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Reise nach Alanya, 8.-22.5.98

Warum fährt man an die Türkische Riviera? Ganz einfach: weil man noch nicht da war. Natürlich gibt es auch Leute, die deswegen hinfahren, weil sie schon mal da waren. Aber zu denen gehören wir (noch) nicht. Besonders schmackhaft wird einem dieses Reiseziel durch die Bücher von Yasar Kemal gemacht, der im vergangenen Jahr zur Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen bekam. Ich habe inzwischen drei seiner Bücher gelesen: die Trilogie von Memed dem Falken. Dieser Memed wird durch Unterdrückung von Großgrundbesitzern in der Cukorova-Ebene in der Gegend von Adana zum Räuber und Rächer, der sich in den Bergen des Taurusgebirges verborgen halten muß und zum Volkshelden wird. Ganz besonders schön sind in diesen Büchern die Schilderungen von Landschaft, Wetter, Wind und Licht, von Pflanzen, Blumen und Tieren des Taurus und der vorgelagerten Cukorova Ebene.

Die von Kemal beschriebenen Landschaften sind allerdings nicht Touristengebiet und liegen ca 500 km östlich der türkischen Riviera zwischen Antalya und Alanya. Nach Studium des einschlägigen Prospektmaterials finden wir uns pünktlich im Januar im Reisebüro Karstadt ein, wo uns die nette Dame alsbald ein Hotel in Alanya vermittelt sowie Flug und Termin reserviert. Die endgültigen Unterlagen der Reise erhalten wir nach Ableistung aller Zahlungen dann erst ein paar Tage vor dem Abflug. Wir haben - so bilden wir uns ein - das Hotel Alaaddin in Alanya gebucht, direkt am Strand, mit 40 Zimmern nicht so ein Riesenkasten. Nun sind wir ganz erstaunt, daß in den Unterlagen das Hotel Sunny Hill für unsere Reise vermerkt ist. Und im Neckermann-Katalog ist das Hotel Sunny Hill gar nicht zu finden. Also noch einmal ab ins Reisebüro, wo man erst nach einigem Suchen das Hotel in einem Katalog von Öger Tours findet. Da steht etwas von Hanglage, 300 m zum Hafen usw. Allmählich dämmert es uns, daß die Dame bei der Anmeldung uns da so was wie ein Sparangebot unterbreitet hat, dem wir freudig zugestimmt haben. Das haben wir wohl ganz verdrängt. Hoffentlich wird das nicht schlimmer mit der Vergeßlichkeit.

Aber den Reisetermin verschlafen wir nicht, obwohl es mitten in der Nacht los geht. Wir haben uns ein Taxi zum Flughafen spendiert, um das ganze Theater mit dem Autofahren zu umgehen. Die einzige Schwierigkeit besteht dann auch nur darin, die Tasche mit meinem Klappfahrrad in den Kofferraum des Mercedes zu stopfen. Bei unserem Passat macht das nämlich keine Schwierigkeiten. Das Fahrrad nehme ich mit, weil ich hoffe, ein wenig im Taurusgebirge herum fahren zu können, Bergdörfer und so. Leider kostet der Transport 50.- DM Frachtgebühr. Aber das Fahrrad ist so gut verpackt, daß keiner merkt, was in der Tasche eigentlich drin ist, auch wenn sie etwas unförmig ist.

Da wir mittlerweile unsere fünfte Flugreise unternehmen, absolvieren wir die Formalitäten des Eincheckens ganz ohne weitere Aufregungen. Die Zeit bis zum Abflug vergeht auch im Nu, schon bald verspüren wir im Flieger (Aero Lloyd) beim Abheben und Steigflug den beginnenden Urlaub ganz körperlich im Druck auf Rücken, Gesäß und auf die Ohren. Wir wissen noch nicht, daß unsere Ohren dieses Mal eine ganz besondere Rolle spielen werden.

In der Reihe vor uns sitzt eine etwas seltsame Dame, die bekommt jedes Wort unserer Unterhaltung mit, dreht sich auch des öfteren um, um unsere Worte zu kommentieren. So sind wir uns einig, gerade das Steinhuder Meer mit der Festungsinsel Wilhelmstein zu überfliegen. Über den Wolken sei sie bei einer Reise nach Südfrankreich auch schon mal geflogen. Weiterhin läßt sich noch Deister und Süntel erkennen, da ich einen Fensterplatz ergattert habe. Heidi guckt ja nicht so gern nach unten. Später dann kann man nicht mehr erkennen, wo man sich befindet, leider gibt es keine Streckeninformation per Bildschirm, wie man sie von anderen Flügen her kennt.

Nach Einnahme des Bordfrühstücks befinden wir uns dann irgendwann über dem Schwarzen Meer, da gibt es die Donaumündung, wenig später eine riesige Stadt, das ist Istanbul. Wir überqueren nun die Türkei, braun und karg wirkt die Landschaft. Leider trübt es sich mehr und mehr ein, die Dame vor uns klagt über den zunehmenden Nebel - wie sie findet -, aber vielleicht liegt das auch an dem Genuß etlicher Biere unterwegs. Wir überfliegen schließlich ein weites und grünes Tal mit schon abnehmender Flughöhe und landen nach 3 1/2 Stunden Flug wohlbehalten in Antalya. Wir haben auch nicht vergessen, die Uhr eine Stunde vor zu stellen. So ist es mittlerweile knapp 11 Uhr.

Eine weitere Stunde vergeht mit der Paßkontrolle, die sehr schleppend abgewickelt wird. Eingekeilt in einer Menschentraube bewegt man sich so langsam auf die kleinen Glaskabinen zu, wo ein Angestellter jeden Namen in einen Computer eingibt. Wenn man nicht einer terroristischen Vereinigung angehört und auch sonstwie keinen Dreck am Stecken hat, bekommt man einen Stempel in den Reisepaß und darf sich danach als freier Mensch fühlen. Als solcher begibt man sich zur Gepäckausgabe, wo die Koffer auf dem Transportband wohl schon ziemlich schwindelig geworden sind. Einen ähnlich schwindeligen Eindruck macht unsere Nebelfrau, die etwas Schwierigkeiten mit der Orientierung hat.

Bleibt zur Ehre des Flughafens in Antalya noch zu bemerken, daß das Gebäude nagelneu ist, sehr sauber, alle Beschriftung in tadellosem Deutsch, Englisch und sonderbarerweise Russisch - ob tadellos können wir natürlich bei letzterem nicht beurteilen. Unser Gepäck haben wir endlich ohne Verluste geborgen und schleifen es vor das Empfangsgebäude. Dort gibt es Gepäckwagen, die man mit zwei deutschen Markstücken von einem Stand abkoppeln kann. Was die Ankömmlinge anderer Nationen in diesem Fall machen sollen, ist diesmal nicht unser Problem. Aber wenn der Euro kommt, dann ist dieses Problem auch gelöst und wir werden endlich verstehen, wozu dieser Euro eigentlich notwendig ist.

Das weitere geht wie immer: Angestellte der Firma Neckermann verweisen den ratlosen Gast zum zuständigen Transferbus, dort wird das Gepäck verstaut und auf die säumigen Gäste gewartet, das kann eine weitere Stunde in Anspruch nehmen. In dieser Zeit sollte man darauf vorbereitet sein, die Kleidung so zu korrigieren, daß man den aprupt auf einen einwirkenden sommerlichen Temperaturen gerecht wird.

Wir haben mit unserem Zielort eine Strecke von ca. 140 km vor uns. Wir haben den Ort Alanya gewählt, weil er einmal am weitesten östlich liegt, zum anderen mit seiner historischen Vergangenheit mehr verspricht, als eine Hotelanlage in der Wildnis. Ein Kollege, der es wissen muß, hat mir einmal von derlei Einrichtungen erzählt: "Du hast da eine tolle Anlage, Strand und einen Pool, nur raus gehen darfst du da nicht, da ist nichts, aber auch gar nichts". Während der Busfahrt sehen wir so manche dieser Hotelanlagen, moderne Gebäude irgendwo in der Botanik. Die Küstenstraße, auf der wir uns gen Osten bewegen, ist nun auch nicht gerade ein landschaftlicher Genuß. Es stehen viele angefangene und nicht fertig gewordene Bauruinen herum. Ob das alles mal eine zweckvolle Verwendung finden wird, kann man nicht beurteilen. Besser man lenkt den Blick auf die Berge des Taurus, der sich heute aber auch nur sehr dunstig präsentiert: unsere Nebelfrau hatte wohl doch den richtigen "Durchblick".

Dankenswerterweise wird während der Fahrt auch an einem Tankstellenrestaurat eine Pause eingelegt, für zwei Cola - die man selbstredend auch in DM erwerben kann. Heidi findet zwischen drei Stehklosetts auch ein "richtiges", wie sie freudig berichtet. Nach über einer Stunde Fahrt erreichen wir dann die Stadt Manavgat, diese sei noch nicht touristisch geprägt und es finde Montags und Donnerstags hier ein großer Markt statt, teilt uns der begleitende Neckermann-Angestellte per Mikrofon mit. Das nehmen wir gleich vormerkend zur Kenntnis.

Endlich nähern wir uns unserem Ziel, am Horizont erkennt man schon die Halbinsel von Alanya mit der oben thronenden mittelalterlichen Burganlage. Nun werden auch die ersten Gäste an ihren Hotelanlagen ausgeladen, die begleitenden beiden Neckermann-Angestellten haben offenbar eine wichtige Funktion dabei, wie sie durch eifrigen Gebrauch ihrer Handys dokumentieren. Das Gepäck der Gäste muß aber der Busfahrer oder andere dienstbare Geister in Bewegung setzen. Bei jedem angefahrenen Hotel - oder Änlage" - sind wir froh, nicht aussteigen zu müssen, haben wir doch ein Quartier im Herzen einer historischen Stadt zu erwarte, ruhig und am Hang gelegen.

Schließlich sind alle Gäste ausgeladen und werden - nur durch die Küstenstraße vom Strand getrennt, wie es im Prospekt zu lesen war - ihren Urlaub verleben. So begibt es sich wieder einmal, daß wir die letzten beiden im Bus sind, sogar die beiden Neckermann-Angestellten haben uns mit vielen Entschuldigungen unserem Schicksal überlassen. Das führt uns nun mit unserem Busfahrer eine Hangstraße in Alanya hinauf, wo wir dann - es ist mittlerweile 15 Uhr - augenreibend vor dem Hotel Sunny Hill dem Bus entsteigen. Sogleich nehmen sich dienstbare Geister unseres Gepäck an, kopfschüttelnd wird die Fahrradtasche geschultert, Heidi übernimmt die Trinkgeldangelegenheit mit einem Fünfmarkstück. Ich bin damit beschäftigt, den Transport der Fahrradtasche zu erklären und zu beaufsichtigen.

Und nun sind wir da, Zimmer 522, entsprechend der Hanglage mit einem wunderschönen Ausblick auf die Stadt, ein steinernes Meer von fertigen und nicht fertigen Häusern, die fertigen haben auf ihren Dächern Batterien von Wassertonnen und Wärmetauschern. Wie Bleistifte ragen zwischen den Gebäuden die Türme von Minaretten empor, die muß man erstmal zählen, so an die zwanzig müßten es sein. Dahinter die Vorberge des Taurus, links das schimmernde Meer und der Kleopatra Strand. Warum der so heißt, wird später erklärt.

Nach dem hastigen Auspacken müssen wir zunächst an die Rezeption, um uns mit türkischer Währung zu versorgen. In der Türkei herrscht zur Zeit eine gallopierende Inflation, wodurch sich der Tauschkurs von Tag zu Tag ändert. Wir erhalten heute für 100.- DM die stattliche Summe von Hundertsiebenunddreißigmillionen türkische Lira. Mit praller Geldbörse geht es nun auf die erste Erkundung.

Wir suchen den Hafen, der soll ja nur 300 m entfernt sein. Außerdem soll es dort einen Basar geben. Wegen der Hanglage unseres Hotels entscheiden wir uns für den Weg bergab, landen auch prompt am Meer. Dort finden wir zwar nicht den Hafen, aber die Tropfsteinhöhle namens Damlatas, das heißt übersetzt: Tropfsteinhöhle. Obwohl diese erst bei Steinbrucharbeiten im Jahre 1948 entdeckt wurde, heben wir uns den Besuch für später auf. Auch einen Basar, oder was wir dafür halten, gibt es hier, aber es sind eigentlich nur Touristenläden, und der Hafen ist weit und breit nicht auszumachen.

Um die Ecke ist aber das Touristenbüro, da kann man sich durch den Erwerb eines Stadtplanes doch endlich zu einem durchblickenden und zielbewußten Ortsbesichtiger aufschwingen. Trotzdem ist dieser Stadtplan nicht so, wir ihn gewohnt sind, die Straßenpartien sind nur schematisch abstrakt eingetragen. Doch finden wir schließlich auch den Hafen, wo an mancherlei Booten allerlei geschliffen, gespachtelt und gepinselt wird. Da wir im Urlaub sind, ist es ganz schön, anderen Leuten bei der Arbeit zuzuschauen.

Dann zucken wir plötzlich zusammen. Ein merkwürdiger Singsang ertönt gleichzeitig aus mehreren Richtungen. Natürlich fällt einem schnell ein, worum es sich handelt: es sind die Muezzine, die von den Minaretten zum Gebet rufen. Allerdings schaut man vergeblich nach ihnen aus, stellt man sich doch dabei eine langbärtige Gestalt eingehüllt in wallende Gewänder vor, der hoch oben auf dem Minarett seine Verbeugungen macht. Die Gesänge ertönen leider nur aus phonstarken Lautsprechern, die oben an den Minaretten angebracht sind. Wenn es dunkel ist, wird das auch noch durch eine farbenfrohe Beleuchtung illuminiert. Es sei vorweggenommen, daß man sich bald an diesen 5 mal am Tag abgehaltenen Gesängen erfreut. Nur beim ersten Mal am Tag, das ist morgens gegen 5 Uhr, da sind sie besonders gut drauf, da dreht man sich vielleicht doch etwas konsterniert in seinem Bett auf die andere Seite..

Es dauert nicht lange, da haben wir das angekündigte Basarviertel entdeckt, das sind kleine Quergänge mit Überdachung. Hier gibt es im wesentlichen Textilien, Leder, Uhren, Schmuck, Parfüme, Teppiche, Parfüe, Schmuck, Uhren, Leder und Textilien. Und so weiter. Dazwischen befinden sich offene Restaurants, wo sich freundliche junge Männer um Kontaktaufnahme zu den vorbeiziehenden Touristenströmen bemühen. "Hallo, where are you from, one Drink?" Oder: "Einen Moment bitte, Englisch, Schwedisch, Deutsch?", oder "Gib mir Deine Hand, warum gibst Du mir nicht Deine Hand?" Undsoweiter. Man darf weder stehenbleiben oder gar suchende Blicke um sich werfen. Dabei sucht Heidi nur eine kurze Hose und ein T-Shirt, um sich dem Klima entsprechend angemessen einzukleiden.

Schließlich erliegen wir einem freundlichen Herrn, der uns in einen Verkaufsstand hinter einem Gummibaum lockt. Heidi findet ihre gesuchten Klamotten, worauf uns sogleich ein Apfeltee herbeigebracht wird. Der freundliche Herr erzählt uns, daß er Deutschlehrer sei und diesen Laden zusammen mit seinem Bruder betreibe. Er überreicht uns auch eine Visitenkarte, auf der steht:

Deutschlehrerboutigue
Mustafa & Ali Akis
Unter dem Gummibaum

Wenn wir Lust hätten könnten wir gern wieder auf einen Tee vorbei schauen, auch wenn wir nichts kaufen wollten.

So bummeln wir erfreut wieder zurück und zeigen allen weiteren Anbietern von Reisen, Taxifahrten, Abendmenus, Armbanduhren oder Lederjacken die kalte Schulter. Im Hotel gibt es ab 19 Uhr das Abendessen, das wir ungeduldig erwarten. Als es endlich soweit ist, geht das so vor sich: man sucht sich einen Platz, läßt sich auf einem Ticket das Abendessen abhaken und bestellt zwei Bier. Dann holt man sich eine Suppe. Sobald der Teller leer ist, wird er von einem dienstbaren Geist unter der Nase mitsamt dem Löffel abserviert. Wenn man eine weitere Suppe wünscht, muß man sich an dem Löffel festklammern, weil man sonst aufgeschmissen ist. Danach kann man sich an einem reichhaltigen Salatbuffet auf dem Teller anhäufen, was das Herz oder der Magen begehrt. Man muß nur aufpassen, daß man danach noch genügend Hunger für das warme Hauptgericht hat, das einem vom Koch aufgekellt wird. Schließlich kann man sich noch einen Nachtisch gönnen, der aus Kuchen, Götterspeisen, Früchten oder Pudding besteht.

Mittlerweile ist es dann gegen 20 Uhr und danach wird es schnell dunkel. Die dynamischen Gäste machen sich dann zu einem Stadtgang auf oder begeben sich an die Bar. Wir dagegen setzen uns bei einer verbotenen Flasche Wein auf den Balkon und versuchen, die immerhin prächtige Aussicht auf das Lichtermeer von Alanya zu genießen. Die Flasche Wein ist dann verboten, wenn sie nicht im Hotel gekauft wurde, wo sie das dreifache kostet. Nun stellen wir fest, daß mit unserem Zimmer oberhalb der Straße doch nicht alles zum besten ist. Wir müssen teilweise die Unterhaltung einstellen, wenn ein lautstarkes Gefährt die Straße hinauf braust, oftmals auch begleitet durch lebensfrohes Gehupe oder das Wummern der Technomusik. Sterne gibt es auch nicht zu sehen, der Himmel ist verhangen. Man hat aber allerseits für die nächsten Tage besseres Wetter versprochen. Besonders gut schlafen wir aber nicht.

Sonnabend

An der Rezeption klagen wir unser Leid. Der freundliche junge Mann versucht uns zu trösten, am Wochenende herrsche eben ein stärkerer Verkehr, wegen der Discos und so. Er habe im Moment leider kein besseres freies Zimmer. Die zweite Enttäuschung ist das Frühstück. Nur eine Sorte Wurst und zwei Sorten Käse, dazu Weißbrot. Da hatten wir uns etwas mehr versprochen.

Heute ist der allfällige Begrüßungstermin der Neckermannbetreuung. Vorher vertreten wir uns die Füße hangaufwärts, wo es ältere Anwesen und türkische Lebensart zu bestaunen gibt. Wir müssen bald umkehren und springen gerade rechtzeitig in den bereits wartenden Bus, bevor ein prasselnder Regenguß losbricht. Beim Begrüßungstermin gibt es ein Glas Saft umsonst und eine Dame namens Natalie verspricht erst mal besseres Wetter. Dann weist sie auf die möglichen Ausflugsfahrten hin: "Sie sind herzlich eingeladen, bei mir zu buchen". Darunter ist auch eine Dörferfahrt in ursprünglich erhaltene Regionen. Man solle die Bevölkerung aber nicht durch großzügige Spenden verwöhnen, sonst gehe die durch die Armut bedingte Ursprünglichkeit verloren. Und einen Eselführerschein könne man machen. Schmuck könne man mit Rabatt bei den von Neckermann konzessionierten Geschäften günstig erwerben. Die Markenparfüme solle man dagegen nicht kaufen, die schlügen nach kurzer Zeit in einen unangenehmen Chlorgeruch um. Dann weist sie noch auf die nahegelegene Tropfsteinhöhle hin. Diese habe heilende Wirkung auf die Atemwege, weil in der Höhle 98 % Luftanteil herrsche. Sie meint sicher Luftfeuchtigkeit.

Ich habe ein anderes Problem. Für das Fahrrad habe ich zwar ein Ringschloß mitgenommen, nur den Schlüssel habe ich zu Hause gelassen. Wo kann man in Alanya ein Ringschloß kaufen? Das ist schwierig, weil die Geschäfte ausschließlich auf den Touristenbedarf ausgerichtet sind. Es soll ein Kaufhaus Micros geben, wo man alles bekommt. Wir machen uns in dem zwar warmen aber eben feuchten Regen auf den Weg über die Hauptstraße. Bei dem Kaufhaus Micros kommen wir aber nie an, das scheint zu weit zu sein.

Kaufhauseinweihung

Wir wandern zurück in Richtung Basar, da ist es wenigstens überdacht. Nach einigem Herumgefrage kriegen wir dann auch raus, wo eine Fahrradwerkstatt ist: in einer Seitenstraße hinter der Post. Das ist wirklich eine Klitsche, wie sie im Buche steht. Und tatsächlich hängen an der Wand zwei Ringschlösser in weiß und blau. Für 5 Millionen Lire, das sind 3.50 DM, erwerbe ich das blaue, passend zur Farbe des Rades. Die Burschen in der Fahrradklitsche strahlen und wir auch.

Bei der Damlatashöhle

Als wir uns zur Siesta in unser Hotel zurückziehen, hört der Regen auf. Als wir zum Nachmittagsbummel aufbrechen, fängt er wieder an. Also ab in die Tropfsteinhöhle, da wird es wohl nicht rein regnen. Die Höhle besteht aus einem großen kuppelartigen Raum, schön geschmückt mit Tropfsteinen, wie es sich gehört. Ich schaue vergeblich unter ein paar Felsvorsprünge, um eine Fortsetzung zu finden. Damit ist diese Attraktion abgehakt und wir machen weitere Rundgänge. Die Damlatas Caddesi ist unsere Hauptflanierstraße. Dort gibt es ein halb in sich zusammengebrochenes Haus. Da hat sich wohl mal ein Schmuckgeschäft darin befunden. Nun hängt ein Schild an der Tür: "Wir sind 50 m nach unten getragen".

Zwei Anschaffungen gilt es noch zu machen. Das eine ist ein Satz Ohropax, das man in der Apotheke gleich unter dem Ladentisch hervor zieht. Kulak Tikaci steht da drauf. Der andere Erwerb sind zwei Badetücher, da man die hoteleigenen außerhalb nicht benutzen darf. Nach ein wenig Handeln bekommen wir die beiden Tücher zum Preis von einem, wenn es denn so ist.

Viel mehr passiert heute nicht mehr. Vom Balkon aus können wir beobachten, wie die Berge des Taurus sich mehr und mehr einhüllen. Schließlich formen wir uns die Ohrpröpsel zurecht, worauf man die eigenen Atemgeräusche um so lauter hört. Wenn man dann mitten in der Nacht aufwacht, darf man die Pröpsel erst mal im ganzen Bett suchen.

Sonntag

Nicht der erwartete Sonnenschein, sondern der Nebel vom Vorabend begrüßt uns an diesem Sonntagmorgen. Wir marschieren diesmal über den Berg zum Hafen. Dort befindet sich nämlich der Rote Turm, das Wahrzeichen von Alanya. Man kann links von diesem Turm hindurch schlüpfen und gelangt dann in den historischen Teil der Stadt. Die Häuser sind sehr malerisch und bunt bevölkert, sofern sie überhaupt bewohnt sind. Die anderen sind dem Verfall preisgegeben. Weiter oben sieht man nur noch die Mauerreste der ehemaligen Besiedlung.

Auf dem Rückweg klart es auf und die Sonne wagt sich hervor. So marschieren wir im Stechschritt zurück zum Hotel und an den Pool, wo die neuen Badetücher eingeweiht werden. Der Kunstrasen der Sonnenterrasse ist quaddelnaß. Obwohl es weiterhin weitgehend bedeckt bleibt, glauben wir, auf unserer Haut eine beginnende Anfangsbräune entdecken zu können.

Der Abend und die Nacht gestalten sich weiterhin geräuschvoll, und wir fragen uns, wie wir es hier 14 Tage aushalten sollen.

Montag

Immerhin haben wir heute eine interessante Unternehmung vor, denn in Manavgat ist Markttag. Vorher gehen wir aber noch einmal zur Rezeption, wie laut es doch in unserem Zimmer sei. "Haben Sie jetzt Zeit - ich habe ein schönes Zimmer mit der besten Aussicht überhaupt". Wir trauen unseren Ohren nicht. Ruckzuck haben wir zusammengepackt, schon tragen die dienstbaren Geister das Gepäck einige Treppen höher. Das neue Zimmer ist wesentlich geräumiger und schöner, liegt nicht mehr an der Straße und man hat wirklich einen atemberaubenden Rundblick. Da sind wir aber froh!

Das hält uns aber nicht von der geplanten Unternehmung ab. Manavgat liegt 60 km von Alanya entfernt. Mit einem Dolmus - das sind kleine und preiswerte Busse, die nach Bedarf fahren, gelangen wir auf der langen Hauptstraße zum Busbahnhof namens Otogar. Dort werden wir sogleich persönlich von einem dienstbaren Geist in Empfang genommen und zum richtigen Bus geleitet. Anscheinend haben wir uns mit unserer Fahrt etwas besonderes ausgedacht, denn wir sind die einzigen Touristen im Bus. Gut eine Stunde dauert die Fahrt über die wenig attraktive Küstenstraße.

In Manavgat herrscht ein ordentlicher Trubel. Den Markt besuchen hier eine Menge Touristen aus dem nahe gelegenen Side. Man kann auch Bootsfahrten unternehmen, die einen flußaufwärts zu einem Wasserfall oder flußabwärts zur Mündung führen. Wir suchen aber den Markt und finden ihn auch bald. Auf unseren bisherigen Reisen haben wir immer fleißig Märkte in Spanien oder Griechenland besucht. Dieser aber übertrifft alles bisher gesehene, was Größe, Angebot und einheimischer Bevölkerung angeht. Das Zentrum des Marktes besteht ausschließlich aus Obst- und Gemüseständen. Unter einer Überdachung sind die Gewürzstände aufgebaut. Da ist zu lesen: Henna macht die Haare, Hände rot. Oder: Basilicum macht die rice braun. Ein paar Frauen sitzen auf der Erde und bieten ein paar Schalen mit weißem Inhalt an, sicher Produkte von Ziegen oder Schafen. Gern würde man mehr über die Lebensumstände der Menschen erfahren, wenn man sich verständigen könnte.

Markt1  Markt2  Markt3  Markt4 

Weniger interessant sind um den eigentlichen Markt herum die touristisch ausgerichteten Verkaufsstände. Ledder billliger, 9 Jahre Garantie, 10 Jahre kaputt usw. Wir sind auch bald kaputt von den vielen Eindrücken und begeben uns an den Ausflugsbooten vorbei zurück zum Busbahnhof. Für eine Fahrt nach Side reicht unsere Kraft nicht mehr, obwohl die Taxifahrer sich um uns reißen. Es herrscht auch auf einmal eine drückende Hitze. Die Rückfahrt ist nicht so angenehm, der Bus ist rammelvoll. Wir haben aber Sitzplätze, gegen Mittag sind wir zurück in Alanya. Wir steigen in der Gegend des Hafens aus, wo wir in einem Restaurant angenehm sitzend Salat, Forelle und ein Bier für DM 10.- verzehren. Man kann überall anstandslos in deutscher Währung bezahlen, wenn man mit den vielen Millionen nicht klar kommt.

Am Nachmittag genießen wir zwischen Dunstschleiern leidlich die Sonne auf unserem Kunstrasen, der inzwischen abgetrocknet ist. Nachdem ich nun das Ringschloß habe, kann ich auch mein Fahrrad aufbauen. Aber nach dem Zimmerwechsel ist ein herber Verlust zu beklagen. Mein schönes tourenerprobte Schweizer Multifunktionstaschenmesser findet sich nicht wieder an. Es muß bei der Müllentsorgung in die Abfalltüte geraten sein. Da ist nichts mehr zu machen, da die Müllbehälter täglich geleert werden.

Da habe ich am ersten Tag doch einen Stand mit Taschenmessern im Basar gesehen. Trotz verzweifelten Suchens finden wir nicht ein einziges Taschenmesser in dem vielfältigen Angebot. So müssen wir uns in Ermangelung eines Korkenziehers unsere verbotene Flasche Wein im Geschäft entkorken lassen und vorsichtig ins Hotel schmuggeln.

Diesen Abend verbringen wir in Harmonie auf unserem neuen Ausguck. Man kann direkt auf die Bar hinab schauen, während man sein Weinchen schlozt. Heidi vergeudet einige Zeit vor dem Fernseher, um einen Wetterbericht aufzuschnappen. Leider ist der Wetterbericht in EuroNews oder 3Sat nur auf das zentrale Europa ausgerichtet. Dort herrscht prima Wetter. Rechts unten, wo auf der Wetterkarte die Türkei liegt, da steht meistens gerade der Kommentator davor. In Sekundenbruchteilen kann man, wenn man Glück hat, die Wolkenwirbel über der Türkei erkennen.

Als wir uns zu Bett begeben, erwartet uns ein weiteres Mysterium. Irgendwo in der Wand brummt es. Die Klimaanlage ist es nicht, da ist der Stecker rausgezogen. Es handelt sich - wie wir später herausbringen - um ein durchgehend laufendes Kühlaggregat für den Vorratsraum, der einen Stock tiefer liegt. An das Geräusch haben wir uns dann nach und nach gewöhnt, indem wir die Taktik der Mischgeräusche bei geöffneter Balkontür angewandt haben.

Weitere Mischgeräusche sind im Badezimmer zu hören. Das Lüftungsgitter unseres und des benachbarten Badezimmers münden wohl in denselben Luftschacht, wodurch man alles unverfälscht miterleben kann. Etwa: "Wo hast Du meine Socken, Schatz?" Besser man hält die Badezimmertür geschlossen, wenn sich etwas Intimes ereignet.

Dienstag

Wider Erwarten beginnt der Tag mit Sonne. Heidi begibt sich an den Pool. Ich starte zur ersten Radfahrt mit dem Ziel Micros Markt, um ein Taschenmesser zu erwerben. Da nun die Entfernung mit dem Rad keine Rolle spielt, finde ich den Markt auch kurz vor dem Ortsende. In dem Kaufhaus ist wirklich alles zu haben, vor allem Naßrasierer. Aber kein Taschenmesser. Um nicht mit leeren Händen zurückzukehren, schaffe ich einen Korkenzieher an.

Auf dem Rückweg streune ich noch einmal durch den Basar, wo ich aber wieder kein Taschenmesser finde. So kehre ich auch zurück zum Pool, wo sich trotz leicht bedecktem Himmel die Haut kaum merklich rötet. Auf diese Weise besteht aber zu keinem Zeitpunkt die Gefahr eines Sonnenbrandes. Alle Mitgäste beklagen das Wetter. Manche kommen schon jahrelang her und haben das noch nie erlebt. Im vergangenen Jahr soll es so heiß gewesen sein, daß man froh war, wieder nach Hause fahren zu können. Vielleicht ist es sogar besser so, denn die Sonne sticht mächtig, wenn sie mal ungehindert scheint.

Am Spätnachmittag machen wir uns mal wieder zu einem Rundgang auf. Und nun finden wir gleich um die Ecke einen Laden, der hat nicht nur deutsche Bücher, sondern auch Taschenmesser. Das ist zwar auch rot, aber weit von einem Präzisionsinstrument entfernt, kostet auch nur 9 Millionen. Die deutschen Bücher dagegen sind unverschämt teuer, einige scheinen schon im Wasser gelegen zu haben, was dem Preis aber keinen Abbruch tut. Der Ladeninhaber erzählt uns auch, daß das Geschäft einmal abgesoffen sei, es liegt nämlich nahe zum Strand. Er sei der einzige in ganz Alanya, wo man deutsche Bücher bekommen könne. Immerhin sind wir guter Dinge, daß wir nicht in den Lesenotstand geraten werden, wenn die mitgebrachten Bücher ausgelesen sind.

Mittwoch

Heute wird es Zeit, daß wir endlich die Burg besuchen, die die Hauptattraktion von Alanya darstellt. Beim Frühstück bekommen wir noch einen wertvollen Tip, welchen Rückweg man wählen soll. Hinauf nimmt man besser den Dolmus, der stündlich fährt. An der Haltestelle gesellt sich bald ein Ehepaar aus Köln zu uns, die uns nun nicht mehr von der Seite weichen. Sie sind im Club Alantur untergebracht, der liegt ganz im Osten der Stadt, wo der Fluß Dim ins Meer mündet. Sie schwärmen sehr von der Anlage, von Essen, Lage, Park und Strand - alles sei ganz prima. Fast werden wir neidisch, aber unsere zentrale Lage hat wegen der Rundgänge auch ihre Vorteile.

So haben wir uns schon einiges erzählt, bis der Dolmus uns zur Burg hinauf bringt. Durch ein Tor betritt man den obersten Bereich der Burg, die insgesamt in drei Komplexe aufgeteilt ist. Sie wurde im 13. Jahrhundert von den Seldschuken angelegt, und hat danach eine wechselvolle Geschichte durchlebt. Aufgrund ihrer Lage auf dem schroffen Felssporn war sie nahezu uneinnehmbar. Einmal soll sie aber doch gefallen sein. Da hat ein pfiffiger Sultan alle Ziegen der Gegend zusammentreiben lassen und diese wurden bei Nacht mit Fackeln versehen der Burg entgegen getrieben. In Erwartung einer überwältigenden Übermacht hat der damalige Befehlshaber sich dann ergeben. So wird berichtet. Weitere geschichtliche Fakten müssen wir den Reiseführern überlassen.

Heute sind von der Burg vor allem die kompletten Umfassungsmauern erhalten. Wir besichtigen nun zwei wesentliche Attraktionen. Das eine ist eine gerade noch erhaltene byzantinische Kapelle aus dem 11. Jahrhundert. Das andere ist ein Platz zum Gruseln, der sog. Menschenabwurf. Dort geht es 250 m fast senkrecht hinunter zum Meer und die Stelle wurde als Richtstätte genutzt. Der Überlieferung nach hatte der Delinquent noch eine Chance, begnadigt zu werden. Wenn er mit einem Steinwurf - ohne Übertreten, versteht sich - das Meer erreichte, ließ man davon ab, ihn auf den gleichen Weg zu schicken. Heute dümpeln unten im Meer die Ausflugsboote, die an den Ufergrotten und steilen Felsabstürzen entlang fahren.

Wir verlassen dieses Allerheiligste der Burg wieder und suchen den empfohlenen Rückweg. Das ist ein kleiner steiniger Pfad, der gleich unterhalb des Parkplatzes vor der Burg links abzweigt. Dort ist ein wunderbares kleines Gartenlokal, wo man einen Tee trinken und die herrliche Aussicht genießen kann. Ich finde einen üppig blühenden Kaktus für ein schönes Foto. Unser Kölner Ehepaar, älter als wir, schlägt sich auf dem weiteren etwas beschwerlichen Weg tapfer. "Früher ging dat alles mit Eseln" meint er. "Ich han ja en Esel dabei" meint sie. Zwischen verfallenden Häusern hat sich eine wilde Vegetation breit gemacht. Da fällt es nicht schwer, ganz langsam zu gehen, um das alles zu bestaunen.

Wir kommen an einer alten Moschee heraus, ringsum befinden sich allerorts Gräber. Ein wenig weiter ist die Suleymaniye Moschee, die einen moderneren Eindruck macht. Links befindet sich ein Raum mit Wasserhähnen, das ist wohl die Fußwaschanlage. Die Moschee wird gerade besichtigt, wir werden von dem Aufsichtführenden aber zurück gewunken. Wir sind nur mit kurzen Hosen bekleidet, da ist man wohl nicht züchtig genug angezogen. Als die vor uns eingetretenen Besucher mit der Besichtigung fertig sind, wird uns aber angezeigt, daß wir nun dran sind. Heidi bekommt ein Tuch ausgehändigt, das sie sich um den Kopf legen muß. Die Schuhe muß man auch ausziehen und den Gebetsraum barfuß betreten. Dort sind Teppiche ausgelegt, auf denen die Gebete Richtung Mekka abgehalten werden. Damit man sich in der Richtung nicht vertut, sind Schnüre gespannt, an denen man sich orientieren kann. Im übrigen ist der Raum ganz schlicht gehalten, da gibt es weiter gar nichts zu sehen.

Dann wird uns die Elektronik gezeigt, über die die Gesänge des Muezzin auf die Lautsprecher übertragen werden. Unser Führer ist der Muezzin selbst, die Gesänge würden life produziert, also nicht vom Band, wie wir erfahren. Leider haben wir es mit einem ganz normal aussehenden jungen Mann zu tun, der gar nicht wie so ein Mullah oder Ayatollah wirkt. Es wird auch nicht vergessen darauf hinzuweisen, wo man eine Spende hinterlegen kann, was man natürlich gerne tut.

As wir mit der Besichtigung fertig sind, kommt der junge Mann mit raus und steckt sich eine Zigarette an.

Der weitere Weg bergab führt durch den ehemals besiedelten Teil der Stadt, viele Mauerreste künden von vergangenen Zeiten. Weiter unten befindet sich ein Denkmal des allgegenwärtigen Kemal Atatürk. "De hat wenigstens ne Schlips jehaht" ist der Kölner Kommentar. Der Weg windet sich schließlich wie in einem Labyrinth durch den noch bewohnten Teil der Altstadt, bis man wieder am Roten Turm und am Hafen herauskommt. Wir verabschieden uns herzlich von dem Kölner Ehepaar, das uns viel Spaß gemacht hat.

Nun haben wir uns die Entspannung am Pool verdient, die Sonne meint es allmählich etwas besser mit uns. Wir erfahren eine weitere Geschichte. Ein Ehepaar aus Sylt hat sich für das Türkische Bad interessiert, das sich unten in der Nähe des Strandes befindet. Bei der Inspektion ist der Mann auf den glatten Steinen ausgerutscht und schwer auf die Seite geschlagen. Nun ist er bettlägerig, möchte aber keinen Arzt konsultieren. Am nächsten Tag kommt er dann ganz klapperig zum Frühstück, ein mitleidenswerter Anblick. Das geballte Mitleid der Hotelgäste tut aber wohl seine Wirkung. Bald schmeckt ihm auch wieder der Raki. Nur von einem Stadtgang muß noch mit dem Taxi zurück gefahren werden, der Aufstieg ist zu beschwerlich.

Ein weiteres Ehepaar aus Hannover hat heute an einer Jeep Safari in das Taurusgebirge teilgenommen. Nun kommen die ganz verfroren wieder. Da oben herrscht ein fürchterliches Wetter, Kälte und Regen, und das alles leicht bekleidet im offenen Jeep. In den nächsten Tagen werden dann auch alle derartigen Ausflüge abgesagt, wie man hört.

Bei unserem heutigen Abendbummel bleiben wir etwas zu lange vor einem Stand mit Meerschaumpfeifen stehen. Schon werden wir wortreich mit Informationen aus dem Bereich der Meerschaumschnitzerei beglückt. Er sei Meerschaumlehrer, teilt uns der Schöpfer der Pfeifenkunstwerke mit. Wir dürfen auch mal probeweise mit dem Messer an einem Meerschaumrohling herumschaben. Schwierig ist es immer, sich dann wieder loszureißen, wenn die Worte wie ein Wasserfall sprudeln.

Wenig später ist einer ganz dreist und versucht uns in ein Restaurant zu lotsen. Wir reden was von "Wir essen im Hotel", was mit "Hier Hotel" beantwortet wird. Dann stellt man uns Stühle in den Weg, um das Ausbüxen zu erschweren. Manche wollen einem auch nur mal vermeintlich unverbindlich die Hand reichen "Guten Tag, wie geht’s?" Wenn man dann nicht reagiert, heißt es empört: "Warum gibst du mir nicht die Hand?"

Donnerstag

Wir haben einen Tip bekommen, wo es Bücher geben soll. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Es handelt sich dann aber nicht um einen Buchladen, sondern um ein Touristikbüro für Ausflugsfahrten. Nun wird uns gleich wieder ein Tee angeboten und wir müssen uns setzen. Die beliebtesten Ausflüge sind eine zweitägige Tour nach Pamukkale, wo sich die berühmten versteinerten Wasserfälle aus Marmor oder sowas befinden. Die andere Fahrt ist dreitägig und führt nach Kappadokien. Das ist eine bizarre Felslandschaft, wo es auch vielstöckige unterirdische Städte gibt. Die Fahrten kosten unter 100 DM mit Hotelübernachtung und Halbpension. Das wäre sicher nicht schlecht, wenn man nicht so lange im Bus sitzen müßte und vor Ort die unzähligen Touristen antreffen würde, die ja wohl aus der gesamten Türkei dorthin gekarrt werden.

Eine weitere eintägige Fahrt führt nach Cap Anamur entlang der östlich gelegenen wildromantischen Küstenstraße. Solange die Berge aber so verhangen sind, lohnt sich das wahrscheinlich auch nicht. Wir erstehen immerhin einen schönen Bildband über Alanya und ein hübsch illustriertes Hodschabuch. Der Nasreddin Hodscha ist eine Fabelfigur, die für alle Lebenssituationen originelle Weisheiten parat hat.

Und dann geschieht das Unfaßbare: zwei Ecken weiter finden wir durch Zufall einen richtigen Buchladen. Sogar einige Bücher in Deutsch von Yasar Kemal befinden sich im Angebot, wenn auch wesentlich teurer als bei uns. Aber noch haben wir ja zu lesen.

Erwähnenswert an diesem Tag ist dann noch die Ledermodenschau, die für den Abend auf der Hotelterrasse angekündigt ist. Auch eine Bauchtanzeinlage ist angesagt. Da haben wir nun gute Karten, können wir doch von unserem Balkon aus das Ganze aus sicherer Entfernung begutachten. Vier junge Damen führen zu schmissiger Musik schicke Lederjacken vor. Natürlich ist der Bauchtanz wesentlich interessanter. Was die Kleidung der Tänzerin angeht, wird wohl jeder strenge Kodex des Islam über den Haufen geschmissen. Auch nähert sich die Dame bedenklich nahe den anwesenden Herren. Da kann einem gar nichts passieren, wenn man durch die Balkonballustrade hindurch spechtet. Zum Schluß werden vier Kleiderständer mit den vorgeführten Ledermodellen aufgefahren, was das anwesende Publikum reglos quittiert. Endlich steht mal einer auf und läßt seine Liebste ein paar Jacken anprobieren. Kaufen tun sie aber auch nichts. Als es den Lederanbietern zu dumm wird, wird das Feld schließlich geräumt.

Freitag

Heute ist Markttag in Alanya. Als eigentlich bereits Ortskundige benötigen wir wohl bald eine Stunde, um die Gegend zu finden, wo der Markt stattfindet. Es ist eben nicht in der Nähe des Hafens, wie es im Reiseführer steht, sondern jenseits der Hauptstraße in einem sonst weniger belebten Teil der Stadt. Aber dann stürzen wir uns doch in das Getümmel, das sich nicht wesentlich von dem in Manavgat unterscheidet. An einem Stand werden abgehäutete Ziegenköpfe verkauft, die sehen mit ihren gebleckten Zähnen grausig aus. Einen Fischstand gibt es auch. Ferner übt in einer Markthalle ein mobiler Schuster sein Handwerk aus. Darauf werden wir noch zurück kommen.

Als wir dem Markt schon den Rücken gekehrt haben, steigen an der Hauptstraße ein paar Leutchen mit Waren aus einem Bus. Als letztes ein altes Hutzelweibchen mit zwei unförmigen Säcken voller Handtücher und Waschlappen. Den einen Sack bindet sie sich umständlich mit Schnüren auf den Rücken. Nun bittet sie einen Passanten, ihr den zweiten Sack oben drauf zu hieven. Der Passant ignoriert das Ganze. Da ich mit staunender Miene direkt daneben stehe, kann ich schnell reagieren, das kann man ja nicht mit ansehen. Durch Gesten wird der Frau klar gemacht, daß ich ihr den zweiten Sack zu ihrem Ziel hin tragen will. Das nimmt sie auch freudig an und rast los, daß man ihr kaum folgen kann. Das wäre ja das Schlimmste, man verliert den Anschluß und steht nachher als Dieb da. Werden einem da nicht hierzulande die Hände abgehackt?

Es geht aber gut und wir erreichen ein anderes Textilgeschäft, wo die Ware abgeliefert wird. Mit Dankesworten, die wir nicht verstehen, werden wir entlassen. Aber das war doch wieder eine nette Episode, wie wir finden. Auf dem Rückweg treffen wir nun prompt eine Bekannte aus dem Nachbardorf Timmerlah. "Die Welt ist klein" sagt man dann ja immer - obwohl das nicht richtig ist, denn sonst treffen wir überhaupt keine Bekannten.

Als wir zum Hotel hinauf steigen, reißt an Heidis Sandale der Riemen. Zum Glück ist es nicht mehr weit zum Pool, wo wir heute zwischen lauter Engländer zu liegen kommen. Ein Kind namens Brooklyn kriegt des öfteren zu hören "Take care of the people" und wir lächeln für Europa.

Der Abendgang hat zwei Aufgaben: neue Sandalen kaufen, und ein Kemalbuch erwerben. Wir suchen uns bewußt ein Geschäft aus, wo man nicht angemacht wird, und kaufen dort die Sandalen. Dann suchen wir einige Zeit in dem Straßengewirr nach dem Buchladen, dessen Lage wir uns nur grob gemerkt hatten. Endlich finden wir ihn. Ich denke mal, wenn man schon mal hier ist, sollt man seinen Kemal auch hier lesen, auch wenn er etwas teurer ist. Wir wählen das Lied der tausend Stiere über den Untergang der turkmenischen Nomaden. Geografisch verhält es sich so, daß der Ort der Handlung noch einmal ca. 500 km weiter östlich von hier liegt, aber das tut der Phantasie keinen Abbruch.

Beim Abendessen werden wir in eine Transaktion verwickelt. Der Chefober, kenntlich durch eine etwas zu groß geratenene Perücke, kommt mit einem Beutel deutscher Münzen an. Das seien 80.- DM, Trinkgeld von Zimmermädchen, ob wir die in Scheine tauschen würden. Gut für die Zimmermädchen machen wir das gerne, weil's gerade so paßt, kriegt er noch 10 DM drauf, da haben wir unseren Anteil gleich mitgeleistet. So glauben wir wenigstens.

Heute abend sind die Berge das erste mal klar zu sehen.

Sonnabend

Wer will raten, wo wir heute hin marschieren. Ist doch klar, zu unserem mobilen Schuster in der Markthalle, um die defekten Sandalen reparieren zu lassen. Tatsächlich finden wir den Schuster, den wir erst vom Zeitungslesen aufschrecken müssen. "Gibt Arbeit" sagen wir, das versteht er natürlich und legt Zeitung und Zigarette weg. Nun leimt und näht er drauf los. Nicht nur die defekten Teile, sondern auch die weiteren Schwachstellen werden einer Inspektion unterzogen. Wir sitzen wie die Hühner auf der Stange auf einem Brett und schauen zu. Bald stehen noch weitere Zaungäste herum und es wird einigermaßen lebendig um uns her.

Nach so 15 Minuten sind die Schuhe fertig. "2 Jahre Garantie" sagt er. Dann runden wir das Entgeld für die Reparatur nach oben auf und verabschieden uns von ihm und allen Umstehenden mit Handschlag.

Schuhputzer

Wir wollen heute eine Bootsfahrt unternehmen, um den Felssporn, auf dem die Burg steht, auch von der Seeseite her kennen zu lernen. Dazu sucht man sich ein Boot für eine Stunde aus, es kostet 10.- DM. Schwierig ist allerdings wieder, sich eines auszusuchen. Sofort begleiten einen die Anbieter und lassen einen nicht wieder aus den Fängen. Wir wählen schließlich ein Boot, auf dem bereits einige Touristen sitzen. Es kann einem ja passieren, daß man ewig auf dem Boot sitzen bleibt, weil es nicht voll wird. Diesmal geht es aber nach 15 Minuten los.

Man passiert zuerst die unterirdischen Hallen der mittelalterlichen Bootswerft. Der militärische Sinn dieser Einrichtung ist uns nicht ganz klar, denn sie sind eher auffällig und fallen einem potentiellen Feind eher ins Auge, als irgend eine versteckte Bucht. Ich habe nun auch gleich Probleme, mich auf derlei Gedanken zu konzentrieren, hat sich doch ein Einheimischer neben mich gesetzt. Er spricht gut Deutsch, weil er einige Zeit in Krefeld- Ürdingen verbracht hat. Nun erzählt er seine ganze Lebensgeschichte, von seiner Tochter in Deutschland, seiner geschiedenen Frau, daß er katholisch sei, daß die ganze Bürokratie viel Geld verschlinge usw. Er arbeite gerade als Dolmetscher in den Hotels.

Inzwischen sind wir schon um die Landspitze herum gefahren und entdecken, daß hinter der Burgmauer der Berg seeseitig praktisch senkrecht abbricht. Tief unten liegt die Piratenhöhle. Dort sollen früher die Beutegüter gelagert worden sein, zu denen auch entführte Mädchen gehört haben sollen. Ein wenig weiter hört sich das schon weniger schaurig an, dort liegt die Liebeshöhle. Ein Besatzungsmitglied des Bootes köppert nun von Bord und ist nach wenigen Schwimmzügen an der Höhle. Er klettert hinauf zum Eingang und verschwindet dort. Das Boot nimmt wieder Fahrt auf. Nun kann man messerscharf kombinieren, daß der junge Mann auf der anderen Seite des Felssporns wieder zum Vorschein kommen wird.

Vorher sind auf der Landspitze Cilvarda die Reste eines byzantinischen Klosters zu sehen. Früher gab es einen in die Felsen gehauenen Weg dorthin, der ist heute zerstört. Nun biegen wir um die Landspitze herum und laufen den Ausgang der Liebeshöhle an. Der junge Mann wartet schon und springt nach Art der Todesspringer von Acapulco von einem 10 m hohen Absatz ins Meer.

Wenig weiter ist die Phosphorhöhle, in die das Boot sogar ein wenig hineinfahren kann. Der Name rührt von der Farbe des Wassers her, besonders am Nachmittag, wenn das ganze in Sonnenlicht getaucht ist. Hoch oben der Menschenabwurf, an den Gittern gruseln sich gerade wieder welche.

Bald kehrt das Boot um und man ist pünktlich zurück. Wir haben sicher eine der schönsten Bootsfahrten erlebt, die man innerhalb einer Stunde machen kann.

Bei dem heute schönen Wetter vergeht die Zeit bei allerlei Geschwätz am Pool auch nicht schlecht.

Am Abend treffen wir unvermittelt auf der Straßen unseren Chefober mit der Perücke. Der zieht sogleich eine Plastiktasche hervor. Heute hat er 120.- DM in Münzen dabei. "Von Bruder in Geschäft" sagt er. Aber nicht noch mal mit uns, denken wir. Was soll man bei der Zollabfertigung sagen, wenn man säckeweise Markstücke mit sich herumträgt. Wir versichern also nicht ganz wahrheitsgemäß, daß wir nur noch Schecks hätten. "Ist ja nur für Bekannten" sagt er nun, vorhin war's noch sein Bruder.

Später beim Abendbrot sehe ich, wie unser Freund verstohlen einen Hundertmarkschein wegsteckt, da hat er wohl einen anderen Devisentauscher gefunden.

Heute ist Sonnabend, da trinkt wohl manch einer gern einen über den Durst. Wir zwar nicht, wir schlafen schon tief. Genau um Mitternacht schrecken wir auf, da erhebt sich eine dozierend skandierende Frauenstimme im Nachbarzimmer, mit dem wir ja auf so innige Weise durch die gemeinsame Badezimmerakustik verbunden sind. Wir wollen uns ja nun nicht als Spanner aufführen, können aber leider nichts daran ändern, daß jedes Wort zu verstehen ist. Es spielt sich alles in schönem Mainzer Dialekt ab, wobei der Mann aber nur ein gelegentliches Brummeln von sich gibt. Die Publikumsbeschimpfung enthält u.a. das abgewandelte Götzzitat: "Du kannst mich mol von hinne un von vonne". Es folgt die Verheißung: "Ich will von Dir nix mehr hörn und du wirschd von mir nix mehr hörn". Dem ist zunächst aber nicht so.

Nach einiger Zeit erfolgt ein hysterisches Lachen, das wir als Abschluß eines erfolgreichen Liebesvorspiels werten. Dann können wir wieder einschlafen. Pünktlich um 2.30 Uhr geht das Ganze wieder los. Heidi ist in solchen Situationen die Resolutere und bummert den Nachbarn dreimal an die Zimmertür. Danach ist Ruhe.

Sonntag

Wir wollen noch einmal auf den Burgberg. Wir haben die mittlere Anlage noch nicht gesehen. Außerdem hat man da oben eine alte Karawanserei zum Hotel umfunktioniert, das kann man sich ja mal ansehen. Zunächst landen wir natürlich in dem kleinen Restaurant am Parkplatz. Heute wird es teuer, abgesehen von dem Apfeltee. Wir erstehen einen weiteren Bildband über Alanya, der von einem pensionierten Lehrer verfaßt wurde. Außerdem kommt Heidi nicht an einer der Tischdecken vorbei, die zum Verkauf aufgehängt sind.

Wir wandern wieder den Berg hinunter und kommen an der Rückseite jener ehemaligen Karawanserei heraus. Bald stehen wir auch vor der Vorderseite und werfen einen Blick in den Innenhof. Da zweigen kleine Zimmertüren zu den Schlafräumen ab. Wir wagen uns noch ein wenig weiter und entdecken prompt ein Gewölbe mit der Kennzeichnung "Harem". Ist wohl heute eher ein Speisesaal. Man hat uns erzählt, daß unter dem Gebäude noch verließartige Gewölbe seien. Es läßt sich von den dienstbaren Geistern aber keiner herbei, uns diese zu zeigen.

Wir wandern nun durch enge Gäßchen zu den Überresten der mittleren Burganlage. Hier sind noch ein paar mehr Mauern erhalten als auf der oberen Burg. Ein Mädchen wandert hier herum und erklärt den Gästen den Zweck der ehemaligen Gebäude. Obwohl die Burg etwa im 12./13. Jahrhundert in dieser Form angelegt wurde, wird alles auf unsere gute Kleopatra bezogen. Hier war ihr Badehaus, dort ihr Schlafgemach. Durch ein Portal hat man einen schönen Blick auf den Kleopatrastrand. Das war ihr Schlafzimmerfenster. Der geschichtliche Hintergrund besteht darin, daß einst nach der Ermordung Caesars 44 v. Chr. jener Antonius die Herrschaft des Oströmischen Reiches übertragen bekam. Nach seiner Heirat mit Kleopatra hat er die Burg und den umgebenden Distrikt seiner Gemahlin zum Geschenk gemacht. Die hat sich dann wohl nicht nur an dem nach ihr benannten Strand geahlt, sondern die wertvollen Zedernwälder zum Bau ägyptischer Kriegsschiffe abholzen lassen. Leider endet diese Geschichte mit einer Niederlage 30 n.Chr. und dem Selbstmord der Beteiligten. Wenn ich richtig rechne, liegen aber fast 70 Jahre dazwischen, über die nichts berichtet wird.

Man kann in den Burgruinen luftig zwischen den Zinnen herumklettern, worauf ich mit Rücksicht auf meine zagende Gattin auch gern verzichte. "Can I help you" bietet einer an, aber ich winke ab. Schadenfroh schauen wir einer Holländerin zu, die sich zitternd mit Unterstützung ihres Begleiters eine steile Rampe herunter quält. Wir wählen nun einen Weg geradewegs den Hang hinunter, der in einem Kiefernwäldchen endet. Da ist es durch die herabgefallenen Kiefernnadeln recht rutschig und ich heimse mal wieder gehörige Kritik über diese Abkürzung ein. Als wir an einem Friedhof rauskommen, sind wir wieder unter den Lebenden.

Nun sind es nur ein paar hundert Meter durch neu bebautes Gelände, dann sind wir schon an unserem Hotel, wo wir den sonnigen Tag in gewohnter Weise angenehm genießen.

Montag

Wir erleben den ersten Tag, der einen daran denken läßt, sich an den Strand zu begeben. Dort kann man Liegen und einen Sonnenschirm mieten, sich bequem lagern und den Blick über das blaue Meer schweifen lassen. Das Wasser ist nicht ganz vertrauenerweckend, da schwimmen so einige bräunliche Schaumbläschen herum. Wenn man etwas weiter raus schwimmt, wird es sauberer. Ein paar mutige Jugendliche klettern auf die Felsen und köppern dann runter, gerade so erreichen sie das Wasser. Ab und zu kommen Ausflugsschiffe um die Felsnase, manche ankern auch zu einer Badepause.

Mehr gibt es von diesem Tag eigentlich nichts dramatisches zu berichten. Immerhin haben wir uns die nötige Bräune geholt, wenn auch auf Schienbeinen und Fußrücken es bedenklich brenzelt. Abends brenzelt es auch hoch oben im Gebirge, da steigt plötzlich eine senkrechte Rauchsäule auf. Wir denken an die verheerenden Brände, von denen man immer wieder liest. Aber der Spuk ist bald vorbei.

Der Abend wird frisch, so sitzen wir mit unseren Kemalbüchern ganz gemütlich in unserem Zimmer und machen einen Leseabend.

Dienstag

Wir wollen unsere Bildung weiterhin nicht verkommen lassen und nehmen uns für heute die unterirdische Werft vor. Wir wählen wieder den Weg zum Hafen über den Berg, schlüpfen dann am Roten Turm links durch und balancieren auf dem Mauersims Richtung Werft. Alsbald kommt uns ein freundlicher Herr entgegen und zeigt uns den Weg. Am Eingang zur Werft geht es über glitschige Steine, dort quittiert Heidi die weitere Begleitung. Der freundliche Herr geht munter winkend voran und ich folge ihm. Man betritt die unterirdischen Hallen, die so eine Art Trockendock mit ansteigendem Boden bilden. Trotz der Dunkelheit gelingt mir ein gutes Foto von den Verbindungsbögen zwischen den fünf Hallen. Der freundliche Herr ist nicht zu bremsen, nun lotst er mich auf der anderen Seite wieder hinaus, den Hang hoch auf den Turm der ehemaligen Kanonengießerei. Viel zu sehen ist da aber eigentlich nicht. Zu meiner Information erfahre ich per Zeichensprache, daß die Schießscharten zum Schießen benutzt wurden. Das ist sehr informativ. Nun wird gegenseitig auf Wunsch des freundlichen Herrn ein Foto gemacht.

Beim Verpacken des Fotoapparates gerät mir die Geldbörse in die Hand, man sollte sich für die nette kleine Führung doch immerhin erkenntlich zeigen. Leider habe ich kein Kleingeld, nur 10 Millionenscheine (DM 7.50). Der freundliche Herr hat schon seinerseits ein paar Geldscheine aus der Tasche gezogen und ich gebe ihm einen Schein in Erwartung von Wechselgeld. Dem ist aber nicht so, er zeigt weiter auf meine Geldbörse und ich gebe ihm - warum weiß ich bis jetzt nicht - einen weiteren Schein. Da zeigt er weiter fordernd auf meine Geldbörse. Jetzt erst kapiere ich, er hält mich für doof, womit er nicht ganz unrecht hat. Ich schalte endlich und winke ab. Die Münze im Wert von 20 Pfennig, die er erspäht hat, will er aber auch noch haben. Mir geht ein Licht auf, was da gespielt wird und ärgere mich maßlos. Natürlich kann ich ihm das Geld nicht wieder abnehmen, auch möchte ich bei dem Rückweg nicht am Fuß der Klippen enden. Also folge ich ihm zähneknirschend wieder hinunter.

Dort finde ich meine Gattin aufgelöst vor. Sie ist in der Zwischenzeit von einem seltsamen Individuum belästigt worden. Zum Glück kamen dann ein paar andere Leute um die Ecke, sonst weiß man nicht, was noch passiert wäre. Also eine Begegnung der dritten Art, das gehört auch dazu.

Wir machen nun zur Entspannung die offizielle Besichtigung des Roten Turms. Das kostet nur einen Bruchteil dessen, was man mir gerade abgeluchst hat. Man steigt dort drinnen etliche etwas eigenartige Treppen hinauf, bis man auf die obere Plattform gelangt. Dort ist die Öffnung der Zisterne, die bis zum Fuß des Turms hinunter reichen soll. Sie konnte den Wasserbedarf für ein ganzes Jahr speichern. Oben von den Zinnen hat man wieder die berühmten Ausblicke. Heidi ist inzwischen einem weiteren deutschen Paar beim Fotografieren behilflich.

Am Nachmittag werden wir Zeuge eines Lichtspiels über dem Meer, daß sich nur selten ereignen soll. Die dünne Wolkendecke hat manchmal kreisrunde Löcher, wo die Sonn hindurch scheinen kann. An der Stelle sieht es aus, als ob das Meer brodelt. In dem so entstehenden Kamin scheint das Wasser in einer Säule aufzusteigen. Einige behaupten, das sei eine Windhose und vor Jahren sei einmal ein Fischerboot darin verschwunden. Es handelt sich aber wohl doch nur um ein Lichtspiel. Beim Abendessen beobachten wir dann sogar weit hinten am Horizont mehrere solcher Erscheinungen nebeneinander, das sieht aus wie eine Orgel.

Mittwoch

Heidi hat es erwischt, was die Verdauung betrifft. Ein Aufenthalt am Strand ist daher ausgeschlossen, weil das dortige - etwas zweifelhafte, trotzdem gebührenpflichtige - WC keine Tageskarten ausstellt. So bleibt ihr nichts anders übrig, als in sicherer Entfernung zu unserem Zimmer am Pool zu verweilen und des öfteren die Treppe hinauf zu eilen.

Selbstsüchtig beharre ich nun darauf, heute endlich meine Radtour machen zu dürfen. Es gibt grünes Licht, von 10 bis 14 Uhr setze ich dafür an. Bald rolle ich auf der belebten Hauptstraße vorbei an fürchterlichen Hotelzeilen Richtung Osten. Wenn man die Hotels hier so begutachtet, weiß ich gar nicht, mit welchem Recht wir uns über das erste laute Zimmer beschwert haben. Hier gehen alle Balkons zur Hauptstraße raus. Wenig weiter ist der Aquapark, ein Badezentrum mit haushohen einer Achterbahn ähnlichen Wasserrutschen.

Für meine kleine Tour habe ich mir den Dim Fluß ausgesucht, der mündet direkt neben jenem Club Alantur. An der Straße in Richtung des Dimtales fahre ich natürlich glatt vorbei, weil da nichts ausgeschildert ist. Das ist auch ganz gut so, denn der schönere Teil meiner Tour beginnt wenig später, als ich den Ort Kestel erreiche. Kaum bin ich von der Hauptstraße abgebogen, kommt mir ein altes Mütterchen mit einer Trage voll Gras entgegen und setzt sich in den Schatten zum rasten. Welch ein Kontrast! Es geht nun zwischen Bananenplantagen dahin, überall ist es grün und blüht üppig. Ich fahre in dem hügeligen Küstenvorland des Taurus herum, allerdings ziemlich ohne Orientierung. So endet auch der erst Teil der Tour vor irgend einem Ziegenstall und es geht nicht weiter.

Nachdem ich gerade umgekehrt bin, treffe ich ein deutsches Radfahrer Ehepaar auf Mountainbikes. "Ich verfahre mich hier dauernd" klage ich mein Leid. Ihnen geht es nicht besser. Sie wollen wohl nur ein bißchen rumfahren, egal wo. Wie man in das Tal des Dim kommt, wissen sie auch nicht.

Der nächste Versuch ist erfolgreicher, über einen Berg hinweg und nach rasanter Abfahrt erreiche ich tatsächlich eine Brücke und damit die Straße, die ich gesucht habe. Die erste Attraktion ist eine schwankende Hängebrücke über den Fluß, auf die ich mich ein paar Meter hinaus wage. Sonst bin ich ja mit solchen Sachen ganz mutig, aber hier schwankt es so bedrohlich, daß die Kniekehlen flattern. Das wäre was für Heidi. Dann sehe ich eine Art Baumbutze, da hat man eine Plattform für erholsame Stunden in eine Baumkrone gebaut.

Bald schon stellt sich raus, daß diese Route gar nicht so originell ist und in die reine Natur führt. In dem Tal des Dim reihen sich nämlich die Picknickstationen wie die Perlen auf der Schnur. Dort sucht man an heißen Sommertagen die Kühle auf, indem man sich auf über den Fluß gebauten Plattformen niederläßt und die Bewirtung genießt. Im Moment ist hier tote Hose, obwohl einem auch hier ab und zu "Biehteschöön" von der Seite zugerufen wird. Die Lokalitäten heißen dann auch in gut Deutsch Forellenwirt oder Forellenhof.

Eigentlich suche ich die Dim-Höhle, die hier irgendwo in der Gegend sein muß. Es findet sich aber keinerlei Hinweis darauf. Ich fahre das Tal etwa 12 km hinauf, schließlich enden auch die Picknickstationen. Das Tal verengt sich zu einer Schlucht und die Straße klettert hinauf. Bevor es wieder runtergeht, beschließe ich, umzukehren. Es regnet und vorne wird es noch schwärzer. In Richtung Küste kann man den blauen Himmel sehen, dort ist die Wolkendecke wie mit dem Messer abgeschnitten. Zurück geht es auch schneller, weil meistens bergab.

Endlich wieder in der Sonne kann ich mich wieder aufwärmen. Am Straßenrand steht ein Zierkamel, gut für ein Foto. In dem Moment kommt aber schon einer gelaufen und will ein Bakschisch. Ich stelle mich dumm und schwinge mich auf das Fahrrad. Um in Alanya nicht wieder auf der trostlosen Hauptstraße zu landen, pobiere ich ein paar Seitenstraßen aus. Die sind noch scheußlicher: Baustellen, Staub und verlassene Häuser. Pünktlich um 14 Uhr bin ich wieder zurück, damit sich niemand Sorgen zu machen braucht. Immerhin bin ich 55 km in diesen vier Stunden gefahren.

Donnerstag

Der letzte Tag bricht an und der ist, wie sollte es anders sein, ein Sonnentag. Aus Sicherheitsgründen wagt sich Heidi noch nicht vom Hotel weg und ich hole ihr ein türkisches Mittel aus der Apotheke. An der Rezeption wird uns die Gebrauchsanleitung übersetzt. Der junge Mann ist nun auch noch ein Deutschlehrer, wahrscheinlich verdient er hier mehr als an einer Schule.

Den Rest des Tages schauen wir den Arbeitern zu, die an der Straße eine wadenhohe Schutzmauer betonieren. Auf dem Weg hinunter zum Strand liegt rechts etwas versteckt ein ganz urig anmutendes Restaurant. Da haben wir noch nie einen Gast gesehen. In den letzten Tagen war man dort fleißig und hat ein Podest direkt neben der Straße aufgebaut. Da ist bis jetzt auch noch kein Gast gewesen.

Zum Abschied kann ich einen Sonnenuntergang fotografieren, ein Bild, wie man es auf der ganzen Welt schießen kann, trotzdem sagen immer wieder alle "Oh" und "Ah". Am Abend ist ein türkischer Abend angesetzt. Vorher gehen wir noch hinunter, um Gewürze einzukaufen, den Laden haben wir uns schon vorher ausgesucht - ohne Anmache. Gleich werden wir zu einem Tee herein gebeten. Ein weiteres Ehepaar erscheint, die kommen schon viele Jahre. Also sind wir richtig.

Höhepunkt der Gewürzorgie ist die Zusammenstellung einer Osmanischen Mischung. Da werden in eine Tüte eingefüllt:

1. Basilikum
2. Thymian
3. Oregano
4. Majoran
5. Kümmel
6. Curry
7. Paprika süß und scharf
8. Schwarzer Pfeffer

Das wird dann alles durchgemischt und kann für alle Speisen mit Ausnahme von Sahnetorte und Vanillepudding verwendet werden. Vielleicht heben sich die Gewürze in ihrer Wirkung aber auch gegenseitig auf? Das andere Ehepaar versichert, daß dem nicht so sei.

Wir begeben uns nun zum Türkischen Abend bzw. auf unseren Balkon, wo wir wieder durch die Ballustrade spechten. Wir sind wieder froh über den Sicherheitsabstand, denn die Touristen werden stark in das Geschehen einbezogen. Man muß sich in Shorts mit heraushängendem Hawaihemd zum Gebet verneigen oder die Schritte der Türkischen Tänze nachahmen, obwohl das Gürteltäschchen ein wenig hinderlich ist.. Dem allen kommt man mit gequälter Mimik nach. Am Schluß hocken sich alle hin und eine Bauchtänzerin gestikuliert thriumphierend und mit schwingenden Hüften über das ihr zu Füßen liegende Elend.

Menschen im Hotel

Beginnen wir mit dem Besitzer des Hotels. Zwei andere Hotels soll er auch noch haben und einer der reichsten Männer der Stadt sein. Der ältere Herr tritt weißgekleidet auf, ganz so wie man sich einen türkischen Aga oder Bey vorstellt. Um seine Macht zu demonstrieren, steht auf dem Nummernschild seines dunkelgrünblauen Mercedes in großen Letter sein Name, das amtliche Kennzeichen ist kaum erkennbar in die Ecke gerutscht. Seine Frau dagegen sieht aus wie alle hier, bescheiden und mit Kopftuch.

Die Aufsciht hat ein Hotelmanager, der mit stets verkniffenem Gesicht herumstreicht. Der junge Mann an der Rezeption quittiert das mit den Worten: "Der hat Probleme mit den Lachfalten".

Die Frauen, die die Zimmer zurecht machen, haben auch einen eigenartigen Arbeitsrhythmus. Sie betreten jedesmal zuerst den Balkon des gerade in Arbeit befindlichen Zimmers und schauen sich die Gegend an. Da sie auch sonst nicht durch überschnelle Geschwindigkeit auffallen, sind die letzten Zimmer meistens erst am späten Nachmittag fertig.

Weitere dienstbare Geister bemühen sich um die Bepflanzungen, den Pool, und die Reinigungen der Plattenwege und -treppen. Einer von denen, ein älterer Mann, überreicht Heidi mal spontan eine Rose, die er irgendwo abgepflückt hat. Die Rose hat auch getreu bis zum Schluß in einem Zahnputzglas das Auge erfreut.

Unter den Gästen ist fraglos der Originellste ein "Mr. Bean". Der könnte dem Aussehen und dem Benehmen nach sehr gut als Double jenes englischen Tolpatschkomikers durchgehen. Als ich Heidi beim Abendessen das erste Mal auf diese Erscheinung hingewiesen habe, hat sie sich fast verschluckt. Ich werde einmal Zeuge, wie er sich das erste Mal in den Pool begibt. Das ist filmreif. Erst den großen Zeh in das Kinderbecken tauchen und sich das erste Mal schütteln. Dann mit vor Kälte gekrümmtem schneeweißem Rücken zentimeterweise die Leiter in das Wasser hinabsteigen. Aber nur bis dort, wo die Beine in der Badehose verschwinden. Durch die dort befindlichen Körperteile dringt die Wasserkälte wohl bis unter die Hirnschale. Endlich befindet man sich bis zum Bauchnabel im Wasser, wobei allerdings die Oberlippe unkontrolliert zu flattern beginnt. Mit dem Ausruf "Ist das Kalt!!!" gelingen endlich die ersten Schwimmzüge. Bleibt zu bemerken, daß die Wassertemperatur so um die 20 Grad beträgt und gerade noch als Kühlung herhalten kann.

Heidis Liebling ist eine Dame mit ausladendem Körperbau, die sich konsequenterweise nur in Rot kleidet. Heidi meint, das würde überhaupt nicht zu ihrem Typ passen. Das kann ich wieder nicht verstehen, paßt Rot doch wegen des permanenten Sonnenbrandes sehr gut zu der Hautfarbe. Heidi erfindet schließlich den Spitznamen "Der rote Frieder", wer den Hintergrund dazu wissen will, muß das Buch Die Oberheudorfer lesen.

Eine Dame aus Bayern erzählt uns, daß es an einem Tag einen Mord in Alanya gegeben habe. Es sei der Besitzer einer Disco wegen eines geplanten Besitzerwechsels oder so erschossen worden. Da war das ganze Gebiet um den Hafen durch die Polizei abgeriegelt. Aber so was hängt man hier nicht an die große Glocke, um die Touristen nicht zu verschrecken.

Rückfahrt

Unser Rückflugtermin hat sich um ein paar Stunden nach hinten verschoben. Auf dem Flughafen in Antalya stellt sich dann heraus, daß wir auch statt mit Aero Lloyd mit Sun Express, einer türkischen Fluggesellschaft fliegen werden. Meine Hauptsorge besteht darin, daß ich für das Fahrrad noch einmal 50.- DM Fracht bezahlen muß, aber dem ist nicht so. Als wir unsere Frau im Nebel wieder entdecken, wissen wir, daß wir richtig sind. Mit dem Flug geht alles gut, leider haben wir nur zwei Gangplätze bekommen. In Hannover ist es kalt, anscheinend waren wir doch im Süden. Wir fahren nun mit dem Flughafenbus bis Hannover Hbf. von dort mit der Bahn nach Braunschweig und schließlich mit dem Taxi nach Hause.