraus erkennt
man Silos und Verladeeinrichtungen. Je näher man kommt, desto
beängstigender wird die Aussicht. Und schliesslich tritt das Befürchtete
ein, ein Zaun versperrt die Weiterfahrt. Eine Umgehung dieser
Industrieanlage (Magdeburger Getreide
GmbH Vahldorf) gibt es nicht
erkennbar. Wir müssen also die 3 km wieder zurück fahren. Dass man
rechtzeitig eine Beschilderung hätte anbringen können, daran hat wohl
keiner gedacht. Auf meiner Fahrradkarte von ALDI ist diese Kanalseite
übrigens als Radstrecke eingezeichnet.
An der Brücke, an der wir vorhin schon mal waren, erwartet uns weiterer
Horror. Zunächst ist keine Möglichkeit zu entdecken, an der anderen
Kanalseite von der Brücke hinunter zu kommen. Nicht weit von hier führt
die vielbefahrene Bundesstrasse B 71 entlang, da sehnt man sich auch
nicht hin. Schliesslich entdecken wir eine enge Treppe und die Stufen
einer Rampe, wo man hinunter gelangen könnte. Das heisst, die
Gepäcktaschen runter, alles über eine Leitplanke hieven, und nach und
nach alles hinunter tragen. Heidi kommt sich wie in einem Amphitheater
vor, wo sie auch die Stufen hinunter nur mit glasigem Blick bewältigen
kann. Hier hilft sie sich mit dem Hinterteil, indem sie sitzend Stufe
für Stufe hinter sich bringt.
Inzwischen ist alles runter geschafft, eine Bahnstrecke gilt es noch zu überqueren, und dann setzen wir uns erst mal hin, um zu verschnaufen. Alle Taschen wieder angebaut, und nun kann es weiter gehen. An einer Rampe am Kanal sind zwei Vermessungstechniker aus Peine (laut Kfz-Kennzeichen) am Werke. Der eine läuft mit einem Messrad herum und ruft dann "Fünfundfünfzig!!". "Waahs?" ruft der andere. "Fünfundfünfzig!!". Wir fragen dazwischen schon mal, wie der Weg weiter geht. "Bis zur nächsten Brücke, dann kommt eine Baustelle". Na dann mal los!
Am Kanal kommen wir nun angenehm voran und machen schliesslich eine Rast
am Schiffshebewerk Rothensee bei Magdeburg. Wir lassen uns gerade auf
einem Poller nieder, da schippert doch ein Fischotter vorbei? Kaum zu
glauben, was der wohl im Mittellandkanal verloren hat? Leider ist er zu
schnell weg, bevor man ein Foto machen kann.
Es folgt das berühmte Europäische
Wasserstrassenkreuz. Da wird der Mittellandkanal über eine
Trogbrücke über die Elbe geführt, um dann in den Elbe - Havelkanal zu münden. Vor
Jahren haben wir die Angelegenheit während der Bauphase einmal per
Betriebsausflug besichtigt, inzwischen ist alles fertig gestellt und
funktionsfähig. Bleibt die Frage: wird die Brückenkonstruktion stärker
belastet, wenn gerade ein Schiff oder gar zwei drüberfahren? (Die
Belastung der Brücke richtet sich nach der Höhe des Wasserstandes, der
vor oder nach Erreichen der Brücke durch ein Schiff der gleiche sein
dürfte).
Nach gebührender Wertschätzung dieses Wunderwerks der Technik - ein
Schiff ist gerade nicht in Sicht - biegen wir bei Hohenwarthe auf den Elbe-Radweg
ab. Und da hat man ganze Arbeit geleistet. Dieser Radweg ist perfekt
angelegt, gut asphaltiert, mit Wegweisern, Rastplätzen und Schautafeln
versehen.
Entsprechend ist der Verkehr von Radlern mit und ohne Gepäck recht
belebt. Manche fahren hier auch ihre Renneinheiten ab, und die kommen
dann mit gesenktem Kopf, Sturzhelm voraus, wie die Stiere im
Angriff um die Ecke. Nur dass sie keine Hörner dran haben...
über den Elbe-Radweg war zu lesen, dass er sich zunehmender
Beliebtheit erfreut und inzwischen neben Weser- und Donau-Radweg am
meisten frequentiert wird. Im Jahre 1993 auf dem Weg nach Mecklenburg
gab es diesen jedoch noch nicht und wir hatten uns in der Gegend von Lostau hoffnungslos in den
Elbwiesen verfranzt. Das kann heute nicht mehr passieren und wir
gelangen wohlbehalten trotz zunehmender Hitze nach Herrenkrug, schon am Stadtrand von
Magdeburg gelegen. hier im sog. Elbauenpark hat 1999 die
Bundesgartenschau (BuGa) stattgefunden. Man hatte damals den "Jahrtausendturm", ein runder
Kegel mit einem sprialförmigen Aussenaufgang errichtet. Dort ist
bis heute eine Ausstellung als "interaktive Zeitreise" durch die
Entwicklung der Wissenschaften untergebracht.
Die Radbeschilderung tut uns den Gefallen, uns den Weg über die Elbbrücken, am Ufer der Elbe entlang und auf einer überführung bis zum Rathaus und Alten Markt zu weisen. Von dort ist es ein Katzensprung bis zum Hauptbahnhof, wo unsere Reise zu Ende ist.
Zunächst schlägt der
Versuch fehl, die Toiletten aufzusuchen. Die befänden sich angeblich
auf Bahnsteig 6, wie gesagt wird. Ein Zug nach Braunschweig würde in
Kürze abfahren, und es gelingt so gerade, nach Lösen Fahrkarten noch
auf diesen "aufzuspringen".
Als Fazit hat sich wieder gezeigt, dass man auch in der Nähe der
heimischen Gefilde viel erleben und kennen lernen kann. Dabei sind wir
noch an den meisten Sehenswürdigkeiten vorbei gerauscht, getreu dem
Motto: der Weg ist das Ziel. Damit wünschen wir dem Aller-Radweg und
denen, die ihn eingerichtet haben, einen guten Zuspruch aus der Welt
der Radreisenden - beide, die Tour und die Organisatoren hätten es
verdient.